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Bussgeld wegen fortgesetzter und vorsätzlicher, unterlassener Werbekennzeichnung - Influencer-Marketing Recht, AG Stuttgart Urt. vom 11.11.2022, Az.: 1 OWi 170 Js 124570/21

Leitsätzliches

1. Nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MStV handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV Werbung nicht als solche klar erkennbar macht oder nicht eindeutig vom übrigen Inhalt der Angebote trennt.
2. Der werbliche Charakter der verfahrensgegenständlichen Beträgen und Instagram-Stories, als Werbung im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV, erschließt sich insbesondere angesichts der Produkt- und Markenbezogenheit der Darstellung und der Verwendung werbetypischer Floskeln bei der Präsentation.
3. Dass die Betroffene auf ihrem Account nebenbei auch - angeblich - private Inhalte veröffentlicht bzw. geschäftliche Inhalte mit - vorgeblich - privaten Inhalten vermischt hat, ändert nichts am grundsätzlich geschäftlichen Charakter der Veröffentlichungen, für die sie jeweils eine Gegenleistung erhalten hat.
4. Bei der Bemessung der Höhe der jeweils zu verhängenden Geldbuße wurde zugunsten der Betroffenen jeweils insbesondere berücksichtigt, dass sie mit derartigen Verstößen erstmals in Erscheinung getreten ist, sie also noch nicht vorbelastet ist, und den Sachverhalt weitgehend hat einräumen lassen. Andererseits konnte die enorme Reichweite der Betroffenen auf Instagram bei der Bedeutung der Sache nicht außer Acht gelassen werden.

Az:
1 OWi 170 Js 124570/21

Amtsgericht Stuttgart

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Bußgeldverfahren gegen

[…]

Verteidiger: […]

wegen OWi – MStV

Das Amtsgericht Stuttgart hat in der Hauptverhandlung vom 11.11.2022, an der teilgenommen haben: Richter am Amtsgericht [...] als Richter[…] als Vertreterin der Landesanstalt für Kommunikation

Rechtsanwalt […] als Verteidiger

Von der Zuziehung eines Urkundsbeamten wurde abgesehen.

für Recht erkannt:

Die Betroffene ist schuldig 19 rechtlich selbständiger, jeweils vorsätzlich begangener Ordnungswidrigkeiten nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Staatsvertrags zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland in Verbindung mit dem Gesetz zu dem Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland vom 30.06.2020.

Sie wird jeweils zu der

Geldbuße von 500,- Euro

verurteilt.

Die Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen.

Angewandte Vorschriften: §§ 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 1 des Staatsvertrags zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland in Verbindung mit dem Gesetz zu dem Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland vom 30.06.2020, § 20 OWiG

Gründe:

I.

Die 25 Jahre alte ledige Betroffene […] ist von Beruf Unternehmerin, Designerin und Influencerin im Social-Media-Bereich. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung hatte sie ihren Hauptwohnsitz in […] und einen weiteren Wohnsitz in […] begründet. Weiteres zu ihren persönlichen Verhältnissen ist nicht bekannt.

II.

In der Hauptverhandlung am 11.11.2022 wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

Die Betroffene betreibt auf der Social-Media-Plattform Instagram des Unternehmens Meta unter [...]instagram.com/[…] einen für jeden Instagram-User einsehbaren Account mit einer im Zeitraum zwischen März 2021 und dem 11.11.2022 konstanten 1 OWi 170 Js 124570/21 Reichweite von über 400.000 Followern bzw. Abonnenten. In den von ihr regelmäßig veröffentlichten Beiträgen und Instagram-Stories gewährt die Betroffene ihren Followern und anderen Usern von Instagram Einblicke in ihr Leben. So setzt sie sich in mehr oder weniger ansprechend gestalteten Fotos und Videos selbst in Szene, stellt einen mondänen Lebensstil zur Schau und präsentiert dabei regelmäßig Produkte und Dienstleistungen, deren Vorzüge sie anpreist, um bei ihren Followern und anderen Usern von Instagram Interesse an diesen Produkten und Dienstleistungen zu wecken. Dabei bewirbt die Betroffene nicht nur ihre eigene Marke […], die unter anderem Pasta vertreibt, sondern darüber hinaus regelmäßig insbesondere Kleidung, Schmuck und Körperpflegeprodukte sowie Reiseangebote namhafter Unternehmen bzw. Marken wie Paul Valentine, NA-KD, Oceans Apart, AsamBeauty, Claire Luise und About You. In ihren Beiträgen und Instagram-Stories verwendet die Betroffene regelmäßig Rabattcodes, um den Kaufanreiz bei ihren Followern und anderen Usern von Instagram zu erhöhen. Soweit die Betroffene als Werbefigur für namhafte Unternehmen bzw. Marken auftritt, erhält sie von den jeweiligen Unternehmen für jeden Beitrag und jede Instagram-Story jeweils eine Vergütung in Höhe von mindestens 1.000,- Euro, darüber hinaus auch weitere Vorteile wie insbesondere die kostenlose Zurverfügungstellung der von ihr beworbenen Produkte oder Dienstleistungen. Sofern ein Produkt oder eine Dienstleistung in einem Beitrag und zudem in einer Instagram-Story von der Betroffenen beworben wird, erhöht sich die Gegenleistung noch einmal signifikant.

Im März und April 2021 veröffentlichte die Betroffene, der die Kennzeichnungspflicht werblicher Inhalte auf Social-Media zu diesem Zeitpunkt bekannt war, auf Instagram die folgenden 19 Beiträge bzw. Instagram-Stories, die jeweils einen werblichen Charakter aufwiesen, ohne dass dieser werbliche Charakter in geeigneter Art und Weise im Wege einer Kennzeichnung von ihr erkennbar gemacht wurde. Wie von der Betroffenen zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, war der werbliche Charakter dieser Beiträge und Videos für die Betrachter auch aus dem Kontext heraus nicht ohne weiteres ersichtlich, zumal die Betroffene auf ihrem Account werbliche Inhalte mit - vorgeblich - privatem Content vermischt hat.

1.

Am 02.03.2021 stellte die Betroffene unter […] einen Beitrag online, der von mindestens 8.426 Personen geliked wurde und in dem sie in einem roten oder pinkfarbenen Kleid auf einem Steg vor malerischer Urlaubskulisse stehend zu sehen war und für @theasia.collective werbend in einem schriftlichen Kommentar zu dem Beitrag mitteilte:

„...das ist mittlerweile meine 4. Reise die von @theasia.collective organisiert wurde. Wir sind total happy. Von Anreise und Transfer bis hin zu den kleinsten Details ist alles perfekt durchgeplant und organisiert. Durch die guten Kontakte von @theasia.collectiveorganisiert zu allen Hotels bekommt ihr immer die besten Zimmer und Preise. Bei der großen Auswahl an Hotels auf den Malediven bin ich immer froh wenn mir die Entscheidung von jemand abgenommen wird der jedes Resort in und auswendig kennt. (...) Wir bleiben insgesamt 13 Tage (...).“

2.

Am 05.03.2021 warb die Betroffene unter […] in einem Post, der von mindestens 4.482 Personen geliked wurde, für oceansapart.de. Darin war die Betroffene in einem pinkfarbenen Sportoutfit unter Palmen im Sand joggend zu sehen. In einem schriftlichen Kommentar teilte sie dazu mit: „Outfit @oceansapart.de (...) Heute habe ich einen besonderen Code für euch: „[…]“ ab einem Bestellwert von 69€ bekommt ihr 2 Gratisgeschenke bei dem ihr die Möglichkeit habt eins davon an ein Frauenhaus zu spenden und #oceansapart verdoppelt diese Spende (...).

3.

Ebenfalls am 05.03.2021 warb die Betroffene zusätzlich in einem über eine Instagram-Story veröffentlichten Video für oceansapart.de. In dem Video war sie in einem pinkfarbenen Sportoutfit über einen Steg joggend und bei Sportübungen am Strand zu sehen. In der Story wurde auf den Rabattcode „[…]“ verwiesen und mitgeteilt, dass man ab einem Bestellwert von 69,- Euro zwei Gratis-Geschenke erhalte.

4.

Am 07.03.2021 bewarb die Betroffene in einem über eine Instagram-Story von ihr veröffentlichten Video Schmuck von @paulvalentine. In dem Video zeigte die Betroffene diverse Schmuckstücke, unter anderem eine Kette, eine Uhr und Ohrschmuck, sowie eine Sonnenbrille und es wurde eingeblendet „20%auf alles“, „Code „[…]“ sowie „20% - […]“. Dabei teilte sie in dem Video die Vorzüge des Schmucks mit. Während sie die Sonnenbrille in die Kamera hielt, war auf der Brille deutlich der Schriftzug „PAUL VALENTINE“ zu sehen und im Bild erschien der Link @paulvalentine. Des Weiteren war zu der Brille zu lesen: „my fav sunglasses“.

5.

Am 10.03.2021 bewarb die Betroffene in einem über eine Instagram-Story von ihr veröffentlichten Video diverse Kosmetikprodukte der Marke @asambeauty. Während die Betroffene die Produkte zeigte bzw. die Kamera auf die aufgestellten Produkte richtete, erschien im Video die Mitteilung „auf alle Produkte von @asambeauty“ sowie „20% CODE“ und „[…]-2103“. Die Produkte wurden von der Betroffenen als „Eine meiner Lieblings Haarmasken“ bepriesen. Unter einem dieser Produkte erfolgte die Mitteilung „Stärkt & restrukturiert das Haar in nur 3 min“.

6.

Am 16.03.2021 bewarb die Betroffene in einem über eine Instagram-Story von ihr veröffentlichten Video diverse Kosmetikprodukte der Marke @sophierosenburg. Während in dem Video die Produkte gezeigt wurden und die Betroffene die Vorzüge eines Serums für Wimpernwachstum mitteilte, erschien der Schriftzug „habe nochmal einen Code für euch von @sophierosenburg organisieren können“. In dem Video wurde wiederholt auf den 25%-Rabattcode „[…]“ verwiesen.

7.

Am 21.03.2021 bewarb die Betroffene in einem über eine Instagram-Story von ihr veröffentlichten Video die Aktienhandelsapp @nextmarkets_app. In dem Beitrag teilte sie „an alle die erst Mal mit geringerem Risiko einsteigen wollen“ mit: „bei @nextmarkets_app könnt ihr z.B. schon für 10€ die Amazon oder für 50€ die Tesla Aktie handeln“.

8.

Am 23.03.2021 bewarb die Betroffene in einem über eine Instagram-Story von ihr veröffentlichten Video den Instagram-Account des Schönheitssalons @zeitlosstuttgart. In dem Video waren zwei Bilder einer Augenpartie zu sehen. Unter einem der Bilder war „VORHER“ und unter dem anderen „NACHHER“ sowie „BROWLIFTING“ und „LASHLIFTING“ zu lesen. Unten in der Story war folgende Mitteilung eingeblendet: „für die 20% Rabatt müsst ihr nur vor Ort den Code nennen“.

9.

Ebenfalls am 23.03.2021 bewarb die Betroffene in einem über eine Instagram-Story von ihr veröffentlichten Video ein Kosmetikprodukt der Marke @her1.official. Während die Betroffene in dem Video das Produkt in die Kamera hielt, wurde mitgeteilt: „auch super für alle geeignet die -Hauptprobleme haben - unter einem Blähbauch leiden“. Unten rechts im Video erschien der Rabattcode „28%[…]“ mit der Mitteilung „mein Code ist für euch immer noch gültig“.

10.

Am 26.03.2021 bewarb die Betroffene in einem über eine Instagram-Story von ihr veröffentlichten Video Kleidung der Marke @nakdfashion. Dabei war die Betroffene in einem gelben Outfit zu sehen und verwies auf ihren 20%-Rabattcode „[…]20“.

11.

Am 27.03.2021 bewarb die Betroffene in einem über eine Instagram-Story von ihr veröffentlichten Video Schmuck aus der „LIQUIDA KOLLEKTION“ von @paulvalentine. Unter dem Hinweis „NOW ONLINE“ erschien der Link @paulvalentine.

12.

Am 28.03.2021 stellte die Betroffene unter […] einen Beitrag online, der von mindestens 15.891 Personen geliked wurde und in dem sie unter Hinweis auf den Code „[…]20“ und einen Rabatt von 20% Werbung für @nakdfashion machte. In dem Beitrag war die Betroffene in legerer Kleidung, einem Hut und einer Handtasche vor winterlicher Kulisse zu sehen.

13.

Am 02.04.2021 bewarb die Betroffene in einem über eine Instagram-Story von ihr veröffentlichten Video Kleidung der Modemarke @clairelouise.official. In dem Video war die Betroffene in einem Kleid augenscheinlich dieser Marke zu sehen. Ferner wurden diverse weitere Kleidungsstücke eingeblendet. Dabei wurde auf den 10%-Rabattcode „[…]“ hingewiesen.

14.

Am 03.04.2021 warb die Betroffene in einem über eine Instagram-Story von ihr veröffentlichten Video für oceansapart.de unter Hinweis auf den Rabattcode „[…]35“. Es wurde mitgeteilt, dass mit diesem Code „35% auf alles“ zu erhalten sei.

15.

Am 04.04.2021 stellte die Betroffene unter […] einen Beitrag online, der von mindestens 10.322 Personen geliked wurde und in dem sie in einer Küche stehend nicht nur für ihre eigene Pastamarke „[…]“ warb, sondern darüber hinaus für das Softwareunternehmen Adobe bzw. adobe.de mit folgenden Worten: „Ihr habt die Möglichkeit mit @adobe_de & @[…] euren eigenen Tube zu designen und am Ende vom Jahr sogar produzieren zu lassen! (...)“

16.

Am 18.04.2021 bewarb die Betroffene in einem über eine Instagram-Story von ihr veröffentlichten Video die „RETROSPECTIVE KOLLEKTION“ von @paulvalentine unter Hinweis auf den Rabattcode „[…]VIP“. Es wurde mitgeteilt, dass diese „morgen um 17 Uhr online“ komme.

17.

Am 21.04.2021 warb die Betroffene unter […] in einem Post, der von mindestens 12.203 Personen geliked wurde, für oceansapart.de. Darin war die Betroffene in einem pinkfarbenen Outfit auf einem Steg am Wasser bei sportlicher Betätigung zu sehen. Im Bild erschien der Hinweis „40% auf ALLES bei @oceansapart.de" sowie der Rabattcode „[…]40“. Des Weiteren war in dem Beitrag folgender Kommentar der Betroffenen zu lesen: „40% auf ALLES mit meinem Code „[…]40“ bei @oceansapart.de (...)“.

18.

Am 26.04.2021 bewarb die Betroffene in einem über eine Instagram-Story von ihr veröffentlichten Video erneut Schmuck von @paulvalentine unter dem Hinweis auf den 15%-Rabattcode „[…]HEARTS“ mit der weiteren Mitteilung „Happy Mothers Day“.

19.

Am 28.04.2021 bewarb die Betroffene in einem über eine Instagram-Story von ihr veröffentlichten Video Kleidung und Schuhe für aboutyou.de. In dem Video war die Betroffene in diversen Outfits zu sehen. Es erschien wiederholt der Hinweis auf einen Rabatt von 11% „auf alles“ mit dem Code „[…]11“. Ferner war der Schriftzug zu lesen „alle Teile sind aus der neuen Kollektion von @legerbylenagercke“. Es erfolgte zudem der Hinweis auf die Marke @aboutyou.de

III.

Die von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundene Betroffene hat sich in der Hauptverhandlung über ihren - mit Vertretungsvollmacht ausgestatteten - Verteidiger geäußert.

Die Feststellungen zur Person der Betroffenen beruhen auf den Angaben ihres Verteidigers in der Hauptverhandlung. Weiteres zu den persönlichen Verhältnissen der Betroffenen ist nicht bekannt, da die Betroffene dazu keine Angaben machen ließ.

Zur Sache hat der Verteidiger namens der Betroffenen folgende Erklärung abgegeben:

„Die Instagram-Beiträge und -Stories gemäß Nr. 1 bis Nr. 19 des Bußgeldbescheids, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, hat meine Mandantin jeweils selbst online gestellt. Es handelt sich um ihren eigenen Instagram-Account. Es handelt sich jeweils auch um Werbung. Meine Mandantin hat hierfür jeweils eine Gegenleistung von den Unternehmen erhalten. Weitere Angaben zur Sache wird meine Mandantin nicht machen.“

Aufgrund dieser Einlassung steht zunächst fest, dass die Betroffene auch tatsächlich Betreiberin des Instagram-Accounts [...]instagram.com/[…] ist. Die Betroffene hat auch eingeräumt, dass die verfahrensgegenständlichen Beiträge und Instagram-Stories von ihr selbst veröffentlicht wurden und es sich jeweils um Werbung für die genannten Unternehmen bzw. Marken handelte.

Die weiteren Feststellungen zu dem Instagram-Account der Betroffenen beruhen auf den Angaben der Zeugin […], die als Abteilungsleiterin bei der Landesanstalt für Kommunikation mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Account der Betroffenen über längere Zeit beobachtet und ausgewertet und hierüber in der Hauptverhandlung glaubhaft berichtet hat.

Die konkreten Feststellungen zu dem jeweiligen Inhalt der verfahrensgegenständlichen Beiträge und Instagram-Stories beruhen darüber hinaus auf der Inaugenscheinnahme der diesbezüglichen Lichtbilder bzw. Videos und der Verlesung der maßgeblichen Kommentare bzw. Textpassagen.

Dass die Betroffene grundsätzlich und auch bezogen auf die verfahrensgegenständlichen Beiträge und Instagram-Stories von den jeweiligen Unternehmen für ihre Werbetätigkeit jeweils eine Gegenleistung erhalten hat, hat die Betroffene selbst einräumen lassen, wenngleich sie zu der Art und der Höhe der jeweiligen Gegenleistung in der Hauptverhandlung keine näheren Angaben hat machen lassen.

Dass die Betroffene für jeden Beitrag und jede Instagram-Story jeweils eine Gegenleistung in Höhe von mindestens 1.000,- Euro und darüber hinaus auch weitere Vorteile wie insbesondere die kostenlose Zurverfügungstellung der Produkte oder Dienstleistungen erhalten hat, steht fest aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugin […]. Die Zeugin hat in der Hauptverhandlung über gesicherte Erkenntnisse ihrer Behörde und anderer Landesmedienanstalten zu den Vergütungen, die Influencer mit vergleichbarer Reichweite auf Instagram für ihre Werbeaktionen erhalten, berichtet. Derart reichweitenstarke Influencer mit etwa 400.000 Followern erhielten bereits für einzelne Werbebeiträge auf Instagram regelmäßig 5.000 bis 6.000 Euro, für eine Instagram-Story würden sogar zwischen 6.000 und 8.000 Euro bezahlt. Hinzu komme regelmäßig die kostenlose Bereitstellung der entsprechenden Produkte und Dienstleistungen. Das Ausspielen von Rabattcodes und damit die unmittelbare Schaffung von Kaufanreizen erhöhe die genannten Konditionen noch einmal deutlich. Die Zeugin hat ferner von einer Besprechung mit der Betroffenen und ihrem Verteidiger berichtet, die am 13.09.2022 bei der Landesanstalt für Kommunikation in Stuttgart stattgefunden habe. In dem Gespräch habe man mit der Betroffenen und ihrem Verteidiger die Möglichkeiten einer konsensualen Lösung in Bezug auf das vorliegende Verfahren wie auch hinsichtlich zweier weiterer Ermittlungsverfahren, die gegen die Betroffene wegen gleichartiger bzw. fortgesetzter Verstöße inzwischen eingeleitet worden seien, erörtert. Als in dem Gespräch die Höhe der von der Betroffenen für ihre Beiträge und Instagram-Stories jeweils erhaltenen Gegenleistungen thematisiert worden sei, habe die Betroffene selbst geäußert, manchmal auch „nur 1.000 Euro“ hierfür erhalten zu haben. Diese Äußerung der Betroffenen - so die Zeugin klarstellend - habe sich eindeutig auf einzelne Beiträge und Instagram-Stories bezogen und nicht etwa auf die Kooperation mit einem Unternehmen allgemein. Dass die Betroffene für einzelne Beiträge und Instagram-Stories teilweise nur 1.000 Euro erhalten haben will, sei - so die Zeugin […] weiter - aufgrund ihrer Recherchen schon angesichts der Reichweite des Accounts der Betroffenen nicht glaubhaft, darüber hinaus sei aber noch zu berücksichtigen, dass Influencer mit einer derart großen Reichweite für Werbung für mehrere Produkte oder Dienstleistungen in einem Beitrag oder in einer Instagram-Story sogar mehrfach von den jeweiligen Unternehmen eine Vergütung erhalten würden.

Angesichts der von der Zeugin […] nachvollziehbar erläuterten Erkenntnisse der Landesmedienanstalten zur Bezahlung von Instagram-Influencern und der von der Zeugin ebenfalls geschilderten Äußerung der Betroffenen am 13.09.2022, manchmal auch „nur 1.000 Euro“ für einen Beitrag oder eine Instagram-Story erhalten zu haben, ist das Gericht zugunsten der Betroffenen davon ausgegangen, dass die Betroffene bezogen auf die verfahrensgegenständlichen Taten für jeden einzelnen Beitrag und jede einzelne Instagram-Story eine Bezahlung in Höhe von mindestens 1.000,- Euro erhalten hat. Der jeweilige Wert der kostenlosen Zurverfügungstellung der von der Betroffenen beworbenen Produkte und Dienstleistungen, konnte hingegen nicht konkret festgestellt werden.

Dass die Betroffene in Bezug auf die obigen Feststellungen mindestens bedingt vorsätzlich gehandelt hat, mithin Kenntnis von sämtlichen Tatsachen hatte, steht fest aufgrund der über den Verteidiger abgegebenen Einlassung der Betroffenen. Dass der Betroffenen zu den Tatzeitpunkten auch die rechtliche Verpflichtung zur Kennzeichnung werblicher Inhalte dem Grunde nach bekannt war, ergibt sich aus dem Schriftverkehr bzw. E-Mail-Verkehr zwischen der Landesanstalt für Kommunikation und der Betroffenen bzw. ihrem Verteidiger, der in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesen wurde.

So wurde die Betroffene bereits mit Schreiben der Landesmedienanstalt vom 03.07.2020 ausführlich und für einen juristischen Laien gut verständlich über die Rechtslage informiert und auf die Werbekennzeichnungspflicht hingewiesen. Ferner wurde die Betroffene mit E-Mail der Landesmedienanstalt vom 08.12.2020 erneut auf die Werbekennzeichnungspflicht aufmerksam gemacht und wiederum ausführlich über die Rechtslage informiert. Es wurde eine erneute Überprüfung ihres Accounts für den 07.01.2021 angekündigt. Eine Reaktion der Betroffenen hierauf erfolgte - nach den glaubhaften Angaben der Zeugin […] - zunächst nicht, weshalb die Landesanstalt die Betroffene mit E-Mail vom 04.02.2021 erneut darauf hingewiesen hat, dass ihre werblichen Inhalte auf Instagram nach wie vor nicht gekennzeichnet seien. Dass die Betroffene bereits das Schreiben der Landesanstalt für Kommunikation vom 03.07.2020 tatsächlich erhalten hat, hat der Verteidiger in der Hauptverhandlung eingeräumt. Dies ergibt sich aber aus einem Schriftsatz des Verteidigers der Betroffenen vom 28.06.2021 an die Landesanstalt, über den die Zeugin […] in der Hauptverhandlung berichtet hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Betroffene den Inhalt des Schreibens vom 03.07.202 und der an sie übersandten E-Mails der Landesanstalt vom 08.12.2020 und 04.02.2021 nicht zur Kenntnis genommen haben könnte, haben sich nach den Bekundungen der Zeugin […] nicht ergeben. Dies wäre auch völlig lebensfremd, zumal die Betroffene in der Folge einen Rechtsanwalt beauftragt hat.

Damit steht fest, dass der Betroffenen - auch als juristischem Laien - die grundsätzliche Kennzeichnungspflicht werblicher Inhalte im Social-Media-Bereich zu den Tatzeitpunkten bekannt war.

IV.

Damit hat sich die Betroffene 19 rechtlich selbständiger, jeweils vorsätzlich begangener Ordnungswidrigkeiten nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Staatsvertrags zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland (MStV) in Verbindung mit dem Gesetz zu dem Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland vom 30.06.2020 schuldig gemacht (§§ 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 1 des Staatsvertrags zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland in Verbindung mit dem Gesetz zu dem Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland vom 30.06.2020, § 20 OWiG).

Nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MStV handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV Werbung nicht als solche klar erkennbar macht oder nicht eindeutig vom übrigen Inhalt der Angebote trennt.

Die Betroffene hat im Tatzeitraum mit ihrem Instagram-Account unzweifelhaft ein Telemedienangebot im Sinne des §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Satz 2 MStV betrieben.

Dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Beträgen und Instagram-Stories um Werbung im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV handelt, und zwar jeweils um Fremdwerbung, steht bereits fest aufgrund der Einlassung der Betroffenen. Der werbliche Charakter des Inhalts erschließt sich aber auch beim genauen Betrachten, insbesondere angesichts der Produkt- und Markenbezogenheit der Darstellung und der Verwendung werbetypischer Floskeln bei der Präsentation. Dass die Betroffene im maßgebenden Zeitraum auf ihrem Account nebenbei auch - vorgeblich - private Inhalte veröffentlicht bzw. geschäftliche Inhalte mit - vorgeblich - privaten Inhalten vermischt hat, ändert nichts am grundsätzlich geschäftlichen Charakter der oben unter Nr. 1 bis Nr. 19 beschriebenen Veröffentlichungen, für die sie jeweils eine Gegenleistung erhalten hat.

Ebenso steht fest, dass die Betroffene entgegen der ihr bekannten Verpflichtung die werblichen Inhalte ihrer Beiträge und Instagram-Stories nicht entsprechend erkennbar gemacht hat und sie es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, dass der werbliche Charakter dieser Beiträge und Instagram-Stories für die Betrachter auch aus dem Kontext heraus nicht ohne weiteres ersichtlich war.

Bei der rechtlichen Auslegung der hier relevanten Normen hat das Gericht drei wettbewerbsrechtlichen Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs zum Influencer-Marketing (Influencer I bis III; Urteile vom 09.09.2021 - I ZR 90/20, I ZR 125/20 und I ZR 126/20) herangezogen und die dortigen Maßstäbe, soweit für die Beurteilung der hier zu entscheidenden Fragen relevant, auf das vorliegende Bußgeldverfahren übertragen.

Die Auffassung der Verteidigung, einer Werbekennzeichnung hätte es bei den verfahrensgegenständlichen Inhalten jeweils nicht bedurft, weil der werbliche Charakter für den Betrachter eindeutig auch so erkennbar gewesen wäre, überzeugt nicht.

Eine Kennzeichnung des kommerziellen Zwecks in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht ist nach dem Bundesgerichtshof zwar dann nicht erforderlich, wenn das äußere Erscheinungsbild der geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass die Verbraucher den kommerziellen Zweck klar und eindeutig auf den ersten Blick erkennen können. Dabei ist für die Frage, wie die Werbung verstanden wird, auf die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen, der zur angesprochenen Gruppe gehört. Bei der Beurteilung, ob die Verbraucher den kommerziellen Zweck eines Instagram-Beitrags klar und eindeutig erkennen können, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch nicht darauf an, ob der durchschnittliche Nutzer erst nach einem analysierenden Studium des Beitrags dessen werbliche Wirkung erkennt. Das schließt nämlich nicht aus, dass der Nutzer dem Beitrag zunächst eine eingehendere Beachtung widmet, weil er der irrigen Annahme unterliegt, es handele sich um eine nicht-kommerzielle Äußerung. Vielmehr muss der Betrachter sofort und zweifelsfrei erkennen können, dass diese Beschreibung der Bewerbung des Produkts dient. Nicht ausreichend ist daher, wenn sich der werbliche Charakter eines Beitrags dem Verbraucher erst erschließt, wenn er ihn bereits zur Kenntnis genommen hat, denn dann ist er der Anlockwirkung bereits erlegen, die das Kennzeichnungsgebot gerade unterbinden soll, und war der Werbebotschaft unvorbereitet ausgesetzt. Die Kennzeichnung soll dem Verbraucher gerade die Möglichkeit verschaffen, sich auf den kommerziellen Charakter der Handlung einzustellen, damit er sie von vornherein kritisch beurteilen oder sich ihr ganz entziehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 09.09.2021, I ZR 126/20, MMR 2021, Seite 898, Rn. 70-72, m.w.N. - zitiert nach beck-online).

Diese Leitsätze sind nach Auffassung des Gerichts ohne weiteres auch auf die Auslegung der Normen des Medienstaatsvertrags und die bußgeldrechtliche Bewertung übertragbar.

Ausgehend hiervon war bei den verfahrensgegenständlichen Beiträgen und Instagram-Stories für den durchschnittlichen Instagram-Nutzer, wozu auch viele Minderjährige zählen, jeweils nicht gleich auf den ersten Blick erkennbar, dass es sich um Werbung handelt, für die die Betroffene jeweils bezahlt wird, zumal die Betroffene im maßgebenden Zeitraum ihre werblichen Inhalte darüber hinaus auch mit - vorgeblich - privatem Inhalt vermischt und damit keine klare Trennung zwischen dem werblichen Inhalt und dem sonstigen Inhalt vorgenommen hat. Vielmehr erschließt sich der werbliche Charakter ihrer Beiträge und Instagram-Stories dem durchschnittlichen Instagram-User erst, nachdem er den jeweiligen Inhalt bereits zur Kenntnis genommen hatte.

V.

Gemäß §§ 115 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MStV in Verbindung mit dem Gesetz zu dem Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland vom 30.06.2020 kann die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 Euro geahndet werden.

Bei der Bemessung der Höhe der jeweils zu verhängenden Geldbuße gemäß § 17 Abs. 2 OWiG wurde zugunsten der Betroffenen jeweils insbesondere berücksichtigt, dass sie mit derartigen Verstößen erstmals in Erscheinung getreten ist, sie also noch nicht vorbelastet ist, und den Sachverhalt weitgehend hat einräumen lassen. Andererseits konnte die enorme Reichweite der Betroffenen auf Instagram bei der Bedeutung der Sache nicht außer Acht gelassen werden.

Ausgehend davon, dass die Betroffene für jeden einzelnen Beitrag bzw. jede einzelne Instagram-Story eine Gegenleistung von jedenfalls 1.000 Euro erhalten hat, wurde bei der Feststellung des von ihr jeweils erlangten wirtschaftlichen Vorteils gemäß § 17 Abs. 4 OWiG bei Anwendung des Nettoprinzips zu ihren Gunsten jeweils ein sehr großzügiger Abzug für ihre eventuellen Aufwendungen in Höhe von pauschal 50 Prozent vorgenommen. Mithin ist für jede Tat ein wirtschaftlicher Vorteil von 500,- Euro zu veranschlagen.

Die Verhängung einer Geldbuße von jeweils 500,- Euro übersteigt auch nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen, die zwei Wohnsitze unterhält, auf Instagram einen luxuriösen Lebensstil zur Schau stellt und regelmäßig Werbung für eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen verschiedenster namhafter Unternehmen macht.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 465 Abs. 1 StPO.

(Unterschrift)

Michael Terhaag | Christian Schwarz

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