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LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Februar 2002, AZ: 4 Sa 68/01 - Probezeitvereinbarung

Leitsätzliches

Die Probezeit mit verkürzten Kündigungsfristen soll nach dem Willen des Gesetzgebers nur "zu Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses" vereinbar sein. Nach Ansicht des LG Baden-Württemberg kommt es dabei nicht auf den Umstand des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages, sondern auf die Dauer etwaiger vorangegangener Arbeitsverhältnisse an. War der Arbeitnehmer bereits lange Zeit im Unternehmen tätig, so ist eine neue Probezeit bei ähnlichem Aufgabengebiet nicht wirksam vereinbar.

LANDESARBEITSGERICHT Baden-Württemberg

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

Aktenzeichen: 4 Sa 68/01

 

Entscheidung vom 28. Februar 2002

 

 

In dem Rechtsstreit

....

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ..., den ehrenamtlichen Richter ... und den ehrenamtlichen Richter .. auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2002 für Recht erkannt:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 10. Mai 2001 - 6 Ca 7900/00 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Gegenstandswert im zweiten Rechtszug: 3.541,24 EUR

T a t b e s t a n d

Die Parteien streiten um die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine vom Beklagten ausgesprochene Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat, sowie um daraus folgende Vergütungsansprüche der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs des Beklagten.
Die am 12. April 1971 geborene Klägerin wurde zunächst seit 1995 vom Beklagten, der als Steuerberater tätig ist, zur Steuerfachangestellten ausgebildet. In dessen Büro werden nicht mehr als fünf Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG beschäftigt. Auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 14. Juli 1998 wurde die Klägerin als Steuerfachangestellte zu einer monatlichen Vergütung von 3.100,00 DM zuzüglich vermögenswirksamer Leistung und Weihnachtsgelds eingestellt. Dieses Arbeitsverhältnis kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 16. Februar 2000 fristgerecht zum 31. März 2000 (Fotokopie Bl. 8 der Akte des Arbeitsgerichts).
Unter dem Datum des 06. April 2000 schlossen die Parteien entsprechend einer bereits am 18. Februar 2000 handschriftlich abgefassten Vereinbarung (Fotokopie Bl. 21 der Berufungsakte) einen neuen Anstellungsvertrag, wegen dessen Inhalts auf BI. 9 bis 11 der Akte des Arbeitsgerichts Bezug genommen wird. Danach wurde die Klägerin als Sekretärin/Buchhalterin bei einem Bruttomonatsgehalt von DM 4.500,00 für den Beklagten tätig. Nach § 3 Absatz 1 dieses Anstellungsvertrags (Fotokopie Bl. 9 der Akte des Arbeitsgerichts) war eine Probezeit für die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses vereinbart, während der eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Frist von zwei Wochen möglich sein sollte.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 08. September 2000 (Fotokopie Bl. 12 der Akte des Arbeitsgerichts), das er der Klägerin am 11. September 2000 übergab, zum 30. September 2000. Da die Klägerin, wie sich aus dem erstinstanzlichen Vortrag des Beklagten ergibt, für die Zeit der Kündigungsfrist unter Anrechnung auf den Rest des ihr noch zustehenden Urlaubs freigestellt wurde, übergab sie dem Beklagten den Büroschlüssel sowie die ihr zur Verfügung gestellte Jahreswertkarte für den öffentlichen Nahverkehr, räumte ihren Arbeitsplatz und verließ das Büro. Ihre persönlichen Gegenstände nahm sie mit.
Im Zeitraum 14. bis 22. September 2000 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Dies wurde in dem sozialmedizinischen Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 25. September 2000 (Fotokopie Blatt 46 der Akte des Arbeitsgerichts) bestätigt. Mit Schreiben vom 22.09.200 (Fotokopie Bl. 31/32 der Berufungsakte) wiesen die nachmaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Beklagten darauf hin, dass die erneute Vereinbarung einer Probezeit unwirksam sei. Deshalb sei er nicht berechtigt gewesen, eine Kündigung mit Frist von zwei Wochen auszusprechen. Da das Arbeitsverhältnis nicht wirksam gekündigt sei, bestehe es fort. Mit Schreiben seiner nachmaligen Prozessbevollmächtigten vom 25.09.2000 (Bl. 33/34 der Berufungsakte) ließ der Beklagte diese Rechtsauffassung zurückweisen. Mit Schreiben vom 28.09.2000 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich erneut, und zwar zum 31. Oktober 2000 (Fotokopie Bl. 34 der Akte des Arbeitsgerichts). Am 02. Oktober 2000 meldete sich die Klägerin in den Büroräumen des Beklagten während dessen urlaubsbedingter Abwesenheit zur Arbeit und wurde von der Arbeitnehmerin F. nach Hause geschickt, weil sie darüber keine Entscheidung treffen könne.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihre Rechtsauffassung, die im vereinbarten Anstellungsvertrag vom 06. April 2000 vorgesehene Probezeit von sechs Monaten sei unwirksam. Die ihr ab April 2000 übertragenen Sekretariatsaufgaben deckten sich weitgehend mit ihrer bisherigen Tätigkeit als Steuerfachangestellten, so dass es für eine erneute Probezeit keinen sachlichen Grund gegeben habe. Die Kündigung habe demnach das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 31. Oktober 2000 beenden können. Da sie auch ihre Arbeitskraft tatsächlich angeboten habe, stehe ihr noch die Vergütung für Monat Oktober zu. Ferner habe sie noch die Abgeltung für 9,5 Urlaubstage zu beanspruchen, wobei sich ihr Urlaubsanspruch für das laufende Kalenderjahr auf Grund der Fortdauer des Arbeitsverhältnisses im Monat Oktober 2000 um 2,5 Tage erhöht habe.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt:
1. Den Beklagten zur Zahlung von DM 6.848,06 brutto nebst 5 % Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.
2. Den Beklagten zur Zahlung von einem Arbeitgeberzuschuss von DM 78,00 zugunsten der Klägerin an die ... zu verurteilen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, die Probezeit im Anstellungsvertrag vom 06.04.2000 sei vereinbart worden und notwendig gewesen, weil der Klägerin neue Aufgaben übertragen worden seien. Deshalb hat er die Rechtsauffassung vertreten, auch eine neue Probezeit mit verkürzter Kündigungsmöglichkeit sei im Rahmen der Privatautonomie der Parteien zulässig gewesen. Außerdem habe die Klägerin die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2001 akzeptiert. Sie habe bei Übergabe der Kündigung entgegnet, etwas Besseres hätte ihr gar nicht passieren können. Auch habe sie 5,00 DM Fahrgeld für den Nachhauseweg kommentarlos entgegengenommen sowie ihren Arbeitsplatz geräumt. Aus dem Gutachten des medizinischen Dienstes sei zu folgern, dass die Klägerin für die Folgezeit auch nicht mehr arbeitswillig gewesen sei. Laut Gutachten hätte sie für die Kalenderwoche 39/2000 Urlaub nehmen wollen, weil sonst wegen „bestehender Konfliktlage“ eine erneute Arbeitsunfähigkeit eintreten könne. Damit fehle es jedenfalls an den Voraussetzungen des Annahmeverzugs des Beklagten.
Das Arbeitsgericht hat im angegriffenen Urteil der Klage hinsichtlich der noch anhängigen Zahlungsanträge voll stattgegeben, weil die Vereinbarung einer verkürzten Kündigungsfrist nicht zulässig gewesen sei. Die Annahmeverzugsvoraussetzungen lägen ebenfalls vor. Auch der Urlaubsabgeltungsanspruch bestehe mindestens in der geforderten Höhe des anteiligen Entgelts für 9,5 Arbeitstage, weil die Klägerin während ihrer Erkrankung im Monat September nicht den ganzen noch offenstehende Urlaub habe nehmen können und für den Monat Oktober kein weiterer Urlaub erteilt worden sei. Der Anspruch habe sich auch wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst zum 31. Oktober 2000 mindestens um weitere 2,5 Arbeitstage verlängert.
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der weiterhin seinen Klageabweisungsantrag verfolgt, weil die Verkürzung der Kündigungsfrist habe wirksam vereinbart werden können und die Klägerin auch nicht in ausreichender Weise ihre Arbeitskraft angeboten habe, mindestens sei sie im Hinblick auf den Inhalt des Gutachtens des medizinischen Dienstes nicht arbeitsfähig gewesen. Die Klägerin hingegen verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und bittet um Zurückweisung der Berufung. Wegen des Vortrags der Parteien im Einzelnen wird auf ihre im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze sowie das Urteil des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

I.
Die an sich statthafte Berufung des Beklagten ist unzulässig, soweit er zwar vollständige Klageabweisung beantragt, aber die Begründung keinerlei Ausführungen zum Anspruch der Klägerin auf Abgeltung des Urlaubs für sieben Urlaubstage enthält, die auch nach der Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils unabhängig von der im zweiten Rechtszug ausschließlich erörterten Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und des Annahmeverzugs des Beklagten ist. Hierzu finden sich keinerlei Erwägungen des Berufungsklägers in der Berufungsbegründung. Denn es handelt sich jedenfalls in dieser Höhe (die Abgeltung für sieben Tage betrug anteilig 1.453,83 DM) um einen Anspruch, der ausschließlich davon abhängig war, in welchem Umfang der Urlaubsanspruch erloschen war, auch wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits am 30. September 2000 erfolgt wäre. Da sich zu diesem Teil der Klage und des Urteils in der Berufungsbegründung keinerlei Ausführungen finden lassen, genügt die Berufung insoweit nicht den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. und ist deshalb nach § 519b ZPO in diesem Umfang als unzulässig zu verwerfen. Dies muss im Tenor des Urteils nicht eigens zum Ausdruck gebracht werden, da die Berufung ansonsten zwar zulässig, aber nicht in der Sache gerechtfertigt und deshalb zurückzuweisen ist.

II.
Die weitergehende Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg; denn das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben. Hieran vermögen auch die Angriffe der Berufung nichts zu ändern.
1.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht angenommen, dass sich der Beklagte nicht auf die Verkürzung der Kündigungsfrist berufen kann. Die diesbezügliche Vereinbarung der Parteien ist nichtig im Hinblick auf § 622 Abs. 4 BGB in Verbindung mit § 134 BGB. Danach können von der Regelung des § 622 Abs.3 BGB abweichende Vereinbarungen nur im Rahmen eines Tarifvertrags getroffen werden. Eine solche liegt aber nicht vor. Insoweit ist die vom Beklagten ins Feld geführte Privatautonomie der Vertragsparteien eingeschränkt. Ein Verstoß ist deshalb gegeben, weil es sich bei der Neuvereinbarung eines Arbeitsverhältnisses, das sich unmittelbar an das vorangegangene Arbeitsverhältnis anschließt, auch dann, wenn sich der Inhalt entscheidend geändert hat, um ein einheitliches Arbeitsverhältnis handelt.
a) Die Vereinbarung einer kürzeren Kündigungsfrist im Rahmen eines Probearbeitsverhältnisses ist nur in den ersten sechs Monaten der vertraglichen Beziehungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien zulässig. Nach Auffassung des Gesetzgebers sollten unbefristete Einstellungen nicht zu sehr zu erschwert und die erforderliche Flexibilität zu Beginn der Beschäftigung gewährleistet werden. Deshalb „ist vorgesehen, daß das Arbeitsverhältnis während einer vereinbarten Probezeit, längstens aber für die Dauer von sechs Monaten, mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden kann. Diese Frist entspricht der jetzt für Arbeiter geltenden Grundkündigungsfrist“ (vgl. Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P., BT-Drucksache 12/4902, S. 7, identisch mit dem Regierungsentwurf, BT-Drucksache 12/5081).
Die genannte Rechtsfolge ergibt sich aus dem zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Konzept, wonach diese Möglichkeit an den kündigungsschutzfreien Zeitraum der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses (§ 1 Abs. 1 KSchG) gekoppelt ist. „Die Festlegung des Zeitraums von höchstens sechs Monaten, innerhalb dessen die einzelvertragliche Abkürzung der Kündigungsfrist zulässig ist, geht davon aus, daß Probezeiten in der Praxis diesen Zeitraum - auch unter Berücksichtigung des dann einsetzenden Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz - im allgemeinen nicht überschreiten. Wird eine längere Probezeit vereinbart, gilt nach Ablauf des sechsten Beschäftigungsmonats die allgemeine Grundkündigungsfrist von vier Wochen. ... Die Regelung trägt den praktischen Bedürfnissen beider Arbeitsvertragsparteien Rechnung, in einer überschaubaren ersten Zeit der Beschäftigung die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers bzw. die Arbeitsbedingungen zu erproben und bei negativem Ausgang das Arbeitsverhältnis relativ kurzfristig beenden zu können. Sie erleichtert damit unbefristete Einstellungen“ (vgl. BT-Drucksache 12/4902, S. 9).
b) Zwar lässt sich dem Gesetzeswortlaut selbst nicht unmittelbar entnehmen, dass die Vereinbarung einer Probezeit mit verkürzter Kündigungsmöglichkeit stets nur zu Beginn eines Vertragsverhältnisses vereinbart werden kann. Wenn der Gesetzgeber aber nur für eine „erste Zeit der Beschäftigung“ diese Möglichkeit einräumen wollte, bedeutet dies, dass eine Probezeit im Sinne des § 622 Abs. 3 BGB nur zu Beginn des Vertragsverhältnisses vereinbart werden kann. Eine Erprobung ist regelmäßig auch nur sinnvoll zu Beginn des Vertragsverhältnisses und nicht im weiteren Verlauf, wenn die subjektiven und objektiven Umstände, die für die Abwicklung des Vertrags maßgeblich sind, sich bereits offenbart haben.
Dies ergibt sich aber auch sonst aus Sinn und Zweck der Regelung sowie aus dem systematischen Zusammenhang. § 622 Abs. 2 BGB sieht vor, dass mit wachsender Dauer des Arbeitsverhältnisses sich auch die Kündigungsfristen verlängern. Nun kann zwar nicht, wie es das Arbeitsgericht offenbar tut, allein deshalb, weil eine Verkürzung der Kündigungsfrist in Absatz 2 des § 622 BGB nicht zulässig ist, angenommen werden, auch der Neuabschluss eines Arbeitsvertrags und die erneute Vereinbarung einer Probezeit für den Anfangszeitraum sei als einzelvertraglich unzulässige Verkürzung der Fristen des § 622 Abs. 2 BGB unzulässig. Wenn die Verkürzung der Frist nach § 622 Abs. 3 BGB zulässig wäre, ginge diese Regelung der des Abs. 2 vor. Es muss dabei nämlich gesehen werden, dass Abs. 3 die Verkürzung der Frist für beide Vertragsparteien im Verhältnis zu der in Abs. 1 bestimmten Frist zulässt, während Absatz 2 nur die Länge der Frist für die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung bei längerem Bestand des Vertragsverhältnisses regelt. In Absatz 3 wird demnach auch für den Arbeitnehmer eine erleichterte Lösungsmöglichkeit geschaffen.
Bedacht werden muss aber die inhaltliche Nähe zur Wartezeit für das Eingreifen des Kündigungsschutzes nach § 1 Abs. 2 KSchG. Auch wenn die Möglichkeit der Erprobung als Motiv für diese gesetzliche Regelung nicht im Vordergrund steht (vgl. BAG, Urteil vom 20. August 1998 – 2 AZR 83/98 – AP § 1 KSchG 1969 Wartezeit Nr. 10: Maßgeblich ist danach, dass der Arbeitnehmer erst nach einer gewissen Zeit „ein Recht auf den Arbeitsplatz“ erhalten soll), so ist für diesen Zeitraum doch auch kennzeichnend, dass sich der Arbeitgeber ohne nachhaltige Bindung entscheiden können soll, ob der Arbeitnehmer sich als geeignet für die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erweist. Ferner ist die Tatsache von Bedeutung, dass im Rahmen des Schutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz ja auch in einem – nicht befristet abgeschlossenen – Probearbeitsverhältnis der etwaige Kündigungsgrund mangelnder Eignung der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Diese beiden Umstände lassen aber den Schluss zu, dass der Gesetzgeber über den Wortlaut hinaus davon ausging, dass es sich nur um eine Probezeit zu Beginn einer rechtlichen Beziehung handeln darf, wenn ihr die Wirkung einer Verkürzung der Kündigungsfrist auf zwei Wochen zukommen soll. Wenn diese Regelung, wie nicht nur aus den Gesetzesmaterialien, sondern auch ihrem Inhalt zu erkennen ist, den offensichtlichen Zweck verfolgt, die Einstellung von Arbeitnehmern zu erleichtern und deshalb eine unkomplizierte Möglichkeit zur Lösung der vertraglichen Beziehungen zu schaffen, ist dieser Zweck nicht mehr gewährleistet, wenn die Kündigungsfrist zwar kurz ist, die Frage der Wirksamkeit der Kündigung aber an das Vorliegen von Kündigungsgründen, die der gerichtlichen Nachprüfung unterliegen, gebunden ist. Über den genannten Zeitraum von sechs Monaten hinaus gibt es diese Möglichkeit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter erleichterten Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 und 2 KSchG nicht, soweit nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG Kündigungsschutz besteht. Wenn schon der Regelungsinhalt des Abs. 2 des § 622 nicht ohne weiteres und unmittelbar aus dem Wortlaut heraus als Regelungsschranke für eine Verkürzung der Kündigungsfrist nach Abs. 3 herhalten kann, so kann daraus aber doch die Wertentscheidung des Gesetzgebers abgelesen werden, dass länger dauernde Arbeitsverhältnisse auch zu einer längeren Bindung im Falle einer Kündigung führen. Dies betrifft auch Arbeitsverhältnisse, die nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz unterliegen. Je länger die arbeitsrechtlichen Beziehungen dauern, umso mehr soll dem Arbeitnehmer ein relativer Schutz im Zusammenhang mit einer Kündigung zukommen. Eine solche Wertentscheidung steht der Annahme entgegen, dass allein die Vereinbarung einer Probezeit im Rahmen eines bereits in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnisses zu der Verkürzung einer bereits verlängerten Kündigungsfrist führen könnte, auch wenn gerade im Falle der Änderung der Art der vertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Praxis ein gewisses Bedürfnis hierfür vorhanden sein mag. Dies lässt sich mit der in § 622 Abs. 2 BGB zum Ausdruck gebrachten Wertentscheidung, dass ein länger dauerndes Arbeitsverhältnis auch zu einer längeren Bindungsdauer im Falle einer Kündigung durch den Arbeitgeber führt, nicht vereinbaren und würde nur die Prüfung auf die Ebene einer möglichen Umgehung langer Kündigungsfristen verlagern. Die gesetzliche Regelung erscheint deshalb nur sinnvoll, wenn ausschließlich die Probezeit, die für den Beginn einer vertraglichen Beziehung vereinbart ist, im Sinne des Abs. 3 des § 622 BGB privilegiert ist. Die vorliegende Dauer der vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien überschreitet aber, wenn alle Zeiten, in denen ununterbrochen ein Arbeitsverhältnis bestand, zusammengerechnet werden, bei weitem den zulässigen Zeitraum von sechs Monaten.c) Nun beruft sich vorliegend der Arbeitgeber auf die Tatsache, dass ja im unmittelbaren Anschluss an das von der Klägerin gekündigte Arbeitsverhältnis ein neues Arbeitsverhältnis mit unterschiedlichen Vertragsbedingungen bezüglich Art der Tätigkeit und Höhe der Vergütung begründet wurde. Daraus ergibt sich aber nicht die von ihm angestrebte rechtliche Folgerung, dass es sich um eine Probezeit zu Beginn einer – neuen - vertraglichen Beziehung handelt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich anderenfalls um eine Umgehung des Verbots handelt, kürzere als die gesetzlich vorgesehenen Kündigungsfristen zu vereinbaren. Wenn die Parteien statt einer möglichen Änderungsvereinbarung – hier waren sich die Parteien ja schon vor Abschluss des neuen Vertrags über eine Fortsetzung des von der Klägerin gekündigten Vertrags einig und haben das Vertragsverhältnis über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus auf Grund dieser Einigung, die bereits am 18. Februar 2000 schriftlich niedergelegt wurde, fortgesetzt - einen neuen Vertrag schließen, könnte dies dem gesetzlichen Zweck, Mindeststandards bei der Dauer der Lösungsfrist zu gewährleisten, objektiv zuwiderlaufen. Hierauf kommt es aber nicht an, weil die Dauer der Bestands des Arbeitsverhältnisses vor dem 01. April 2000 auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses nach dem 31. März 2000 – beide Arbeitsverhältnisse haben unmittelbar aneinander angeschlossen – anzurechnen ist. Die Vereinbarung der Probezeit betrifft also einen Zeitraum nach Ablauf der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses.
Für den Fall der Probezeit gibt es, soweit ersichtlich, noch keine veröffentlichte Rechtsprechung, die sich mit der Anrechenbarkeit eines beendeten Arbeitsverhältnisses auf ein neues Arbeitsverhältnis befasst, das sich unmittelbar daran anschließt. Soweit es aber auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG oder der Verlängerung der Kündigungsfrist (§ 622 Abs. 2 BGB) ankommt, ist von der Rechtsprechung jeweils der Schluss gezogen worden, dass ausschließlich auf den Bestand und nicht auf die Frage der Beendigung und Neubegründung des Rechtsverhältnisses abzustellen ist (vgl. schon BAG, Urteil vom 23. September 1976 - 2 AZR 309/75 - AP § 1 KSchG 1969 Wartezeit Nr. 1, ständige Rechtsprechung, vgl. etwa auch BAG, Urteil vom 18. November 1999 – 2 AZR 89/99 – AP § 1 KSchG 1969 Wartezeit Nr. 11). Danach setzt sich die sechsmonatige Wartezeit im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG auch dann ununterbrochen fort, wenn in ihrem Verlauf das ursprünglich begründete Arbeitsverhältnis rechtlich beendet wird, sich daran aber ohne zeitliche Unterbrechung ein weiteres Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber anschließt. Dasselbe gilt, wenn ein Arbeitsverhältnis mehrmals befristet wird, für die Frage, ob die Befristungskontrolle im Hinblick auf die mögliche Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes eingreift (BAG, Urteil vom 11. November 1982 - 2 AZR 552/81 - AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 71; zur Anrechenbarkeit bezüglich der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG vgl. auch im Einzelnen KR-Etzel, § 1 KSchG Rz. 118 ff. mit zahlreichen Nachweisen). Schließlich ist auch in der Frage des Eingreifens der verlängerten Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB ein rechtlich beendetes Arbeitsverhältnis, an das sich unmittelbar ein neues Arbeitsverhältnis anschließt, die Dauer des vorhergehenden Arbeitverhältnisses anzurechnen, soweit sie zeitlich nach Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegt (vgl. BAG, Urteil vom 02. Dezember 1999 – 2 AZR 139/99 – AP § 622 BGB Nr. 57). Dasselbe gilt umgekehrt für die Dauer und den Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums (vgl. BAG, Urteil vom 22. August 2001 – 5 AZR 699/99). Nichts anderes gilt aber auch im Rahmen des § 622 Abs. 3 BGB für die Frage, ob der Zeitraum der zulässigen Verkürzung der Kündigungsfrist wegen des Erprobungszwecks noch eröffnet ist oder ob das Arbeitsverhältnis schon länger als sechs Monate bestand. Auch insoweit gibt es keinen Grund, dem Arbeitnehmer den durch eine bereits unter Beweis gestellte Betriebstreue erreichten Status wieder zu nehmen. Die Frage der Schutzbedürftigkeit des längere Zeit im Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber stehenden Arbeitnehmers ist wertungsgleich zu entscheiden. Daraus ergibt sich nach allem, dass die Verkürzung der Kündigungsfrist sich vorliegend nicht mit § 622 Abs. 3 BGB rechtfertigen ließ, weil die Voraussetzung, dass der zulässige Zeitraum von sechs Monaten am Beginn der vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien liegen muss, nicht erfüllt ist. Es verbleibt deshalb mangels anderweitiger zulässiger Vereinbarung bei der Frist des § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Mehr verlangt die Klägerin auch nicht mehr.d) Konnte sonach das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen des Beklagten erst zum 30. Oktober 2000 beendet werden, kommt auch eine vorausgehende einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wie der Beklagte weiterhin geltend macht, schon wegen § 623 BGB nicht in Betracht. Er beruft sich lediglich auf eine mündliche Einigung. Soweit aus der behaupteten Zustimmung zu einer Kündigung ein Aufhebungsvertrag herzuleiten sein soll, ist diese Vorschrift jedenfalls maßgeblich. Darüber hinaus ist dem Verhalten der Klägerin auch nicht ein entsprechender Geschäftswille zu entnehmen. Auch wenn sie sich dahingehend geäußert haben sollte, etwas Besseres als die Kündigung könne ihr nicht geschehen, besagt dies nichts darüber, dass sie die zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgesprochene Kündigung insbesondere auch hinsichtlich der Frist akzeptiere. Die Räumung des Arbeitsplatzes, die Abgabe des Büroschlüssels, die widerspruchslose Hinnahme der Freistellung unter Anrechnung auf den Urlaub wie auch die Bitte um Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung zur Vorlage beim Arbeitsamt sowie eines Zeugnisses sind lediglich Folgewirkungen der Kündigung vor Einholung rechtlichen Rats und beinhalten keinen auf die Aufhebung des Vertragsverhältnisses oder den Verzicht darauf, die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist geltend zu machen, gerichteten Willen. Verwirkungsgesichtspunkte kommen schon deshalb nicht in Betracht, weil sich die Klägerin über ihre nachmaligen Prozessbevollmächtigten bereits mit Schreiben vom 22.09.2000, also noch deutlich vor dem 30. September 2000, mit dem Hinweis auf die Unzulässigkeit der gewählten Kündigungsfrist meldete. Der Beklagte hatte ausreichend Zeit, sich darauf einzustellen und die entsprechenden Dispositionen vorzunehmen. Er hat aber nur erneut gekündigt.
2.
Hat das Arbeitsverhältnis nach allem bis zum 30. Oktober 2000 fortbestanden, hat die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der §§ 615, 296 BGB Anspruch auf die ihr vom Arbeitsgericht zuerkannte Vergütung für diesen Zeitraum.
a) Dies betrifft auch die Urlaubsabgeltung für weitere 2,5 Tage nach §§ 11, 7 Abs. 4 BUrlG in Verbindung mit der Urlaubsregelung in § 7 des Anstellungsvertrags. Ob sich dieser Anspruch nicht bereits im Hinblick auf § 4 BUrlG auch dann ergeben hätte, wenn das Arbeitsverhältnis bereits am 30. September 2000 geendet hätte, ist nicht mehr von Bedeutung. Jedenfalls ist das Arbeitsgericht ohne weiteres von der Anwendbarkeit der Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes auch für den Urlaubsanspruch der Klägerin ausgegangen, soweit er die Mindestdauer nach § 3 BUrlG übersteigt. Dem ist beizutreten mit der Erwägung, dass diese Bestimmungen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auch für den vertraglich vereinbarten Urlaubsanspruch gelten, soweit nicht, was vorliegend nicht geschehen ist, etwas anderes vereinbart wurde. Dagegen hat sich der Beklagte auch nicht eigens gewandt.
b) Der Anspruch der Klägerin auf die der Höhe nach unstreitige Vergütung für Monat Oktober 2000 ist gegeben, ohne dass es auf die – wirksame – Abgabe eines tatsächlichen oder wörtlichen Angebots im Sinne der §§ 294, 295 BGB ankommt. Vielmehr hätte der Beklagte der Klägerin eine Tätigkeit auch in diesem Monat zuweisen müssen (vgl. im Einzelnen KR-Spilger, § 11 KSchG Rz. 11 ff. mit zahlreichen Nachweisen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts). Dies ist nicht geschehen, wie aus dem Schreiben seiner nachmaligen Prozessbevollmächtigten vom 25.09.2000 folgt. Soweit hier auf Grund der Umstände zu fordern wäre, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber vor Ablauf der vom Arbeitgeber für richtig gehaltenen Kündigungsfrist darauf hinweist, dass er von einer längeren Frist ausgeht, ist dies geschehen. Der Beklagte hätte sich darauf einrichten können und durfte nicht mehr davon ausgehen, dass die Klägerin die Kündigung zum 30. September 2000 hinnehmen werde. Außerdem ist die Klägerin am 02. Oktober 2000 an ihrem Arbeitsplatz erschienen, um weiter zu arbeiten. Wenn ihr dies nicht gestattet wurde, hat sie, falls ein tatsächliches Angebot erforderlich gewesen wäre, das getan, was ihr oblag. Nicht die Klägerin hätte sich dann beim Beklagten, sondern umgekehrt der Beklagte bei der Klägerin nach Rückkehr aus seinem Urlaub melden müssen, wenn er sich zu einer tatsächlichen Beschäftigung der Klägerin hätte entschließen wollen. Hierfür hätte er bereits vor seinem Urlaub Vorsorge treffen können und hatte dazu angesichts des Hinweises der Klägerin auf die unzulässig kurze Kündigungsfrist auch alle Veranlassung. Es ist Ausfluss seines Risikobereiches, wenn er die Folgen tragen muss, die sich daraus ergeben, dass er auf seiner unzutreffenden Rechtsansicht beharrt. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs lagen damit vor. c) Dem Anspruch steht auch nicht die vom Beklagten behauptete mangelnde Leistungsfähigkeit oder Leistungsbereitschaft der Klägerin für die weitere Dienstleistung entgegen (§ 297 BGB). Der Beklagte trägt selbst vor, dass in dem sozialmedizinischen Gutachten vom 25.09.2000 der Klägerin für die Zeit nach dem 25. September 2000 Arbeitsfähigkeit bescheinigt wurde. Wenn die Klägerin sich in der Anamnese gegenüber dem medizinischen Dienst über Mobbing geklagt hat und trotz der Unterbrechung des gewährten Urlaubs durch ihre Erkrankung nach dem 25. September 2000 den Urlaub fortgesetzt hat – insoweit hat sie sich ja im Rahmen ihres Abgeltungsanspruchs Urlaub anrechnen lassen, der sonst ihren Abgeltungsanspruch erhöht hätte – ergibt sich daraus nicht zweifelsfrei, dass sie nicht mehr arbeitsbereit gewesen sei. Immerhin hat sie am 02. Oktober 2000 ihre Arbeitsbereitschaft bekundet und hat zu erkennen gegeben, dass sie für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses ihre Dienste erbringen möchte. Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen der Arbeitsbereitschaft der Klägerin liegt aber beim Beklagten. Die von ihm angeführten Umstände lassen den von ihm gezogenen Schluss nicht zu, sondern begründen lediglich Zweifel, nachdem die Klägerin die mangelnde Bereitschaft in Abrede gestellt hat.
d) Damit sind die der Höhe nach nicht bestrittenen Forderungen der Klägerin zuzusprechen, wie dies im angefochtenen Urteil geschehen ist. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 288 Abs. 1, 284 Abs. 2 BGB a.F., wobei zur Klarstellung darauf hinzuweisen ist, dass die Zinshöhe 5 Prozentpunkte und nicht 5 % über dem Basiszinssatz liegt und der Basiszinssatz nach § 247 BGB bestimmt wird (Art. 229 § 7 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB). So ist der Urteilstenor des Arbeitsgerichts auszulegen.

III.
Nach allem hat die Berufung in vollem Umfang keine Erfolg, so dass sie teils als unzulässig zu verwerfen, teils zurückzuweisen ist. Die Kostenfolge beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gebührenwerts erfolgt in Höhe der Klageforderung nach § 3 ZPO.

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