Leitsätzliches
Das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau hat entschieden, dass unabhängig von der Frage, ob sich eine Arbeitnehmerin über den Facebook "Gefällt mir" Button, eine Beleidigung eines Dritten überhaupt zu Eigen macht, dieses im konkreten Fall jedenfalls nicht für eine Kündigung ausreichend ist.
ARBEITSGERICHT Dessau-Roßlau
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 1 Ca 148/11
Entscheidung vom 21.03.2012
In dem Rechtsstreit (...)
hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau auf die mündliche Verhandlung vom (...) durch (...) für Recht erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 08. Dezember 2011 nicht aufgelöst ist.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 14.059,86 € festgesetzt.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch fristlose sowie hilfsweise fristgemäß ausgesprochene Kündigungen der Be-klagten.
Die am 18. Februar 1969 geborene Klägerin ist seit dem 16. Februar 1987 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Sparkassenangestellte zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt durchschnittlich EUR 4.686,62 beschäftigt. In der Zeit vom 01. Januar 1994 bis zum 31. August 2011 war sie als Abteilungsdirektorin Interne Revision eingesetzt. Am 10. Juni 2011 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2012 gegen Zahlung einer Abfindung von EUR 110.000,00. Seit dem 01. September 2011 waren der Klägerin Sonderaufgaben übertragen. Im Betrieb der Beklagten sind regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer mit Ausnahme der zu ihrer Berufsbildung Tätigen beschäftigt. Es besteht ein von der Belegschaft ordnungsgemäß gewählter Personalrat.
Mit Schreiben vom 08. Dezember 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos sowie hilfsweise fristgemäß zum 30. Juni 2012. „Höchstvorsorglich“ kündigte sie das Arbeitsverhältnis im gleichen Schreiben zudem außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich zum nächst zulässigen Termin im Wege der Verdachtskündigung.
Den Kündigungen liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Ehemann der Klägerin „postete“ im August 2011 auf seiner Internetseite bei dem sozialen Netzwerk „Facebook“ folgende Eintragungen: „Hab gerade mein Sparkassen-Schwein auf ……… getauft“ ….. „Naja, irgendwann stehen alle Schweine vor einem Metzger“. ……………….. sind die Vornamen der Vorstände der Beklagten. Der Ehemann der Klägerin veröffentlichte auf dieser Seite zudem eine piktographische Fischdarstellung, bei der das Mittelstück des Fisches durch das Sparkassensymbol dargestellt ist. Neben dem Piktogramm befand sich die Anmerkung „Unser Fisch stinkt vom Kopf“. Die Facebook-Seite des Ehemannes der Klägerin war für 155 „Freunde“, u.a. auch zahlreiche Mitarbeiter und Kunden der Beklagten, einsehbar. Unter dem Fischpiktogramm befand sich mit dem Kommentar „gefällt mir“ der Name der Klägerin.
Die Beklagte erhielt im Herbst 2011 – der genaue Zeitpunkt ist zwischen den Parteien streitig - einen anonymen Brief mit einem Ausdruck der dargestellten Facebook-Seite des Ehemannes der Klägerin. Mit Schreiben vom 15. November 2011 forderte sie die Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig erkrankt war, auf, bis zum 23. November 2011 zu den Eintragungen auf der Facebook-Seite ihres Ehemannes Stellung zu nehmen. Unmittelbar nach Zugang dieses Schreibens wurden die fraglichen Eintragun-gen gelöscht. In der Zeit vom 18. bis 28. November 2011 führte die Beklagte Gespräche mit dem damaligen Rechtsanwalt der Klägerin mit dem Ziel der einvernehmlichen Beilegung der Angelegenheit. Am 29. November 2011 setzte die Beklagte der Klägerin eine Nachfrist zur Stellungnahme bis zum 02. Dezember 2011, woraufhin die Klägerin mit Schreiben vom 02. Dezember 2011 zu den Vorwürfen Stellung nahm. Darin versicherte sie – auch im Namen ihres Ehemannes – es zu unterlassen, „Einträge in dieser oder in einer abgewandelten Form in soziale Netzwerken einzustellen“. Im Übrigen wird auf die Stellungnahme der Klägerin vom 02. Dezember 2011 (Bl. 30 d. A.) ver-wiesen.
Die Beklagte hörte den in ihrem Betrieb bestehenden Personalrat am 07. Dezember 2011 zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Klägerin an. Am gleichen Tag teilte sie dem Personalrat unter dem Betreff „Mitbestimmung gemäß § 67 Abs. 1 LPVG Sachsen-Anhalt …“ mit, dass sie beabsichtige, der Klägerin zusätzlich eine hilfsweise ordentliche Kündigung auszusprechen. Den Schreiben waren jeweils die Anhörung vom 15. November 2011, die Fristsetzung vom 29. November 2011, die Stellungnahme der Klägerin vom 02. Dezember 2011 sowie der Ausdruck der Facebook-Seiten des Ehemannes der Klägerin beigefügt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die an den Personalrat gerichteten Schreiben vom 07. Dezember 2011 (Bl. 69, 70 d. A.) Bezug genommen. Der Personalrat stimmte den Kündigungen mit Schreiben vom 08. Dezember 2011 zu.
Mit ihrer am 22. Dezember 2011 bei dem Arbeitsgericht Dessau-Roßlau eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigungen der Beklagten vom 08. Dezember 2011. Sie meint, Gründe, die die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnten, seien nicht gegeben. Die fristgemäße Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Sie bestreitet im Übrigen die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrates vor Ausspruch der Kündigungen mit Nichtwissen.
Die Klägerin behauptet, den „Gefällt-mir-Button“ unter dem Fisch-Piktogramm auf der Facebook-Seite ihres Ehemannes habe nicht sie selbst sondern möglicherweise ihr Ehemann betätigt. Dazu sei er in der Lage, da sie ihren jetzigen alleinigen Account bis April 2011 mit ihrem Ehemann gemeinsam genutzt habe und dieser auch weiterhin über den inzwischen nur noch von der Klägerin genutzten Account Kommentare unter dem Namen der Klägerin bei Facebook abgeben könne. Ihr Ehemann habe sowohl das Fisch-Piktogramm als auch den Eintrag, sein Sparkassenschwein „Ralf-Thomas“ getauft zu haben, ohne Wissen und Billigung der Klägerin auf seiner Facebook–Seite veröffentlicht. Die Zuordnung des Doppelvornamens auf die beiden Vorstände der beklagten Sparkasse sei für einen objektiven Dritten allerdings nicht möglich. Das Fisch-Piktogramm stelle nur eine allgemein gehaltene Satire in Bezug auf das bekannte Markenzeichen der Sparkasse ohne nähere Individualisierbarkeit einer konkreten Institution oder einer natürlichen Person dar.
Die Klägerin meint, die Beklagte habe die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt, da ihr Ehemann die streitigen Eintragungen bei Facebook bereits am 26. August 2011 vorgenommen habe und die Beklagte von diesen daher vermutlich nicht erst im November 2011 Kenntnis erlangt habe. Der Beklagten sei es auch zumutbar, die Klägerin bis zum 30. Juni 2012 weiterzubeschäftigen, da sie seit dem 01. September 2011 nur noch untergeordnete Tätigkeiten ohne direkte Zusammenarbeit mit dem Vorstand der Beklagten ausübe.
Die Klägerin hat zunächst beantragt, festzustellen, „dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigungen der Beklagten vom 08. Dezember 2011 beendet wird“.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 08. Dezember 2011 nicht aufgelöst ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, sie habe erst am 07. November 2011 durch den Zugang des anonymen Briefes Kenntnis von den fraglichen Facebook-Eintragungen erhal-ten.
Die Beklagte meint, die Klägerin habe mit dem zunächst gestellten Klageantrag innerhalb der Klagefrist nur die hilfsweise fristgemäß erklärten und nicht die fristlosen Kündigungen angegriffen, da ihr Antrag („beendet wird“) allein auf einen in der Zukunft liegenden Beendigungszeitpunkt gerichtet gewesen sei. Nicht beantragt habe die Klägerin hingegen die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlosen Kündigungen nicht beendet „wurde“.
Die Beklagte meint, das Fischpiktogramm stelle einen Angriff auf das Ansehen der Sparkasse und damit eine Beleidigung der Beklagten dar, welche sich die Klägerin („gefällt mir“) zueigen gemacht habe. Durch ihre Stellungnahme vom 02. Dezember 2011 habe die Klägerin die dadurch entstandene erhebliche Erschütterung des Vertrauensverhältnisses gegenüber der Beklagten zudem nicht ausgeräumt sondern noch vertieft, da sie die Äußerungen ihres Ehegat-ten nicht bedauert sondern mit nicht nachvollziehbaren Auslegungsversuchen bagatellisiert und damit gebilligt habe. Sie habe weder glaubhaft erklärt, die Eintragung „gefällt mir“ nicht selbst vorgenommen zu haben, noch sich eindeutig von den Äußerungen ihres Ehemannes distanziert, so dass sich der Verdacht erhärte, dass sie über die Aktivitäten ihres Ehemannes informiert gewesen sei und diese befürwortet habe. Die Kündigung sei daher hilfsweise als Verdachtskündigung begründet. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei – insbesondere im Hinblick auf das besondere Tätigkeitsfeld der Klägerin – nicht mehr möglich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegen -stand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Klage ist begründet. Die Kündigungen der Beklagten vom
08. Dezember 2011 haben das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch fristgemäß beendet.
I. Die Klägerin hat sich rechtzeitig innerhalb der Klagefrist der §§ 4 S. 1, 13 Abs.1 S. 2 KSchG gegen die fristlosen sowie die hilfsweise fristgemäß ausgesprochenen Kündigungen vom 08. Dezember 2011 gewandt. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin auch die fristlosen Kündigungen vom 08. Dezember 2011 mit der Klage vom 22. Dezember 2011 rechtzeitig angegriffen, so dass auch diese Kündigungen nicht bereits nach § 7 1. HS KSchG als von Anfang an rechtswirksam gelten.
1. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial un-gerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist (§ 4 S. 1 KSchG). Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam (§ 7 1. HS KSchG). Da die Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG darauf gerichtet ist, eine oder mehrere bestimmte schriftliche Kündigungen auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen, setzt die Bestimmtheit des Klageantrages entsprechend § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO voraus, dass die mit der Klage angegriffene Kündigungserklärung hinreichend konkret bezeichnet wird. Der Antrag der Kündigungsschutzklage muss dem vom Gesetzgeber in
§ 4 S. 1 KSchG vorgegebenen Inhalt entsprechen, „dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist“.
Wird die Kündigungsschutzklage nicht mit diesem konkreten Antrag erhoben, ist sie auszulegen, wobei der Wortlaut des Antrags hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurückzutreten hat. Entscheidend ist der geäußerte Parteiwille, wie er aus der Klageschrift und den sonstigen Umständen erkennbar wird. Dabei ist gerade im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein großzügiger Maßstab anzulegen (vgl. BAG, Urt. v. 13.12.2007- 2 AZR 818/06 Rz. 29 m. w. N.). Bei der Auslegung des Antrages kommt es maßgeblich darauf an, ob für den Arbeitgeber aus der Klageschrift hinreichend erkennbar wird, welchen Beendigungstatbestand der Arbeitnehmer angreifen will. Ist durch eine Klageerhebung sichergestellt, dass der Arbeitgeber innerhalb der Frist des § 4 KSchG erkennen kann, welche Kündigung vom Arbeitnehmer angegriffen wird, kommt es nicht mehr darauf an, welche Formulierung der Arbeitnehmer seinem Klageantrag gegeben hat (vgl. BAG, Urt. v. 12.05.2005 - 2 AZR 426/04 Rz. 27 m. w. N.). Hat der Arbeitgeber mehrere Kündigungen ausgesprochen, reicht es deshalb aus, wenn die Klage eindeutig erkennen lässt, dass sich der Arbeitnehmer nicht nur gegen eine von mehreren Kündigungen sondern gegen den gesamten Kündigungsvorgang zur Wehr setzen will (vgl. BAG, Urt. v. 06.09.2007 - 2 AZR 264/06 Rz. 40, zit. nach Juris).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin mit ihrer am 22. Dezember 2011 erhobenen Klage alle in dem Kündigungsschreiben vom 08. Dezember 2011 erklärten Kündigungen fristgerecht nach §§ 4 S. 1, 13 Abs. 1 S. 2 KSchG binnen drei Wochen nach ihrem Zugang angegriffen. Die Klage war nicht nur gegen die fristgemäßen sondern auch gegen die fristlosen Kündigungen vom 08. Dezember 2011 gerichtet.
Zwar hat die Klägerin mit der Klage nicht den in § 4 KSchG vorgesehenen Antrag („durch die Kündigung nicht aufgelöst ist“) angekündigt sondern darauf abgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch „die Kündigungen der Beklagten“ nicht „beendet wird“, was sprachlich als Ellipse des futurisch gemeinten „beendet werden wird“ zu verstehen ist. Der Klagebegründung ist gleichwohl eindeutig zu entnehmen, dass sie sich nicht nur gegen den zukünftig wirkenden Beendigungstatbestand der fristgemäßen Kündigungen sondern auch und gerade gegen die mit den fristlosen Kündigungen beabsichtigte sofortige Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses wenden wollte, wobei sie sowohl die jeweils ausgesprochene Tatkündigung als auch die Verdachtskündigung angreifen wollte. Denn die Klägerin bestreitet in der Klage ausdrücklich das „Vorliegen von Gründen, die eine fristlose oder fristgerechte Kündigung sowie eine Verdachtskündigung rechtfertigen könnten“ und rügt die Nichtwahrung der sich aus § 626 Abs. 2 BGB ergebenden Zwei-Wochen-Frist. Dadurch kommt deutlich zum Ausdruck, dass sie die mit Schreiben vom 08. Dezember 2011 erklärten Kündigungen in vollem Umfang angreifen will. Dass die Klage auch gegen die fristlosen Kündigungen gerichtet sein sollte, war für den Arbeitgeber damit aus der Klage eindeutig erkennbar, zumal die Geltendmachung der Unwirksamkeit der fristgemäßen Kündigung ins Leere ginge, wenn die zuvor wirkenden fristlosen Kündigungen nicht zugleich Gegenstand des Klageverfahrens werden würden.
II. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigungen der Beklagten vom 08. Dezember 2011 nicht fristlos beendet worden. Weder die von der Beklagten ausgesprochene fristlose Tatkündigung noch die fristlose Verdachtskündigung haben das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung be-endet.
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Der Kündigungsgrund kann auf einer Störung im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich der Vertragspartner oder im Unternehmensbereich begründet sein. Zu dem persönlichen Vertrauensbereich gehört auch die Pflicht des Arbeitnehmers, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen und seine schutzwürdigen Interessen zu wahren. Dabei wird von einem Arbeitnehmer in leitender Stellung ein höheres Maß an Loyalität als von einem untergeordneten Mitarbeiter erwartet. Auch bei Verstößen gegen die Pflicht zu loyalem Verhalten ist jedoch grundsätzlich vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich, um den Arbeitnehmer auf den pflichtwidrigen Charakter seines Verhaltens hinzuweisen, sofern nicht im Einzelfall ausreichender Grund zu der Annahme besteht, der Arbeitnehmer werde sein Verhalten nicht ändern und weise damit einen dauernden und nicht behebbaren Eignungsmangel auf.
1. Soweit die Beklagte die fristlose Kündigung vom 08. Dezember 2011 auf die von dem Ehemann der Klägerin bei Facebook „geposteten“ Erklärungen („Unser Fisch stinkt vom Kopf“ und „Ich habe mein Sparkassen-Schwein Ralf-Thomas getauft“) stützt, sind diese Aktivitäten ihres Ehemannes nicht geeignet, die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zu rechtfertigen, da die Klägerin grundsätzlich keine Verantwortung für von ihrem Ehemann abgegebene Stellungnahmen trägt. Die Klägerin könnte aus dem Arbeitsverhältnis allenfalls eine Pflicht treffen, auf ihren Ehemann mit der Maßgabe einzuwirken, Äußerungen zu unterlassen, die das Unternehmen ihres Arbeitgebers schädigen. Eine derartige Pflichtverletzung steht vorliegend jedoch nicht in Rede, da die fraglichen Facebook-Einträge, nachdem die Klägerin mit ihnen konfrontiert worden war, unmittelbar von der Internetseite ihres Ehemannes entfernt wurden und zu vermuten ist, dass die Klägerin ihre Löschung veranlasst hat. Eine Pflichtverletzung ist ihr in diesem Zusammenhang nicht zur Last zu legen.
2. Auch der Vorwurf der Beklagten, die Klägerin habe unter dem Fisch-Piktogramm der Beklagten („Unser Fisch stinkt vom Kopf“) auf der Facebook-Seite ihres Ehemannes den „Gefällt-mir“-Button gedrückt, rechtfertigt die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses weder als Tat- noch als Verdachtskündigung.
a) Soweit die Beklagte behauptet, nicht ihr Ehemann sondern die Klägerin selbst habe den „Gefällt-mir“-Button betätigt, hat die Beklagte diese von der Klägerin bestrittene Behauptung nicht unter Beweis gestellt. Da sie für das Vorliegen des Kündigungsgrundes die Beweislast trifft, geht das fehlende Beweisangebot zu ihren Lasten, so dass die Beklagte die Tatkündigung mit diesem Vorwurf nicht begründen kann.
b) Dass die Klägerin den „Gefällt-mir-Button“ möglicherweise selber gedrückt haben könnte, rechtfertigt auch nicht den Ausspruch einer fristlosen Verdachtskündigung. Diese ist grundsätzlich nur gerechtfertigt, wenn sich ein dringender Verdacht aus objektiven, im Zeitpunkt der Kündigung vorliegenden Umständen ergibt und die überwiegende Wahrscheinlichkeit begründet, der Verdächtige habe die Pflichtwidrigkeit begangen. Bloße, auf Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dafür nicht aus (vgl. BAG, Urt. v. 10.02.2005 – 2 AZR 189/04, zit. nach Juris).
Diesen Anforderungen einer Verdachtskündigung hält der Vortrag der Beklag-ten nicht stand. Soweit die Beklagte die Verdachtskündigung damit begründet, die Klägerin habe den „Gefällt-mir-Button“ selber betätigt, da er über ihren Ac-count ausgelöst worden sei, hat die Klägerin diesen Verdacht durch die unwidersprochene Darlegung entkräftet, auch ihr Ehemann habe Zugang zu ihrer Facebook-Seite und habe den Button betätigt. Soweit die Beklagte der Klägerin ferner vorwirft, sie habe sich in ihrer Stellungnahme vom 02. Dezember 2011 nicht eindeutig von den Äußerungen ihres Ehemannes distanziert, so dass sich der Verdacht erhärte, dass sie über die Aktivitäten ihres Ehemannes informiert gewesen sei und diese befürwortet habe, be-gründet auch dies keinen dringenden Tatverdacht gegenüber der Klägerin, der die Verdachtskündigung rechtfertigen könnte. Denn die Äußerungen der Klägerin in ihrer Stellungnahme bieten keinen hinreichenden Anlaß zu der An-nahme, sie habe den „Gefällt-mir-Button“ selbst gedrückt. Dass die Klägerin sich nach Auffassung der Beklagten in dieser Stellungnahme verhalten ausdrückt und die (gegen ihren Ehemann erhobenen) Vorwürfe „bagatellisiert“, diente nach dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Ver-handlung dem Schutz ihres Ehemannes in Hinblick auf eine von der Beklagten angekündigte Strafverfolgung und ist ihr insoweit nicht vorzuwerfen. Ihre Äußerungen sind nicht geeignet, einen dringenden Tatverdacht zu Lasten der Klägerin zu begründen.
Unabhängig davon wäre es aber auch zweifelhaft, ob die in der Betätigung des „Gefällt-mir-Buttons“ liegende einmalige Pflichtverletzung geeignet wäre, die fristlose Kündigung des seit 25 Jahren bestehenden Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.
Zwar wäre es als eine Loyalitätspflichtverletzung gegenüber der Beklagten anzusehen, wenn die Klägerin dem von ihrem Ehemann „geposteten“ Fischpiktogramm öffentlich zugestimmt hätte. Die Klägerin durfte nicht darauf vertrauen, dass einem über Facebook verbreiteten Statement der Charakter eines „vertraulichen Gespräches“ unter „Freunden“ oder Arbeitskollegen zukommen würde. Bei einer auf einer Internet-Plattform getätigten Aussage kann nicht von einer vertraulichen Kommunikation die Rede sein. Dabei macht es keinen Unterschied, ob ein „Posting“ über den öffentlichen oder den so genannten privaten Bereich erfolgt. Da ein Facebook-Nutzer immer mit einer „Veröffentlichung“ rechnen muss, auch wenn er über seinen privaten Face-book-Account abwertende Äußerungen verbreitet, und das Recht der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG weder Formalbeleidigungen noch bloße Schmähungen schützt, wäre die öffentlich getätigte Äußerung „Unser Fisch stinkt vom Kopf“ nicht dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG zuzuordnen und die öffentlich erklärte Zustimmung der Klägerin damit als Loyalitätspflichtverletzung gegenüber der Beklagten anzusehen.
Diese Pflichtverletzung wäre – auch wenn die Klägerin den „Gefällt-mir“-Button selbst gedrückt hätte - gleichwohl nicht geeignet, die fristlose Kündigung des seit 25 Jahren unbeanstandet bestehenden Arbeitsverhältnis-ses zu rechtfertigen. Der in Rede stehende, einmalige Verstoß der Klägerin würde der Beklagten die Fortsetzung des ohnehin zum 30. Juni 2012 endenden Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar machen. Die insoweit erforderliche negative Prognose weiterer Pflichtverletzungen wäre nur dann zu bejahen, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden könnte, dass die Klägerin den Arbeitsvertrag auch zukünftig erneut in gleicher Weise verletzen werde (vgl. BAG, Urt. v. 13.12.2007 - 2 AZR 818/06 Rnr. 37, AP Nr. 64 zu § 4 KSchG 1969). Dafür gibt es vorliegend allerdings keine Anhaltspunkte, da die Klägerin nach Zugang der Anhörung vom 15. November 2011 für die sofortige Löschung des fraglichen Postings auf der Facebook-Seite ihres Ehemannes Sorge getragen und darüber hinaus in ihrer Stellungnahme vom 2. Dezember 2011 ausdrücklich versichert hat, es zukünftig zu unterlassen, Einträge in dieser oder in einer abgewandelten Form in soziale Netzwerke einzustellen. Eine Wiederholungsgefahr wäre damit zum Zeitpunkt des Ausspruchs der fristlosen Kündigung am 08. Dezember 2011 nicht erkennbar gewesen. Das Betätigen des „Gefällt-mir“-Buttons – wenn es der Klägerin nachzuweisen gewesen wäre – hätte damit allenfalls eine Abmahnung gerechtfertigt.
Dies gilt auch, soweit die Beklagte behauptet, ihr Vertrauen in die Klägerin sei durch die dargestellten Vorgänge tiefgreifend zerstört. Selbst wenn die Klägerin den fraglichen Button selber gedrückt hätte, wäre zu berücksichtigen, dass die Betätigung dieses Buttons bei Facebook-Nutzern in der Regel eine spontane Reaktion ohne nähere Überlegung darstellt und in ihrem Bedeu-tungsgehalt nicht zu hoch eingeschätzt werden sollte. Eine Rufschädigung der Beklagten oder ein Ansehensverlust dürfte durch die „Gefällt mir“-Kommentierung tatsächlich auch nicht eingetreten sein. Ob und inwieweit die möglicherweise kritische Einstellung der Klägerin zu den Vorständen der Beklagten geeignet wäre, die tägliche Arbeit der Klägerin in der noch verblei-benden Zeit bis zum 30. Juni 2012 konkret zu beeinträchtigen, ist den Ausführungen der Beklagten nicht zu entnehmen. Ohne derartige konkrete Gefährdungen oder Beeinträchtigungen ist der von den Vorständen der Beklagten empfundene Vertrauensverlust zur Begründung einer fristlosen Kündigung jedoch nicht geeignet.
3. Soweit die Beklagte der Klägerin ferner vorwirft, sie habe durch ihre Stellungnahme vom 02. Dezember 2011 die erhebliche Erschütterung des Vertrauensverhältnisses gegenüber der Beklagten nicht ausgeräumt sondern diese noch vertieft, da sie die Äußerungen ihres Ehemannes nicht bedauert sondern mit nicht nachvollziehbaren Auslegungsversuchen bagatellisiert und damit gebilligt habe, kann sich die Beklagte auf diesen Kündigungsgrund schon deshalb nicht berufen, da sie den Personalrat vor Ausspruch der Kündigung zu diesem Kündigungsgrund nicht angehört hat. Denn in ihrem Anhörungsschreiben vom 07. Dezember 2011 benannte die Beklagte als Kündigungsgrund „Äußerungen im sozialen Netzwerk Facebook, welche dem Ansehen der D. sowie dem Ansehen des Vorstandes schaden können und damit verbundener Vertrauensbruch in der Zusammenarbeit mit dem Vorstand“. Dass die Beklagte in der schriftlichen Stellungnahme der Klägerin vom 02. Dezember 2011 einen weiteren Vertrauensbruch und damit einen weiteren Kündigungsgrund sieht, hat sie dem Personalrat damit nicht mitgeteilt, so dass es ihr verwehrt ist, sich im vorliegenden Verfahren auf diesen Grund zu beziehen. Unabhängig davon, wären die von der Klägerin in ihrer Stellungnahme geäußerten Erklärungsversuche aus den bereits dargelegten Gründen aber auch nicht geeignet, die fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Da die Klägerin für die Facebook-Eintragungen ihres Ehemannes keine Verantwortung trägt, traf sie auch keine Pflicht, das Verhalten ihres Ehemannes gegenüber der Beklagten ausdrücklich zu be-dauern.
II. Die Kündigungen der Beklagten vom 08. Dezember 2011 haben das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht fristgemäß beendet.
1. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Erste Abschnitt des Kündigungs-schutzgesetzes (KSchG) Anwendung, da im Betrieb der Beklagten regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer vollzeitig tätig sind und das Arbeitsverhältnis der Parteien länger als sechs Monate besteht (vgl. §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG).
Die Kündigungen sind nicht sozial gerechtfertigt i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG. Sie sind insbesondere - wie bereits dargelegt - nicht durch Gründe, die im Verhalten der Klägerin liegen, bedingt. Da auch für eine fristgemäße verhaltensbedingte Kündigung grundsätzlich das Prognoseprinzip gilt, wäre auch das insoweit der Klägerin eventuell allein vorwerfbare Drücken des „Gefällt-mir“-Buttons ohne vorangegangene Abmahnung nicht geeignet, die fristgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Insoweit wird zur Begründung – auch hinsichtlich der fristgemäßen Verdachtskündigung - auf die obigen Ausführungen verwiesen.
2. Darüber hinaus ginge die fristgemäße Kündigung zum 30. Juni 2012 aber auch ins Leere, da das Arbeitsverhältnis durch den am 10. Juni 2011 geschlossenen Aufhebungsvertrag der Parteien bereits zum 30. Juni 2012 beendet wird, so dass es einer Kündigung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr be-darf.
III. Da die Kündigungen weder durch einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB bedingt noch sozial gerechtfertigt i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG sind, kann es dahinstehen, ob der Personalrat vor Ausspruch der Kündigungen ord-nungsgemäß beteiligt wurde.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. 91 Abs. 1 ZPO.
V. Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß den §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3, 4 ZPO im Urteil festgesetzt und drei Bruttomonatsgehältern der Klägerin be-wertet.
RECHTSMITTELBELEHRUNG
(...)
Unterschriften