Leitsätzliches
Bei einer Domain, die auf den Betriebsrat eines Unternehmens hinweist, besteht keine Verwechselungsgefahr, wenn die Domain-Bezeichnung doppelt so lang ist wie der Unternehmensname.LANDESARBEITSGERICHT Köln
Im Namen des Volkes
Urteil
Entscheidung vom 06. Mai 2013
Az.: 2 Sa 62/13
In dem Rechtsstreit...
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln...
... für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12.12.2012 – AZ 20 Ca 3689/12 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten um die Nutzung und Löschung der Domain „www.ial-br.de“.
Die Klägerin betreibt ein Institut zur Entwicklung und Realisierung von beruflichen Weiterbildungskonzepten. Sie hat im Laufe des vorliegenden Verfahrens die Marke „IAL“ für sich schützen lassen.
Der Beklagte ist bei der Klägerin als Dozent angestellt und wird überwiegend in der Niederlassung der Beklagten in K beschäftigt.
Am 04.11.2011 wurde der Beklagte bei der Klägerin zum Mitglied eines fünfköpfigen Wahlvorstandes und in der Folge auch zum Mitglied des (erstmalig) im Betrieb der Klägerin gegründeten Betriebsrats gewählt.
Am 06.11.2011 meldete das damalige Wahlvorstandsmitglied M K die Domain „www.ial-br.de“ an, ohne zuvor die Klägerin um Zustimmung zu fragen. Die Domain wurde von den Wahlvorstandsmitgliedern zunächst für den Emailverkehr genutzt.
Die unter der Domain „ial-br.de“ nunmehr abrufbare Homepage ist nur nach Eingabe eines Passworts einsehbar. Das Passwort wird allen Mitarbeitern der Klägerin mitgeteilt.
Die Klägerin selbst war zum Zeitpunkt der Anmeldung der Domain durch Herrn K Inhaberin der Domain „www.ial-efc.de“ und ist nunmehr auch Inhaberin der Domain „www.ial.de“.
Das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und Herrn K endete mit Wirkung zum 31.03.2012. Herr K übertrug daraufhin sämtliche Rechte an der Domain „www.ial-br.de“ an den Beklagten.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, der Beklagte verletze ihre Namensrechte durch die Verwendung der Domain. Sie behauptet, die Betriebsratsvorsitzende habe kein Interesse an der Nutzung und fortdauernden Reservierung der streitigen Domain bekundet. Der Betriebsrat könne die im Intranet für ihn durch die Klägerin eingerichtete Seite zur Kommunikation mit den Mitarbeitern nutzen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 100.000,- € ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monate, zu unterlassen, im Verkehr im „Internet“ den Domainnamen „ial-br.de“ zu benutzen und/oder benutzen zu lassen und/oder an Dritte zu übertragen und/oder diesen Domain-Namen reserviert zu halten;
2. den Beklagten zu verurteilen, durch Abgabe einer entsprechenden Erklärung gegenüber dem Deutschen Network Information Center (DE-NIC) zu veranlassen, dass die Reservierung des Domain-Namen „ial-br.de“ für den Beklagten gelöscht wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, die Verwendung und Registrierung der Domain sei ursprünglich notwendig gewesen, da dem Wahlvorstand keine passwortgeschützte Emailadresse zur Verfügung gestellt worden sei. Eine Namensverwechslung mit der Beklagten selbst sei ausgeschlossen, da der Namenszusatz „br“ eindeutig darauf hinweise, dass es sich nicht um eine von der Klägerin gepflegte Seite handele. Durch den Passwordzugang sei es für Außenstehende offensichtlich, dass es sich nicht um eine von der Klägerin eingerichtete Seite handele.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und weder aus dem Namensrecht noch der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht eine Anspruchsgrundlage erkannt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie stellt unstreitig, dass ein Anspruch aus § 14 Abs. 5 Markengesetz nicht besteht, da der Beklagte die streitige Internetadresse nicht gewerblich nutzt. Sie führt weiter aus, dass der Namensbestandteil in der Internetadresse „ial“, ihrer Ansicht nach eine Namensanmaßung beinhalte, die eine Verwechslungsgefahr mit sich bringe. Der Betriebsrat habe kein schutzwürdiges Interesse, betriebsfremde Personen zu informieren. Diese Gefahr bestehe trotz des passwortgeschützten Zugangs zu den Inhalten der Homepage, da das Passwort von Betriebsangehörigen weitergegeben werden könne. Es sei ihr auch nicht zumutbar, die Homepage täglich zu überwachen, um zu kontrollieren, ob dort unzulässige Inhalte veröffentlich würden. Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hat die Klägerin ein Gutachten zur Akte gereicht, aus dem sich ebenfalls die Unzulässigkeit einer eigenen Homepage des Betriebsrats ergeben soll.
Die Klägerin beantragt mit der Berufung, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln, Aktenzeichen 20 Ca 3689/12 vom 12.12.2012 den Beklagten zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 100.000,- € ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monate, zu unterlassen, im Verkehr im „Internet“ den Domainnamen „ial-br.de“ zu benutzen und/oder benutzen zu lassen und/oder an Dritte zu übertragen und/oder diesen Domain-Namen reserviert zu halten;
2. durch Abgabe einer entsprechenden Erklärung gegenüber dem Deutschen Network Information Center (DE-NIC) zu veranlassen, dass die Reservierung des Domain-Namen „ial-br.de“ für den Beklagten gelöscht wird.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Im Vergleichswege wäre er bereit gewesen, die streitige Internetadresse zum 30.06.2014 einzustellen und in der Zwischenzeit die von der Klägerin zur Verfügung gestellt Intranetseite für die Betriebsratskommunikation zu testen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige und fristgerechte Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Ein Anspruch der Klägerin ist weder aus § 12 BGB i. V. m. §§ 823, 1004 BGB noch aus der dem Arbeitnehmer obliegenden Rücksichtnahmepflicht des Arbeitsverhältnisses gegeben.
Die erkennende Kammer schließt sich in vollem Umfang den sorgfältig dargestellten rechtlichen Erwägungen der ersten Instanz an. Diese sind allerdings dahingehend zu ergänzen, dass die verwendete Internetdomain nicht die Namensrechte der Klägerin verletzt sondern allenfalls diejenigen des Betriebsrats der Klägerin. Die in der Internetdomainadresse verwendeten Buchstaben und Zeichen verweisen durch den zugefügten Zusatz „-br“ nicht auf den Namen der Klägerin sondern auf den Betriebsrat der Klägerin als Namensträger. Zwar könnte die Klägerin die Namensrechte des Betriebsrats für diesen geltend machen. Dies würde jedoch voraussetzen, dass der Betriebsrat als der verletzte und geschützte Namensträger durch wirksam zustande gekommenen Betriebsratsbeschluss die Arbeitgeberin mit der Verfolgung seiner Ansprüche beauftragen würde. Ein solcher Betriebsratsbeschluss ist ersichtlich nicht gegeben.
Demgegenüber ist die verwendete Domainadresse nicht geeignet, isoliert auf die Klägerin hinzuweisen, so dass eine Verwechselung nicht zu befürchten ist. Dies folgt bereits daraus, dass die Domainadresse doppelt so lang ist wie der geschützte Name der Klägerin. Zudem besteht wegen der Kürze des Namens und der Häufigkeit des Vorkommens der drei Buchstaben in anderen Domainadressen (z. B. gen.ial, ial-cisl, ial.uni-hannover) eine eindeutige Zuordnung zur Klägerin nur für den isoliert verwendeten eigentlichen Namen „ial“. Bereits mit nur einem weiteren Zeichen ist der Name „ialt“ im Internet als Abkürzung für eine andere Organisation in Gebrauch. Aufgrund der einerseits nichtssagenden Buchstabenkombination „ial“, die in vielen weiteren Abkürzungen auftritt, ist deshalb der doppelt solange Domainname nicht geeignet, die schutzwürdigen Interessen der Klägerin zu verletzen.
Dafür, dass eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen ist, spricht weiterhin, dass bei einer Googlesuche nach den Buchstaben „ial“ auf den ersten 8 Seiten keinerlei Hinweise auf die hier streitige Domainadresse erfolgt. Selbst wenn man bei Google die Buchstabenkombination ial-br eingibt, kommt die hier streitige Domain erstmals auf der dritten Seite der Suchergebnisse zur Anzeige. Auch in diesem Fall gerät der Internetnutzer aber zunächst auf eine Eingangsseite, die keinerlei Hinweise auf die Klägerin zulässt und die die weiteren Inhalte der Domain erst freigibt, wenn das hierfür erforderliche Passwort bekannt ist.
Da zwischen den Parteien nicht streitig ist, ob die Klägerin die Kosten der Internetseite zu zahlen hat, kommt es auf die Frage, ob die Klägerin verlangen kann, dass der Betriebsrat zur Kommunikation eine kostengünstigere Variante, nämlich eine von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellte Intranetseite nutzt, nicht an.
Die im Gutachten wiedergegebene Vorstellung der Arbeitgeberin, durch eine Intranetseite könne sie missliebige Inhalte sofort löschen lassen, dies ermögliche ihr den erleichterten Zugriff auf die vom Betriebsrat veröffentlichten Informationen, ist rechtsirrig. Denn insoweit werden der Betriebsrat und seine Mitglieder in ihrer Darstellung im Betrieb auch als Grundrechtsträger tätig und sind in ihrer Meinungsfreiheit geschützt. Die Absicht der Klägerin, Intranetseiten ohne Absprache mit dem Betriebsrat löschen oder verändern zu können, Zugriff für einzelne Betriebsmitarbeiter sperren zu können oder anderweitig besser auf die Meinungsäußerungen des Betriebsrats im Intranet als im Internet zugreifen zu können, begründet gerade die Befürchtung, die Mitglieder des Betriebsrats könnten ohne eine eigene Internetseite ihr Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht angemessen ausüben. Zudem übersieht die Klägerin auch, dass vorliegend weder die konkrete Beseitigung von Inhalten der Homepage streitgegenständlich ist, noch dass der Beklagte, der die Homepage dem Betriebsrat zur Verfügung gestellt hat, nicht für sich reklamiert, die Inhalte der Seite gestaltet zu haben. Ob im konkreten Fall in einem betriebsverfassungsrechtlichen Streit der Betriebsrat als Gremium verpflichtet ist, Inhalte der von ihm genutzten Domain zu beseitigen oder abzuändern, weil diese beispielsweise beleidigend sind und die Grenzen des Grundrechts der Meinungsfreiheit überschreiten, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Damit bleibt es dabei, dass die Klägerin in ihrem Namensrecht nicht verletzt ist und eine wirksame Beauftragung des Betriebsrats wegen Verletzung von dessen Namensrecht nicht vorliegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.