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Widerrufsrecht eines Aufhebungsvertrags - LAG Köln, Urteil vom 30. Juli 2003, AZ: 8 Sa 979/02 –

Leitsätzliches

Ein Arbeitnehmer ist bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages kein Verbraucher im Sinne des § 312 Abs. 1 S. 1 BGB n. F., so dass bereits aus diesen Gründen ein Widerrufsrecht für einen Aufhebungsvertrag nicht in Betracht zu ziehen ist. Bei Arbeitsverhältnissen, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, käme ein Anwendung der neuen Norm aber schon wegen der Überleitungsvorschriften nicht in Betracht.

 

LANDESARBEITSGERICHT KÖLN

URTEIL

 

Aktenzeichen: 8 Sa 979/02

 

Entscheidung vom 20. Juli 2003

 

In dem Rechtsstreit

 

....

 

hat das Landesarbeitsgericht Köln ... für Recht erkannt:

 

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 20.06.2002 - 2 Ca 1142/02 EU - wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

T a t b e s t a n d

(abgekürzt gemäß § 69 ArbGG)

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 27. Mai 2000 als Näherin beschäftigt.

Die Parteien haben das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag vom 26.02.2002 mit Ablauf des 30.04.2002 beendet.

Die Klägerin hat unter Hinweis auf § 312 Abs. 1 S. 1 BGB n. F. diesen Aufhebungsvertrag widerrufen und macht den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses zur Beklagten geltend.

 

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Der Aufhebungsvertrag als entgegengesetzter Akt einer Begründung des Arbeitsverhältnisses beruhe auf dem Grundsatz der Privatautonomie. Von dieser Möglichkeit hätten die Parteien Gebrauch gemacht und auch das Schriftformerfordernis des § 623 BGB gewahrt. Etwaige Formvorschriften des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts seien für diesen Aufhebungsvertrag nicht zu beachten, weil gemäß Art. 229 zu § 5 EGBGB für das vor dem 01. Januar 2002 begründete Schuldverhältnis der Parteien die zum 01. Januar 2002 in kraft getretenen gesetzlichen Bestimmungen zur Modernisierung des Schuldrechts im bürgerlichen Gesetzbuch keine Anwendung fänden.

Im übrigen sei nach dem überschaubaren Diskussionsstand zur Neufassung des bürgerlichen Gesetzbuchs davon auszugehen, dass Arbeitnehmer bei einem Arbeits- oder Aufhebungsvertrag nicht in einer Verbrauchersituation handelten, die einen Widerruf eines derartigen Aufhebungsvertrages nach § 312 Abs. 1 S. 1 BGB gestatteten. Letztlich komme es allerdings hierauf nicht an.

 

Gegen dieses unter dem 23.08.2002 zugestellte Urteil erster Instanz wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 23.09.2002, welche unter dem 23.10.2002 begründet worden ist. Die Berufung macht geltend, dass Arbeitsgericht verkenne in seiner Entscheidung die Reichweite von Art. 229 zu § 5 EGBGB. Das zu beurteilende und von der Klägerin widerrufene Rechtsgeschäft sei nicht der vor dem 01. Januar 2002 abgeschlossene Arbeitsvertrag, sondern der nach dem 01. Januar 2002 abgeschlossen Aufhebungsvertrag.

 

Dieser Aufhebungsvertrag sei kein Dauerschuldverhältnis, sondern habe nur ein Dauerschuldverhältnis zum Gegenstand nämlich das Arbeitsverhältnis.

Der Aufhebungsvertrag unterfalle daher nicht Art. 229 zu § 5 EGBGB, so dass auf ihn § 312 Abs. 1 BGB anzuwenden sei. Gemäß § 13 BGB sei Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließe, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden könne.

Daher sei auch ein Arbeitnehmer der einen Aufhebungsvertrag abschließe in einer Verbrauchersituation befindlich, so dass § 312 BGB, der vor unüberlegten Vertragsabschlüssen in Überrumpelungssituationen schützen sollte, hierauf anzuwenden sei.

 

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 20. Januar 2002 - 2 Ca 1142/02 EU - abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag vom 26.02.2002 nicht beendet wurde oder wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

 

Die Beklagte teilt die Ausführungen des Urteils erster Instanz und hält die Berufung für nicht begründet.

 

Wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Akten und die gewechselten Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren verwiesen.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Berufung ist zulässig.

Die Berufung vom 23.09.2002 wendet sich fristwahrend gegen das am 23.08.2002 zugestellte Urteil erster Instanz. Die Berufungsbegründung vom 23.10.2002 ist ebenfalls fristwahrend beim Landesarbeitsgericht eingegangen und setzt sich mit den Ausführungen des Urteils erster Instanz im einzelnen auseinander.

Die Berufung erfüllt damit insgesamt das Erfordernis an ein ordnungsgemäß eingelegtes Rechtsmittel im Sinne der §§ 66 ArbGG, 519 ZPO.

 

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

Die Kammer schließt sich der Einschätzung des Urteils erster Instanz insoweit an, als ein Arbeitnehmer in der Situation eines Aufhebungsvertrages sich jedenfalls nicht in einer Verbrauchersituation im Sinne des § 312 Abs. 1 S. 1 BGB n. F. befindet, so dass bereits aus diesen Gründen ein Widerrufsrecht für einen Aufhebungsvertrag nicht in Betracht zu ziehen ist. Letztlich kann diese Frage allerdings für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits dahinstehen.

Das Arbeitsgericht hat insoweit zutreffend erkannt, dass § 312 Abs. 1 S. 1 BGB deshalb für den streitbefangenen Aufhebungsvertrag keine Anwendung zu finden hat, weil dem die Übergangsvorschriften nach Art. 229 zu § 5 EGBGB entgegenstehen.

Nach Art. 229 zu § 5 EGBGB gilt als Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 folgendes:

Auf Schuldverhältnisse, die vor dem 01. Januar 2002 entstanden sind, sind das bürgerliche Gesetzbuch, ..., soweit nicht ein anderes bestimmt ist, in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung anzuwenden. Satz 1 gilt für Dauerschuldverhältnisse mit der Maßgabe, dass anstelle der in Satz 1 bezeichneten Gesetze vom 01. Januar 2003 an nur das bürgerliche Gesetzbuch, ... in der dann geltenden Fassung anzuwenden sind.

Der Arbeitsvertrag begründet ein Dauerschuldverhältnis im Sinne des Art. 229 zu § 5 EGBGB S. 2.

Unter den Voraussetzungen des Art. 229 zu § 5 EGBGB S. 2 kommt es zur Anwendung des alten Rechts, wenn sich der gesamte Entstehungstatbestand des Schuldverhältnisses unter seiner Geltung verwirklicht hat.

Dies ist bei Verträgen dann der Fall, wenn Angebot und Annahme vor dem 01.01.2002 wirksam geworden sind.

Das Dauerschuldverhältnis Arbeitsvertrag der Streitparteien ist unstreitig durch übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien wirksam begründet worden zum 27. Mai 2000 somit vor dem 01. Januar 2002.

Die nach Art. 229 zu § 5 EGBGB S. 2 bestimmte Anwendung alten Rechts setzt sodann des weiteren voraus, dass es bei dem Aufhebungsvertrag vom 26.02.2002 um eine vertragliche Vereinbarung geht, die nicht den neuen Bestimmungen des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 unterfallen.

Nach Art. 229 zu § 5 EGBGB gilt die Reichweite des alten Rechts für das Schuldverhältnis im Ganzen.

Dies bedeutet, dass das Dauerschuldverhältnis Arbeitsvertrag bis zum 01. Januar 2003 als Ganzes, d. h. bei seiner Begründung in seiner Durchführung und für seine Beendigung sich nach altem Recht bestimmt.

Damit betrifft der Aufhebungsvertrag vom 26.02.2002 als vertragliche Vereinbarung der Privatautonomie - wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat - das bestehende vor dem 01. Januar 2002 begründete Dauerschuldverhältnis und bestimmt sich somit in seiner Wirksamkeit als contrarius actus zum Arbeitsvertrag bis zum 01. Januar 2003 nach den Regelungen des bürgerlichen Gesetzbuches, die vor dem 01. Januar 2002 gegolten haben.

Dies führt dazu, dass wegen Art. 229 zu § 5 EGBGB S. 2 auf den Aufhebungsvertrag vom 26.02.2002 § 312 Abs. 1 S.1 BGB keine Anwendung finden kann. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Die Berufung der Klägerin führt daher nicht zu einer Abänderung des Urteils erster Instanz.

Da die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel unterlegen ist, hat sie die Kosten der Berufung zu tragen, § 97 ZPO.

Die Entscheidung beruht ausschließlich auf der anzuwendenden Vorschrift des Art. 229 zu § 5 EGBGB als allgemeine Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001. Die Anwendung dieser Überleitungsvorschrift bedingt, dass der Rechtsstreit nicht als ein Rechtsstreit mit grundsätzlicher Bedeutung anzusehen ist. Die Kammer hat aus diesem Grund die Revision nicht zugelassen.

 

(Unterschriften)

 

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