Leitsätzliches
Abgrenzung eines Gehaltbestandteils von einer freiwilligen Leistung - Anforderungen an die Annahme einer konkludenten Vertragsänderung.
ARBEITSGERICHT STUTTGART
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 15 Sa 53/01
Entscheidung vom 15. Oktober 2001
In dem Rechtsstreit
...
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. ..., den ehrenamtlichen Richter ... und den ehrenamtlichen Richter ... für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 6. März 2001 - Az.: 16 Ca 710/01 - wird auf Kosten der Berufungsführerin als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten im zweiten Rechtszug noch um restliche Vergütungsansprüche für den Zeitraum Mai 1998 bis Februar 2000.
Die am 15. April 1947 geborene Klägerin stand vom 01. Juli 1991 bis zum 29. Februar 2000 in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten. Sie hat das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung mittels Anwaltschreiben vom 25. Januar 2000 beendet. Die Beklagte vertreibt technische Alarmsysteme und wurde 1983 gegründet. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen worden. Bereits in der ersten Gehaltsabrechnung war neben dem Gehalt von DM 4.000,-- eine Zulage von DM 400,-- ausgewiesen, diese hat die Klägerin bis Dezember 1991 erhalten. Ab Januar 1992 setzte sich das Gehalt aus einem Betrag von DM 4.000,-- und einer Zulage in Höhe von DM 700,-- zusammen. Ab dem Monat Mai 1998 erhielt sie nur noch DM 4.000,-- und ab Juli 1999 monatlich DM 4.200,--. Die Klägerin hat der Beklagten am 31. Oktober 1991 ein Darlehen in Höhe von DM 25.000,-- gewährt. Sie war vom 01. Dezember 1999 bis zum 15. Februar 2000 arbeitsunfähig krank. Mit anderen bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern hat die Beklagte unterschiedliche Vergütungen vereinbart. Einige haben nur ein Gehalt bekommen, andere ein Gehalt plus Zulage und ein Arbeitnehmer eine prozentuale Gewinnbeteiligung.
Die Klägerin hat hinsichtlich des im zweiten Rechtszug noch anhängigen Streitgegenstandes geltend gemacht, ein Freiwilligkeits- bzw. Widerrufsvorbehalt bezüglich der Zulage sei nie erfolgt. Sie habe bei der Lohnabrechnung für den Monat Mai 1998 festgestellt, dass die Zulage fehlte und dies gegenüber dem Geschäftsführer beanstandet. Auch in den Folgemonaten habe sie den Geschäftsführer auf die ausgebliebenen Zulagen angesprochen. Der Geschäftsführer habe dazu erklärt, es handele sich um eine vorübergehende Reduzierung der Vergütung auf Grund eines finanziellen Engpasses. Die volle Vergütung werde in Bälde nachentrichtet.
Die Klägerin hat – soweit im zweiten Rechtszug von Bedeutung – beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 13.800,-- brutto zu bezahlen.
Die Beklagte hat zur Abwehr des Zahlungsanspruchs geltend gemacht, es habe sich um eine freiwillige Zulage gehandelt. Diese sei niemals Gehaltsbestandteil gewesen, sondern habe jederzeit unter dem Vorbehalt der Machbarkeit gestanden. Es sei für die Klägerin erkennbar gewesen, dass sie nicht auf die Fortgewährung der Zulage vertrauen könne, da sie, die Beklagte sich im Jahr 1992 in einer im Aufbau befindlichen Phase befunden habe. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass, sollte bei der Klägerin ein rechtlich schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der Zulage entstanden sein, so sei dieses auf Grund der Schutzbedürftigkeit der Klägerin entfallen. Im Monat März 1998 habe ein Einzelgespräch mit der Klägerin stattgefunden, wobei die Gründe für den Wegfall der Zulage, nämlich stagnierender Umsatz in Verbindung mit negativen Betriebsergebnis offen gelegt worden sei. Die Klägerin sei darauf hingewiesen worden, andernfalls müsse eine Kündigung ausgesprochen werden. Eine Zusage, die volle Vergütung werde nachentrichtet, sei nicht erfolgt. Die Klägerin sei allenfalls darauf hingewiesen worden, in besseren Jahren werde sie ggf. wieder eine ähnliche Zulage zu erhalten. Die Klägerin habe die Streichung der Zulage hingenommen und nicht widersprochen. In dem Termin vom 06. März 2000 hat der Geschäftsführer der Beklagten geäußert, die Klägerin habe erklärt, sie sei mit der Reduzierung einverstanden.
Das Arbeitsgericht hat der Klägerin die geltend gemachten restlichen Vergütungsansprüche in Höhe von DM 13.800,-- zugesprochen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen arbeitsvertraglichen Anspruch in Höhe von DM 4.700,--. Die Zulage sei nicht als freiwillige oder widerrufliche Zulage gekennzeichnet gewesen. Die Beklagte habe auch nicht darlegen und beweisen können, dass, zu welchem Zeitpunkt auch immer, eine Absprache getroffen worden sei. Für den Rückgriff auf eine betriebliche Übung sei kein Raum. Die Beklagte habe sich von der Vergütungsvereinbarung nicht einseitig lösen können, eine Änderungskündigung sei nicht ausgesprochen worden, auch liege keine einvernehmliche Vertragsänderung vor.
Gegen dieses am 06. März 2001 verkündete Urteil, welches am 25. April 2001 zugestellt worden ist, hat die Beklagte mit ihrem am 23. Mai 2001 als Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit Ablauf der auf den fristgerechten Antrag hin verlängerten Frist zur Berufungsbegründung ausgeführt hat. Die Beklagte macht geltend, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, die Klägerin könne nach dem Arbeitsvertrag für ihre Arbeitsleistung eine Vergütung in Höhe von DM 4.700,-- beanspruchen. Die Zulage habe sich von der Einstellung bis zum Ausscheiden der Klägerin vier Mal geändert. Für die Klägerin sei ersichtlich gewesen, dass die Zulagen stets freiwilligen Charakter gehabt hätten und somit im Grunde und auch der Höhe nach für die Beklagte dispositiv gewesen seien. Auch habe das Arbeitsgericht verkannt, dass insbesondere bei Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrages die Aufspaltung gerade einer individuellen Vergütungsvereinbarung für die Freiwilligkeit der Zulagen spreche. Auch sei verkannt worden, dass die Klägerin ihren Anspruch auf eine Zulage und dessen Höhe habe beweisen müssen. Rechtsirrtümlich sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, für einen Freiwilligkeitsvorbehalt sei eine Abrede erforderlich; aber selbst wenn eine solche zu verlangen sei, sei von ihr, der Beklagten, darauf hingewiesen worden, dass es zu einer ausdrücklichen sowie konkludenten Vereinbarung eines Freiwilligkeitsvorbehalts gekommen sei. Die Zulage in Höhe von
DM 700,-- sei nur auf Grund des zeitweilig guten betriebswirtschaftlichen Ergebnisses freiwillig gewährt worden. Auf die Freiwilligkeit sei anlässlich eines Mitarbeiter-Meetings ausdrücklich hingewiesen worden. Seitens der Geschäftsführung sei wiederholt auch gegenüber der Klägerin betont worden, die Arbeitnehmer sollten durch die Zulage motiviert werden und am Unternehmenserfolg teilhaben. Sie, die Beklagte habe 1991 unter massivem Konkurrenzdruck gestanden und sei in Patentsrechtsstreitigkeiten verwickelt gewesen. Sie habe 1997 die Rücklagen auflösen müssen. Das Lohnniveau sei bei ihr insbesondere auch ohne die Zulagen stets sehr hoch gewesen. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, die Vergütungsvereinbarung sei jedenfalls durch einen Widerruf sowie eine einvernehmliche Vertragsänderung aufgehoben worden. Das Arbeitsgericht habe auch den Begriff der betrieblichen Übung verkannt. Die Klägerin habe nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände nicht auf einen Verpflichtungswillen schließen können. Höchst hilfsweise macht die Beklagte geltend, auch im Falle einer vorbehaltlosen Gewährung der Zulage sei kein Anspruch aus betrieblicher Übung entstanden. Die Klägerin habe, mutmaßlich um ihren Arbeitsplatz zu retten, die Streichung der Zulage hingenommen und sie akzeptiert und ihr nicht widersprochen. Sie meint, wenn es sich bei dem das Grundgehalt übersteigenden Betrag um einen Vergütungsbestandteil handele, so wäre dieser in Ausübung des der Klägerin bekannten Freiwilligkeitsvorbehalts durch sie, die Beklagte, wirksam widerrufen worden.
Die Beklagte beantragt,
das am 06. März 2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart – Az.: 16 Ca 710/01 – wird insoweit aufgehoben, als es der Klage auch in Höhe von DM 13.800,-- stattgegeben hat und die Klage auch insoweit abgewiesen.
Die Klägerin bittet um die Zurückweisung der Berufung und macht geltend, auf Grund des Individual-Arbeitsvertrages könne sie eine Vergütung bestehend aus einem Betrag von DM 4.000,-- und einer Zulage von DM 400,-- und ab 01. Januar 1992 eine Zulage in Höhe von DM 700,-- beanspruchen. Es sei zu keinem Zeitpunkt verabredet gewesen, die Zulage habe freiwilligen Charakter, sei abänderbar und dispositiv. Es sei auch nicht im Ansatz ersichtlich gewesen, in welcher Weise die Zulage eine Beteiligung am Unternehmenserfolg habe darstellen sollen. Auch habe die Beklagte zu einer Zeit, in der Einsparungen angeblich hätten vorgenommen werden müssen, Einstellungen mit Gehältern in Höhe von DM 4.500,-- vorgenommen. Mit einer Streichung der Zulage habe sie sich niemals einverstanden erklärt. Sie habe, nachdem sie von der Gehaltsreduzierung Ende Mai 1998 erfahren habe, indem sie den Gehaltsscheck erhalten habe, den Geschäftsführer am 03. Juni darauf angesprochen. Dieser habe erklärt, die Differenzbeträge würden alsbald nachgezahlt. Von einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei zu keinem Zeitpunkt die Rede gewesen.
In der Berufungsverhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auf den Hinweis, zur Begründung des Arbeitsverhältnisses seien bislang keine Ausführungen erfolgt, vorgetragen, mit der Klägerin sei bei der Einstellung vereinbart worden, die Leistung der Zulage erfolge unter Freiwilligkeitsvorbehalt. Der Geschäftsführer der Beklagten hat sich dahingehend geäußert, im Jahre 1988 sei es der Beklagten gut gegangen. Damals seien die Zulagen eingeführt worden. Auch die Klägerin habe die Zulage erhalten. Er habe der Klägerin gegenüber geäußert, die Arbeitnehmer sollten auch an dem Erfolg der Firma beteiligt werden. Im Grunde sei es so gewesen, dass, wenn es der Firma schlecht geht oder einzelne Arbeitnehmer nicht ausreichende Leistung erbringen würden, die Zulage wieder gekürzt werden sollte.
Die Klägerin hat darauf erwidert, bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses sei über eine Aufteilung der Vergütung überhaupt nicht geredet worden. Erst mit der ersten Gehaltsabrechnung habe sie die Aufteilung zwischen Gehalt und Zulage gesehen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.
Die Berufung der Beklagten, die sich auf den zugesprochenen Betrag in Höhe von DM 13.800,-- beschränkt, ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den Grenzwert von DM 1.200,--. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt und mit Ablauf der auf den fristgerechten Antrag hin verlängerten Frist zur Berufungsbegründung ordnungsgemäß ausgeführt worden. Der angekündigte und gestellte Berufungsantrag entspricht nicht der gesetzlichen Vorgabe. Wie sich aus dem Wortlaut des § 536 ZPO ergibt, ist im zweiten Rechtszug regelmäßig die Abänderung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils zu beantragen. Ein Urteil kann auf die Revision hin (§ 564 Abs. 1 ZPO) aufgehoben werden. Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO zulässige Berufung kann in der Sache keinen Erfolg haben. Die Berufung verkennt eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Grundsätze.
II.
Der Klägerin stand ein individualrechtlicher Vergütungsanspruch in Höhe von DM 4.400,-- in den ersten sechs Monaten des Beschäftigungsverhältnisses zu. Dieser erhöhte sich ab Januar 1992 auf DM 4.700,--.
1. Die Parteien haben mit Wirkung vom 01. Juli 1991 ein Arbeitsverhältnis begründet. Durch den Arbeitsvertrag wurde die Klägerin als Arbeitnehmerin zur Leistung der versprochenen Dienste und die Beklagte als Arbeitgeberin zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet (§ 611 BGB). Bis zur Berufungsverhandlung haben die Parteien zu den Umständen der Vertragsbegründung keinen Vortrag geleistet. Unstreitig war nur, dass die Klägerin von der Beklagten eingestellt und an sie für die ersten sechs Monate eine Vergütung in Höhe von DM 4.400,-- und ab dem siebten Monat in Höhe von DM 4.700,-- geleistet worden ist. Mangels Anwendbarkeit eines die Vergütungshöhe als Mindestarbeitsbedingung bestimmenden Tarifvertrages stand der Klägerin die in dem ersten Monaten der Dauer des Arbeitsverhältnisses geleistete Vergütung entweder auf Grund ausdrücklicher Vereinbarung (§§ 145 ff. BGB) oder mangels einer solchen gemäß § 151 BGB zu.
a) Soweit sich die Berufung gegen die Annahme im angefochtenen Urteil wendet, zwischen den Parteien habe ein Arbeitsvertrag bestanden, wonach die Klägerin für ihre Arbeitsleistung eine Vergütung in Höhe von DM 4.700,-- brutto bestehend aus einem Grundgehalt in Höhe von DM 4.000,-- und einer Zulage in Höhe von DM 700,-- brutto erhalten habe, führt sie zwar verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich einer Entgeltregelung auf, verkennt jedoch deren Voraussetzungen und Rechtsfolgen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 10. März 1998 – 1 AZR 509/97, AP Nr. 207 zu § 611 BGB Gratifikation; Urteil vom 15. Mai 2001 – 1 AZR 672/00, zur Veröffentlichung bestimmt) ist der Arbeitgeber zwar grundsätzlich frei in der Bestimmung des Zwecks, den er mit einer bestimmten Leistung verfolgen will. Von der Zweckbestimmung ist jedoch zu unterscheiden die Frage, ob die Zweckbestimmung gegenüber den Arbeitnehmern hinreichend deutlich gemacht worden ist und welche vertraglichen Abreden getroffen worden sind.
Fehl geht die Auffassung, weil für die Klägerin ersichtlich die Zulagen stets freiwilligen Charakter gehabt hätten, seien sie wohl dem Grunde als auch der Höhe nach dispositiv gewesen. Die Freiwilligkeit hinsichtlich der Gewährung eines Vergütungsbestandteils führt weder dazu, dass ein Rechtsanspruch nicht entsteht, noch dazu, dass der Arbeitgeber nach Belieben darüber verfügen kann. Wird ein Vergütungsbestandteil „freiwillig“ gewährt, hat dies die Bedeutung, dass über den auf anderer Rechtsgrundlage geschuldeten Vergütungsbestandteil hinaus ein weiterer Vergütungsbestandteil gewährt wird. Aus der Bezeichnung als freiwillige Leistung muss der Arbeitnehmer nicht schließen, damit solle ein Rechtsanspruch ausgeschlossen werden (vgl. BAG, Urteil vom 11. April 2000 – 9 AZR 255/99, AP Nr. 227 zu § 611 BGB Gratifikation). Aus dem Begriff der Zulage, sei es allein oder in Verbindung mit dem Wort freiwillig, folgt nicht, dass ein Rechtsanspruch ausgeschlossen sein soll. Zulagen werden im Allgemeinen als außer- oder übertarifliche Zulagen, als Leistungszulagen, Erschwerniszulagen oder in Anknüpfung an bestimmte Tätigkeiten (z.B. Feuerwehr-, Pflege-, Bank- Theaterbetriebszulage udgl.) geleistet. Von ihrer ausdrücklichen Zweckbestimmung hängt es ab, unter welcher Voraussetzung der Arbeitnehmer sie beanspruchen kann und der Arbeitgeber sie schuldet. Ein Rechtssatz des Inhalts, wie er mit der Berufung geltend gemacht wird, insbesondere bei Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrages spreche die Aufspaltung der Vergütung in Gehalt und Zulage gegen eine individuelle Vergütungsvereinbarung und – umgekehrt – für die Freiwilligkeit der Zulage, ist der Rechtsordnung fremd.
b) In den Gehaltsabrechnungen sind die Vergütungsbestandteile als Gehalt und Zulage benannt worden. Eine Zweckbestimmung bezüglich der bis einschließlich April 1998 geleisteten Zulagen ergab und ergibt sich daraus nicht. Die Arbeitsrechtsordnung kennt hinreichende Möglichkeiten, die Gegenleistung des Arbeitgebers für die erbrachte Arbeitsleistung flexibel zu gestalten (vgl. Loritz, RdA 1998, 258 ff.; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 3/2000 S. 34 ff.). Soweit seitens der Beklagten, insbesondere auf den Hinweis in der Berufungsverhandlung, die Darlegung versucht worden ist, dass und welche Gestaltungsmöglichkeit gewählt worden sei, steht die Ausführung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Gegensatz zu den Einlassungen des Geschäftsführers. Im Übrigen ist von der Beklagten kein Beweismittel benannt worden, nachdem die Klägerin bestritten hatte, dass bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses über eine Aufteilung der Arbeitsvergütung geredet worden sei. Da die Beklagte sich auf eine Gestaltung beruft, die es ihr ermöglichte, die Leistung einzustellen, war sie darlegungs- und beweispflichtig für die für sie günstigen Tatsachen.
c) Auf den entsprechenden Hinweis der Kammer hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der Berufungsverhandlung behauptet, mit der Klägerin sei bei der Einstellung vereinbart worden, die Leistung der Zulage erfolge unter Freiwilligkeitsvorbehalt. Die Besonderheit des Freiwilligkeitsvorbehalts besteht darin, dass ein solcher einen Rechtsanspruch gar nicht erst entstehen lässt. Wenn ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt tatsächlich erklärt worden sein sollte, hätte es eines Widerrufs überhaupt nicht bedurft. Deshalb geht die Auffassung fehl, wie sie in der Berufungsbegründungsschrift vertreten worden ist, „würde man in der Zulage eine Leistungszulage und einen Vergütungsbestandteil sehen, so wäre dieser in Ausübung des der Klägerin bekannten Freiwilligkeitsvorbehalts durch die Beklagte wirksam widerrufen worden“. Ob überhaupt ein Freiwilligkeitsvorbehalt bei laufenden monatlichen Vergütungsbestandteilen in Betracht kommt, kann vorliegend dahinstehen. Aus den Ausführungen des Geschäftsführers ergibt sich demgegenüber, dass die Zulage unter Widerrufsvorbehalt zugesagt worden sein soll. Durch die bereits im Jahr 1988 eingeführte Zulage sollten die Arbeitnehmer – wie der Geschäftsführer ausgeführt hat – auch an dem Erfolg der Firma beteiligt werden. Weiter hat er erklärt, im Grunde genommen sei es so gewesen, dass die Zulage wieder gekürzt werden sollte, wenn es der Firma schlecht gehe oder einzelne Arbeitnehmer ausreichende Leistungen nicht erbringen sollten. Ein Widerrufsvorbehalt setzt einen Anspruch voraus, der durch den ausgeübten Widerruf wieder entzogen werden soll. Der vom Prozessbevollmächtigen der Beklagten behauptete Freiwilligkeitsvorbehalt ist somit mit dem vom Geschäftsführer der Beklagten der Sache nach geltend gemachten Widerrufsvorbehalt nicht vereinbar. Zudem hat die Klägerin die eine wie die andere Version bestritten. Beweise sind seitens der Beklagten für ihre Behauptungen nicht angetreten worden.
d) Da die Klägerin einen individualrechtlichen Anspruch auf die Zulage zumindest gemäß § 151 BGB erlangt hat, war es der Beklagten aus Rechtsgründen verwehrt, die Leistung der Zulage ab Mai 1998 einseitig einzustellen. Die Ausführungen der Beklagten zum Erlöschen dieses Anspruches erweisen sich entweder als verfehlt oder als unzutreffend. Der bemühte rechtliche Gesichtspunkt der betrieblichen Übung ist schon deswegen verfehlt, weil Ansprüche der Arbeitnehmer auf Grund betrieblicher Übung nur entstehen können, wenn dafür noch keine andere Anspruchsgrundlage besteht (vgl. BAG, Urteil vom 27 Juni 1985 – 6 AZR 392/81, BAGE 49, 151 = AP Nr. 14 zu § 77 BetrVG 1972; Urteil vom 17. Dezember 1987 – 6 AZR 747/85, AP Nr. 65 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte). Da die Beklagte mit den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern unterschiedliche Vergütungsabreden getroffen hat, käme zudem nur der Gesichtspunkt der Individualübung in Betracht. Eine Übung allein einem Arbeitnehmer oder einzelnen Arbeitnehmern gegenüber erfüllt nicht den Tatbestand der betrieblichen Übung (vgl. BAG, Urteil vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 149/92, AP Nr. 1 zu § 12 AVR Diakonisches Werk). Da der Klägerin ein individualrechtlicher Anspruch auf die Zulage erwachsen war, kann durch eine sogenannte negative betriebliche Übung der Anspruch nicht untergehen. Durch mehrfaches Nichtgewähren eines Teils der Vergütung kann der Anspruch darauf nicht abgedungen werden.
Verfehlt ist auch der Hinweis, ein Anspruch (aus betrieblicher Übung) sei jedenfalls durch Änderungskündigung erloschen. Eine Änderungskündigung ist nicht erklärt worden. Wenn der Geschäftsführer, wie behauptet worden ist, mit der Klägerin die Streichung der Bruttozulage erörtert und dabei klargestellt hat, eine Kündigung sei unausweichlich, wenn die Klägerin auf der Fortzahlung bestehe, ist eine Kündigung allenfalls in Aussicht gestellt, jedoch nicht erklärt worden.
Für eine geltend gemachte, von der Klägerin jedoch bestrittene einvernehmliche Vertragsänderung fehlt es an erforderlichen Anhaltspunkten. Diesbezüglich kann zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, der Geschäftsführer der Beklagten habe mit der Klägerin wie mit anderen Arbeitnehmern „inhaltlich identische Einzelgespräche“ geführt. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Klägerin mit dem Wegfall der Zulage einverstanden war. Soweit in der Berufung auf einen erstinstanzlichen Schriftsatz vom 04. August 2001 verwiesen wird, kann es einen solchen schon deswegen nicht geben, da das angefochtene Urteil am 06. März 2001 verkündet worden ist. Im Schriftsatz vom 18. Oktober 2000 ist zu dem im Monat März 1998 geführten Gespräch nur insoweit Sachvortrag geleistet worden, als die Beklagte daraus – in anderem Zusammenhang – zum einen auf den Ausspruch einer Änderungskündigung geschlossen hat. Zum anderen folgt daraus, dass die Klägerin der Streichung der Zulage in dem Gespräch mit dem Geschäftsführer nicht widersprochen hat, nicht ihr Einverständnis mit der Streichung. Bloßes Schweigen hat im Rechtsverkehr grundsätzlich keinen Erklärungswert (vgl. BAG, Urteil vom 28. Oktober 1999 – 6 AZR 288/98, AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Telekom).
2. Der Auffassung der Beklagten, die Geltendmachung der angeblich rückständigen Vergütung zusammen mit weiteren – offensichtlich unbegründeten Ansprüchen – erst Jahre später und nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses lege es nahe, dass die Klägerin sich mit der Streichung der Zulage einverstanden erklärt habe, entbehrt jeglicher Grundlage. Nicht deswegen, weil ein Anspruch längere Zeit (vorliegend 21 Monate gerechnet ab Mai 1998 bis zum anwaltlichen Schreiben vom 25. Januar 2000) nicht geltend gemacht worden ist, kann darauf geschlossen werden, dass der Anspruchsinhaber mit dem Wegfall des Vergütungsteils einverstanden gewesen sei. Den in diesem Zusammen zu berücksichtigenden Gesichtspunkt der Verwirkung muss sich die Klägerin schon deswegen nicht entgegenhalten lassen, weil allenfalls die Erfüllung des Zeitmoments angenommen werden kann. Erforderliche besondere Umstände sind sowohl im Verhalten der Klägerin als auch der Beklagten, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung als mit Treu und Glauben unvereinbar und für die Beklagte als Verpflichtete als unzumutbar anzusehen (vgl. BAG, Urteil vom 25. April 2001 – 5 AZR 497/99, NZA 2001, 966), nicht dargetan worden oder sonst ersichtlich.
3. Da somit die Rügen und Einwendungen der Beklagten nicht durchgreifen, stehen der Klägerin für die Monate Mai 1998 bis Juni 1999 jeweils DM 700,-- und für die Monate Juli 1999 bis Februar 2000 jeweils DM 500,--, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, zu. Die Beklagte kann eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, soweit es angefochten worden ist, nicht erreichen.
III.
1. Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung hat die Beklagte gemäß § 64 Abs. 6 i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
2. Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Berufungsurteil nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbstständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.
(Unterschriften)