Leitsätzliches
Der Personalrat ist bei der Entscheidung einer Hochschule, personenbezogene Daten wissenschaftlicher Mitarbeiter auf dem World Wide Web-Server eines Instituts für den Abruf über das hochschuleigene Netz oder aus dem Internet bereitzustellen, zur Mitbestimmung gemäß § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW berufen. Das Gericht nimmt dabei teilweise Abstand von der bis Januar 2000 ergangenen Rechtsprechung.OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND NRW
BESCHLUSS
Aktenzeichen: 1 A 128/98.PVL
Entscheidung vom 20. Januar 2000
Vorinstanz: VG Aachen - 16 K 1166/97.PVL -.
1. Der Rektor einer Hochschule ist für die Beachtung der dem Personalrat der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter zustehenden Mitbestimmungsrechte verantwortlich.
2. Wird in einer Hochschule gestattet, personenbezogene Daten wissenschaftlicher Mitarbeiter auf dem World Wide Web-Server eines Instituts für den Abruf über das hochschuleigene Netz oder aus dem Internet bereitzustellen, unterliegt dies der Mitbestimmung des Personalrats gemäß § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW (teilweise Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).
[amtliche Leitsätze]
Aus den Gründen:
Der Antrag ist begründet. Die Gestattung der Bereitstellung personenbezogener Daten wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule auf dem WWW-Server eines Instituts für den Abruf über das universitätseigene Netz oder aus dem Internet unterliegt gemäß § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW der Mitbestimmung des Antragstellers.
Bei der fraglichen Gestattung handelt es sich um eine Maßnahme des Beteiligten.
Als Maßnahme iSd § 66 Abs. 1 LPVG NRW ist grundsätzlich jede Handlung oder Entscheidung des Dienststellenleiters anzusehen, mit der er in eigener Zuständigkeit eine Angelegenheit der Dienststelle regelt, sofern hierdurch der Rechtsstand der Beschäftigten oder eines einzelnen Beschäftigten berührt wird.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12.8.1983 — 6 P 9.81 —‚ PersV 1985, 248, und vom 18.12. 1996 — 6 P 6.94 .-‚ PersR 1997, 210; Beschlüsse des Fachsenats vom 3.7.1986 — CL 23/85 —‚ ZBR 1987, 58 = PersV 1989, 28, vom 29.7.1994 — 1 A 581/91.PVL —‚ NWVB1. 1995, 133 = RiA 1995, 149 = ZfPR 1995, 14; vom 12.6.1997 — 1 A 4592/94.PVL — und vom 20.11.1997 — 1 A 2732/95.PVL —‚ PersR 1998, 383.
Das bedeutet allerdings nicht, dass insoweit nur vom Dienststellenleiter selbst vorgenommene Handlungen in Betracht kommen. Eine Maßnahme des Dienststellenleiters liegt vielmehr auch dann vor, wenn sonstige Stellen etwas in Bereichen zu tun beabsichtigen, in denen sie zu ihrem Handeln der Zustimmung der Personalvertretung bedürfen.
Vgl. Lorenzen/Gerhold, BPersVG, § 69 Rdnr. 13 b.
Eine Maßnahme in diesem Sinne ist mithin - anders ausgedrückt - zu verneinen, wenn eine Dienststelle rechtlich oder tatsächlich lediglich in Sachzusammenhänge einbezogen ist, ohne selbst handelnd in sie einzugreifen.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.7.1984 — 6 P 14.83 —‚ Buchholz 238.3 A S 75 BPersVG Nr. 29; Beschluss des Fachsenats vom 12.6.1997 - 1 A 4592/94.PVL —.
Wenn es auch keinen allgemeinen Grundsatz gibt, dass der Dienststellenleiter für alles verantwortlich ist, was in. seinem Bereich geschieht,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.11.1995 — 6 P 2.94 —‚ PersV 1996, 453, 455,
so muss er, falls er verhindern will, dass ihm eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme, die ohne seine Kenntnis in einem Teilbereich der Dienststelle getroffen worden ist, zugerechnet wird, diese unterbinden.
Vgl. Beschluss des Fachsenats vom 12.6.1997 — 1 A 4592/94.PVL -.
Duldet er das Handeln von Beschäftigten, muss er sich deren Handeln zurechnen lassen. Durch eine - auch stillschweigende - Delegation von Zuständigkeiten innerhalb einer Dienststelle dürfen sich keine Beteiligungslücken ergeben.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2.3.1993 – 6 P 34.91 —‚ PersV 1994, 231; Beschluss des Fachsenats vom 20.3.1997 - 1 A 3775/94.PVL —‚ PersR 1997, 253 PersV 1998, 561.
Nach diesen Grundsätzen ist die Gestattung der Bereitstellung personenbezogener Daten wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule auf dem WWW—Server eines Instituts für den Abruf über das universitätseigene Netz oder aus dem Internet als eine Maßnahme des. Beteiligten anzusehen.
Auch die Tatbestandsmerkmale des § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW sind erfüllt. Danach hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen in Rationalisierungs-, Technologie- und Organisationsangelegenheiten bei Einführung, Anwendung, wesentlicher Änderung oder wesentlicher Erweiterung von automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten der Beschäftigten außerhalb von Besoldungs-, Gehalts-, Lohn-, Versorgungs- und Beihilfeleistungen sowie Jubiläumszuwendungen.
Durch Rechtsprechung und Rechtswissenschaft ist geklärt, dass bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals “Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Hinblick darauf, dass sich ein eigenständiger personalvertretungsrechtlicher Gehalt bisher nicht herausgebildet hat, weitgehend auf die datenschutzrechtlichen Begriffe des Datenschutzgesetzes NRW in der zurzeit der Novellierung des S 72 Abs. 3 LPVG NRW durch die Novelle 1984 geltenden Fassung vom 19.12.1978, GV. NRW. 5. 640, (DSG NRW F. 1978) zurückgegriffen werden kann.
Vgl. zur Frage der Fortschreibung des Begriffs der Datenverarbeitung durch das Datenschutzgesetz F. 1988: Cecior/ Dietz /Vallendar, Personalvertretungsrecht NW, § 72 Rdnrn. 292 a ff.
Allerdings ist zu beachten, dass § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW gegenüber dem Datenschutzgesetz NRW einen engeren Schutzbereich hat, da ein Mitbestimmungsrecht nur dann besteht, wenn zum einen eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten der Beschäftigten in Rede steht und wenn es zum anderen um die Einführung, Anwendung, wesentliche Änderung oder wesentliche Erweiterung einer derartigen automatisierten Datenverarbeitung geht.
Vgl. Beschlüsse des Fachsenats vom 15.3.1988 — CL 8/87 —‚ ZBR 1989, 28 = DÖD 1989, 73 = PersV 1990, 28, vom 6.12.1990 — CL 21/88 —‚ NWVB1. 1991,306 = NVwZ 1991, 698 = PersR 1991, 173 = RiA 1991, 301, vom 29.7.1994 — 1 A 581/91.PVL —‚ NVWB1. 1995, 132 = RiA 1995, 149 = ZfPR 1995, 14, und vom 15.12.1999 — 1 A 5054/97.PVL —; Cecior/Dietz/Vallendar, a.a.O., § 72 Rdnr. 292.
Gemäß § 2 Abs. 1 DSG NRW F. 1978 sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Was hierunter im Einzelnen zu verstehen ist, bedarf keiner weiteren Vertiefung, weil der Antragsteller nach dem von ihm gestellten abstrakten Antrag lediglich bei der Verarbeitung personenbezogener Daten der Beschäftigten mitbestimmen will.
Allerdings ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass in § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW nicht die Verarbeitung der konkreten personenbezogenen Daten jedes einzelnen Beschäftigten der Mitbestimmung des Personalrats unterworfen wird. Dies zeigt sich schon darin, dass der Mitbestimmungstatbestand nicht an den Vorgang der Verarbeitung von ‚Daten, sondern vielmehr an die Einführung, Anwendung, wesentliche Änderung und wesentliche Erweiterung eines derartigen Vorgangs anknüpft. Zudem geht es um den kollektiven Schutz “der Beschäftigten“. Der Mitbestimmungstatbestand des § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW ist eine bereichsspezifische Datenschutznorm, die das Datenschutzgesetz ergänzt, uni den Belangen der Beschäftigten auf dem Gebiet des Datenschutzes im Arbeitsleben mit den Mitteln des Personalvertretungsrechts Rechnung zu tragen.
Vgl. Beschluss des Fachsenats vom 15.3.1988 — CL 8/87 —‚ a.a.O.
Der Mitbestimmung unterliegt danach nur die - den sog. Datensatz allgemein betreffende — Frage, ob generell etwa das Geburtsdatum der Beschäftigten oder ihre Privatanschrift in die beabsichtigte Art der Datenverarbeitung einbezogen werden soll. Hat der Personalrat z. B. der Einbeziehung der Privatanschriften der Beschäftigten zugestimmt •und ändert sich die Privatanschrift eines Beschäftigten, ist die Berichtigung der konkreten Anschrift eines Beschäftigten ein Vorgang, der von S72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW nicht erfasst wird.
Die Bereitstellung personenbezogener Daten wissenschaftlicher Mitarbeiter auf dem WWW-Server eines Instituts für den Abruf über das universitätseigene Netz oder aus dem Internet stellt eine Verarbeitung personenbezogener Daten im zuvor beschriebenen Sinne dar.
Das Datenschutzgesetz NRW F. 1978 unterscheidet in seinem § 2 Abs. 2 folgende Phasen der Verarbeitung: Speichern, Übermitteln, Verändern und Löschen. Da der Antragsteller nach dem von ihm gestellten Antrag hinsichtlich der Bereitstellung personenbezogener Daten wissenschaftlicher Mitarbeiter auf dem WWW-Server eines Instituts für den Abruf über das universitätseigene Netz oder aus dem Internet mitbestimmen will, kommt im vorliegenden Fall die Phase des Übermittelns in Betracht. Übermitteln (Übermittlung) ist gemäß S 2 Abs. 2 Nr. 2 DSG NRW F., 1978 das Bekanntgeben gespeicherter oder durch Datenverarbeitung unmittelbar gewonnener Daten an Dritte in der Weise, dass die Daten durch die speichernde Stelle weitergegeben oder zur Einsichtnahme, namentlich zum Abruf bereitgehalten werden. Dabei ist gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 DSG NRW F. 1978 Dritter jede Person oder Stelle außerhalb der speichernden Stelle, ausgenommen der Betroffene oder - was hier nicht in Betracht kommt -bestimmte Stellen, die im Auftrag tätig werden.
Bei der streitgegenständlichen Maßnahme handelt es sich auch um eine automatisierte Datenverarbeitung. Denn hierunter sind die Phasen zu verstehen, die mit Hilfe programmgesteuerter Geräte ablaufen.
Vgl. Beschluss des Fachsenats vom 06.12.1990 - CL 21/88 -‚ a.a.O.
Bei der Bereitstellung personenbezogener Daten auf einem WWW— Server für den Abruf über das Netz einer Universität oder aus dein Internet läuft die Datenverarbeitung über programmgesteuerte Geräte ab.
Nach alledem ist, wie bereits die Fachkammer zutreffend festgestellt hat, die Bereitstellung personenbezogener Daten wissenschaftlicher Mitarbeiter auf dem WWW-Server eines Instituts für den Abruf über das universitätseigene Netz oder aus dem Internet eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten iSd § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW außerhalb - wie keiner weiteren Darlegungen bedarf - von Besoldungs-, Gehalts-, Lohn-, Versorgungs- und Beihilfeleistungen sowie Jubiläumszuwendungen.
Entgegen der Ansicht der Fachkammer sind aber auch die übrigen Voraussetzungen des S 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW erfüllt.
Was unter “Einführung, Anwendung, wesentlicher Änderung oder wesentlicher Erweiterung“ von automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist vom Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung) auszugehen. Im Rahmen der durch die Fassung der Norm gesteckten Grenzen ist ihr Sinn und Zweck (teleologische Auslegung) und ihr äußerer und innerer Zusammenhang mit anderen Vorschriften wie ihre Stellung im Recht ganz allgemein (systematische Auslegung) zu erforschen und zu berücksichtigen. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift (historische oder genetische Auslegung) kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den obigen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können. Vgl. Beschluss des Fachsenats vom 6.3.1997 — 1 A 1094/94.PVL —‚ PersR 1997, 456.
Die Tatbestandsmerkmale Einführung, Anwendung, wesentliche Änderung und wesentliche Erweiterung bzw. wesentliche Ausweitung werden - zumindest teilweise - auch in § 72 Abs. 3 Nrn. 2, 3 und 6 LPVG NRW erwähnt. Für die Auslegung der hier maßgeblichen Vorschrift des § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW geben die erwähnten Tatbestandsmerkmale in den genannten Vorschriften jedoch nichts her, da sie zum einen einen anderen sprachlichen Bezug haben und zum anderen nicht demselben Schutzzweck zu dienen bestimmt sind.
Auch die Gesetzesmaterialien sind für die Auslegung des § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW unergiebig. Lediglich aus der Begründung des Regierungsentwurfs zum Dritten Gesetz zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27.9.1994, GV. NRW. S. 846, auf dessen Art. 1 Nr. 32 Buchst. h die geltende Fassung des S 72 Abs. 3 Nr. 1 beruht, ergibt sich, dass Schutzzweck der genannten Vorschrift das “Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ ist.
Vgl. LT—Drucks. 11, S.. 258 S. 44; ebenso Cecior/Dietz/Vallendar, a.a.O., § 72 Rdnr. 287; Havers, a.a.O., S 72 Erl. 49.1.
Unter Berücksichtigung des sprachlichen Zusammenhangs, in dem der Begriff “Einführung“ in § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW mit dem Begriff “automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten der Beschäftigten“ steht, und des Schutzzwecks dieser Vorschrift, die Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, ist unter “Einführung“ die erstmalige Aufnahme der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten zu verstehen.
Unter “Anwendung“ von automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten ist nicht jeder einzelne Bedienungsschritt zu verstehen - was zu einer unübersehbaren, in der Praxis nicht zu bewältigenden Vielzahl von Mitbestimmungsfällen führen würde -‚ sondern die allgemeine Handhabung der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten.
Vgl. zu § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG: OVG NRW, Fachsenat für Bundespersonalver tretungssachen, Beschluss vom 17.12.1993 — 1 A 4140/92.PVB —‚ NZWehrr 1994, 127; zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG: Fitting/Kaiser/Heither/Engels, Betriebsverfassungsgesetz, 19. Aufl., § 87 Rdnr. 243.
Zu denken ist z. B. an die technischen und organisatorischen Ma.ßnahmen, die gemäß S 10 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW idF vom 15.3.1988, GV. NRW. 5. 160 (DSG NRW F. 1988), von öffentlichen Stellen, die selbst oder im Auftrag einer öffentlichen Stelle personenbezogene Daten verarbeiten, zu treffen sind, um eine den Vorschriften des Datenschutzgesetzes entsprechende Datenverarbeitung sicherzustellen. Schlagwortartig ausgedrückt geht es bei der “Einführung“ von automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten um das “Ob“ der Datenverarbeitung und bei der “Anwendung“ um das “Wie“. Allerdings werden häufig “Einführung“ und “Anwendung“ von automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten zusammenfallen. Darauf, wie die Begriffe “Einführung“ und “Anwendung“ voneinander im Einzelnen abzugrenzen sind und ob Fälle denkbar sind, bei denen es allein um die “Anwendung“ von automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten geht - in Betracht kommen könnten insoweit nachträgliche technische oder organisatorische Kontrollmaßnahmen iSv § 10 Abs. 2 DSG NRW F. 1988 -‚ kann dahingestellt bleiben. Denn ob es sich um die “Einführung“ und/oder “Anwendung“ von automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten handelt, ist für das Bestehen des Mitbestimmungsrechts aus § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW ohne Bedeutung.
Soweit der Fachsenat bisher unter “Einführung“ die erstmalige Installation einer programmgesteuerten Datenverarbeitungsanlage verstanden hat und unter “Anwendung“ den erstmaligen Einsatz einer derartigen Datenverarbeitungsanlage, vgl. Beschluss des Fachsenats vom 25.11.1992 — CL 40/90 —‚ NWVB1. 1993, 273
hält er insbesondere unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen technologischen Entwicklung an dieser Auffassung nicht fest. Nach dem Wortlaut und dem Schutzzweck des § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW ist - im Gegensatz zu § 72 Abs. 3 Nrn. 2 und 6 LPVG NRW, in denen von technischen Einrichtungen bzw. Informations- und Kommunikationsnetzen die Rede ist - ein Bezug zu einer Datenverarbeitungsanlage nicht gegeben. Mit Blick auf die zum heutigen Zeitpunkt überwiegend eingesetzten Datenverarbeitungsanlagen ist die Art der Datenverarbeitung in der Regel völlig unabhängig von den zur Verfügung stehenden technischen Geräten. Die erstmalige Installation und der erstmalige Einsatz einer Datenverarbeitungsanlage sind, jedenfalls im Rahmen der hier maßgeblichen Vorschrift des § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW, deshalb nicht Gegenstand der Mitbestimmung. Dies ist vielmehr die automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten als solche.
Dem steht nicht entgegen, dass die Installation bzw. die Inbetriebnahme einer Datenverarbeitungsanlage unter anderen Gesichtspunkten, z. B. im Hinblick auf den Grundsatz der rechtzeitigen Beteiligung des Personalrats
vgl. Havers, a.a.Ö., S 66 Erl. 4
oder die Mitbestimmung nach anderen Vorschriften, etwa bei der Gestaltung der Arbeitsplätze gemäß § .72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 10 LPVG NRW, von Bedeutung sein mögen.
Vgl. Wolber, Internet-Zugang und Mitbestimmung, PersR 2000, 3.
Eine “wesentliche Änderung“ von automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten liegt vor, wenn die Datenverarbeitung derart geändert wird, dass sich neue Anwendungs- und Auswertungsmöglichkeiten von substantieller Bedeutung eröffnen. Dabei ist für die Wesentlichkeit der Änderung maßgebend, ob diese den Persönlichkeitsschutz der Beschäftigten in ähnlicher Weise zu gefährden geeignet ist, wie dies bei der Einführung und/oder Anwendung von automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten der Fall ist.
Vgl. Beschluss des Fachsenats vom 25.11.1992 — CL 40/90 —‚ a.a.O.
Eine Änderung ist — anders ausgedrückt — wesentlich, wenn die beabsichtigte geänderte automatisierte Datenverarbeitung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW nicht mehr durch die bisher erteilte Zustimmung des Personalrats als gedeckt angesehen werden kann, sondern sich die Frage einer etwaigen Zustimmungsverweigerung neu und möglicherweise auch unter anderen Gesichtspunkten stellt.
Vgl. zur Umwandlung eines Teilzeit-Arbeitsverhältnisses in ein Vollzeit-Arbeitsverhältnis bzw. Aufstockung eines Teilzeit-Beschäftigungsverhältnisses: BVerwG, Beschlüsse vom 2.6.1993 - 6 P 3.92 —‚ PersR 1993, 450, 452, und vom 23.3.1999 — 6 P 10.97 —‚ ZfPR 1999, 112.
Auch insoweit ist auf die wesentliche Änderung der automatisierten Datenverarbeitung als solche, nicht auf die Änderung irgendwelcher Programme abzustellen.
Während sich die wesentliche Änderung von automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten auf die Art und Weise der Datenverarbeitung bezieht, bezieht sich die “wesentliche Erweiterung“ auf den Umfang der verarbeiteten Daten. Ob eine das Erfordernis einer erneuten Zustimmung auslösende wesentliche Erweiterung der Datenverarbeitung vorliegt, ist auch insoweit unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW und der Umstände des Einzelfalls nach den dargelegten Kriterien zu entscheiden. Letztlich kommt es auf eine scharfe Abgrenzung der Begriffe “Änderung“ und “Erweiterung“ von automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten nicht an, da das Mitbestimmungsrecht gemäß § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW gegeben ist, sofern die Änderung oder die Erweiterung nur wesentlich ist.
Wie sich aus der Dienstvereinbarung über die Verarbeitung personenbezogener Daten aus dem Jahr 1993 ergibt, erfolgt in der Hochschule bereits seit langem eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten der wissenschaftlichen Mitarbeiter. Die Bereitstellung der personenbezogenen Daten auf dem WWW—Server eines Instituts für den Abruf über das universitätseigene Netz oder aus dem Internet ist daher - jedenfalls wenn man als Bezugspunkt die automatisierte Datenverarbeitung in einer Dienststelle insgesamt nimmt - weder Einführung noch Anwendung von automatisierter Datenverarbeitung iSd § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW. Da mit der streitgegenständlichen Bereitstellung letztlich ein weltweiter Zugriff auf die personenbezogenen Daten eröffnet wird, liegt jedoch eine wesentliche Änderung oder wesentliche Erweiterung von automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten der. Beschäftigten vor. Aber auch wenn man hinsichtlich der Begriffe Einführung, Anwendung, wesentliche Änderung oder wesentliche Erweiterung nicht auf die Dienststelle abstellt, sondern mit dem Antragsteller im Hinblick auf die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Satz 2 DSG NRW F. 1988, wonach Daten nur für Zwecke weiterverarbeitet werden dürfen, für die sie erhoben worden sind, die fragliche Bereitstellung der personenbezogenen Daten als Einführung ansieht, gilt nichts anderes. Auch in diesem Fall sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW erfüllt und besteht ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers.
Die Einwände, die der Beteiligte gegen das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts vorgetragen hat, greifen nicht durch.
Entgegen der Ansicht des Beteiligten ist die Vorschrift des § 72 Abs. 3 Satz 1 LPVG NRW nicht verfassungswidrig. Sie verstößt weder gegen das Demokratie-Gebot (Art. 20 Abs. 1 und 2 iVm Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) noch gegen die Freiheit von Wissenschaft und Forschung (Art. 5 Abs. 3 GG). Die Mitbestimmung gemäß § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW erstreckt sich einerseits nur auf innerdienstliche Maßnahmen und ist durch die spezifischen Interessen der Beschäftigten gerechtfertigt (Schutzzweckgrenze). Gemäß § 66 Abs. 7 Satz 4 LPVG NRW gewährt § 72 Abs. 3 LPVG NRW lediglich ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht, so dass die Letztentscheidung eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers gesichert ist (Verantwortungsgrenze).
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.5.1995 — 2 BvF 1/92 —‚ PersR 1995, 483; Battis /Kersten, Freiheitsverlust durch juristischen Theorieüberschuss, PersV 1999, 530; Rinken, Perspektiven der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, PersR 1999, 523.
Entgegen der Ansicht des Beteiligten ist auch nicht erkennbar, aus welchem Grunde die Mitbestimmungspflichtigkeit von automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten der Beschäftigten mit der Freiheit von Wissenschaft und Forschung iSv Art. 5 Abs. 3 GG unvereinbar sein soll. Durch das sich- aus § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW ergebende Mitbestimmungsrecht wird diese nicht eingeschränkt. Die durch Art. 5 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich geschützte Freiheit von Wissenschaft und Forschung schließt das Mitbestimmungsrecht des Personalrats grundsätzlich nicht aus, soweit die Merkmale eines Mitbestimmungstatbestandes erfüllt sind.
Vgl. Havers, a.a.O., 9. Aufl., S 72
Erl. 48.3.
Im Übrigen ist auch die Wissenschaftsfreiheit nicht grenzenlos. Konflikte zwischen der Gewährung der Wissenschaftsfreiheit und dem Schutz anderer verfassungsrechtlich garantierter Rechtsgüter müssen daher nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses Wertsystems gelöst werden.
Vgl. Leibholz/Rinök/Hesselberger, Grundgesetz, Art. 5 Rdnrn. 1103 ff.
Der verfassungskräftig gebotenen Sicherung der Freiheit von Wissenschaft und Forschung
vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 30.8. 1985 — 6 P 20.83 —‚ NJW 1986, 1360,
ist im Landespersonalvertretungsgesetz, z. B. durch die Einschränkung des persönlichen Geltungsbereichs (S 5 Abs. 5 LPVG NRW) und die Antragsabhängigkeit der Mitbestimmungsrechte in Personalangelegenheiten (S 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LPVG NRW), Rechnung getragen worden.
Darauf, ob die betroffenen wissenschaftlichen Mitarbeiter der Hochschule sich mit der Bereitstellung ihrer personenbezogenen Daten für den Abruf über das universitätseigene Netz oder aus dem Internet einverstanden erklärt haben, kommt es nicht an. Beim Mitbestimmungsverfahren handelt es sich um einen Willensbildungsprozess innerhalb der Verwaltung, der nur die Dienststelle und den Personalrat betrifft. Grundsätzlich besteht das Mitbestimmungsrecht daher auch dann, wenn sich der betroffene Beschäftigte mit der. beabsichtigten Maßnahme einverstanden erklärt. Etwas anderes gilt lediglich kraft ausdrücklicher Vorschrift in den in § 72 Abs. 1 Satz 4 LPVG NRW genannten, hier nicht in Betracht kommenden Fällen.
Vgl. Beschluss des Fachsenats vom 30.10.1996 — 1 A 2348/93.PVL —‚ PersR 1997, 212; Cecior/Dietz/Vallendar, a.a.O., §72 Rdnr. 245.
Das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers ist auch nicht durch den Abschluss einer Dienstvereinbarung verbraucht, so dass ein Mitbestimmungsrecht für künftige Mitbestimmungsfälle ausgeschlossen wäre (wird ausgeführt).
(Unterschriften)