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Nutzung eines XING-Profils, LAG Berlin, Urt. v. 13.07.2017, Az.: 10 Sa 491/17

Leitsätzliches

Das Vorhalten eines Nutzerprofils bei XING stellt kein Indiz für eine Nebentätigkeit dar.

LANDESARBEITSGERICHT BERLIN

 Urteil vom 13. Juli 2017

Aktenzeichen: 10 Sa 491/17

 

 

Tenor

 

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. Februar 2017- 8 Ca 11892/16 - teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird über die dort bereits getroffene Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung hinaus verurteilt, an die Klägerin 1.910,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2016 zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen bei einem Streitwert von 14.235,00 EUR die Klägerin zu 41% und der Beklagte zu 59%. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 76% und die Beklagte zu 24%.

IV. Der Gebührenwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.800,00 EUR festgesetzt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch um die Vergütung für den Monat November 2016 und eine Entschädigung der Klägerin aufgrund einer Diskriminierung wegen des Geschlechts.

Die Klägerin ist 28 Jahre alt (geb. …. 1989) und seit dem 8. August 2013 bei der Beklagten als Mitarbeiterin im Bereich Office (Aufgabenbeschreibung vom 8. August 2013 festgehalten in einem Funktionsplan) mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zuletzt 40 Stunden bei einem monatlichen Bruttogehalt von 1.950,00 EUR beschäftigt. Im Arbeitsvertrag haben die Parteien unter anderem vereinbart, dass die Klägerin ihre ganze Arbeitskraft „unter Ausschluss jeder nebenberuflichen Tätigkeit“ der Beklagten gewissenhaft zur Verfügung zu stellen habe. Hinsichtlich der Kündigung haben die Parteien vereinbart, dass für eine ordentliche Kündigung eine Kündigungsfrist zu beachten sei. Am ersten eines Monats könne zum letzten des Monats gekündigt werden.

Die Klägerin ist Mutter zweier am 27. August 2015 und 17. Februar 2017 geborener Kinder. Während sie im Zusammenhang mit der Schwangerschaft, Geburt und Elternzeit ihres ersten Kindes seit Februar 2015 nicht mehr am Arbeitsplatz tätig war, war die Klägerin zum Ende der sich daran anschließenden Elternzeit am 27. August 2016 erneut schwanger.

Mit E-Mail vom 28. Juni 2016 teilte die Klägerin der Beklagten in Person des Geschäftsführers der Beklagten mit, dass sie zum 27. August 2016 einen Kitaplatz für ihr (erstes) Kind erhalte und sie für eine entspannte Eingewöhnungsphase ihren offenen Urlaub der Jahre 2015 und 2016 bis zum 10. Oktober 2016 in Anspruch nehmen wolle.

Mit E-Mail vom 29. Juni 2016 teilte der Geschäftsführer der Beklagten der Klägerin mit:

„…es freut mich, dass es bei Ihnen persönlich und familiär gut läuft. Leider kann ich Ihrem Vorschlag nicht zustimmen. Ich erwarte Sie am 27.08.2016 um 08:00 Uhr zur Wiederaufnahme Ihres Arbeitsverhältnisses nach der Elternzeit im Büro am Firmensitz. Danach werde ich das weitere Vorgehen mit Ihnen besprechen.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.“

Auf die Mitteilung der Klägerin vom selben Tage, dass der 27. August 2016 ein Samstag sei und sie deshalb davon ausgehe, dass ihr erster Arbeitstag der folgende Montag, 29. August, sei, antwortete der Geschäftsführer der Beklagten am 29. Juli 2016 per E-Mail mit „ja“.

Nach einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Frauenärztin der Klägerin vom 26. August 2016, die dem Geschäftsführer der Beklagten am Vormittag des 29. August 2016 vorlag, war die Klägerin ab dem 29. August 2016 arbeitsunfähig krank.

Am 29. August 2016, nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Beklagten, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Oktober 2016. Die Kündigung ging der Klägerin noch am selben Tage zu. Im Kündigungsschreiben ist ausgeführt:

„Die Angabe von Gründen an dieser Stelle ist aus gesetzlicher Sicht nicht erforderlich.“

Die Unwirksamkeit dieser ohne behördliche Zustimmung nach § 9 MuSchG Kündigung während der Schwangerschaft zugegangenen Kündigung hat das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung rechtskräftig festgestellt. Dabei war unstreitig, dass die Beklagte jedenfalls durch eine Faxmitteilung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 9. September 2016 von der erneuten Schwangerschaft der Klägerin erfahren hat.

Unter dem 14. September 2016 sprach die Frauenärztin der Klägerin ein Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs. 1 MuSchG mit Wirkung vom 15. September 2016 bis zum Beginn des Mutterschutzes aus.

Die Klägerin meint, dass ihr während des Beschäftigungsverbotes nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ihre Vergütung weiter zustehe. Sie habe die Beklagte auch mit einer E-Mail vom 17. August 2016 an deren Geschäftsführer über die erneute Schwangerschaft unterrichtet. Sie habe dazu ausgeführt:

„…leider muss ich Ihnen mitteilen, dass ich erneut schwanger bin. Für Ihre weitere Planung möchte ich Ihnen mitteilen, dass der Mutterschutz am 10.01.2017 in Kraft treten wird. Im Anschluss an den Mutterschutz muss ich Elternzeit voraussichtlich bis zum 01.09.2018 nehmen, da jährlich erst ab August Kitaplätze frei sind.“

Da es für die Kündigung keine betriebsbedingten Gründe gebe, wie die Ablehnung des gewünschten Urlaubs zeige, handele es sich um eine die Klägerin diskriminierende Kündigung im Zusammenhang mit der erneuten Schwangerschaft. Zumindest sei die Kündigung aber wegen der Tatsache, dass die Klägerin sich um ihr erstes Kind kümmern müsse, ausgesprochen worden. Nachdem die Klägerin seinerzeit den Geschäftsführer der Beklagten über ihre damalige Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt habe, habe dieser sich abfällig geäußert und sinngemäß gesagt, dass er wisse, wie es mit einem Kleinkind sei. Die Klägerin werde nur noch fehlen und sei nicht mehr zu gebrauchen. Auch die zeitliche Nähe der Kündigung zum Ablauf der Elternzeit der Klägerin belege, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis nur deshalb gekündigt habe, weil die Klägerin sich um ein Kleinkind kümmere.

Die Beklagte hat erwidert, dass sie die E-Mail vom 17. August 2016 nicht erhalten habe. Von der erneuten Schwangerschaft habe die Beklagte erst aufgrund des Faxschreibens des Vertreters der Klägerin erfahren. In der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht hat die Beklagte vorgetragen, dass die Klägerin seit August 2016 durchgehend bei dem Internet-Portal „Xing“ eine Bewerbung geschaltet habe. Es könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin nicht arbeiten könne.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung mit Urteil vom 7. Februar 2017 für unwirksam erklärt, soweit für die Berufung noch relevant, die Klage aber abgewiesen. Aufgrund der Bewerbung im Portal Xing seien berechtigte Zweifel am bescheinigten Beschäftigungsverbot vorhanden, so dass die entsprechende Bescheinigung allein den Vergütungsanspruch der Klägerin nicht begründen könne. Eine Entschädigung könne die Klägerin ebenfalls nicht beanspruchen, weil es in dem Kleinbetrieb der Beklagten mangels Anwendbarkeit des KSchG grundsätzlich eine Kündigungsfreiheit gebe, der Zugang der E-Mail vom 17. August 2016 bestritten sei und die von der Klägerin behaupteten abfälligen Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten allgemein und unbestimmt geblieben seien.

Gegen dieses den Klägerinvertretern am 6. März 2017 zugestellte Urteil legten diese rechtzeitig Berufung ein und begründeten diese damit, dass die Klägerin sich im Internet-Portal Xing nicht aktiv betätige und eine Bewerbung zumal in aktueller Form, dort nicht enthalten sei. Die Klägerin sei im November 2016 auch nicht unberechtigt der Arbeit fern geblieben.

Das pauschale Bestreiten des Erhalts der E-Mail vom 17. August 2016 hätte nicht zugunsten der Beklagten berücksichtigt werden dürfen. Es genüge die zeitliche Nähe zum Ablauf der Elternzeit, um von einer Diskriminierung auszugehen. Dem allgemeinen Vortrag der Klägerin zu den abfälligen Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten im Zusammenhang mit Kleinkindern sei die Beklagte nicht entgegengetreten. Deshalb sei eine weitere Substantiierung nicht erforderlich gewesen. Der Geschäftsführer der Beklagten habe zu Zeiten, als die Klägerin sich noch in einem aktiven Arbeitsverhältnis befunden habe, keinen Hehl daraus gemacht, dass er junge Mütter nicht beschäftige, weil diese nach seiner Auffassung zu häufig krank seien und man zu häufig Rücksicht auf die Belange der jungen, betreuenden Mütter nehmen müsse. Auch über andere junge Mütter habe sich der Geschäftsführer äußerst abfällig geäußert und sinngemäß gesagt, dass man diese im Arbeitsverhältnis „nicht gebrauchen“ könne. Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung seien auch die weiteren Repressalien der Beklagten durch die Nichtzahlung der Vergütung und die Weigerung, notwendige Formulare für die Klägerin auszufüllen, zu berücksichtigen.

Die Klägerin befinde sich nach der Geburt ihres zweiten Kindes nun in Elternzeit bis zum 16. Februar 2018, was die Beklagte in zwei Formularen auch bestätigt habe. Die Schriftsatzkündigung vom 26. Juni 2017 sowie eine weitere Kündigung direkt gegenüber der Klägerin vom 29. Juni 2017 habe die Klägerin in einem gesonderten Verfahren angegriffen. Sie würden aber weiter belegen, dass die Beklagte die Beschäftigung von jungen Müttern ablehne, da sie willkürlich während des bestehenden Sonderkündigungsschutzes ohne behördliche Zustimmung nach § 18 BEEG ausgesprochen würden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. Februar 2017 – 8 Ca 11892/16 teilweise abzuändern und die Beklagte weiter zu verurteilen,

1.       an die Klägerin 5.850,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Dezember 2016 zu zahlen;

2.       an die Klägerin 1.910,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den Entschädigungsanspruch nicht für begründet. Sie bestreitet nach wie vor den Zugang der E-Mail der Klägerin vom 17. August 2016 und damit die Kenntnis der Schwangerschaft der Klägerin zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung. Da die Klägerin diese im Laufe des Rechtsstreits auch nicht als Ausdruck vorgelegt habe sei davon auszugehen, dass die Klägerin diese niemals abgesandt habe. Der Vortrag der Klägerin hinsichtlich der abfälligen Bemerkungen des Geschäftsführers der Beklagten über Kleinkinder werde bestritten. Entsprechende Äußerungen habe es nicht gegeben. Die schlichte Behauptung der Klägerin würde keinen Tatsachenvortrag ersetzen. Selbstverständlich werde auch das Interesse einer Mutter gegenüber ihrem Kind positiv durch die Beklagte bewertet.

Die Kündigung sei erfolgt, weil die Klägerin nicht zum vorher vereinbarten Arbeitsbeginn erschienen sei. Es sei keine Kommunikation der Klägerin über ihr Fernbleiben erfolgt. Repressalien gegenüber der Klägerin habe es nicht gegeben. Vielmehr habe die Klägerin sich lange Zeit geweigert, einen Nachweis über ihre Schwangerschaft zu erbringen. In der Berufungsverhandlung hat der Geschäftsführer der Beklagten ergänzend ausgeführt, dass die Kündigung aufgrund des eingetretenen Vertrauensverlustes gegenüber der Klägerin erfolgt sei. Die Klägerin habe ihre Arbeitsunfähigkeit ab dem 29. August 2016 nicht vorab mündlich mitgeteilt. Der Urlaub ab dem 27. August 2016 sei der Klägerin nicht bewilligt worden, weil der Geschäftsführer der Beklagten zunächst die generelle Wiederaufnahme der Tätigkeit nach längerer Abwesenheit und die weitere Durchführung des Arbeitsverhältnisses habe besprechen wollen. Nachdem die Klägerin sich diesem Gespräch entzogen und überhaupt nicht persönlich gemeldet habe, sei mit dem Zugang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung das Vertrauen aus Sicht des Geschäftsführers der Beklagten irreparabel zerstört gewesen. Schon vor der Geburt ihres ersten Kindes sei die Klägerin aus der Arbeitsunfähigkeit ab Februar 2015 direkt in ein Beschäftigungsverbot übergegangen, nachdem sie erst im November 2014 von Teilzeit auf Vollzeit gegangen sei. Sie habe sich im Zusammenhang mit ihrer Arbeitsunfähigkeit und dem Beschäftigungsverbot im Frühjahr 2015 um keinerlei Übergabe ihres Arbeitsplatzes bemüht. Auch habe sie sich während der Elternzeit nicht im Betrieb gemeldet und vielleicht mal ihr Kind vorgestellt, was bei anderen Arbeitnehmerinnen in dem Kleinbetrieb der Beklagten durchaus üblich gewesen sei.

Auch der Vergütungsanspruch stehe der Klägerin nicht zu. Im Arbeitsvertrag sei klar geregelt, dass die Klägerin keine Nebentätigkeit ausüben dürfe. Eine Bewerbungssituation im Internetportal Xing belege, dass die Klägerin arbeitsfähig sei. Sie habe der Beklagten trotz Arbeitsfähigkeit ihre Arbeitskraft ab dem 1. November 2016 nicht angeboten. Die Beklagte überlege, ob nicht Betrugstatbestände durch die Klägerin auch gegenüber staatlichen Stellen verwirklicht seien.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung der Klägerin vom 5. Mai 2017, dessen Schriftsatz vom 7. Juli 2017, den vorgetragenen Inhalt der Berufungserwiderung der Beklagten vom 26. Juni 2017 sowie das Sitzungsprotokoll vom 13. Juli 2017 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

 

II.

Die zulässige Berufung ist aber nur zum Teil begründet. Die Klägerin kann das Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverbot nach § 11 MuSchG verlangen. Eine Entschädigung wegen diskriminierender Kündigung steht der Klägerin - aufgrund der Kündigung vom 29. August 2016 - nicht zu.

1.

Im Monat November 2016 hat die Beklagte Gehaltszahlungen nicht geleistet, obwohl unstreitig ab dem 15. September 2016 ein ärztliches Beschäftigungsverbot bis zum 10. Januar 2017 (Beginn der Mutterschutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG) ausgesprochen worden war.

Der Anspruch auf Mutterschutzlohn nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG besteht, wenn allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot dazu führt, dass die Schwangere mit der Arbeit aussetzt. Für die Zeit, in der die Schwangere arbeitsunfähig krank ist, ist dieser alleinige Ursachenzusammenhang nicht gegeben. Das Beschäftigungsverbot hat in diesem Fall zwar die Wirkungen der §§ 3 Abs. 1, 21, 24 MuSchG, begründet aber keine Vergütungspflicht nach § 11 MuSchG. Die Abgrenzung, ob eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder ob ohne eine aktuelle Arbeitsunfähigkeit das Leben oder die Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet sind, hat der behandelnde Arzt in seinem Ermessen vorzunehmen (BAG, Urteil vom 9. Oktober 2002 - 5 AZR 443/01).

1.1

Dabei kommt der schriftlichen Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 MuSchG ein hoher Beweiswert zu. Die Arbeitnehmerin genügt ihrer Darlegungslast zur Suspendierung der Arbeitspflicht und zur Begründung eines Anspruchs nach § 11 Abs. 1 MuSchG zunächst durch Vorlage dieser ärztlichen Bescheinigung über das Beschäftigungsverbot (BAG, Urteil vom 17. Oktober 2013 - 8 AZR 742/12). Der Arbeitgeber, der ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG anzweifelt, kann vom ausstellenden Arzt Auskunft über die Gründe verlangen, soweit diese nicht der Schweigepflicht unterliegen. Der Arzt hat dem Arbeitgeber sodann mitzuteilen, von welchen tatsächlichen Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerin er bei Erteilung seines Zeugnisses ausgegangen ist und ob krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat (BAG, Urteil vom 7. November 2007 - 5 AZR 883/06). Legt die Arbeitnehmerin trotz Aufforderung des Arbeitgebers keine entsprechende ärztliche Bescheinigung vor, ist der Beweiswert eines zunächst nicht näher begründeten ärztlichen Beschäftigungsverbotes erschüttert. Nur wenn der Arbeitgeber die tatsächlichen Gründe des Beschäftigungsverbotes kennt, kann er prüfen, ob er der Arbeitnehmerin eine andere zumutbare Arbeit zuweisen kann, die dem Beschäftigungsverbot nicht entgegensteht.

1.2

Das Mutterschutzgesetz hindert den Arbeitgeber auch nicht, Umstände darzulegen, die ungeachtet der medizinischen Bewertung den Schluss zulassen, dass ein Beschäftigungsverbot auf unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen beruht (BAG, Urteil vom 17. Oktober 2013 - 8 AZR 742/12).

1.2.1

Das Vorhandensein eines Profils der Klägerin im Internet-Portal Xing stellt keinen Umstand dar, der den Schluss zulassen würde, dass das Beschäftigungsverbot auf unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen beruhen würde.

XING bietet vor allem eine Plattform für Geschäftsnetzwerke primär im deutschsprachigen Raum, in dem Mitglieder vorrangig ihre beruflichen und/oder privaten Kontakte zu anderen Personen verwalten und neue Kontakte finden können. Angemeldete Benutzer können sowohl berufliche als auch private Daten in ein Profil eintragen. Studium, Ausbildung und beruflicher Werdegang werden ähnlich wie im Lebenslauf in tabellarischer Form dargestellt. Referenzen stützen die Eintragungen. Außerdem können Nutzer ein Profilbild, ihre Interessen und individuelle Angaben über sich auf der Über-mich-Seite eintragen. Eine Verpflichtung zum vollständigen Ausfüllen des Profils mit allen Feldern besteht nicht. Anhand dieser Informationen können Kontaktwünsche als Gesuche und Angebote formuliert werden.

Abgesehen davon, dass Xing entgegen der Ansicht der Beklagten keine Arbeitsvermittlung darstellt, aber natürlich aufgrund der dort hinterlegten Angaben der einzelnen Nutzer diesen Arbeit angeboten werden kann, konnte die Berufungskammer nicht nachvollziehen, weshalb es einer Arbeitnehmerin untersagt sein soll, sich während eines Arbeitsverhältnisses für eine andere Arbeit zu interessieren.

1.2.2

Die Ausübung einer Nebentätigkeit ist Arbeitnehmern aufgrund der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG) grundsätzlich nicht verboten (vgl. BAG, Urteil vom 24. März 2010 – 10 AZR 66/09). Die Ausübung einer Nebentätigkeit in der Freizeit betrifft den einer Regulierung durch den Arbeitgeber grundsätzlich entzogenen Bereich der privaten Lebensgestaltung (BAG, Beschluss vom 13. Mai 2015 – 2 ABR 38/14). Lediglich die allgemeine Rücksichtnahmepflicht des § 241 Abs. 2 BGB kann die Freizeitgestaltung der Arbeitnehmerin beschränken. Die die Ausübung einer Nebentätigkeit untersagende Klausel im Formulararbeitsvertrag der Parteien ist somit wegen einer unangemessenen Benachteiligung der Klägerin nach § 307 BGB unwirksam.

Wenn aber schon die Ausübung einer Nebentätigkeit grundsätzlich grundrechtlich geschützt ist, gilt dieses erst recht für insoweit allenfalls vorbereitende Handlungen. Derartige Vorbereitungshandlungen sind grundsätzlich sogar bei einem vorgesehenen Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen zulässig (BAG, Urteil vom 28. Januar 2010 – 2 AZR 1008/08).

1.2.3

Auch ein mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot steht Vorbereitungshandlungen für einen etwaigen Tätigkeitswechsel nicht entgegen. Lediglich die tatsächliche Tätigkeitsaufnahme während eines solchen Beschäftigungsverbotes würde den Schluss zulassen, dass das Beschäftigungsverbot auf unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen beruht. Hierzu hat der Beklagtenvertreter jedoch ausdrücklich erklärt, dass sich eine solche Annahme ausschließlich im Bereich der Spekulation befinde.

2.

Einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG kann die Klägerin aufgrund der Kündigung vom 29. August 2016 nicht beanspruchen. Da die Klägerin sowohl in der Berufungsbegründung wie auch im Schriftsatz vom 7. Juli 2017 den Entschädigungsanspruch ausdrücklich nur „aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 29.08.2016“ geltend gemacht hat, war nicht zu prüfen, ob aufgrund anderweitiger Umstände ein entsprechender Anspruch gerechtfertigt wäre. Dieses hat der Klägervertreter in der Berufungsverhandlung ausdrücklich auch so vorgetragen.

2.1

Grundsätzlich zutreffend geht die Klägerin davon aus, dass ungeachtet der Unwirksamkeit einer diskriminierenden Kündigung § 2 Abs. 4 AGG weitergehende Ansprüche auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht sperrt (vgl. BAG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – 8 AZR 838/12; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. September 2015 – 23 Sa 1045/15).

2.2

Durch die Kündigung hat die Klägerin eine weniger günstige Behandlung erfahren als die übrigen vergleichbaren Arbeitnehmer des Beklagten, denen nicht gekündigt wurde. Die Klägerin hat nach ihrem Vortrag eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG wegen ihres Geschlechts als einem der in § 1 AGG genannten, verbotenen Merkmale erfahren, weil sie als Frau wegen ihrer Schwangerschaft ungünstiger behandelt worden ist (§ 3 Abs. 1 Satz 2 AGG). Eine Kündigung gegenüber einer schwangeren Arbeitnehmerin unter Verstoß gegen das Kündigungsverbot des § 9 Abs. 1 MuSchG erfüllt regelmäßig die Voraussetzungen des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 AGG (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. September 2015 – 23 Sa 1045/15).

2.3

Allerdings bedarf es eines Kausalzusammenhangs zwischen der benachteiligenden Behandlung und dem Merkmal Schwangerschaft/Geschlecht.

Diese ist zwar bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Schwangerschaft anknüpft oder durch diese motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Schwangerschaft das ausschließlich Motiv für den Ausspruch der Kündigung ist. Ausreichend ist vielmehr, dass dieses Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat. Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es dabei nicht an. Die Schwangerschaft muss nicht vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens sein, sondern eine bloße Mitursächlichkeit genügt (vgl. BAG, Urteil vom 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10).

Dieses Motiv vermochte die Berufungskammer, auch im Rahmen eines Motivbündels, nicht anzunehmen. Denn die Klägerin konnte den streitigen Vortrag des Zugangs der E-Mail vom 17. August 2016 nicht beweisen. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es Sache der Klägerin ist, den Zugang zu beweisen. Zwar mag grundsätzlich es je nach Vorbringen der Klägerin Erleichterungen in Form einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast geben. Jedoch hat die Klägerin schon im Ausgangspunkt versäumt, die behauptete E-Mail vom 17. August 2017 vorzulegen. Sie hatte erstinstanzlich lediglich eine scheinbar an ihren Prozessbevollmächtigten am 27. September 2016 weitergeleitete E-Mail vom 17. August 2016 mit dem behaupteten Inhalt übersandt. Der Text einer weitergeleiteten E-Mail belegt jedoch nichts, da er jederzeit veränderbar ist. Insofern hat die Klägerin entgegen ihrer Ansicht nicht „substantiiert das Absetzen der E-Mail“ dargelegt, so dass dem Beweisantritt der Klägerin durch ein Sachverständigengutachten nicht nachzugehen war. Gleiches gilt für die Auskunft des E-Mail-Providers der Beklagten.

Wenn aber der Beklagten nicht widerlegt ist, dass ihr die zweite Schwangerschaft der Klägerin am 29. August 2016 noch nicht bekannt war, kann sie weder Motiv noch Teil eines Motivbündels für die Kündigung geworden sein.

2.4

Etwas anderes gilt auch nicht aufgrund der von der Klägerin behaupteten abfälligen Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten über Mütter von kleinen Kindern im Arbeitsverhältnis. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, war der diesbezügliche Vortrag der Klägerin sehr allgemein gehalten und einer Beweisaufnahme nicht zugänglich, da er weder nach Zeit, nach Ort oder nach den Umständen irgendwie näher bestimmt war. Auch in der Berufungsbegründung ist die Klägerin dazu nicht konkreter geworden. Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 7. Juli 2017 ein wenig mehr ausgeführt hat, handelte es sich einerseits um einen verspäteten Vortrag, der nicht mehr zu berücksichtigen war (§ 67 Abs. 4 ArbGG) und zum anderen ist die zeitliche Bestimmung „noch zu der Zeit, als die Klägerin sich im aktiven Arbeitsverhältnis befand“ sehr unbestimmt. Entscheidend ist jedoch, dass nach wie vor die Umstände, unter denen die Behauptungen gefallen sein sollen, von der Klägerin nicht einmal im Ansatz dargelegt worden sind. Deshalb kann auch der Umstand, dass die Klägerin eine junge Mutter war und gekündigt wurde, nicht als Diskriminierung wegen des Geschlechts angesehen werden.

2.5

Auch die zeitliche Nähe zum Ende der Elternzeit rechtfertigt den Entschädigungsanspruch der Klägerin nicht. Denn der Geschäftsführer der Beklagten hat ausführlich dargelegt, weshalb er das Arbeitsverhältnis gekündigt hat. In der Berufungserwiderung hat die Beklagte dargelegt, dass gerade das Schweigen der Klägerin, das nicht rechtzeitige Melden der Klägerin und das Nicht-Mitwirken der Klägerin die Kündigung ausgelöst habe. Diesen Vortrag hat der Geschäftsführer der Beklagten in der Berufungsverhandlung weiter konkretisiert. Er hat deutlich sein Missfallen zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin keinerlei persönlichen Kontakt zum Betrieb und den Beschäftigten gehalten oder auch nur gesucht habe. Insofern hat die Beklagte für die Kammer nachvollziehbar die Gründe für die Kündigung dargelegt, so dass die Mutterschaft der Klägerin als Motiv für die Kündigung auch im Rahmen eines Motivbündels ausschied und damit der Entschädigungsanspruch nicht besteht.

 

III.

Die Kostenentscheidung folgt § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 92 ZPO. Die Parteien haben entsprechend ihrem Anteil am Obsiegen und Unterliegen die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.