Leitsätzliches
Es ist zwar zulässig, Sonderzahlungen nach Leistungsverhalten zu differenzieren. Der Gleichbehand-lungsgrundsatz gebietet hierbei aber dem Arbeitgeber, bei freiwilligen Leistungen die Leistungsvoraussetzungen so abzugrenzen, dass kein Arbeitnehmer hiervon aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen bleibt. Die Gründe sind spätestens auf Verlangen des Mitarbeiters offen zu legen.
LANDESARBEITSGERICHT SCHLESWIG-HOLSTEIN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 4 Sa 431/99
Entscheidung vom 11. Mai 2000
In dem Rechtsstreit
In dem Rechtsstreit
...
hat die IV. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 29. Juli 1999 - 5 Ca 485 a/99 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d u n d E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung einer Weihnachtsgratifikation an die Klägerin in Höhe von 1.306,00 DM brutto und Forderung auf Zahlung weiterer 113,49 DM netto nebst Zinsen.
Wegen des Sach- und Streitstandes, wie er in erster Instanz vorgelegen hat, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Schlussurteils und wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufung auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze des Berufungsverfahrens Bezug genommen.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist dem Werte des Beschwerdegegenstandes nach statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet worden.
Die Berufung ist im Ergebnis unbegründet.
Soweit es um die Verurteilung zur Zahlung von 113,49 DM netto nebst Zinsen geht, ist die Berufung unzulässig. Die Berufung setzt sich mit den diesbezüglichen Entscheidungsgründen nicht auseinander. Fehlt es aber an der Begründung, ist die Berufung insoweit unzulässig (§ 519 b Abs. 1 ZPO).
Die Beklagte hat zu Unrecht die Gratifikationsleistung gegenüber der Klägerin gekürzt.
Es ist zwar zulässig, wie auch das Arbeitsgericht und die Beklagte erkannt haben, dass Sonderzahlungen nach Leistungsverhalten differenzieren. Der Gleichbehand-lungsgrundsatz gebietet hierbei dem Arbeitgeber, bei freiwilligen Leistungen die Leistungsvoraussetzungen so abzugrenzen, dass kein Arbeitnehmer hiervon aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen bleibt; der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nämlich verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für eine Differenzierung nicht finden lässt (BAG, Urt. v. 12. Januar 1989 - 6 AZR 754/85 -). Es ist aber gerade nicht sachfremd oder willkürlich, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern eine derartige Leistung nicht zukommen lässt, die ihre Arbeitspflichten nicht oder schlecht erfüllt haben. Bei der Gewährung oder der Bemessung einer freiwilligen Gratifikation kann daher grundsätzlich auch nach der Arbeitsleistung oder dem Leistungsverhalten der betroffenen Arbeitnehmer unterschieden werden. Insofern ist der Berufung zu folgen, die darauf abhebt, dass die Beklagte bei Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflichten aber auch bei erheblichen Fehlzeiten berechtigt sein kann, bzgl. der Sonderleistungen zu differenzieren. Will der Arbeitgeber nur die pflichtbewussten und treuen Mitarbeiter zu einem bestimmten Zeitpunkt mit seiner Sonderleistung belohnen, so kann es nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, wenn er die nicht pflichtbewussten und nicht treuen Mitarbeiter von der Leistungsgewährung ausnimmt. Das versteht sich von selbst. Der Arbeitgeber muss nur die jeweiligen Gruppen von Arbeitnehmern entsprechend ihrer Leistungsbereitschaft gleichmäßig behandeln.
Die Beklagte hat jedoch verkannt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz fordert, dass der Arbeitgeber die Anspruchsvoraussetzungen rechtzeitig offen legt (vgl. BAG in AP-Nr. 44 zu § 242 BGB „Gleichbehandlung“ und in AP-Nr. 11 zu § 1 BetrVG „Gleichbehandlung“). Hierzu gilt, dass dann, wenn der Grund einer Ungleichbehandlung nicht ohne weiteres erkennbar ist, der Arbeitgeber ihn spätestens dann offenlegen muss, wenn der von der Vergünstigung ausgeschlossene Arbeitnehmer Gleichbehandlung verlangt.
Die Beklagte hat zwar mit der Klägerin im Arbeitsvertrag vereinbart, dass gewährte Gratifikationen nur als freiwillige Leistung des Arbeitgebers gelten, auch wenn sie wiederholt und ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Freiwilligkeit erfolgen und keinen rechtlichen Anspruch für die Zukunft begründen (§ 2 des Arbeitsvertrages). Damit hat die Beklagte lediglich klargestellt, dass ein Rechtsanspruch auf die regelmä-ßige Gewährung der Gratifikation nicht besteht. Gewährt sie die Gratifikation jedoch, wie hier, den Arbeitnehmern generell, dann ist sie wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch verpflichtet, der Klägerin dieses Rechtsstreits diese Gratifikation zu leisten. Hätte sie diese Leistungspflicht in der oben beschriebenen Art und Weise einschränken wollen, hätte es der rechtszeitigen Mittelung der entsprechenden Einschränkung der Gratifikation bedurft.
Es kann zwar unterstellt werden, dass, was die Klägerin bestritten hat, wegen Leistungs- oder Verhaltensmängeln oder übermäßiger Abwesenheit vom Betrieb drei Arbeitnehmer nur eine halbe Gratifikation und zwei Arbeitnehmer keine Gratifikation erhalten haben. Diese Kürzung bzw. Versagung der Weihnachtsgratifikation gegenüber diesem Personenkreis, zu dem die Klägerin zählt, lässt aber nicht ansatzweise erkennen, unter welchen Vorraussetzungen eine Gewährung des Weihnachtsgeldes nicht erbracht wird. Gerade wegen der Bezeichnung als Weihnachtsgratifikation liegt es mit dem Arbeitsgericht nahe, dass diese Leistung die in der Vergangenheit geleisteten Dienste zusätzlich honorieren und den anlässlich des Weihnachtsfestes entstehenden Mehrbedarf abdecken soll. Wird mit der Gewährung der Weihnachtsgratifikation ein weiterer Zweck verfolgt, bedarf es zwecks Klarstellung zu Beginn des jeweiligen Kalenderjahres einer eindeutigen Abklärung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen.
Diese Gründe hätte die Beklagte der Klägerin spätestens dann offenlegen müssen, als sie mit ihrem Begehren an die Beklagte herangetreten ist, ebenfalls einen vollen Monatsbezug zu erhalten (vgl. BAG v. 05.03.80 - 5 AZR 881/78 - unter II. 4.a. der Gründe a.a.O.).
Die Klägerin hat schon durch das vorprozessuale Schreiben ihren Prozessbevollmächtigten vom Januar 1999, spätestens aber in der Klagschrift vom 02.03.1999 die Forderung auf Verletzung des Gleichbehandlungsprinzips gestützt. Die Beklagte hat jedoch erst im Schriftsatz vom 03. Mai 1999 ihre Differenzierungsgründe dargelegt. Das war aber zu spät, denn sie hätte diese Gründe, worauf das Bundesarbeitsgericht eingehend hingewiesen hat (vgl. Urt. v. 05.03.80 a.a.O.) spätestens im März 1999, wenn nicht schon im Januar 1999 mitteilen müssen. Daran indes fehlt es. Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 27.10.1999 (S. 3 oben = Bl. 81 d. A.) auf ihre Differenzierungsgründe „wie bereits im Schriftsatz vom 3. Mai 1999 dargelegt“ hingewiesen. Das war verspätet.
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen gewesen.
Gegen das Urteil ist die Revision nicht zugelassen worden; wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG Bezug genommen
(Unterschriften)