Leitsätzliches
Die Außerordentliche Kündigung eines Mitarbeiters wegen Filesharings ist unwirksam, soweit ihm eine Tathandlung nicht ausreichend nachgewiesen werden kann. Gleiches gilt für die Unterschlagung eines Dienstcomputers sowie den Vorwurf der Computersabotage.
Landesarbeitsgericht Hamm
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 13 Sa 596/13
Entscheidungsdatum: 6. Dezember 2013
Tenor:
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 23.04.2013 – 1 Ca 1139/12 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu 1. und 2. zusammenfassend wie folgt lautet:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 19.11.2012 noch durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 03.12.2012 aufgelöst worden ist.
Das beklagte Land hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen.
Der am 09.08.1968 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei unterhaltsberechtigte Kinder. Er trat mit Wirkung ab 25.06.1994 in die Dienste des beklagten Landes. Seit dem 01.06.1999 arbeitet er bei der Kreispolizeibehörde des Hochsauerlandkreises in M2. Dort ist er als Informationstechniker zu einer Bruttomonatsvergütung von derzeit 3.712,-- € tätig. Bis zum 30.06.2012 war der Kläger Mitglied des bei der Kreispolizeibehörde bestehenden Personalrates.
Im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit nutzte der Kläger ein Büro im Kreishaus in M2. Da er bei der Kreispolizeibehörde für die komplette Funk- und Telefontechnik aller Polizeidienststellen im ganzen Hochsauerlandkreis zuständig war, befand er sich während der Dienstzeiten teilweise nicht in seinem Büro, wobei der Umfang der Abwesenheitszeiten zwischen den Parteien streitig ist.
Bei der Kreispolizeibehörde existierte ein Desktoprechner mit der Nr. Y1, der sich im Büro des Klägers befand. Dieser Rechner wird im Folgenden als Desktoprechner P2 bezeichnet. Weiterhin gab es ein Notebook mit der Nr. Y2, das sich ebenfalls im Büro des Klägers befand. Dieser Rechner wird im Folgenden als Notebook P2 bezeichnet.
Daneben existierte ein Notebook mit der Nr. Y3, das überwiegend oder sogar ausschließlich von dem weiteren IT-Mitarbeiter K1 genutzt wurde. Dieser Rechner wird im Folgenden als Notebook K1 bezeichnet.
Am 24.11.2009 um 8:57 Uhr wurde unter der IP-Adresse 12.123.234.345 das Musikalbum „Vom selben Stern" der Künstlergruppe „Ich und Ich" mittels des Filesharing-Systems BitTorrent zum illegalen Herunterladen verfügbar gemacht. Hierauf wurde das beklagte Land durch ein Schreiben der Rechtsanwälte R1 vom 16.02.2010 hingewiesen (Bl. 85 ff. d. A.).
Am 08.03.2010 erstatte die Kreispolizeibehörde Strafanzeige (Bl. 91 ff. d. A.) und nahm sodann durch die Direktion Kriminalität weitere Ermittlungen auf. Ausweislich des Ermittlungsberichts vom 08.03.2010 (Bl. 94 ff. d. A.) wurden 16 Arbeitsplätze ermittelt, die der oben genannten IP-Adresse fest zugeordnet waren. Bei den anschließenden Ermittlungen erschienen 13 Arbeitsplatzrechner hinsichtlich des Vorwurfs illegaler Downloads unverdächtig, während sich bei dem Desktoprechner P2 sowie den Notebooks P2 und K1 verdächtige Anhaltspunkte ergaben. Die Auswertung ergab auch, dass sowohl auf dem Desktoprechner P2 als auch auf dem Notebook P2 neben den systembedingten Benutzerprofilen das manuell erstellte Profil WinOEM festgestellt wurde, mit welchem die Anmeldung zum System ohne Kennworteingabe ermöglicht wurde.
Im Anschluss an die Untersuchung der 16 Arbeitsplatzrechner veranlasste die Kreispolizeibehörde die Demontage der Festplatten der drei verdächtigen Rechner zwecks einer detaillierten Datenaufbereitung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Datenaufbereitungsbericht vom 11.03.2010 Bezug genommen (Bl.105 ff. d. A.). Dabei wurden auf dem Desktoprechner P2 Hinweise auf das Vorhandensein spezieller Software zum unwiederbringlichen Löschen (CCleaner/Secure Eraser), Dienste, Dateien und Software im Zusammenhang mit Filesharingprogrammen (z.B. Azureus, BitTorrent, Torrent), urheberrechtlich geschützte diverse Musikartikel von „Ich und Ich" sowie sonstige urheberrechtlich geschützte Werke gefunden. Viele Dateien wurden in der Zeit vom 02. bis 04.03.2010 gelöscht.
Auf dem Notebook P2 wurden ebenfalls Hinweise auf Software zum unwiederbringlichen Löschen (CCleaner/Secure Eraser) sowie Dienste, Dateien und Software im Zusammenhang mit Filesharingprogrammen (z.A. Azureus, Torrent) gefunden.
Auf der Grundlage dieses Ermittlungsergebnisses fand am 31.03.2010 bei dem beklagten Land ein Gespräch mit Vertretern der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) statt. Die GVU erstatte sodann unter dem 04.05.2010 Strafanzeige wegen unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke, unerlaubten Eingriffs in verwandte Schutzrechte und gewerbsmäßiger unerlaubter Verwertung geschützter Werke (Bl. 136 ff. d. A.). Hierbei ging es um den unerlaubten Zugriff auf 48 Filme.
Im Anschluss daran erstellte die Direktion Kriminalität unter dem 10.05.2010 einen weiteren Datenaufbereitungsbericht (Bl. 143 ff. d. A.). Danach gab es Anhaltspunkte dafür, dass auf dem Desktoprechner P2 17 Filme heruntergeladen worden waren. Nach diesem Aufbereitungsbericht gab es zudem Anhaltspunkte dafür, dass auf dem Notebook K1 31 Filme heruntergeladen worden waren.
Den auf dem Desktoprechner P2 möglicherweise heruntergeladenen Filmen wurden 25 Zeitpunkte der Schaffung, des Zugriffs und der Modifikation zugeordnet. Zu etwa der Hälfte dieser Zeitpunkte befand sich der Kläger entweder nicht im Dienst oder er war außerhalb des Dienstgebäudes unterwegs. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen namentlich auf Bl. 7 f. des klägerischen Schriftsatzes vom 04.03.2013 (Bl. 225 f. d. A.).
In der Folgezeit ging das beklagte Land davon aus, dass der Kläger und sein Kollege K1 für die getätigten illegalen Downloads verantwortlich seien.
Mit Schreiben vom 17.05.2010 (Bl. 166 ff. d. A.) hörte das beklagte Land den Kläger zu den Vorwürfen an. Hierauf ließ der Kläger mit Schreiben vom 21.05.2010 (Bl. 172 f. d. A.) erwidern.
Mit Schreiben vom 02.06.2010 (Bl. 174 ff. d. A.) hörte sodann das beklagte Land den bei der Kreispolizeibehörde gebildeten Personalrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an. Hierzu nahm der Personalrat mit Schreiben vom 08.06.2010 (Bl. 184 ff. d. A.) ablehnend Stellung. Daraufhin sah das beklagte Land zunächst vom Ausspruch einer Kündigung ab und stellte den Kläger ab dem 16.06.2010 von der Erbringung seiner Arbeitsleistung frei.
Am 03.11.2009 erwarb das beklagte Land auf Anraten des Klägers einen NAS-Server zum Preis von 309,00 €. Dieser Server befand sich zunächst im Büro des Klägers. Im Zuge von Renovierungsarbeiten wurde er in einen Lagerraum bzw. eine Garage verbracht. Im Anschluss daran konnte der Kläger über den Verbleib des NAS-Servers keine Informationen mehr geben.
Der Personalrat der Kreispolizeibehörde verfügte Anfang des Jahres 2010 über einen alten Desktop-Rechner sowie ein altes Notebook mit der Seriennummer N1. Unter Einbeziehung des Personalratsvorsitzenden und des zuständigen Mitarbeiters des beklagten Landes, M1, wurde der Entschluss gefasst, die beiden Rechner durch ein neues Notebook mit Dockingstation zu ersetzen. Nach Rücksprache mit dem Zeugen M1 sonderte der Kläger das alte Notebook mit dem Vermerk „Reparatur unwirtschaftlich" und dem Zusatz „Ersatzteilgewinnung für den VD" aus. Der Zusatz erfolgte vor dem Hintergrund, dass das alte Notebook noch als Ersatzteilträger für die noch vorhandenen Geräte des Verkehrsdienstes eingesetzt werden sollte. Der Kläger nahm das alte Notebook mit nach Hause, um darauf vorhandene Daten des Personalrates zu sichern.
Am 15.06.2010 kam es zu einer Störung im Polizeifunkverkehr. Der Kläger nahm an diesem Tag Veränderungen in der System-Konfigurationsdatei am System-PC im Technikraum vor. Durch diese Veränderungen wurde im Ergebnis eine Störung der Fernwirkbarkeit und Anzeige von Störmeldungen der Gleichwellenfunkrelais im Hochsauerlandkreis herbeigeführt. Diese Störung der Fernwirkkomponente zur zentralen Umschaltung der Relaisstellen wurde am 22.07.2010 von Mitarbeitern des Polizeipräsidiums Dortmund ermittelt und behoben.
Unter dem 03.01.2012 erhob die Staatsanwaltschaft Arnsberg (Aktenz. 300 Js 345/11) gegen den Kläger und seinen Kollegen K1 Anklage. Dem Kläger wurden in 15 Fällen Verstöße gegen das Urheberrechtsgesetz, bezogen auf den NSA-Server Unterschlagung, bezogen auf das Notebook des Personalrates Betrug und bezogen auf die Änderung der System-Konfigurationsdatei Computersabotage vorgeworfen (Bl. 200 ff. d. A.).
Aufgrund der Anklageerhebung fand am 06.11.2012 die Verhandlung vor der Strafrichterin des Amtsgerichts Meschede (Aktenz. 8 Ds-300 Js 345/11 – 13/12) statt. Im Zuge der Verhandlung wurde das Verfahren gegen beide Angeklagten gemäß § 153 a StGB gegen Zahlung eines Geldbetrages von jeweils 500,00 € eingestellt, wobei die beiden Angeklagten ausdrücklich erklärten, dass damit kein Schuldeingeständnis verbunden sei (Bl. 204 d. A.).
Mit Schreiben vom 13.11.2012 hörte das beklagte Land den Personalrat zur beabsichtigten außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Klägers an (Bl. 21 ff. d. A.). Der Personalrat nahm mit Schreiben vom 16.11.2012 dazu Stellung (Bl. 205 ff. d. A.). Anschließend kündigte das beklagte Land mit Schreiben vom 19.11.2012 (Bl. 3 d. A.) das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos, wobei das Kündigungsschreiben unterzeichnet war vom Abteilungsleiter Polizei, P1, der dafür durch den Landrat als Kreispolizeibehörde des Hochsauerlandkreises am 08.11.2012 bevollmächtigt worden war.
Mit einem weiteren Schreiben vom 20.11.2012 (Bl. 212 d. A.) gab das beklagte Land dem Kläger Gelegenheit, zu den erhobenen Vorwürfen abschließend Stellung zu nehmen.
Sodann hörte das beklagte Land mit Schreiben vom 28.11.2012 (Bl. 213 f. d. A.) den Personalrat zu einer weiteren beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an. Nachdem dieser mit Schreiben vom 30.11.2012 (Bl. 489 f. d. A.) Stellung genommen hatte, kündigte das beklagte Land durch den Abteilungsleiter P1 das Arbeitsverhältnis erneut mit Schreiben vom 03.12.2012 außerordentlich und fristlos.
Bezogen auf die Kündigung vom 19.11.2012 hat der Kläger beanstandet, dass er vor Ausspruch dieser Kündigung nicht angehört worden sei. Des Weiteren hat er hinsichtlich beider Kündigungen die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrates bestritten. Die Kündigung vom 03.12.2012 sei zudem ausgesprochen worden, bevor die Stellungnahme des Personalrates vorgelegen habe. Auch sei sein besonderer Kündigungsschutz als ehemaliges Mitglied des Personalrates nicht beachtet worden. Das beklagte Land habe auch die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Schließlich müsse die Bevollmächtigung des Abteilungsleiters P1 zum Ausspruch der Kündigungen bestritten werden.
Es sei auch kein Kündigungsgrund gegeben. Soweit bei der Kreispolizeibehörde illegale Downloads erfolgt seien, sei er dafür nicht verantwortlich.
Eine Unterschlagung des NAS-Servers habe er nicht vorgenommen. Wenn dieser nicht mehr auffindbar sei, habe er dies nicht zu verantworten.
Was das Notebook des Personalrates angehe, habe er dabei gemäß den mit dem Personalratsvorsitzenden und dem Mitarbeiter M1 getroffenen Absprachen gehandelt.
Auch habe er sich keiner Computersabotage schuldig gemacht. Soweit er am 15.06.2010 die Konfigurationsdatei bewusst geändert habe, sei dies - wie in der Vergangenheit auch - geschehen, um das System am Laufen zu halten.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht mit der Kündigung vom 19.11.2012 beendet worden ist, sondern weiter fortbesteht,
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht mit der Kündigung vom 03.12.2012 beendet worden ist, sondern weiter fortbesteht.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat die Ansicht vertreten, ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei gegeben. Der Kläger habe nämlich in nicht unerheblichem Umfang und in strafrechtlich relevanter Weise illegal Daten aus dem Internet heruntergeladen. Insofern könne auf die vorgelegten Ermittlungsberichte Bezug genommen werden. Die dort niedergelegten illegalen Downloads seien teilweise dem Kläger zuzuordnen.
So seien ihm der Desktoprechner P2 und auch das Notebook P2 namentlich zugewiesen gewesen. Zwar könne grundsätzlich jeder Mitarbeiter mit seinem Passwort auf jeden Rechner zugreifen. Ein Zugriff auf die Daten des Klägers sei hierdurch aber nicht möglich gewesen. Zudem sei jeder Mitarbeiter nach der Sicherheitsdienstanweisung ausdrücklich verpflichtet, seine Dateien durch ein Passwort zu schützen.
Außerdem sei das verschlossene Büro des Klägers nur mittels eines Schlüssels zu betreten gewesen.
Soweit Download in einer möglichen Abwesenheit des Klägers stattgefunden hätten, stehe dies seiner Täterschaft nicht entgegen. Die Software Azureus arbeite nämlich mit einem automatischen Einwahlverfahren. So sei der Kläger in der Lage gewesen, Downloads auch dann zu starten, wenn er nicht an seinem Arbeitsplatz gewesen sei.
Des Weiteren sei darauf hinzuweisen, dass der Azureus-Client auf dem Desktoprechner P2 in der Zeit vom 11.08.2008 bis zum 17.02.2010 an mehr als 107 Tagen im Einsatz gewesen sei; dies habe nicht geschehen können, ohne dass der Kläger dies bemerkt habe.
Bezogen auf den NAS-Server habe der Kläger sich nach § 246 StGB und in Bezug auf das Personalratsnotebook nach § 263 StGB strafbar gemacht. Zudem habe er am 15.06.2010 den Straftatbestand der Computersabotage erfüllt. Die Manipulation des Funkfernsystems habe eine nicht unerhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dargestellt. Der Kläger habe in einem Gespräch am 02.08.2010 die Veränderung der System-Konfigurationsdatei zugestanden und diesbezüglich auf technische Notwendigkeiten hingewiesen, die er aber auch im Rahmen des Strafverfahrens nicht habe belegen können.
Selbst wenn man nicht von einer täterschaftlichen Begehung durch den Kläger ausgehen könne, verblieben doch dringende Verdachtsmomente, die eine fristlose Kündigung als Verdachtskündigung rechtfertigten.
Das beklagte Land hat zudem die Ansicht vertreten, der § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt, und auch der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Schließlich sei der Abteilungsleiter P1 zum Ausspruch der Kündigung bevollmächtigt gewesen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 23.04.2013 der Kündigungsschutzklage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das beklagte Land nicht hinreichend dargelegt habe, dass der Kläger tatsächlich Pflichtverletzungen begangen habe, die den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen könnten. So habe das beklagte Land nicht belegen können, dass der Kläger illegale Downloads, bezogen auf Musiktitel oder Filme, vorgenommen habe. Insoweit gebe es auf dem Notebook P2 schon – anders als beim Notebook K1 – praktisch keinerlei Anhaltspunkte für illegale Downloads.
Demgegenüber gebe es allerdings auf dem Desktoprechner P2 Hinweise, aus denen sich mit Wahrscheinlichkeit darauf schließen lasse, dass von diesem Rechner illegale Downloads ausgeführt worden seien, und zwar bei 17 Filmen zu insgesamt 25 Erstellungs-, Zugriffs- und Veränderungszeitpunkten. Allerdings sei der Kläger nach seinen insoweit unwidersprochen gebliebenen Darlegungen zu etwa der Hälfte dieser Zeitpunkte nicht im Dienstgebäude in M2 anwesend gewesen. Zudem hätten sich auf dem Desktoprechner P2 urheberrechtlich geschützte Musiktitel von Ich und Ich sowie sonstige urheberrechtlich geschützte Werke befunden. In dem Verzeichnis des Benutzers WinOEM seien verschiedene mittels der Software Azureus gestartete Downloads festgestellt worden, wobei nicht mehr hätte verifiziert werden können, ob die Downloads auch tatsächlich erfolgt seien.
Insgesamt könne aber nicht als erwiesen davon ausgegangen werden, dass der Kläger illegale Downloads veranlasst habe. Bezogen auf den Desktoprechner P2 gebe es zwar Hinweise auf illegale Downloads. Es stehe aber nicht fest, dass diese vom Kläger zu verantworten seien. Insofern sei zu berücksichtigen, dass der genannte Desktoprechner grundsätzlich auch von anderen Mitarbeitern genutzt werden konnte. Entlastend für den Kläger sei auch, dass ausweislich des Dienstdatenaufbereitungsberichts vom 08.03.2010 auf dem Rechner das Profil WinOEM festgestellt worden sei, mit dem die Anmeldung zum System ohne Kennworteingabe erfolgen konnte. Schließlich spreche in etwa die Hälfte der Fälle, die im Zusammenhang mit illegalen Downloads von Filmen ständen, gegen eine Täterschaft des Klägers, dass er sich zu den bezeichneten Zeiten nicht im Dienstgebäude in M2 aufgehalten habe. Hieran ändere sich nichts dadurch, dass solche Downloads auch ohne räumliche Anwesenheit erfolgen könnten.
Was das Abhandenkommen des NAS-Servers angehe, habe das beklagte Land nicht dargelegt, dass dafür der Kläger verantwortlich sei.
Auch in Bezug auf das Notebook des Personalrates sei kein verbotenes Handeln des Klägers, der sich zur Rechtfertigung auf eine Absprache mit dem Personalratsvorsitzenden und dem zuständigen Mitarbeiter M1 berufe, ersichtlich.
Schließlich könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei den von ihm vorgenommenen Änderungen in der System-Konfigurationsdatei am System-PC am 15.06.2010 bewusst eine Datenverarbeitungsanlage habe vorsätzlich zerstören, beschädigen, unbrauchbar machen, beseitigen oder verändern wollen.
Die Kündigungen seien auch als Verdachtskündigungen unwirksam, weil es nach den getroffenen Feststellungen etwa ebenso wahrscheinlich sei, dass der Kläger an illegalen Downloads nicht mitgewirkt habe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich das beklagte Land mit der Berufung.
Es ist der Ansicht, dass kein Zweifel bestehe, dass der Kläger die streitgegenständlichen Downloads durchgeführt habe. So habe er die beiden Rechner selbst installiert und eingerichtet sowie ausschließlich genutzt und als Administrator das WinOEM-Profil angelegt. Davon abgesehen hätte er als sachkundiger regelmäßiger Benutzer die verbotenermaßen installierte und zum Teil sogar tagelang gestartete Software erkennen müssen.
Auch bestehe eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger sich den NAS-Server sowie das Notebook des Personalrates in rechtswidriger Art und Weise angeeignet habe. Auch habe er die Verwirklichung des Straftatbestandes der Computersabotage nach § 303b StGB eingeräumt.
Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 23.04.2013 – 1 Ca 1139/12 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bestreitet, illegale Downloads vorgenommen zu haben. So hätten allein 16 Personen Schlüssel für sein Büro gehabt; daneben habe es einen für viele Personen zugänglichen Generalschlüssel gegeben. Die Rechner, die als sogenannte Testrechner nur sporadisch genutzt worden seien, seien nicht passwortgeschützt und deshalb allgemein zugänglich gewesen. Da er nur zu etwa 50 % seiner Arbeitszeit im Büro anwesend gewesen sei, hätten sich auch andere Personen dort unbemerkt aufhalten können. Davon abgesehen sei er zu mehr als der Hälfte der streitgegenständlichen Zeitpunkte nicht im Dienst gewesen. Schließlich hätte für ihn als Informationstechniker die Möglichkeit bestanden, etwaige Spuren unbemerkt und endgültig zu beseitigen, statt nur einen Datenschredder zu benutzen.
Den NAS-Server habe er sich nicht angeeignet.
Das Notebook des Personalrates habe neben dem Vermerk „Reparatur unwirtschaftlich" zusätzlich den Vermerk „Ersatzteilgewinnung für den VD" erhalten, habe also fortan als Ersatzteilträger eingesetzt werden sollen. Zum Zwecke der Datensicherung habe er es in Absprache mit dem Personalratsvorsitzenden und dem zuständigen Mitarbeiter M1 mit nach Hause genommen.
Was den Vorwurf der Computersabotage angehe, habe er in Ausführung seiner Arbeitsaufgaben Änderungen in der System-Konfigurationsdatei am System-PC vorgenommen, ohne dabei bewusst und gewollt eine Datenverarbeitungsanlage zerstören, beschädigen, unbrauchbar machen, beseitigen oder verändern zu wollen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlage ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Kläger kann vom beklagten Land die Feststellung verlangen, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis arbeitgeberseits nicht durch die außerordentlichen Kündigungen vom 19.11. und 03.12.2012 aufgelöst worden ist.
Beide Kündigungen sind nämlich, losgelöst von allen anderen Einwendungen des Klägers, in jedem Fall deshalb unwirksam, weil in seiner Person die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht erfüllt sind, also kein wichtiger Grund für die sofortige Beendigung des im Kündigungszeitpunkt über 18 Jahre zum beklagten Land bestandenen Arbeitsverhältnisses gegeben ist.
Insoweit folgt die Berufungskammer in allen Punkten den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.
Die Ausführungen in der Berufungsbegründung geben zu folgenden ergänzenden Bemerkungen Anlass:
I. In der mündlichen Verhandlung am 06.12.2013 wurde klarstellend festgehalten, dass der Kläger auf dem ihm als Benutzer zugeordneten Desktoprechner P2 in der Vergangenheit das Profil WinOEM angelegt hat, wodurch zumindest allen 16 Mitarbeitern des damaligen Dezernats VL 3 die Möglichkeit eröffnet war, sich ohne Einschaltung des Klägers und ohne Eingabe eines Passworts Zugang zu diesem Rechner zu verschaffen. Erklärbar wird dies vor dem Hintergrund der Ausführungen des Klägers und auch des Personalrates in seiner Stellungnahme vom 08.06.2010, wonach das genannte Gerät nur als sogenannter Testrechner genutzt wurde; dabei griffen nach der im Strafverfahren am 09.02.2011 gemachten Aussage des dort tätigen Administrators K2 „mehrere Kollegen" auf das Gerät zu Testzwecken zu, und dies selbst dann, wenn der Kläger nicht persönlich vor Ort weilte. So war es, worauf der Personalrat bereits in der genannten Stellungnahme hingewiesen hatte, keine wirkliche Überraschung, wenn man auch andere Mitarbeiter am Testrechner antraf. Wenn bei einer solchen – offensichtlich geduldeten bzw. jedenfalls zur damaligen Zeit nicht untersagten – Handhabung gerade auf diesem Rechner in der Vergangenheit zahlreiche verbotene Downloads veranlasst wurden, lassen sich diese dem Kläger nicht dergestalt zuordnen, dass jedenfalls eine große Wahrscheinlichkeit für seine Täterschaft besteht, was zumindest eine sogenannte Verdachtskündigung rechtfertigen könnte.
II. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Feststellung des Sachverständigen W1 in seinem Gutachten vom 12.08.2010, wonach ein sachkundiger regelmäßiger Benutzer des Desktoprechners P2 die einschlägige Software bzw. einen Teil der verbotenen Dateien hätte bemerken müssen. Denn nach den Ausführungen des Klägers nutzte er zur Erledigung seiner regelmäßig anfallenden Arbeiten einen im sogenannten CN-Pol-Netz, eine Art Intranet, zum Einsatz kommenden Rechner. Demgegenüber sei von seiner Seite ein Zugriff auf den als Testrechner fungierenden Desktoprechner P2 nur selten erfolgt, wenn es z.B. um die Überprüfung neu eingeführter Programme gegangen sei. Angesichts dieser Ausführungen des Klägers, denen das beklagte Land nicht substantiiert entgegengetreten ist, kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger in der Diktion des Sachverständigen W1 zum Kreis der regelmäßigen Benutzer des Desktops gehört hat, zumal der Kläger auch noch darauf hingewiesen hat, er habe jeweils nur anlassbezogen den Rechner ein- und anschließend sofort wieder ausgeschaltet.
III. Die Tatsache, dass der Kläger sich etwa zur Hälfte aller streitgegenständlichen Zeitpunkte gar nicht vor Ort im Dienstgebäude in M2 aufhielt, spricht zwar namentlich bei sogenannten Torrent-Downloads nicht zwingend gegen seine Verantwortlichkeit. Insoweit hat er aber unwidersprochen darauf hingewiesen, dass bei den dokumentierten Sachverhalten die Anwesenheit einer Person vor Ort im Büro zwingend erforderlich gewesen sei, z.B. als ein USB-Stick mit dem Desktoprechner P2 verbunden worden sei oder Wechseldatenträger zum Einsatz gekommen seien.
Nach alledem steht entgegen der Ansicht des beklagten Landes weder zur Überzeugung des Gerichts fest noch ergibt sich ein dringender Tatverdacht, dass nur der Kläger und kein anderer Mitarbeiter der Kreispolizeibehörde auf dem Desktoprechner P2 zugreifen konnte und deshalb für die illegalen Downloads verantwortlich ist. In dem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass das beklagte Land sich selbst weiterer Erkenntnisquellen begeben hat, als es nach den ergebnislos gebliebenen Gesprächen mit allen 16 Mitarbeitern der damaligen Abteilung VL 3 einige Zeit zuwartete und so im Zeitraum vom 02. bis 04.03.2010 Löschungen ermöglichte, bevor dann endlich die Aufbewahrung der Geräte in einem verschlossenen Raum erfolgte. In dieser Konstellation ist es auch ohne Weiteres nachvollziehbar, wenn der Kläger als Informationstechniker darauf hinweist, er wäre bei von ihm selbst getätigten illegalen Downloads in der verbliebenen Zeit nach dem 01.03.2010 unschwer in der Lage gewesen, die Rechner neu zu installieren, statt nur einen für einen Laien typischen bloßen Schredder zu verwenden, der noch Datenspuren hinterlassen habe.
IV. Was das Verschwinden des NAS-Servers angeht, hat das beklagte Land auch zweitinstanzlich nicht substantiiert darlegen können, dass der Kläger dieses Gerät unterschlagen hat.
Entsprechendes gilt für den erhobenen Betrugsvorwurf im Zusammenhang mit dem Notebook des Personalrates, wobei der Kläger unwidersprochen herausgestrichen hat, dass er den noch für die Ersatzteilgewinnung vorgesehenen Rechner absprachegemäß nur zur Sicherung der Daten des Personalrates mit nach Hause genommen habe.
V. Was schließlich den Vorwurf der Computersabotage gemäß § 303b StGB angeht, hat der Kläger zwar eingeräumt, dass es als Folge menschlicher Unzulänglichkeit bei den von ihm am 15.06.2010 vorgenommenen Änderungen in der System-Konfigurationsdatei am System-PC nicht zur Beseitigung vorhandener Störungen gekommen sei. Es sind aber keine dem Beweis zugängliche Tatsachen dafür ersichtlich, dass der Kläger dabei bewusst und gezielt die Änderungen vorgenommen hat, um zu verhindern, dass der Funkverkehr der Polizei im Störungsfall kurz- und mittelfristig wieder betriebssicher genutzt werden konnte.
VI. Abschließend ist auch zur Rechtfertigung der streitbefangenen Kündigungen nichts daraus abzuleiten, dass der Kläger am 06.11.2012 vor dem Amtsgericht Meschede einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StGB gegen Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 500,00 € zugestimmt hat. Dadurch ist nämlich nicht bewiesen, dass er die ihm vorgeworfenen Taten begangen hat (vgl. BVerfG, 16.01.1991 – 1 BvR 1326/90 – NJW 1991, 1530). Es ist damit auch kein Schuldeingeständnis verbunden, worauf der Kläger in der strafgerichtlichen Verhandlung auch ausdrücklich hingewiesen hat. Wenn er sich trotzdem aus prozessökonomischen Gründen mit der Verfahrenseinstellung einverstanden erklärte, um namentlich nicht „weiter in die Medien gezerrt" zu werden, ist dies nachvollziehbar und kann nicht im Rahmen der nach § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Würdigung dazu führen, dass eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.