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LAG Düsseldorf:, Urteil vom 30. August 2002, AZ: 14 Sa 1748/01, Auslegung von Formulararbeitsverträgen

Leitsätzliches

Die in einem Formularvertrag enthaltene Klausel "der Arbeitgeber zahlt eine Zuwendung" begründet eine Zahlungsverpflichtung dem Grunde nach. Sofern aus den nachfolgenden Bestimmungen Art und Höhe oder Ende der Zuwendungen unklar bleiben, geht diese Unklarheit gemäß § 5 AGBG zu Lasten des Arbeitgebers.

LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 14 Sa 1748/01

Entscheidung vom 30. August 2002

 

 

In dem Rechtsstreit

...

hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 30.08.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter ... und den ehrenamtlichen Richter ... für Recht erkannt:

 

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 09.10.2001 . 11 Ca 4054/01 . abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.266,61 . brutto nebst 4 % Zinsen aus 1.065,96 . seit dem 16.11.1999 sowie 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.087,28 . seit dem 16.11.2000 und aus weiteren 1.113,37 . seit dem 16.11.2001 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

T a t b e s t a n d:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers.

Der am 30.04.1958 geborene Kläger trat zum 01.01.1996 als Rettungssanitäter des Ortsverbandes D. in die Dienste des Landesverbandes NW e.V. des A. (A.). Der Beklagte hat mit Wirkung zum 01.10.1998 den D. Betrieb des Landesverbandes übernommen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete zum 30.04.2002.

In dem formularmäßigen Arbeitsvertrag des Klägers vom 15.01.1996 war, soweit hier von Interesse, Folgendes bestimmt:

.1. ... Soweit dieser Arbeitsvertrag nichts Abweichendes regelt, gelten die Arbeitsbedingungen für Angestellte und Arbeiter des A. Landesverband NW e.V.

2. Die Einstufung erfolgt ab dem 01.01.1996 in Gruppe VI b BAT Gemeinde.

3. Arbeitszeit und Erholungsurlaub richten sich nach den zwischen den öffentlichen Arbeitgebern und der ÖTV getroffenen Vereinbarungen.

4. Der Arbeitgeber zahlt eine Zuwendung nach den Maßgaben des § 35 der Arbeitsbedingungen für Angestellte.

5. Als vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers werden monatlich DM 13,-- gezahlt. (Nur bei Vorlage eines Vertrages).

6. Leistungen des BAT, die hier nicht aufgeführt sind, haben keine Gültigkeit.

7. Der Arbeitgeber gewährt dem Mitarbeiter eine Altersversorgung nach Maßgabe der Gesamtbetriebsvereinbarung über die Altersversorgung in der jeweils gültigen Fassung.

.....

11. Die wöchentliche Arbeitszeit kann bis zu 48 Stunden betragen.

Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Parteien bestand eine Gesamtbetriebsvereinbarung, in der mangels eines einschlägigen Tarifvertrages in Anlehnung an den BAT die Arbeitsbedingungen für Angestellte und Arbeiter des Landesverbandes NW umfassend geregelt waren. Darin hieß es u.a.:

§ 35 Zuwendung (13. Gehalt)

1. Der Mitarbeiter erhält in jedem Kalenderjahr mit dem Novembergehalt eine Zuwendung, wenn das Arbeitsverhältnis seit dem 1. Januar des laufenden Jahres besteht und am 1. Dezember noch bestehen wird.

2. Die Berechnungsgrundlage ist die Monatsvergütung für Dezember des laufenden Jahres. Die Höhe richtet sich nach der Monatsvergütung. Zulagen gleich welcher Art werden bei der Festsetzung der Zuwendung nicht berücksichtigt.

3. Die Zuwendung steht demjenigen Mitarbeiter nicht zu, der bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet. Nicht ausgeschlossen sind Mitarbeiter mit befristeten und in diesem Zeitraum auslaufenden Arbeitsverträgen.

4. Im Kalenderjahr neu eintretende oder zeitweise nicht tätige Mitarbeiter . mit Ausnahme von Krankheit, Kur und Erholungsurlaub . erhalten für jeden vollen Monat 1/12 des Monatsgehaltes, falls sie spätestens zum 01. Oktober des laufenden Jahres eingetreten sind.

5. Beschäftigte, die wegen Erreichung der Altersgrenze oder wegen der Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes ausgeschieden sind, erhalten für jeden Monat ihrer Tätigkeit 1/12 der letzten Monatsvergütung.

6. Der Mitarbeiter hat eine erhaltene Zuwendung in voller Höhe zurückzuzahlen, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung nicht vorlagen oder gem. Abs. 3 später weggefallen sind.

.....

§ 39 Inkrafttreten und Laufzeit der Gesamtbetriebsvereinbarung

1. Diese Gesamtbetriebsvereinbarung tritt am 01.01.1992 in Kraft.

2. Sie kann mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende, erstmals zum 31.12.1992 schriftlich gekündigt werden.

3. Diese Gesamtbetriebsvereinbarung tritt mit sofortiger Wirkung außer Kraft bei rechtsgültigem Abschluss eines Manteltarifvertrages mit einer Gewerkschaft..

Die Gesamtbetriebsvereinbarung war den Arbeitnehmern durch Aushang zur Kenntnis gebracht. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger mit dem vom Landesverband des A. unterzeichneten Arbeitsvertrag gleichzeitig auch ein Exemplar der Gesamtbetriebsvereinbarung zugesandt wurde. Es wird in diesem Zusammenhang auf das Anschreiben des Landesverbandes vom 25.01.1996 verwiesen (Bl. 60/ 60 R d.A.).

Der Landesverband kündigte die Gesamtbetriebsvereinbarung mit Schreiben vom 15.09.1997 unter Einhaltung der vorgesehenen Kündigungsfrist zum 31.12.1997. Nach Kündigung der Gesamtbetriebsvereinbarung fanden zunächst Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat über den Neuabschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung statt, die jedoch zu keinem Ergebnis führten. Der Beklagte zahlte an die Arbeitnehmer seit dem Jahr 1998 nur noch eine Zuwendung in Höhe der Hälfte des in § 35 Abs. 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung festgelegten Betrages.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger für die Jahre 1999 bis 2001 eine Zuwendung in Höhe einer vollen Monatsvergütung geltend und verlangt auf dieser Grundlage von dem Beklagten die noch ausstehenden Restbeträge.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage durch Urteil vom 09.10.2001, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in beiden Rechtszügen zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

I.

Die Berufung des Klägers, gegen die Zulässigkeitsbedenken nicht bestehen, ist begründet. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hat der Kläger einen einzelvertraglichen Anspruch auf Zahlung einer Zuwendung in Höhe der vollen Dezembervergütung, so dass ihm für die Jahre 1999 bis 2001 noch der rechnerisch unstrittige Restbetrag von 3.266,61 . brutto zu zahlen ist.

Die erkennende Kammer folgt dem Urteil der 18. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30.08.1999 . 18 Sa 855/99 . in einem gleich gelagerten Fall. Im Anschluss an diese Entscheidung, auf deren Gründe im Einzelnen ergänzend Bezug genommen wird, ist Folgendes auszuführen:

1.

Die Auslegung des Arbeitsvertrages der Parteien hat gemäß §§ 133, 157 BGB zu erfolgen. Dabei ist zum einen vom Wortlaut auszugehen, andererseits sind aber auch alle Begleitumstände zu würdigen, die dafür von Bedeutung sind, welchen Willen der Landesverband des A. bei seinem Vertragsangebot gehabt hat und wie der Kläger als Empfänger der Willenserklärung diese verstanden hat oder verstehen musste (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 06.02.1974, AP Nr. 38 zu § 133 BGB; Urteil vom 26.08.1997, EzA Nr. 20 zu § 133 BGB).

2.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze spricht für den konstitutiven Charakter zunächst der Wortlaut von Nr. 4 des Vertrages. Die Formulierung, .der Arbeitgeber zahlt eine Zuwendung., ist typisch für die Begründung einer Verpflichtung. Voraussetzungen und Höhe des Anspruchs wurden dabei durch die im Folgenden bezeichnete Vorschrift der allgemeinen Arbeitsbedingungen näher festgelegt. Aus der Sicht des Klägers wurde ihm damit neben der unter Nr. 2 des Vertrages aufgeführten monatlichen Vergütung nach VI b BAT ausdrücklich eine Zuwendung in Form eines 13. Gehaltes zugesagt. Das waren die wesentlichen Entgeltbedingungen für seine in Aussicht genommene Tätigkeit als Rettungssanitäter. Diese Auslegung führt trotz Vorhandenseins einer Regelung durch die Gesamtbetriebsvereinbarung auch zu einem sinnvollen Ergebnis. Denn die vertragliche Festlegung, die keine zeitliche Begrenzung enthält, bewirkt, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Zuwendung auch dann fortbesteht, wenn die Gesamtbetriebsvereinbarung gekündigt ist und in ihrem nicht mitbestimmungspflichtigen Teil kollektivrechtlich nicht nachwirkt (vgl. zu Letzterem: BAG, Beschluss vom 23.06.1992, AP Nr. 55 zu § 77 BetrVG 1972).

Soweit der Beklagte geltend macht, man habe mit der Formulierung .nach den Maßgaben des § 35 der Arbeitsbedingungen für Angestellte lediglich über den aus der Gesamtbetriebsvereinbarung folgenden Anspruch informieren wollen, vermag dies im Ergebnis nicht zu überzeugen. Es ist zwar richtig, dass ein Arbeitgeber regelmäßig kein Interesse daran hat, ein nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ohnehin für das Arbeitsverhältnis geltendes kollektives Regelwerk zusätzlich noch vertraglich zu vereinbaren, da es sonst überflüssig würde. Dieser Einwand verliert jedoch entscheidend an Gewicht, wenn wie hier nur ein Teil des Regelwerks Inhalt des Arbeitsvertrages ist und im übrigen die Betriebsvereinbarung ihre Bedeutung für das Arbeitsverhältnis behält (vgl. BAG, Urteil vom 18.08.1998, NZA 1999, 659 ff., unter II 1 b cc der Gründe). Der Beklagte muss sich von daher vorhalten lassen, dass die Parteien des Arbeitsvertrages die Verpflichtung zur Zahlung der Zuwendung . ohne Offenlegung der kollektiven Rechtsgrundlage - ganz besonders hervorgehoben und in diesem Zusammenhang eben nicht auf weitere Leistungen aus der Gesamtbetriebsvereinbarung wie z.B. die Jubiläumszuwendung (§ 17) oder das Urlaubsgeld (§ 36) verwiesen haben. Der Kläger konnte sich in seinem Eindruck, dass eine individuelle Zusage gegeben sei, im Übrigen durch Nr. 1 des Arbeitsvertrages bestärkt sehen, wonach vertragliche Abweichungen von den .Arbeitsbedingungen für Angestellte und Arbeiter. im Formulararbeitsvertrag möglich waren.

3.

Selbst wenn sich die konstitutive Bedeutung von Nr. 4 des Arbeitsvertrages nicht hinreichend deutlich aus Wortlaut und Regelungszusammenhang ergäbe, würde zu dieser Auslegung jedenfalls der allgemeine Rechtssatz führen, welcher der Unklarheitenregel des § 5 AGBG (jetzt § 305 c Abs. 2 BGB) zugrunde lag. Diese besagte, dass Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Aufstellers gehen. Zwar fand das AGBG nach § 23 Abs. 1 auf Arbeitsverhältnisse keine Anwendung. Das schloss indessen nicht aus, dass allgemeine Rechtsgedanken, die in diesem Gesetz ihren Niederschlag gefunden hatten, auch für Arbeitsverhältnisse galten. Dazu gehörte die erwähnte Unklarheitenregel. Sie war schon vor Inkrafttreten des AGBG allgemein anerkannt und galt auch für Formularverträge (z.B: BAG, Urteil vom 16.10.1991, AP Nr. 1 zu § 19 BErzGG, zu II 2 b der Gründe; Urteil vom 18.08.1998, a.a.O., zu II 1 c Gründe; Urteil vom 12.12.2000 . 1 AZR 183/00 . n.v., zu II 2 d der Gründe). Sie besagt für den vorliegenden Fall, dass sich der Beklagte nicht darauf berufen kann, der verwendete Formularvertrag sei hinsichtlich der Verweisung unklar und deshalb sei davon auszugehen, dass sich die Zuwendung allein nach der Gesamtbetriebsvereinbarung richten solle. Eine solche Regelung wäre nämlich wegen der im Vergleich zum Einzelvertrag leichteren Abänderbarkeit von Betriebsvereinbarungen für den Arbeitgeber günstiger (vgl. BAG, Urteil vom 18.08.1998, a.a.O.).

II.

Dem Kläger sind die beantragten Verzugszinsen gemäß §§ 284 Abs. 2, 286 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB in der jeweils geltenden Fassung zuzusprechen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits sind nach § 91 Abs. 1 ZPO dem unterlegenen Beklagten aufzuerlegen. Die Beschränkung der Berufung auf die bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses entstandenen Ansprüche wirkt sich kostenmäßig nicht aus. Der ursprüngliche Feststellungsantrag des Klägers stand bei sachgerechter Auslegung ohnehin unter einem entsprechenden konkludenten Vorbehalt.

Die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG. Die erkennende Kammer weicht in ihrer Beurteilung des Streitfalles sowohl vom Urteil des LAG Köln vom 21.10.1999 . 5 Sa 944/99 - als auch vom Urteil des LAG Hamm vom 26.11.1999 . 10 Sa 1372/99 . ab.

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