Leitsätzliches
E-Mails, in denen die Geschäftsführung oder ein Vorgesetzter beleidigt werden, rechtfertigen die außerordentliche Kündigung. Eine Beleidigung kann sich auch aus einem als beigefügten Gedicht mit der Überschrift "Narrenschiff" ergeben, wenn sich ein eindeutiger Bezug ergibt.Bei einer Vergütungsklage können der unterliegenden Partei auch vor dem Arbeitsgericht die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.ARBEITSGERICHT WIESBADEN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 3 Ca 33/01
Entscheidung vom 2. Mai 2001
In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht Wiesbaden, Kammer 3, auf die mündliche Verhandlung vom 02.05.2001 durch Richter am Arbeitsgericht ... – Vorsitzender - , ehren-amtlicher Richter ... und ehrenamtlicher Richter ... für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 16.716,--DM festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger war gemäß Arbeitsvertrag vom 27. März2000 ab 1. Mai 2000 als Online-Redakteur beschäftigt. Seine monatliche Bruttovergütung lag bei 8.500.,00-DM. Die Beklagte, ein Start-Up-Unternehmen, beschäftigt etwa 150 Mitarbeiter. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2000 war das zwischen den Partei-en bestehende, Arbeitsverhältnis von der Beklagten ordentlich zum 31. Januar 2001 gekündigt worden. Am 22. Dezember 2000 versandte der Kläger an sämt-liche Mitarbeiter der Beklagten eine E-Mail folgenden Wortlauts:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich wünsche euch, allen Frohe Weihnachten und einen
guten Rutsch ins Neue Jahr(tausend).
..........................
Online-Redaktion
P.S. Mir ist vor kurzem der Text des "Narrenschiffs" von ...........in die Hände gefallen. Ich sende ihn euch als meinen Beitrag zur Rubrik „Besinnliches zum Neuen Jahr“.
Das Narrenschiff
Das Quecksilber fällt, die Zeichen, stehen auf Sturm,
nur blödes Kichern und Keifen vom Kommandoturm,
und ein dumpfes Mahnen grollt aus der Maschine.
Und Rollen und Stampfen und schwere See,
die Bordkapelle spielt Humba-Täterä,
und ein irres Lachen dringt aus der Latrine.
Die Ladung ist faul, die Papiere fingiert,
die Lenzpumpen leck und die Schotten blockiert,
die Luken weit offen und alle Alarmglocken läuten.
Die Seen schlagen mannshoch in den Laderaum,
und Elmsfeuer züngeln vom Ladebaum,
doch keiner an Bord vermag die Zeichen zu deuten.
Der Steuermann lügt, der Kapitän ist betrunken
und der Maschinist in dumpfe Lethargie versunken,
die Mannschaft lauter meineidige Halunken,
der Funker zu feig um SOS zu funken.
Klabautermann führt das Narrenschiff,
volle Fahrt voraus und Kurs aufs Riff.
Am Horizont wetterleuchten die Zeichen der Zeit,
Niedertracht und Raffsucht und Eitelkeit.
Auf der Brücke tummeln sich Tölpel und Einfaltspinsel.
Im Trüben fischt der scharfgezahnte Hai,
bringt seinen Fang ins Trockne, an der Steuer vorbei,
auf die Sand-Bank bei der wohlbekannten Schatzinsel.
Die andern Geldwäscher und Zuhälter, die warten schon,
Bordellkönig, Spielautomatenbaron,
im hellen Licht - niemand muss sich im Dunkeln rumdrücken
in der Bananenrepublik, wo selbst der Präsident
die Scham verloren hat und keine Skrupel kennt
sich mit dem Steuerdieb im Gefolge zu schmücken.
Der Steuermann lügt, der Kapitän ist betrunken,
und der Maschinist in dumpfe Lethargie versunken, ...
Man hat sich glatt gemacht, man hat sich arrangiert.
All die hohen Ideale sind havariert,
und der große Rebell, der nicht müd' wurde zu streitgen,
mutiert zu einem servilen, giftigen Gnom
und singt lammfromm vor dem schlimmen, alten Mann in Rom
seine Lieder. Fürwahr es ändern sich die Zeiten.
Einst junge Wilde sind gefügig, fromm und zahm,
gekauft, narkotisiert und flügellahm,
tauschen Samtpfötchen für die einst so scharfen Klauen.
Und eitle Greise präsentieren sich keck
Mit immer viel zu jungen Frauen auf dem Oberdeck,
die ihre schlaffen Glieder wärmen und ihnen das Essen vorkauen.
Der Steuermann lügt, der Kapitän ist betrunken
und der Maschinist in dumpfe Lethargie versunken, ...
Sie rüsten gegen den Feind, doch der Feind ist längst hier.
Er hat die Hand an deiner Gurgel. Ersteht hinter dir.
Im Schutz der Paragraphen mischt er die gezinkten Karten.
Jeder kann es sehen, aber alle sehen weg,
und ein Dunkelmann kommt aus seinem Versteck
und dealt unter aller Augen vor dem Kindergarten.
Der Ausguck ruft vom höchsten Mast: "Endzeit in Sicht!"
Doch sie sind wie versteinert, und sie hören ihn nicht.
Sie ziehen wie Lemminge in willenlosen Horden.
Es ist, als hätten alle den Verstand verlor'n,
sich zum Niedergang und zum Verfall verschwor'n
und ein Irrlicht ist ihr Leuchtfeuer geworden.
Der Steuermann lügt, der Kapitän ist betrunken,
und der Maschinist in dumpfe Lethargie versunken,
die Mannschaft lauter meineidige Halunken,
der Funker zu feig um SOS zu funken.
Klabautermann führt das Narrenschiff,
volle Fahrt voraus und Kurs aufs Riff.
Der Steuermann lügt, der Kapitän ist betrunken,
und der Maschinist in dumpfe Lethargie versunken, ...
Nach der Betriebsordnung der Beklagten ist die Versendung von Rundschrei-ben über E-Mail an alle Mitarbeiter oder an größere Gruppen nur nach Zu-stimmung der Bereichsleitung erlaubt. Eine solche Zustimmung hatte der Klä-ger nicht eingeholt. Nach den Betriebsferien vom 27. bis 29. Dezember 2000 be-schwerten sich bereits am 2. Januar 2001 eine Reihe von Mitarbeitern beim Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, die sich seinerzeit in einer angespann-ten finanziellen Situation befand.
Mit Schreiben vom 2. Januar 2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger erneut fristlos unter Hinweis auf die oben zitierte E-Mail vom 22. Dezember 2000 und erteilte ihm gleichzeitig ein Hausverbot.
Mit der am 12. Januar 2001 erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Wirksamkeit dieser fristlosen Kündigung und verlangt zugleich die Zahlung der vereinbarten Vergütung für den Zeitraum 3. bis 3l.Januar 2001.
Der Kläger ist der Ansicht, unter Abwägung aller Umstände sei die Versen-dung der E-Mail vom 22. Dezember 2000 kein hinreichender Grund für eine außerordentliche Kündigung. Deshalb stünde ihm nach der Kündigung der Beklagten vom 27. Oktober 2000 zum 31. Januar 2001 auch noch die Vergütung für die Zeit zwischen dem 3. und dem 31. Januar 2001 zu.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 2. Januar 2001 nicht zum 2. Januar 2001 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31. Januar 2001 zu un-veränderten Bedingungen fortbesteht,
die Beklagte zu verurteilen, ihm 8.216,67 DM brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basisdiskont-satz gemäß dem Diskont-Überleitungsgesetz seit 1. Februar 2001 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, die Versendung der E-Mail vom 22. Dezember 2000 sei auch unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls ein ausrei-chender Grund für die erklärte fristlose Kündigung. Entsprechend sei auch die begehrte Vergütung für Januar 2001 nicht mehr zuzahlen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die in der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2001 vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen Be-zug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die Klage ist zulässig.
Sie ist trotz rechtzeitiger Klageerhebung im Sinne des zweifelsfrei anwendba-ren Kündigungsschutzgesetztes jedoch unbegründet, sowohl im Feststellungs- als auch im Zahlungsbegehren.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung (§§ '4, 13 Abs. ,1 KSchG). Die dem Kläger unter dem 2. Januar 2001 ausgesprochene fristlose Kündigung ist wirksam.
Nach dem Gesetz (§ 626Abs. 1 BGB) kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ge-kündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigen-den unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwä-gung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhält-nisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Been-digung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Solche Tatsachen liegen hier vor.
Der Text der E-Mail vom 22. Dezember 2000, der allen Mitarbeitern der Be-klagten zuging, beleidigt und verunglimpft nicht nur die Geschäftsführung der Beklagten, sondern auch die gesamte übrige Mitarbeiterschaft. Jedem Leser der E-Mail musste in der gegebenen Situation klar sein, dass der übersandte Liedtext von ............trotz der vorangestellten Weihnachts- und Neujahrswün-sche eine zynische Deutung der personellen und wirtschaftlichen Situation der Beklagten sein sollte. Mit dem „Narrenschiff“ war offenkundig die Beklagte selbst gemeint.
Der Kläger kann jetzt auch nicht darauf verweisen, dass es sich „nur" um einen Liedtext von ........... handele, der in viele Richtungen deutbar sei. Der Lied text ist eine Metapher, denn offenkundig beschreibt der Autor nicht den Zustand auf einem realen Schiff. Die Metapher ist ein oft bewusst angewandtes sprach-liches Stilmittel. Mit ihr wird statt der eigentlichen Bezeichnung eine uneigent-liche oder übertragene gebraucht, bei der zwischen, dem eigentlichen und dem übertragenden Ausdruck eine Ähnlichkeit besteht (tertium comparationis) (vgl. dtv-Lexikon1992, Stichwort: Metapher). Die Metapher wird nicht nur in der Dichtkunst häufig benutzt (a.a.0.). Sie gehört auch in der Pädagogik, der Psychotherapie und der Kommunikationspsychologie zum klassischen Hand-werkszeug. Auch alle Märchen und Mythen sind Metaphern (Ó Con-nor/Seymour, Weiterbildung auf neuem Kurs, 1996, Seite 109 ff; dies., NLP: Gelungene Kommunikation und Persönliche Entfaltung, 6. Auflage 1996, Seite 190 ff; Richardson, Erfolgreich kommunizieren, 1992, Seite 123 ff; Drewer-mann, Rapunzel....Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet, 4. Auflage 1996, Vorwort). Jede Metapher veranlasst den Hörer oder Leser zu einer „Rückübersetzung“ (Derks, Das Spiel sozialer Beziehungen, 2000, Seite 315 ff). Der Zuhörer oder Leser hat die Freiheit, sich mit den dargestellten Gestalten, Beziehungen, Ereignissen, Schwierigkeiten, Entwicklungen und Lösungen i-dentifizieren oder zu dem Gehörten auf Distanz zu bleiben.
Deshalb erzeugt das Erzählen einer Metapher keinen Widerstand beim Zuhö-rer oder Leser: Wenn die „Geschichte“ so aufgebaut ist, dass der Zuhörer oder Leser ihr eine persönliche Bedeutung geben kann, „passt“ sie. Wenn sie dage-gen nicht „passt“, besteht für den Zuhörer oder Leser keine Notwendigkeit, sie sich auf zu beziehen. Ob er sie ablehnt oder annimmt, was die Metapher beim Zuhörer oder Leser auf jeden Fall erzeugt, ist eine Suche nach dem Sinn des Berichteten auf dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungen. Der Zuhörer oder Leser entnimmt der Geschichte, was in seiner Welt zusammenpasst und gibt dem eine möglicherweise sehr unterschiedliche persönliche Bedeutung (Mohl, Der Meisterschüler, 1996, Seite 223 ff).
In diesem Sinne „passte“ das Lied vom "Narrenschiff“ auf die Beklagte und deren Mitarbeiter. Die entsprechende "Rückübersetzung" drängte sich gerade-zu auf. Jedem Mitarbeiter der Beklagten, der vor seinem Bildschirm saß und den versandten Text zur Kenntnis nahm, musste klar sein, dass in der konkre-ten Situation mit dem „Narrenschiff" nicht „die Welt“ oder „die Regierenden“ oder ähnliches gemeint war, sondern – trotz oder gerade wegen der harmlosen Weihnachts- und Neujahrsgrüße am Anfang – die Beklagte und deren wirt-schaftliche und personelle Lage. Auch der Kläger musste dies wissen oder je-denfalls erkennen, dass dies von den Adressaten so aufgefasst werden würde. Unbestritten ist nämlich, dass sich die Beklagte zur fraglichen Zeit tatsächlich in einer angespannten wirtschaftlichen Situation befunden hat. So „rücküber-setzt“ enthalten die Zeilen von .............grobe Verunglimpfungen aller Mitarbei-ter der Beklagten, vgl. z.B.
„Der Steuermann lügt, der Kapitän ist betrunken und der
Maschinist in dumpfe Lethargie versunken, die Mannschaft lauter
meineidige Halunken, ...; in der Bannenrepublik wo selbst der
Präsident die Scham verloren hat und keine Skrupel kennt
sich mit dem Steuerdieb im Gefolge zu schmücken....; der
Ausguck ruft vom höchsten Mast: „Endzeit in Sicht!“ doch sie
sind wie versteinert, und sie hören ihn nicht. Sie ziehen wie
Lemminge in die willenlosen Horden. Es ist, als hätten alle den Verstand ver-lor´n.“
Nach ständiger Rechtssprechung des BAG sind Beleidigungen durch den Ar-beitnehmer, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den betroffenen Arbeitgeber wie auch die Mitarbeiter bedeuten, als Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis an sich zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung geeignet; der Arbeitneh-mer kann sich dann nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäuße-rung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen;
entsprechendes gilt für bewusst wahrheitswidrig aufgestellte ehrverletztende Tatsachenbehauptungen, etwa wenn sie den Tatbestand einer üblen Nachrede ausfüllen(BAG vorn 17. Februar 2000, 2AZR927/98; BAG AP Nr. 151 zu § 626 BGB; BAG AP Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Dies beruht darauf, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit weder Formalbeleidigungen und bloße Schmähungen noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen schützt (BVerfGE 93, 266; BVerfGE 991 185), auch wenn sie in "passenden" Metaphern versteckt sind, und dass dieses Grundrecht im Übrigen nicht schrankenlos ge-währt, sondern insbesondere durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt ist, und in ein ausgeglichnes Verhältnis zu diesem gebracht werden muss (BVerfGE 93, 266). Berechtigt sind Arbeitnehmer aller-dings grundsätzlich, unternehmensöffentliche Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen zu äußern. Dies mag etwa in Betriebsversammlun-gen auch überspitzt und polemisch ausfallen. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen kön-nen, muss der Arbeitgeber dagegen nicht hinnehmen (BAG AP Nr. 96 zu § 626 BGB). Dabei ist die strafrechtliche Beurteilung kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend (BAG EzA Nr.13 zu § 15, BBiG). Eine einmalige Ehrverlet-zung ist kündigungsrechtlich umso schwerwiegender, je unverhältnismäßiger und je überlegter sie, ausgeführt wurde (BAG vom 17. Februar 2000,2 AZR 927/98).
Die hier vorliegende Verunglimpfung ist in besonderer Weise unverhältnis-mäßig, weil sie Geschäftsführung und Belegschaft - metaphorisch verschlüsselt - undifferenziert zu abgestumpften skrupellosen Rechtsbrechern macht Der Kläger hat sie auch besonders überlegt ausgeführt, in dem er sie jedem Mitar-beiter der Beklagten gleichsam persönlich übermittelt hat. Irgendein impulsi-ves oder spontanes Moment ist nicht erkennbar.
Auch die regelmäßig gebotene umfassende Interessenabwägung fördert keine Gesichtspunkte zu Tage, die die fristlose Kündigung der Beklagten vom 2. Ja-nuar 2001 letztlich als unangemessen im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB erscheinen ließe. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch die Kündigung der Be-klagten vom 27. Oktober 2000 ohnehin am 31. Januar 2001. Die Zeit zwischen dem Ausspruch der hier streitigen fristlosen Kündigung und dem durch die ordentliche Kündigung bevorstehenden Ende des Arbeitsverhältnisses war al-so recht kurz. Auf die Prüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeits-verhältnisses bis zum ohnehin bevorstehenden Ende im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb besonderes Augenmerk zu richten. Häufig wird sich bei der gebotenen Abwägung aller Umstände ergeben, dass ein an sich zur fristlosen Kündigung geeigneter wichtiger Grund doch nicht "greift'" weil das Ende des Arbeitsverhältnisses kurz bevorsteht. Eine generelle Unzulässigkeit der fristlo-sen Kündigung wenige Tage oder Wochen vor dem aus anderen Gründen be-vorstehenden Ende des Arbeitsverhältnisses lässt sich daraus jedoch nicht her-leiten. Sie führte dazu, dass die Arbeitsvertragsparteien kurz vor Ende ihres Arbeitsverhältnisses letztlich „Narrenfreiheit" genössen und das Institut der fristlosen Kündigung auf sie keine Anwendung mehr finden könnte. Eine frist-lose Kündigung muss also auch wenige Wochen vor Ende des Arbeitsverhält-nisses noch möglich bleiben, auch wenn der Maßstab hierfür strenger werden mag, je näher das aus anderen Gründen vorgesehene Ende des Arbeitsverhält-nisses rückt.
Im vorliegenden Fall bleibt die fristlose Kündigung der Beklagten vom 2. Ja-nuar 2001 auch bei Anlegen strenger Maßstäbe gerechtfertigt. Der Kläger war als Online-Redakteur bei der Beklagten tätig und hatte in dieser Funktion un-gehinderten Zugang zu den Kommunikationsmitteln der Beklagten. Diese hat er weisungswidrig für seine persönlichen Ziele genutzt. Dem Kläger war wie allen übrigen Mitarbeitern auch ausdrücklich untersagt, Rundschreiben über E-Mail an alle Mitarbeiter oder an größere Gruppen zu versenden, ohne vorher die Erlaubnis der Bereichsleitung eingeholt zu haben. Die Beklagte ist durch die beschriebene E-Mail pauschal grob verunglimpft worden. Ihr war bei der gegebenen Sachlage nicht zuzumuten, diese metaphorisch verschlüsselte Be-schimpfung sanktionslos hinzunehmen. Ein minder schweres Mittel als die fristlose Kündigung stand der Beklagten letztlich auch nicht zur Verfügung. Eine Abmahnung wäre im Blick auf das bevorstehende Ende des Arbeitsver-hältnisses wirkungslos verpufft. Auch eine eventuelle kritische Würdigung der klägerischen Führung und Leistung im Zeugnis wäre schon aus Rechtsgrün-den fraglich gewesen, weil" ein qualifiziertes Zeugnis nach allgemeiner An-sicht das Arbeitsverhältnis insgesamt bewerten muss und keine einmaligen Ereignisse besonders herausstellen kann. Auch eine Versetzung des Klägers auf einen Arbeitsplatz, an dem ihm der Zugang zum Kommunikationssystem der Beklagten verwehrt ist, kam ernsthaft nicht in Frage. Der Kläger war bei der Beklagten als Online-Redakteur beschäftigt. Insofern war die Arbeit mit In-ternet und E-Mail der zentrale Gegenstand seiner arbeitsvertraglichen Leis-tungspflichten. Die Versetzung an einen Arbeitsplatz ohne Internetanschluss wäre auf eine Freistellung des Klägers unter Fortzahlung der Vergütung hi-nausgelaufen. Das darin liegende finanzielle Opfer war der Beklagten im Blick auf die oben beschriebenen Geschehnisse erst recht nicht zumutbar. Außerdem musste die Beklagte auch die Auswirkungen der klägerischen E-Mail auf das Betriebsklima beachten. Unbestritten führte die E-Mail des Klägers zu promp-ten Beschwerden von Mitarbeitern. Hätte die Beklagte auf diese E-Mail nicht reagiert, wäre dies sicher ein kontraproduktives Signal für die Mitarbeiter-schaft gewesen.
Auf Seiten des Klägers sind auch keine persönlichen Gesichtspunkte erkenn-bar, die hier eine Kündigung unverhältnismäßig erscheinen ließe. Der Kläger war erst seit 1. Mai 2000 bei der Beklagten beschäftigt und kann deshalb nicht auf einen besonders großen "sozialen Besitzstand" blicken, Auch wenn er, wie in der Klageschrift vorgetragen, zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflich-tet ist, wäre dies kein durchschlagender Gesichtspunkt, der im vorliegenden Fall bei der Gesamtwürdigung aller Umstände die ausgesprochene fristlose Kündigung als unangemessen im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB erscheinen ließe.
In Konsequenz daraus erweist sich auch das klägerische Zahlungsbegehren als unbegründet. Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 2. Januar 2001 endet auch die Vergütungspflicht der Beklagten. Der Kläger hat deshalb auch keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 8.216,67, DM brutto als Vergütung für die Zeit vom 3. bis 31. Januar 2001.
Als Unterlegener hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung im Urteil ist begründet aus § 61 Abs. 1 ArbGG und entspricht ihrer Höhe nach dem Wert einer Monatsvergütung für das Feststellungsbegehren unter Addition des Zahlungsbegehrens.
(Unterschriften)