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LAG Köln, Urteil vom 14. März 2003, AZ: 4 TA 3/03, - Kündigungsschutzklage trotz Fristversäumnis

Leitsätzliches

Die 2-Wochen-Frist für die Kündigungsschutzklage ist nur grundsätzlich dann gewahrt, wenn die Klage innerhalb dieser Frist bei dem zuständigen Gericht eingereicht wird. Wer die Klage an einem späten Freitagabend zum Oberlandesgericht faxt, kann nicht darauf vertrauen, dass die Mitarbeiter des unzuständigen Gerichts am folgenden Montag als Tag des Fristablaufs die Klage noch rechtzeitig dem zuständigen Gericht übermitteln.Eine nachträgliche Klagezulassung ist nur in begründeten Ausnahmefällen möglich. Es genügt nicht, ohne weiteren Sachvortrag oder Glaubhaftmachung einen Flugschein des Klägers oder eine Kopie einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen.

 

LANDESARBEITSGERICHT KÖLN

BESCHLUSS

 

Aktenzeichen: 4 TA 3/03

 

Entscheidung vom 14. März 2003

 

...

 

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 11.09.2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

 

G r ü n d e :

Der Antrag auf nachträglich Klagezulassung ist gemäß § 5 Abs. 3 KSchG unzulässig. Gemäß § 5 Abs. 3 KSchG ist der Antrag nur innerhalb von 2 Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig.

I. Die Klägerin trägt entgegen den Behauptungen der Beklagten, sie, die Klägerin, habe schon zuvor von dem Kündigungsschreiben gewusst, selbst vor, dass ihr das Kündigungsschreiben am 01.09.2001 bekannt geworden sei. Die Klägerin trägt auch nicht vor, dass sie durch weitere Gründe nach dem 01.09.2001 an der Erhebung der Kündigungsschutzklage schuldlos verhindert gewesen sei. Damit lief die Frist am 17.09.2001 ab.

Die Klageschrift mit dem Antrag auf nachträgliche Zulassung ist indes erst am 18. September 2001 bei dem zuständigen Arbeitsgericht Köln, an das sie adressiert war, eingegangen. Sie war am 14.09.2001 um 19.34 Uhr an die in der Klageschrift angegebene Telefaxnummer gefaxt worden. Dieses war die Telefaxnummer des Oberlandesgerichts. Das Oberlandesgericht hat die Klageschrift weitergeleitet, so dass sie am 18. Dezember 2001 beim Arbeitsgericht einging.

Die Klägerin kann sich nicht auf die insbesondere von Ascheid (ErfK 2. Auflage, § 5 Rdnr. 19) vertretene Auffassung berufen, wenn der Antrag bei einem zum Rechtsweg nicht gehörenden Gericht eingehe, dürfe darauf vertraut werden, dass das unzuständige Gericht die Sache - sofern die Zeit noch ausreiche - an das zuständige Gericht weiterleite.

1. Diese Auffassung geht auf das Hessische Lag (1. 10. 1996 LAGE § 5 Rn. 82) zurück. Diese Entscheidung besagt nicht etwa, dass ein solches Vertrauendürfen dazu führe, dass der Antrag als beim zuständigen Gericht rechtzeitig eingegangen fingiert werde. Vielmehr ist es nach dieser Entscheidung dem Arbeitnehmer im Rahmen des für die nachträgliche Zulassung zu prüfenden Verschuldens nicht zuzurechnen, wenn das unzuständige Gericht die Kündigungsschutzklage verzögert weiterleitet. Ein "Vertrauendürfen" könnte im vorliegenden Fall allenfalls im Rahmen eines etwa bei einem Wiedereinsetzungsantrag zu prüfenden Verschuldens zu berücksichtigen sein (dazu noch unten).

2. Davon abgesehen aber durften die Prozessbevollmächtigten der Klägerin jedenfalls nicht darauf vertrauen, dass der Antrag noch am 17.09.2001 weitergereicht werde. Das Fax mit der Kündigungsschutzklage und dem Antrag auf nachträgliche Zulassung erreichte das OLG ausweislich des Faxaufdruckes am Freitag, den 14.09.2001, um 19.34 Uhr. Ein weiteres Handeln konnte frühestens im Laufe des Montags, den 17.09.2001, erwartet werden. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass keinesfalls von den im Posteingang des OLG tätigen Mitarbeitern erwartet werden kann, dass diese einen eingehenden Irrläufer daraufhin überprüfen, ob dieser Schriftsatz in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Frist zu wahren hätte, um dann gegebenenfalls mit beschleunigten Übermittlungsmitteln den Schriftsatz weiterzuleiten. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin konnten allenfalls darauf vertrauen, dass die Poststelle des OLG den Antrag mit der üblichen Post an das Arbeitsgericht weiterleiten werde. Dieses ist offensichtlich geschehen. Der Antrag ist einen Tag später, am Dienstag, den 18.09.2001, beim Arbeitsgericht eingegangen. Damit war er verspätet.

II. Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 06.02.2002 hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlicht der versäumten Antragsfrist des § 5 Abs. 3 KSchG kann nicht gewährt werden. Eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der 2-Wochenfrist ist nämlich nach allgemeiner Meinung ausgeschlossen (BAG 16.03.1988, AP BGB § 120 Nr. 16; LAG Hamm 26.06.1995, LAGE KSchG, § 5 Nr. 76, APS/Ascheid, § 5 KSchG, Rdnr. 88; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 5 KSchG, Rdnr. 33; KR-Friedrich, § 5 KSchG, Rdnr. 122 - jeweils m.w.N. ). Dieses begründet sich daraus, dass die Frist des § 5 Abs. 3 KSchG ebenso wie die Klagefrist keine prozessuale Notfrist ist. § 5 KSchG enthält eine abschließende Sonderregelung. § 5 KSchG enthält eben nicht eine Regelung wie § 233 ZPO, nach welchem auch dann Wiedereinsetzung gewährt werden kann, wenn die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 schuldlos nicht eingehalten war. Als prozessuale Ausnahmevorschrift ist § 233 ZPO eng auszulegen und darf nicht auf andere Fristen analog angewendet werden (Thomas Putzo, § 233 ZPO, Rdnr. 3; Zöller/Greger, § 233, Rdnr. 7 f.; KR/Friedrich, § 5 KSchG, Rdnr. 123; APS/Ascheid, § 5 KSchG, Rdnr. 89).

III. Dahinstehen kann damit, ob der Wiedereinsetzungsantrag begründet wäre. Nur am Rande weist die Kammer daher darauf hin, dass die Klägerin bereits nicht klar vorgetragen hat, ob Rechtsanwalt nicht auch Prozessvollmacht für sie hatte. Wäre dieses der Fall, so müsste sie sich dessen Verschulden gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Der bearbeitende Rechtsanwalt könnte sich nicht darauf berufen, Rechtsanwalt sei damals als "bloßer juristischer Hilfsarbeiter" der Praxis anzusehen gewesen - womit offenbar angedeutet werden soll, dass sein Verschulden wie das von bloßem Büropersonal dem bearbeitenden Anwalt nicht anzurechnen sei. Dahinstehen können auch die von der Beklagte geltend gemachten Glaubhaftigkeitszweifel an dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hinsichtlich des Zustandekommens der Fehlleitung des Faxes ebenso wie an der eingereichten eidesstattlichen Versicherung Rechtsanwalt. Nach dem Vortrag der Klägerin hat der bearbeitende Rechtsanwalt Herrn Rechtsanwalt H gebeten, die Nummer des Arbeitsgerichts nachzuschlagen und "die bereits angefertigte Klageschrift an das Arbeitsgericht zu faxen". Zu diesem Zwecke habe Herr Rechtsanwalt H das Ortsverzeichnis 2001 aufgeschlagen und sich offensichtlich in der Spalte vertan. Weil er von seinem Arbeitsplatz aus auf das Netzwerk zugreifen könne, habe er die falsch ermittelte Nummer in das Worddokument eingegeben und die Klageschrift dementsprechend gefaxt. Wie sich das - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - mit der unverkennbaren Tatsache vereinbaren lässt, dass die von Herrn Rechtsanwalt R unterzeichnete Klageschrift die falsche Telefaxnummer ("vorab per Telefax-Nr.: 0221-7711-700") enthält, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht mehr erläutert.

IV. Was schließlich die Begründetheit des nachträglichen Zulassungsantrages angeht, so weist die Kammer auch hier - ohne das es für die Entscheidung noch darauf ankäme - darauf hin, dass es zwar richtig ist, dass die Klageschrift die Vorlage des Flugscheines der Klägerin als Mittel der Glaubhaftmachung angibt. Aus dem Zusammenhang bezieht sich dieser Beweisantritt auch auf den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung. Dieses Mittel der Glaubhaftmachung wäre indes nicht ausreichend gewesen.

Ist die Antragsfrist verstrichen, können weitere Tatsachen oder Mittel der Glaubhaftmachung nicht mehr nachgeschoben werden. Dieses gilt nicht für bereits in der Substanz vorgebrachte Gründe und Mittel der Glaubhaftmachung, die nur ergänzt, konkretisiert oder vervollständigt werden (vgl. APS/Ascheid, § 5 KSchG, Rdnr. 72 m.w.N.).

§ 5 Abs. 1 verlangt, dass ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Aufwendung aller ihm nach der Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb der Klagefrist zu erheben. Die Versäumung der Klagefrist muss nach den in § 5 genannten Maßstäben unverschuldet sein. Dieses wird nach allgemeiner Meinung angenommen, wenn dem Arbeitnehmer während seines Urlaubs gekündigt wird und ihm das an die Wohnanschrift gerichtete Kündigungsschreiben zugeht, wenn er während des Urlaubs verreist ist (BAG, 16.03.1988, AP BGB § 130 Nr. 16; KR/Friedrich § 5 KSchG, Rdnr. 59; APS/Ascheid, § 5 KSchG, Rdnr. 49). Hinter dieser Auffassung steht, dass ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs grundsätzlich verreisen kann und sich nicht zu Hause aufzuhalten hat. Nach Auffassung der erkennenden Kammer muss Ähnliches gelten, wenn ein Arbeitnehmer länger-fristig arbeitsunfähig erkrankt ist, so dass er seine Arbeitsleistung nicht zu erbringen hat und sich deshalb jedenfalls aus Gründen des Arbeitsverhältnisses nicht am Orte aufzuhalten hat.

Nachdem die Beklagte vorgetragen hatte, die Klägerin habe zwar für einen Teil der fraglichen Zeit zunächst Urlaub beantragt, dieser sei ihr aber abgelehnt worden, hat die Klägerin behauptet, sie sei bis zum 09.09.2001 arbeitsunfähig gewesen. Als Beweismittel (Mittel der Glaubhaftmachung) hat die Klägerin eine Kopie der Mitglieds- und Krankheitsbescheinigung der I N vom 06.02.2002 vorgelegt.

Dieses geschah indes erst mit Schriftsatz vom 06.02.2002. Die Klageschrift enthält weder entsprechenden Tatsachenvortrag noch benennt sie die Mittel der Glaubhaftmachung. Aus ihr ist auch nicht ansatzweise der Vortrag zu entnehmen, die Klägerin sei in der fraglichen Zeit arbeitsunfähig gewesen, so dass sie nicht zur Arbeit habe erscheinen müssen, womit wiederum die längerfristige Ortsabwesenheit hätte entschuldigt werden können. Wie oben gesagt, kann entsprechender Vortrag und die Benennung der Mittel der Glaubhaftmachung nicht mehr außerhalb der Antragsfrist erfolgen.

Das Arbeitsgericht hat - worauf dieses in dem angefochtenen Beschluss selbst ausdrücklich hinweist - nicht festgestellt, ob die Kündigung tatsächlich bereits zu einem Zeitpunkt zugegangen ist, der außerhalb der 3-Wochenfrist des § 4 KSchG lag. Darüber wird nunmehr Beweis zu erheben sein. In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, dass die Beklagte im Schriftsatz vom 3. Januar 2002 vorgetragen hat, ihr Mitarbeiter, Dr. M N , habe nach einem vergeblichen Zustellungsversuch am 01.08.2001 auf Weisung des Geschäftsführers R B einen zweiten Zustellungsversuch am 05.08.2001 unternommen, sich dabei in der Nachbarschaft umgeschaut und festgestellt, dass die Klägerin tatsächlich unter der Anschrift S 53 wohne, wonach er das Kündigungsschreiben an diesem Tag am 10.15 Uhr unter der Anschrift S 53 in den geschlossenen Briefkasten der Klägerin eingeworfen habe. Als Beweis wird dort D N angeboten. Im Schriftsatz vom 24. September 2002 (Bl. 80 d.A.) trägt die Beklagte demgegenüber vor: "Die nachbenannte Zeugin K L wollte das Kündigungsschreiben der Klägerin am 01.08.2001 unter der Anschrift S 55 persönlich zustellen. Dort hat sie kein Briefkastenschild mit dem Namen der Klägerin vorgefunden und am 05.08.2002 hat sie das Kündigungsschreiben der Klägerin dann um 10.15 Uhr unter der Anschrift S 53 persönlich zugestellt, in dem sie das Schreiben in den geschlossenen Briefkasten der Klägerin eingeworfen hat." Diesmal wird Frau K L als Zeugin angeboten. Die Beklagte wird vor einer Beweisaufnahme diese offensichtlichen Widersprüche in ihrem Vorbringen zu klären haben.

VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

(Unterschrift)

Michael Terhaag | Christian Schwarz

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