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"Schwarzarbeit" durch ausländische Dienstleister? - EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2003, AZ: C-215/01, -

Leitsätzliches

Während in Deutschland auch nach dem 1. Januar 2004 noch eine ganze Reihe von Berufen nach der Handwerksordnung einer besonderen Zulassung für die Ausübung bedürfen (z.B. Meisterbrief), sind die Voraussetzungen im Ausland teilweise wesentlich geringer. Berücksichtigt man dann noch die ebenfalls geringeren Lohnnebenkosten, ist es logisch, dass ausländische Dienstleister vor allem im Handwerksbereich preislich günstigere Angebote bei Ausschreibungen abgeben können als mancher Inländer. Die Frage ist, ob ein in Deutschland ohne Eintragung in die Handwerksrolle tätiges Unternehmen - hier im Bereich Stukkateur-Arbeiten - "Schwarzarbeit" im Sinne des Gesetzes leistet, wenn eine zunächst kurzfristig angelegte Arbeit erheblich größeren Umfang annimmt als geplant. Nach der deutschen Regelung benötigt man für eine nachhaltige bzw. auf Dauer angelegte Tätigkeit des ausländischen Unternehmens eine Eintragung, die in diesem Fall unstreitig zunächst nicht vorgelegen hatte. 
Der EuGH stellt fest, dass durch diese Norm der freie Dienstleistungsverkehr in unzulässigem Maß beeinträchtigt wird. Wohl ist es zulässig, für die Ausübung einer Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen zur Anerkennung der beruflichen Qualifikationen zu normieren, wie es die Handwerksordnung vorsieht.  Sind die Voraussetzungen aber erfüllt, kann die rein formale Anforderung der Eintragung in die Handwerksrolle nicht mehr zur "Schwarzarbeit" führen.

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)

11. Dezember 2003

In der Rechtssache C-215/01

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Amtsgericht Augsburg (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Verfahren gegen

B. S.

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 49 EG, 50 EG, 54 EG und 55 EG sowie der Richtlinie 64/427/EWG des Rates vom 7. Juli 1964 über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten der be- und verarbeitenden Gewerbe der CITI-Hauptgruppen 23 bis 40 (Industrie und Handwerk) (ABl. 1964, Nr. 117, S. 1863)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters ... (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter ... und ...,

Generalanwalt: ...
Kanzler: ...., Hauptverwaltungsrätin,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der portugiesischen Regierung,
- der österreichischen Regierung,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. September 2002,
aufgrund des Beschlusses der Fünften Kammer über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2003,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von B.S., und der Kommission in der Sitzung vom 27. Februar 2003,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. April 2003

folgendes

Urteil

Das Amtsgericht Augsburg hat mit Beschluss vom 26. Februar 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Mai 2001 und ergänzt am 11. Juli 2001, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung der Artikel 49 EG, 50 EG, 54 EG und 55 EG sowie der Richtlinie 64/427/EWG des Rates vom 7. Juli 1964 über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten der be- und verarbeitenden Gewerbe der CITI-Hauptgruppen 23 - 40 (Industrie und Handwerk) (ABl. 1964, Nr. 117, S. 1863 zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Diese Frage stellt sich in einem bei diesem Gericht anhängigen Verfahren gegen B. S. (im Folgenden: Betroffener) wegen Zuwiderhandlung gegen die deutschen Rechtsvorschriften zur Bekämpfung der Schwarzarbeit.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Artikel 49 Absatz 1 EG bestimmt:

Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.

Artikel 50 EG bestimmt:

Dienstleistungen im Sinne dieses Vertrags sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.

Als Dienstleistungen gelten insbesondere:
a) gewerbliche Tätigkeiten,
b) kaufmännische Tätigkeiten,
c) handwerkliche Tätigkeiten,
d) freiberufliche Tätigkeiten.

Unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit kann der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Staat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt.

Am 18. Dezember 1961 verabschiedete der Rat auf der Grundlage der Artikel 54 Absatz 1 und 63 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 44 Absatz 1 EG und 52 Absatz 1 EG) zwei Allgemeine Programme zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs (ABl. 1962, Nr. 2, S. 36 und S. 32). Um die Verwirklichung dieser Programme zu erleichtern, erließ der Rat u. a. am 7. Juli 1964 die Richtlinie 64/427.

Diese Richtlinie sieht im Wesentlichen ein System der gegenseitigen Anerkennung der im Herkunftsland erworbenen Berufserfahrung vor und gilt sowohl bei der Niederlassung als auch bei der Erbringung von Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat.

Die Richtlinie 64/427, die zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt galt, wurde durch die Richtlinie 1999/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juni 1999 über ein Verfahren zur Anerkennung der Befähigungsnachweise für die unter die Liberalisierungs- und Übergangsrichtlinien fallenden Berufstätigkeiten in Ergänzung der allgemeinen Regelung zur Anerkennung der Befähigungsnachweise (ABl. L 201, S. 77) aufgehoben.

Nationales Recht

In Deutschland wird das Handwerk durch das Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung, im Folgenden: HandwO) in der im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung vom 24. September 1998 (BGBl. 1998 I S. 3074) geregelt. Gemäß § 1 Absatz 1 Satz 1 HandwO ist der selbständige Betrieb eines Handwerks nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet. Diese Eintragung entspricht der Erteilung einer gewerblichen Erlaubnis zur Ausübung dieser Tätigkeit.

Gemäß § 7 Absatz 1 Satz 1 HandwO wird [i]n die Handwerksrolle ... eingetragen, wer in dem von ihm zu betreibenden Handwerk oder in einem diesem verwandten Handwerk die Meisterprüfung bestanden hat.

Nach § 8 Absatz 1 Satz 1 HandwO ist [i]n Ausnahmefällen ... eine Bewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle (Ausnahmebewilligung) zu erteilen, wenn die zur selbständigen Ausübung des von dem Antragsteller zu betreibenden Handwerks notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen sind.

§ 9 HandwO ermächtigt den Bundeswirtschaftsminister, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten eine Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle außer in den Fällen des § 8 Absatz 1 HandwO zu erteilen ist. Aufgrund dieser Vorschrift erließ der Bundeswirtschaftsminister am 4. August 1966 die Verordnung über die für Staatsangehörige der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geltenden Voraussetzungen der Eintragung in die Handwerksrolle (BGBl. 1966 I S. 469). Durch diese Rechtsverordnung wurden die Artikel 3 und 4 Absätze 2 und 3 der Richtlinie 64/427 in deutsches Recht umgesetzt.

Der Sachverhalt und die Vorlagefrage

Mit Bescheid vom 28. August 2000 verhängte die Stadt Augsburg gegen den Betroffenen ein Bußgeld wegen Zuwiderhandlung gegen § 1 Absatz 1 Nr. 3 und § 2 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit.

Nach diesem Bescheid soll die Gesellschaft, deren gesetzlicher Vertreter der Betroffene als Geschäftsführer ist, das Unternehmen C. ... Portugal Lda damit beauftragt haben, in der Zeit von November 1994 bis November 1997 Verputzarbeiten in erheblichem Umfang in Südbayern auszuführen. Da dieses Unternehmen seinen Sitz in Portugal habe und nicht in die Handwerksrolle eingetragen gewesen sei, habe es ohne die dazu erforderliche Erlaubnis Leistungen erbracht, die dem deutschen Stuckateur-Handwerk zuzuordnen seien. Der Bescheid betrifft die Zeit von November 1996 bis Oktober 1997, also bis zu dem Monat, in dem das in Portugal ansässige Unternehmen die Eintragung in die Handwerksrolle beantragte; diese Eintragung erfolgte am 27. November 1997.

Gegen diesen Bescheid legte der Betroffene Einspruch ein, über den das Amtsgericht Augsburg zu entscheiden hat. Dieses Gericht weist darauf hin, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 3. Oktober 2000 in der Rechtssache C-58/98 (Corsten, Slg. 2000, I-7919) bereits die Frage entschieden habe, ob es mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, wenn ein Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, das nur gelegentlich oder sogar nur ein einziges Mal in einem anderen Mitgliedstaat Dienstleistungen erbringen wolle, verpflichtet sei, sich in ein Berufsregister eintragen zu lassen. Das Amtsgericht Augsburg hält es für möglich, dass der Gerichtshof ein solches Erfordernis der Eintragung in ein Register auch in dem Fall als ungerechtfertigt ansieht, in dem der Dienstleistende seine Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat wiederholt oder mehr oder weniger regelmäßig ausübt.

Daher hat das Amtsgericht Augsburg das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist es mit dem EG-Recht über den freien Dienstleistungsverkehr vereinbar, wenn ein portugiesisches Unternehmen, das im Heimatland die Voraussetzungen für eine gewerbliche Tätigkeit erfüllt, weitergehende, wenn auch nur formale Voraussetzungen erfüllen muss (hier: Eintragung in die Handwerksrolle), um diese Tätigkeit in Deutschland nicht nur kurzfristig, sondern auch über einen längeren Zeitraum hinweg auszuüben?

Zur Vorlagefrage

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

Die portugiesische Regierung führt aus, dass die Vorlagefrage zwei Probleme betreffe. Erstens stelle sich die Frage, ob ein Unternehmen, das in einem Mitgliedstaat ansässig sei, in dem es die dort erforderlichen Voraussetzungen für die Ausübung seiner Tätigkeit erfülle, noch andere, rein formale Voraussetzungen erfüllen müsse, wenn es im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats Dienstleistungen erbringe. Zweitens sei zu klären, ob der erste Teil der Frage anders zu beantworten sei, wenn die Dienstleistung über längere Zeit erbracht werde.
In Bezug auf das erste Problem weist die portugiesische Regierung insbesondere auf das Urteil Corsten hin und macht geltend, dass der freie Dienstleistungsverkehr als vom Vertrag garantierte Grundfreiheit nur dann durch nationale Maßnahmen eingeschränkt werden könne, wenn zwingende Gründe des Allgemeininteresses bestünden, die in gleicher Weise für alle Wirtschaftsteilnehmer gälten, wenn das Allgemeininteresse nicht bereits durch die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats der Niederlassung geschützt werde und wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet sei. Diese Voraussetzungen sieht die portugiesische Regierung im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
In Bezug auf das zweite Problem trägt die portugiesische Regierung vor, der Umstand, dass eine Dienstleistung über einen längeren Zeitraum erbracht werde, rechtfertige keine andere Auslegung als im Urteil Corsten. Es lasse sich nämlich nicht feststellen, zu welchem Zeitpunkt die Verpflichtung entstehe, sich in die Handwerksrolle eintragen zu lassen.

Die österreichische Regierung ist der Auffassung, dass die - auch längere - Dauer der Dienstleistung kein ausreichender Grund dafür sein könne, von den Festlegungen im Urteil Corsten abzugehen. Es gebe nämlich keine typische Dauer, anhand deren eine Tätigkeit als Dienstleistung qualifiziert werden könnte. Die längere Dauer der Tätigkeit könne höchstens ein Hinweis darauf sein, dass es sich bereits um eine Tätigkeit handele, die unter die Regelung der Niederlassungsfreiheit falle, was jeweils von Fall zu Fall beurteilt werden müsse.
Jedenfalls verstößt nach Ansicht der österreichischen Regierung auch bei Dienstleistungen, die über einen längeren Zeitraum hinweg erbracht würden, das Erfordernis der Eintragung in die Handwerksrolle gegen das Gemeinschaftsrecht, wenn dadurch die Ausübung der im Ausgangsverfahren betroffenen Tätigkeiten verzögert oder erschwert werde, Verwaltungskosten entstünden oder Beiträge an die Handwerkskammer zu leisten seien.

Die Kommission weist zunächst darauf hin, dass die Richtlinie 64/427 durch die Richtlinie 1999/42 ersetzt worden sei und Artikel 4 der Richtlinie 1999/42 in Verbindung mit der Liste I in deren Anhang A Artikel 3 der Richtlinie 64/427 entspreche. Obwohl die Richtlinie 64/427 mit dem Tag des Inkrafttretens der Richtlinie 1999/42, d. h. am 31. Juli 1999, aufgehoben worden und die Frist zur Umsetzung dieser letzten Richtlinie erst am 31. Juli 2001 abgelaufen sei, bestehe keine Regelungslücke, die die Kontinuität der durch die Richtlinie 64/427 auferlegten und in der Richtlinie 1999/42 wieder aufgenommenen Verpflichtungen in Frage stellen könne.
Nach Ansicht der Kommission ist anhand der vom Gerichtshof in Randnummer 46 des Urteils Corsten festgelegten Kriterien zu prüfen, ob die Verpflichtung, sich in die Handwerksrolle eintragen zu lassen, in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, mit der Dienstleistungsfreiheit, die grundlegende Bedeutung für den Binnenmarkt habe, vereinbar sei.
Im Ausgangsverfahren sei es jedoch nicht einfach, diese Kriterien anzuwenden. Es könne nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass eine Tätigkeit, die sich nachträglich als kontinuierlich und langandauernd erweise, ursprünglich oder jedenfalls zunächst nicht als solche geplant gewesen sei und sich dann durchaus im Laufe der Zeit aufgrund des wirtschaftlichen Erfolgs der ersten Dienstleistungen entwickelt habe.
Außerdem müsse vermieden werden, dass sich eine unklare Rechtslage in Bezug auf den genauen Zeitpunkt des Entstehens einer Eintragungspflicht für den betroffenen Dienstleistenden negativ auswirke. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Eintragung - wie im Ausgangsverfahren - rein formalen Charakter habe, gleichzeitig aber mit Geldbußen bewehrt sei, die in ihrer Höhe eine derart abschreckende Wirkung hätten, dass sie Unternehmen von der Wahrnehmung der Grundfreiheiten abhalten könnten.
Die im Urteil Corsten getroffene Entscheidung sei auch auf eine Situation anwendbar, in der die betreffende Tätigkeit über einen längeren Zeitraum hinweg ausgeübt werde, ohne dass jedoch die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit anwendbar wären. Ab welchem Zeitpunkt bei einer länger andauernden Dienstleistung die Verpflichtung, sich in die Handwerksrolle eintragen zu lassen, ohne Zweifel mit dem Vertrag vereinbar sei, müsse der für die Sachverhaltsfeststellung zuständige Richter bestimmen. Dieser müsse die Dauer der betreffenden Tätigkeit unter Berücksichtigung der ursprünglichen Absichten des Dienstleistenden beurteilen, die aufgrund objektiver Tatsachen festzustellen seien.

Antwort des Gerichtshofes

Aus den Akten geht hervor, dass das vom Betroffenen mit der Durchführung von Verputzarbeiten beauftragte Unternehmen ein in Portugal niedergelassenes Unternehmen ist, das diese Arbeiten gegen Entgelt in Deutschland erbracht hat. Es handelt sich also um Leistungen, für die die Vorschriften des Vertragskapitels über die Dienstleistungen gelten, sofern das Unternehmen nicht als in Deutschland niedergelassen anzusehen ist, so dass die Leistungen gemäß Artikel 50 Absatz 1 EG unter die für das Niederlassungsrecht geltenden Artikel 43 EG bis 48 EG fielen.

Nach Artikel 50 Absatz 3 EG kann der Dienstleistende zwecks Erbringung seiner Leistung seine Tätigkeit vorübergehend in dem Staat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, die dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt. Soweit die Leistungserbringung in diesem Mitgliedstaat vorübergehend bleibt, fällt ein solcher Leistender weiterhin unter die Vorschriften des Kapitels über die Dienstleistungen.

Für die Frage, ob die Tätigkeiten des Leistenden im Aufnahmemitgliedstaat vorübergehenden Charakter haben, sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht nur die Dauer der Leistung, sondern auch ihre Häufigkeit, regelmäßige Wiederkehr oder Kontinuität zu berücksichtigen. Der vorübergehende Charakter der Leistung schließt für den Dienstleistenden im Sinne des Vertrages nicht die Möglichkeit aus, sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten Infrastruktur (einschließlich eines Büros, einer Praxis oder einer Kanzlei) auszustatten, soweit diese Infrastruktur für die Erbringung der fraglichen Leistung erforderlich ist (Urteile vom 30. November 1995 in der Rechtssache C-55/94, Gebhard, Slg. 1995, I-4165, Randnr. 27, und vom 13. Februar 2003 in der Rechtssache C-131/01, Kommission/Italien, Slg. 2003, I-1659, Randnr. 22).

Der Gerichtshof hat diese Situation von der eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats unterschieden, der als Angehöriger eines Mitgliedstaats in stabiler und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, in dem er sich von einem Berufsdomizil aus u. a. an die Angehörigen dieses Staates wendet. Demgemäß hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein solcher Staatsangehöriger unter die Vorschriften des Kapitels über das Niederlassungsrecht und nicht unter die des Kapitels über die Dienstleistungen fällt.

im Sinne des Vertrages kann somit Dienstleistungen ganz unterschiedlicher Art umfassen, einschließlich solcher, deren Erbringung sich über einen längeren Zeitraum, bis hin zu mehreren Jahren, erstreckt, z. B., wenn es sich um Dienstleistungen handelt, die im Rahmen eines Großbauprojekts erbracht werden. Auch Leistungen, die ein in einem Mitgliedstaat ansässiger Wirtschaftsteilnehmer mehr oder weniger häufig oder regelmäßig, auch über einen längeren Zeitraum, für Personen erbringt, die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, können Dienstleistungen im Sinne des Vertrages sein, etwa die entgeltliche Beratung oder Auskunftserteilung.

Der Vertrag enthält keine Vorschrift, die eine abstrakte Bestimmung der Dauer oder Häufigkeit ermöglicht, ab der die Erbringung einer Dienstleistung oder einer bestimmten Art von Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat nicht mehr als eine Dienstleistung im Sinne des Vertrages angesehen werden kann.

Folglich reicht allein die Tatsache, dass ein in einem Mitgliedstaat niedergelassener Wirtschaftsteilnehmer gleiche oder ähnliche Dienstleistungen mehr oder weniger häufig oder regelmäßig in einem anderen Mitgliedstaat erbringt, ohne dass er dort über eine Infrastruktur verfügt, die es ihm erlauben würde, in diesem Mitgliedstaat in stabiler und kontinuierlicher Weise einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und von der aus er sich u. a. an die Angehörigen dieses Mitgliedstaats wendet, nicht aus, um ihn als in diesem Mitgliedstaat niedergelassen anzusehen.

Im Ausgangsverfahren hat es nicht den Anschein - allerdings ist es Sache des nationalen Gerichts, das zu überprüfen -, als verfügte das portugiesische Unternehmen in Deutschland über eine Infrastruktur, aufgrund deren es als in diesem Mitgliedstaat niedergelassen angesehen werden könnte, oder als wollte es sich den in diesem Mitgliedstaat geltenden gesetzlichen Verpflichtungen missbräuchlich entziehen.

In Bezug auf die Eintragung in die Handwerksrolle hat der Gerichtshof entschieden, dass es eine Beschränkung im Sinne von Artikel 49 EG darstellt, wenn einem Unternehmen, das in einem Mitgliedstaat ansässig ist und in einem anderen Mitgliedstaat als Dienstleistender eine handwerkliche Tätigkeit ausüben möchte, die Verpflichtung, sich in die Handwerksrolle des letztgenannten Mitgliedstaats eintragen zu lassen, auferlegt wird (Urteil Corsten, Randnr. 34).

Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit kann zwar durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, etwa durch das Ziel, die Qualität der durchgeführten handwerklichen Arbeiten zu sichern und deren Abnehmer vor Schäden zu bewahren, doch muss die Anwendung der nationalen Regelungen eines Mitgliedstaats auf die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Dienstleistenden geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (Urteil Corsten, Randnr. 39).

Folglich darf das durch das Aufnahmeland eingerichtete Verfahren zur Erteilung der Erlaubnis die Ausübung des Rechts einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Person, ihre Dienstleistungen im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates zu erbringen, weder verzögern noch erschweren, nachdem die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Tätigkeiten bereits geprüft worden sind und festgestellt worden ist, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind (Urteil Corsten, Randnr. 47).

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann eine etwa erforderliche Eintragung in die Handwerksrolle des Aufnahmemitgliedstaats nur noch automatisch erfolgen, sie kann weder eine Voraussetzung für die Erbringung der Dienstleistung sein noch Verwaltungskosten für den betroffenen Leistenden verursachen, noch die obligatorische Zahlung von Beiträgen an die Handwerkskammern nach sich ziehen.

Dies gilt nicht nur für Leistende, die die Absicht haben, nur gelegentlich oder sogar nur ein einziges Mal in einem Aufnahmemitgliedstaat Dienstleistungen zu erbringen, sondern auch für Leistende, die wiederholt oder mehr oder weniger regelmäßig Dienstleistungen erbringen oder erbringen wollen.

In dem Zeitpunkt, in dem der Leistende beabsichtigt, Dienstleistungen im Aufnahmemitgliedstaat zu erbringen, und in dem die Prüfung der Zugangsvoraussetzungen zu den betreffenden Tätigkeiten durchgeführt wird, lässt sich oft schwer sagen, ob der Leistende diese Dienstleistungen nur einmal oder gelegentlich oder aber wiederholt oder mehr oder weniger regelmäßig erbringen wird.

Daher ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass das Gemeinschaftsrecht auf dem Gebiet der Dienstleistungsfreiheit der Verpflichtung eines Wirtschaftsteilnehmers, sich in die Handwerksrolle eintragen zu lassen, entgegensteht, die die Erbringung von Dienstleistungen im Aufnahmemitgliedstaat verzögert, erschwert oder verteuert, wenn die in der anwendbaren Richtlinie über die Anerkennung der beruflichen Qualifikationen vorgesehenen Voraussetzungen für die Ausübung dieser Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat erfüllt sind.

Allein die Tatsache, dass ein in einem Mitgliedstaat niedergelassener Wirtschaftsteilnehmer gleiche oder ähnliche Dienstleistungen wiederholt oder mehr oder weniger regelmäßig in einem anderen Mitgliedstaat erbringt, ohne dass er dort über eine Infrastruktur verfügt, die es ihm erlauben würde, in diesem Mitgliedstaat in stabiler und kontinuierlicher Weise einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und von der aus er sich u. a. an die Angehörigen dieses Mitgliedstaats wendet, kann nicht ausreichen, um ihn als in diesem Staat niedergelassen anzusehen.

Kosten

Die Auslagen der portugiesischen und der österreichischen Regierung sowie der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Amtsgericht Augsburg mit Beschluss vom 26. Februar 2001 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Das Gemeinschaftsrecht auf dem Gebiet der Dienstleistungsfreiheit steht der Verpflichtung eines Wirtschaftsteilnehmers, sich in die Handwerksrolle eintragen zu lassen, entgegen, die die Erbringung von Dienstleistungen im Aufnahmemitgliedstaat verzögert, erschwert oder verteuert, wenn die in der anwendbaren Richtlinie über die Anerkennung der beruflichen Qualifikationen vorgesehenen Voraussetzungen für die Ausübung dieser Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat erfüllt sind.

Allein die Tatsache, dass ein in einem Mitgliedstaat niedergelassener Wirtschaftsteilnehmer gleiche oder ähnliche Dienstleistungen wiederholt oder mehr oder weniger regelmäßig in einem anderen Mitgliedstaat erbringt, ohne dass er dort über eine Infrastruktur verfügt, die es ihm erlauben würde, in diesem Mitgliedstaat in stabiler und kontinuierlicher Weise einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und von der aus er sich u. a. an die Angehörigen dieses Mitgliedstaats wendet, kann nicht ausreichen, um ihn als in diesem Staat niedergelassen anzusehen.

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Dezember 2003.

(Unterschriften)

 

 

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