Leitsätzliches
In seiner Entscheidung kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, dass die von der Arbeitnehmerin per Telefon ausgesprochene Eigenkündigung das Arbeitsverhältnis wirksam beendet hat. Das Gericht ist dabei der Ansicht, dass es treuwidrig ist, ein Arbeitsverhältnis selbst ohne Einhaltung der Schriftform zu kündigen und sich dann später auf die Unwirksamkeit dieser Kündigung wegen fehlender Schriftform zu berufen.
LANDESARBEITSGERICHT RHEINLAND-PFALZ
URTEIL
Aktenzeichen: 8 Sa 318/11
Entscheidung vom 02. Februar 2012
In dem Rechtsstreit
...
- Klägerin-
gegen
...
- Beklagte -
hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz - 8. Kammer - durch ...
für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 31.3.2011, Az.: 7 Ca 699/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin war bei den Beklagten, die einen Friseursalon betreiben, seit dem 01.05.2007 als Friseurin beschäftigt. Die Beklagten beschäftigen in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmer.
Mit Schreiben vom 06.04.2010 kündigten die Beklagten das Arbeitsverhältnis fristlos sowie vorsorglich fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Gegen die fristlose Kündigung richtet sich die von der Klägerin am 15.04.2010 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage.
Die Beklagten haben erstinstanzlich u.a. geltend gemacht, die Klage sei - ungeachtet der Wirksamkeit der mit Schreiben vom 06.04.2010 erklärten außerordentlichen Kündigung - bereits deshalb unbegründet, weil die Klägerin selbst das Arbeitsverhältnis am 23.03.2010 fristlos gekündigt habe.
Zur Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 31.03.2010 (Bl. 88 - 92 d.A.).
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit den Beklagten nicht durch die fristlose Kündigung vom 06.04.2010 - zugegangen am 07.04.2010 - aufgelöst worden ist, sondern aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung vom 06.04.2010 bis zum 31.05.2010 fortbestanden hat.
Die Beklagten haben beantragen,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hatte Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Z. Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht die Klägerin und die Beklagte zu 1. nach § 141 ZPO angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Anhörung der Parteien wird auf die Sitzungsniederschrift vom 31.03.2011 (Bl. 80 ff d.A.) verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 31.03.2011 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 8 - 12 dieses Urteils (= Bl. 93 - 97 d.A.) verwiesen.
Gegen das ihr am 10.05.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.06.2011 Berufung eingelegt und diese am 04.07.2011 begründet.
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei das Arbeitsverhältnis nicht durch eine von ihr - der Klägerin - selbst erklärte fristlose Kündigung vom 23.03.2010 aufgelöst worden. Sie gehe nach wie vor nicht davon aus, dass sie eine solche Kündigung gegenüber der Beklagten zu 2. an dem betreffenden Tag erklärt habe. Auch gegenüber der Beklagten zu 1. und der erstinstanzlich vernommenen Zeugin Z habe sie eine solche Erklärung nicht abgegeben. Vielmehr habe sie seinerzeit lediglich erklärt, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht zur Arbeit kommen könne. Allerdings habe sie sich aufgrund ihrer seinerseits bereits vorliegenden psychischen Erkrankung in einer derart angegriffenen Verfassung befunden, dass eine Beeinflussung des Beurteilungs- und Wahrnehmungsvermögens nicht ausgeschlossen werden könne. Die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme sowie die Parteianhörung habe auch - entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts - keineswegs ergeben, dass sie selbst eine fristlose Kündigung ausgesprochen habe. Eine solche wäre auch in Ermangelung der erforderlichen Schriftform unwirksam. Keineswegs sei es gerechtfertigt, die in § 623 BGB vorgeschriebene Schriftform im Hinblick auf § 242 BGB als entbehrlich zu erachten.
Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 04.07.2011 (Bl. 123 - 126 d.A.) sowie auf den ergänzenden Schriftsatz vom 25.07.2011 (Bl. 134 d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 06.04.2010 - zugegangen am 07.04.2010 - aufgelöst worden ist, sondern aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung vom 06.04.2010 bis zum 31.05.2010 fortbestanden hat.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 08.08.2011 (Bl. 146 - 149 d.A.), auf die Bezug genommen wird.
Das Berufungsgericht hat die Klägerin (erneut) sowie die Beklagte zu 2. nach § 141 ZPO angehört. Zur Darstellung der Bekundung der Beklagten zu 2. und der Klägerin im Rahmen dieser Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 08.02.2012 (Bl. 180 f d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung abgewiesen.
II.
Die gegen die fristlose Kündigung der Beklagten vom 06.04.2010 gerichtete Kündigungsschutzklage ist unbegründet, da zwischen den Parteien im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs kein Arbeitsverhältnis mehr bestand.
Die Begründetheit einer im Wege der Kündigungsschutzklage beantragten Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist, setzt voraus, dass im Zeitpunkt der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien tatsächlich bestanden hat (BAG v. 26.05.1999 - 5 AZR 664/98 - AP Nr. 10 zu § 35 GmbHG, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Zwischen den Parteien bestand zum Zeitpunkt der streitbefangenen außerordentlichen Kündigung kein Arbeitsverhältnis mehr. Dieses war vielmehr bereits durch eine seitens der Klägerin selbst am 23.03.2010 mündlich erklärte fristlose Kündigung mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Der Klägerin ist es nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich im Hinblick auf das Fehlen eines wichtigen Grundes (§ 626 BGB) und die Nichteinhaltung der Schriftform (§ 623 BGB) auf die Unwirksamkeit in der eigenen Kündigung zu berufen.
Zutreffend ist das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass die Klägerin am 23.03.2010 telefonisch gegenüber der Beklagten zu 2. das Arbeitsverhältnis fristlos kündigte und dies darüber hinaus mit besonderer Verbindlichkeit und Endgültigkeit mehrfach kundtat. Das Berufungsgericht folgt insoweit der zutreffenden Würdigung der Aussage der Zeugin Z sowie der Erklärungen der Klägerin und der Beklagten zu 1. im Rahmen ihrer Anhörung durch das Arbeitsgericht auf den Seiten 10 f. des erstinstanzlichen Urteils (= Bl. 95 f. d.A.) und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Das erstinstanzlich gewonnene Beweisergebnis wurde durch die vom Berufungsgericht durchgeführte Anhörung der Beklagten zu 2. und die erneute Anhörung der Klägerin in vollem Umfang bestätigt und damit verstärkt. Die Beklagte zu 2. hat bei ihrer Anhörung widerspruchsfrei, detailliert und glaubhaft das zwischen ihr und der Klägerin am 23.03.2010 gegen 9.00 Uhr vormittags geführte Telefongespräch geschildert. Demnach hat die Klägerin ihre bereits zu Beginn des Gesprächs abgegebene Erklärung, sie kündige fristlos, auf den Einwand der bevorstehenden Osterfeiertage hin mit der Bemerkung "das ist mir egal" wiederholt und die Aufforderung, doch wenigstens die Kündigungsfrist einzuhalten, mit den Worten "das ist mir scheißegal" beantwortet. Die Klägerin hat demgegenüber bei ihrer erneuten Anhörung nicht ausdrücklich in Abrede gestellt, im Rahmen des betreffenden Telefongesprächs eine Kündigungserklärung abgegeben zu haben, sondern vielmehr lediglich ausgesagt, sie könne sich nicht daran erinnern, fristlos gekündigt zu haben. Dieses Vorbringen erscheint dem Berufungsgericht indessen unglaubwürdig. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass bezüglich der Abgabe oder Nichtabgabe wichtiger und weitreichender Äußerungen bzw. Erklärungen eine Erinnerungslücke besteht. Das Berufungsgericht ist daher - ebenso wie das Arbeitsgericht - davon überzeugt, dass die Klägerin am 23.03.2010 fristlos kündigte und an der Kündigungserklärung - trotz der seitens der Beklagten zu 2. geäußerten Einwände - ausdrücklich und mit besonderer Verbindlichkeit festhielt.
Bei dieser Sachlage ist es der Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf das Fehlen eines wichtigen Kündigungsgrundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB sowie auf die Nichteinhaltung der Schriftform (§ 623 BGB) zu berufen. Insoweit greift nämlich der Grundsatz des sog. "venire contra factum proprium" (widersprüchliches Verhalten), wonach die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer eigenen Willenserklärung dann als rechtsmissbräuchlich angesehen wird, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Ein Arbeitnehmer, der - wie im vorliegenden Fall die Klägerin - eine fristlose Kündigung mehrmals - und zwar entgegen den Vorhaltungen der anderen Seite - ernsthaft und nicht nur einmalig spontan ausgesprochen hat, sich sodann nachträglich jedoch auf die Unwirksamkeit der eigenen Erklärung beruft, verhält sich treuwidrig (vgl. BAG v. 04.12.1997 - 2 AZR 799/96 -). Der Klägerin ist es daher verwehrt, sich zu ihrem Vorteil auf Rechtsvorschriften zu berufen, die sie selbst missachtet hat.
Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe bereits seinerzeit an einer auch jetzt noch andauernden psychischen Erkrankung gelitten, welche ihre Willensbildungsfähigkeit beeinflusst habe, so steht dieses Vorbringen der Wirksamkeit der Kündigung ebenfalls nicht entgegen. Aus dem Vortrag der Klägerin lässt sich nämlich nicht ableiten, dass die Klägerin seinerzeit geschäftsunfähig war, was nach § 105 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit ihrer Willenserklärung führen würde. Nach § 104 Nr. 2 BGB ist derjenige geschäftsunfähig, der sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet. Dieses Merkmal erfordert den Ausschluss der freien Willensbestimmung, was zu bejahen ist, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Bloße Willensschwäche oder leichte Beeinflussbarkeit genügen hingegen nicht, ebenso wenig das Unvermögen, die Tragweite der abgegebenen Willenserklärung zu erfassen (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 104 Rz. 5 m. N. a. d. Rechtsprechung). Das insoweit unsubstantiierte Vorbringen der Klägerin bietet keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die Klägerin am 23.03.2010 in einem Zustand befand, der ihre freie Willensbildung ausschloss.
III.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.