Leitsätzliches
Der Netzwerkadminstrator einer Gemeindeverwaltung ist gegenüber einem Auszubildenden der Verwaltung, der ihm nicht unmittelbar unterstellt ist, nicht abmahnberechtigt. Seine mündliche Verwarnung bereitet deshalb keine ausreichende Grundlage für eine fristloste Kündigung!ARBEITSGERICHT HILDESHEIM
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 3 Ca 261/01
Entscheidung vom 30. Mai 2001
In dem Rechtsstreit
wegen Feststellung
hat .... auf die mündliche Verhandlung vom 30.05.2001 für Recht erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der beklagten Gemeinde vom 8.5.2001 nicht aufgelöst worden ist.
2. Die beklagte Gemeinde wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündi-gungsschutzverfahrens auf der Grundlage des Ausbildungsvertrages vom 01.08.2000 weiterzube-schäftigen.
3. Die beklagte Gemeinde trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.426,68 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung vom 08.05.2001, die dem Kläger am gleichen Tag zugegangen ist.
Der 21-jährige Kläger ist bei der beklagten Gemeinde seit dem 01.08.2000 als Auszubildender zum Verwaltungsfachangestellten beschäftigt. Dem Ausbildungsverhältnis liegt ein Berufsausbildungsvertrag vom 09.03.2000 zugrunde, nach dem sich das Berufsausbildungsverhältnis nach dem Bundesbildungs-gesetz sowie den Vorschriften des Manteltarifvertrages für Auszubildende vom 06.12.1974 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereini-gung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung (im Folgenden MTV) bestimmt.
Der Kläger verfügt an seinem Ausbildungsplatz über einen ihm zugewiesenen Computer, der Teil des im Rathaus der beklagten Gemeinde bestehenden Netzwerkes ist. Das Netzwerk wird von einem EDV-Administrator, dem Mitarbeiter Herrn ... betreut. Er ist berechtigt, für den Bereich der Datenverarbeitung Weisungen gegenüber den Beschäftigten der beklagten Gemeinde zu erteilen.
Im November des letzten Jahres fragte der Kläger bei dem Netzwerkadministrator an, ob er private Computerspiele auf dem Dienstcomputer installieren dürfe. Herr ... verneinte dies. Dennoch installierte der Kläger das indizierte Computerspiel "Doom" auf dem ihm zugewiesenen Dienstrechner. Nachdem Herr ... dies Anfang Dezember 2000 bemerkt hatte, wurde das Computerspiel deinstalliert. Gleichzeitig wurde der externe E-Mail-Zugang des Klägers gelöscht, so dass dieser nicht mehr in der Lage war, Daten von seinem privaten Computer zu Hause auf den Dienstrechner zu senden. Damit entfiel auch die Möglichkeit des Klägers, E-Mails von seinem Dienstrechner außerhalb des Netzwerkes zu versen-den.
Am 11.12.2000 kam es zwischen dem Kläger und Herrn ... zu einem Gespräch, in dem der Kläger dar-auf hingewiesen wurde, dass die Installation des Spiels trotz eines ausdrücklichen Verbotes einen Grund zur fristlosen Kündigung darstelle und jeder weitere, auch nur geringe Verstoß dem Bürgermeis-ter gemeldet werde.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger vor diesem Vorfall dienstliche, ausschließlich von ihm erstellte Dateien per E-Mail von dem Dienstrechner auf seinen privaten Computer sandte. Um wel-che Dateien es sich dabei im Einzelnen handelte, ist für die Beklagte nicht mehr rekonstruierbar. Einge-räumt hat der Kläger jedoch, dass es sich bei dem Inhalt einer Datei um Daten aus Bewerbungsunter-lagen von Auszubildenden gehandelt hat.
Am 17.04.2001 versuchte der Kläger erneut, 27 von ihm erstellte Dateien mit teilweise betriebsbezoge-nen Daten aus dem Rathaus der Gemeinde auf seinen privaten Computer zu versenden. Da der exter-ne E-Mail-Zugang des Klägers gelöscht war, übersandte er dem Mitarbeiter per interner E-Mail die ent-sprechenden Dateien mit der Bitte, den externen Mail-Versand von dem dortigen Rechner aus vorzu-nehmen. Wegen des Inhalts dieser E-Mail wird auf Blatt 26 der Akte verwiesen. Tatsächlich fand ein Versand der Dateien nicht statt, weil der Mitarbeiter ... der Bitte des Klägers nicht nachkam.
Sowohl von diesem Vorfall als auch der Installation des Computerspiels "Doom" erfuhr der Bürgermeis-ter der Beklagten am 24.04.2001. Es kam noch am selben Tag zu einem Gespräch zwischen dem Bür-germeister der beklagten Gemeinde und dem Kläger, an dem auch der Personalratsvorsitzende betei-ligt wurde. Ein konkretes Ergebnis brachte dieses Gespräch nicht.
Am 25.04.2001 überreichte der Kläger der beklagten Gemeinde eine schriftliche Stellungnahme zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen. Am 26.04.2001 beschloss der Bürgermeister der beklagten Ge-meinde, dem Verwaltungsausschuss eine außerordentliche Kündigung des Klägers vorzuschlagen. Am gleichen Tag wurde der bei der beklagten Gemeinde gebildete Personalrat zur Stellungnahme aufge-fordert. Dieser stimmte am 27.04.2001 der beabsichtigten Kündigung zu. Der Verwaltungsausschuss beschloss sodann am 07.05.2001, dem Kläger die streitsgegenständliche Kündigung auszusprechen.
Der Kläger räumt die ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe im Wesentlichen ein. Im Hinblick auf die Versendung der Dateien von dem Dienstcomputer auf seinen eigenen PC weist der Kläger darauf hin, dass er diese zur Erstellung seines Berichtsheft benötigt habe. Sie hätten ihm als Gedankenstütze bei der Abfassung der jeweiligen Tagesberichte dienen sollen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Kündigung mangels vorausgegangener Abmahnung unwirksam sei. Gerade im Berufsausbildungsverhältnis sei zu fordern, dass dem Auszubildenden sein Fehlverhal-ten zunächst deutlich vor Augen geführt werde, bevor der Ausbilder zu dem schärfsten ihm zur Verfü-gung stehende Mittel, der fristlosen Kündigung, greife.
Zudem bestreitet der Kläger die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats vor Ausspruch der streit-gegenständlichen Kündigung.
Er beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der beklagten Gemeinde vom 08.05.2001 nicht beendet worden ist.
2. Die beklagte Gemeinde für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. zu verurteilen, den Kläger auf der Grundlage des Ausbildungsvertrages vom 01.08.2000 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen.
Die beklagte Gemeinde beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass der Kläger neben den oben dargestellten Verfehlungen außerdem vertrauliche Daten auf dem Dienstrechner durch ein persönliches Passwort geschützt habe und damit dem Zugriff der Vorgesetzten entzogen habe.
Die beklagte Gemeinde vertritt die Meinung, dass ihr die Zusammenarbeit mit dem Kläger in Ansehung des Fehlverhaltens und unter Berücksichtigung der noch verbleibenden Dauer des Berufsausbildungs-verhältnisses nicht zuzumuten ist.
Sie ist sodann der Auffassung, dass Herr ... im Rahmen des Gespräches 11.12.2000 eine Ermahnung ausgesprochen habe. Da der Kläger unmissverständlich und eindringlich darauf hingewiesen worden sei, dass er bei erneuter Datenübermittlung mit weiteren Konsequenzen zu rechnen habe, habe es vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung eine Abmahnung nicht bedurft.
Im Übrigen weist die beklagte Gemeinde darauf hin, dass der Kläger bei Beginn des Ausbildungsver-hältnisses Über einschlägige Strafbestimmungen, etwa Verletzung von Dienstgeheimnissen, Verwah-rungsbruch etc. hingewiesen worden sei. Der Kläger könne sich angesichts seines Alters von 21 Jahren darüber hinaus auch nicht auf eine Unwissenheit oder Unbedarftheit berufen.
Wegen des weiteren Vortrages wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Pro-tokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.05.2001 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
A.
Das Ausbildungsverhältnis der Parteien ist durch die streitgegenständliche Kündigung nicht aufgelöst worden. Die beklagte Gemeinde konnte das Arbeitsverhältnis gemäß § 23 Abs. 2 MTV bzw. § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nicht fristlos kündigen, weil in dem Verhalten des Klägers kein wichtiger Grund zur Auflö-sung des Ausbildungsverhältnisses lag. Die streitgegenständliche Kündigung verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die beklagte Gemeinde hätte den Kläger vor Ausspruch der Kündi-gung zunächst ordnungsgemäß abmahnen müssen.
I.
Das Berufsausbildungsverhältnis kann nach Ablauf der Probezeit von dem Ausbildenden nur aus wich-tigem Grund gekündigt werden. Ein wichtiger Grund i.S.d. gleichlautenden Vorschriften des § 15 Abs. 2 BBiG sowie des § 23 Abs. 2 MTV liegt in Anlehnung an die Definition des § 626 Abs. 1 BGB dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstän-de des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bzw. bis zu der vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann.
Wie sich dem Wortlaut entnehmen lässt, besitzt die fristlose Kündigung keinen Bestrafungscharakter. Der Kündigungsgrund ist seiner Natur nach vielmehr zukunftsbezogen (vgl. BAG Urteil vom 16.08.1991, AP Nr. 27 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Ein wichtiger Grund kann danach nur dann vorliegen, wenn der Kündigungsgrund in Bezug auf das Arbeitsverhältnis nachteilige Auswirkungen für die Zukunft erwarten lässt und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Kün-digenden deshalb unzumutbar ist.
Eine entsprechende negative Prognose ist regelmäßig dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine vorausgegangene, einschlägige Abmahnung missachtet. Daher ist der Arbeitgeber nach ständiger Rechtsprechung des BAG grundsätzlich verpflichtet, den Arbeitnehmer abzumahnen, bevor er ihn we-gen eines pflichtwidrigen Verhaltens kündigt (vgl. BAG Urteil vom 21.11.1985 AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969). Nach dieser Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, ist eine ohne vorausgegangene Abmahnung ausgesprochene verhaltensbedingte Kündigung grundsätzlich unwirksam, weil die Ab-mahnung dogmatisch zur sachlichen Begründetheit der Kündigung gehört (vgl. KR-Fischermeier, 5. Aufl. 1998 § 626 BGB Rdnr. 284).
Das Abmahnungserfordernis und das daraus sich ergebende Erfordernis einer Prognoseentscheidung ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der im gesamten Kündigungsrecht gilt. Der Arbeit-geber hat als Reaktion auf ein pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers dasjenige Mittel zu wählen, welches für den Arbeitnehmer am wenigsten einschneidend und gleichzeitig geeignet ist, ein ange-strebtes Ziel zu erreichen.
Das Erfordernis einer Abmahnung ist nur dann nicht gegeben, wenn wegen der Art und der Auswirkung der Vertragsverletzung, das heißt bei ausgesprochen schwerwiegenden Pflichtverletzungen des Arbeit-nehmers, die Möglichkeit einer positiven Prognose für das Arbeitsverhältnis auszuschließen ist und die Abmahnung deswegen entbehrlich erscheint, weil auch durch eine künftige Vertrags treue die eingetre-tene Erschütterung oder Zerstörung des Vertrauensverhältnisses nicht mehr behoben werden kann.
Bei der Prüfung des Erfordernisses der Abmahnung ist in der Regel davon auszugehen, dass jedes willensbestimmte Verhalten eines Arbeitnehmers für die Zukunft abänderbar und deswegen grundsätz-lich abmahnungsfähig und -bedürftig ist (vgl. KR-Fischermeier S. Aufl. § 626 BGB Rdnr. 279 m.w.N.)
Die vorgenannten Grundsätze gelten insbesondere auch im Bereich des Ausbildungsverhältnisses. Hier ist eine fristlose Entlassung erst dann zulässig, wenn der Ausbildende alle Mittel, die ihm zur Verfügung stehen und deren Anwendung ihm zuzumuten ist, ausgeschöpft hat und bestimmte Tatsachen den Schluss zulassen, dass der Auszubildende infolge seines fortgesetzten Fehlverhaltens das Ausbil-dungsziel nicht erreichen wird.
II.
Nach diesen Grundsätzen konnte die beklagte Gemeinde nicht darlegen, dass eine Prognoseentschei-dung zukünftige Vertragsverstöße des Klägers erwarten lässt und ihr die Fortsetzung des Ausbildungs-verhältnisses unzumutbar ist.
Dem Kläger ist vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung eine "wirksame Abmahnung nicht erteilt worden. Auch hat die beklagte Gemeinde nicht dargelegt, dass sie zuvor weitere geeignete, we-niger einschneidende Mittel ausgeschöpft hat.
1.
Es kann zunächst dahingestellt bleiben, welchen Wortlaut die von dem Netzwerkadministrator erteilte sog genannte Ermahnung am 11.12.2000 gehabt hatte und ob sich danach das gerügte Fehlverhalten als vergleichbar mit dem kündigungsauslösenden Sachverhalt darstellt. Eine wirksame Abmahnung liegt schon deshalb nicht vor, weil es sich bei Herrn ... um keine abmahnungsberechtigte Person han-delt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommen als Abmahnungsberechtigte alle Mitarbeiter in Betracht, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung dazu befugt sind, verbindliche Anweisun-gen bezüglich des Ortes, der Zeit sowie der Art und Weise der geschuldeten Arbeitsleistung zu erteilen (vgl. BAG Urteil vom
08.02.1989, ZTR1989, 314). Um eine solche Person handelt es sich bei Herrn ... jedoch nicht. Dieser ist Netzwerkadministrator und kann dem Kläger in Bezug auf die im Einzelnen zu konkretisierenden Inhalte der Ausbildung keinerlei Weisungen erteilen, Dies kann lediglich der Bürgermeister der Beklag-ten, der dortige Ausbildungsleiter und unter Umständen - soweit vorhanden - die Leiter der einzelnen Ämter.
Dass Herr ... im EDV-Bereich Weisungen erteilen kann, steht der vorgenannten Auffassung nicht ent-gegen. Diese Weisungsbefugnis bezieht sich nicht auf den Inhalt des Berufsausbildungsverhältnisses.
2.
Das Fehlverhalten des Klägers war auch nicht so schwerwiegend, als dass von einer Abmahnung ab-gesehen werden musste. Es handelt sich um keine ausgesprochen schwerwiegenden Verstöße, die die Möglichkeit einer positiven Prognose ausschließen.
a.
Die Installation des Computerspiels "Doom" auf dem Dienstrechner der beklagten Gemeinde stellt zwar eine Pflichtverletzung des Klägers dar, weil er gegen ein ausdrückliches Verbot des Netzwerkadminist-rators gehandelt hat. Weder die Tatsache, dass das Spiel indiziert" war, noch die mit der Installation verbundenen Gefahren qualifizieren diese Pflichtverletzung jedoch als eine schwerwiegende. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Einteilung in die Kategorie indiziert" lediglich bedeutet, dass das Spiel nach dem "Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjS)Kindern und Jugendlichen nicht überlassen oder zugänglich gemacht werden darf. Der 21jährige Kläger selbst durfte das Spiel aber besitzen. Dass er entgegen der Vorschriften des § 3 GjS Kindern und Jugendli-chen den Inhalt des Computerspiels zugänglich gemacht hat, ist von der Beklagten nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Auch die Tatsache, dass das Computerprogramm ein Netzwerkmo-dul besaß, das bei Virenbefall erhebliche Konsequenzen für das Netzwerk des Rathauses hätte haben können, führt zu keiner anderen Bewertung. Hierbei handelt es sich um eine lediglich abstrakte Gefähr-dung, die die ohnehin latent bestehende Gefährdung des
Virenbefalls wegen der externen E-Mail-Zugänge im Netzwerk der beklagten Gemeinde unwesentlich erhöhte.
b.
Auch die wiederholte Übermittlung der Dateien auf seinen privaten Rechner stellt keine schwerwiegen-de Pflichtverletzung des Klägers im oben genannten Sinne dar. Auch wenn es bei der Einordnung des Verhaltens des Klägers und der damit zusammenhängenden Schwere der Pflichtverletzung nicht in erster Linie auf die strafrechtliche Bewertung ankommt, so ist doch zu berücksichtigen, dass die Über-mittlung bzw. die versuchte Übermittlung keine Straftaten darstellen. Insbesondere liegt eine strafbare Handlung nach § 28 NDSG nicht vor, weil die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "Übermittlung“ die Weiterleitung der Daten an einen Dritten voraussetzt. Der Kläger hat die Daten jedoch nicht an einen Dritten, sondern vielmehr nur an sich selbst versandt. Zu Gunsten des Klägers war darüber hinaus zu berücksichtigen, dass er diese Daten zu dem einzigen Zweck übermittelte, um einen Anhaltspunkt für die von ihm geleistete Tätigkeit zu haben, so dass er das Berichtsheft erstellen konnte. Dieser Zweck konnte von der beklagten Gemeinde nicht widerlegt werden.
Der weiter von der beklagten Gemeinde erhobene Vorwurf, der Kläger habe "entgegen der organisato-risch vorgeschriebenen Zuordnung und Speicherung von Dateien vertrauliche Daten auf dem Dienst-rechner gespeichert und damit dem Zugriff der Vorgesetzten entzogen", kann eine schwerwiegende Pflichtverletzung nicht begründen. Hierbei ist schon nicht ausreichend substantiiert dargelegt, wo und wie die organisatorisch vorgeschriebene Zuordnung und Speicherung geregelt ist, um welche Daten es sich handelte und in welcher Form diese dem Zugriff von Vorgesetzten entzogen waren. Eine entspre-chende Beurteilung der Pflichtwidrigkeit dieses Verhaltens kann durch das Gericht mithin nicht erfolgen.
3.
Von der beklagten Gemeinde wäre darüber hinaus zu fordern gewesen, dass sie vor Ausspruch der Kündigung - idealerweise im Rahmen der Erteilung einer wirksamen Abmahnung - weitere ihr zur Ver-fügung stehenden und zumutbaren Erziehungsmittel erschöpfend angewendet hat. In einem Ausbil-dungsverhältnis gehört es unter anderem zu den Pflichten des Ausbildenden, den Auszubildenden in seiner geistigen und charakterlichen Entwicklung zu fördern. Vorliegend hätte mit dem Kläger bei-spielsweise durch den Ausbildungsleiter oder den Bürgermeister ein eindringliches Gespräch stattfin-den müssen, in dem Kläger von den ihm gegenüber weisungsberechtigten Personen deutlich die Gren-zen seines Handelns aufgezeigt und klare Regeln im Umgang mit der EDV vermittelt werden. Ein sol-ches Gespräch konnte nicht durch eine Unterredung mit dem Netzwerkadministrator ersetzt werden. Es ist hinlänglich bekannt, dass Gespräche zwischen einem Auszubildenden und seinem - im weitesten Sinne Kollegen in ihrer Wirkung weniger einschneidend und pädagogisch wirksam sind als mit dem Ausbildungsleiter oder gar dem Bürgermeister. Das Gericht ist nach dem Eindruck in der Kammerver-handlung vom 30.05.2001 der festen Überzeugung, dass der Kläger aufgrund eines solchen Gesprä-ches beeindruckt gewesen wäre und künftige Verstöße im EDV-Bereich dadurch hätten verhindert wer-den können. So hat sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung in hohem Maße ehrlich einsichtig gezeigt und zu keinem Zeitpunkt versucht, die ihm zur Last gelegten Verstöße zu verschleiern oder gar abzustreiten. Dem von der beklagten Gemeinde vertretene Argument, die Anforderungen an den Kün-digungsgrund seien im Vergleich zu anderen Auszubildenden wegen des Alters des Klägers geringer, folgt die Kammer nicht. Gerade das Alter des Klägers versetzte ihn in die Lage, eine entsprechende eindringliche Warnung zu verinnerlichen und dementsprechend zukünftig zu handeln.
B.
Auch der von dem Kläger gestellte Weiterbeschäftigungsantrag ist begründet, weil die Kammer die Un-wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung festgestellt hat und besondere Umstände, aus de-nen sich für die beklagte Gemeinde überwiegende Interessen einer Nichtbeschäftigung des Klägers ergeben, nicht dargelegt sind. Nach dem Beschluss des Großen
Senats des BAG vom 27.02.1985 (AP Nr. 14 zu § 611 BGB) hat außerhalb der betriebsverfassungs-rechtlichen Regelung der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertrags-gemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegend schützenswerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Die Ungewissheit des Ausgangs des Kündigungsrechtsstreits für sich alleine kann ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers an einer Nichtbeschäftigung nicht begründen, wenn erstinstanzlichen die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt wird. Der Arbeitgeber muss besondere Umstände darlegen, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen.
Diese vorgenannten Grundsätze gelten auch im Berufsausbildungsverhältnis.
Da die beklagte Gemeinde keinerlei Umstände vorgetragen hat, aus denen sich ein überwiegendes Interesse ihrerseits ergibt, den Kläger nicht weiter auszubilden, war dem Antrag entsprechend statt-zugeben.
c.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Danach hat die beklagte Gemeinde als die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß § 61 ArbGG im Urteil festzusetzen, Gemäß §§ 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG war der Wert des Streitgegenstandes im Hinblick auf den Antrag zu 1. auf 3.320,01 DM, entsprechend der dreifachen Bruttomonatsausbi1dungsvergütung des Klägers in Höhe von 1106,67 DM festzusetzen. Der Weiterbeschäftigungsantrag war mit einem weiteren Bruttomonatsgehalt zu be-werten, so dass sich ein Gesamtstreitwert in Höhe von 4.426,68 DM ergibt.
(Rechtsmittelbelehrung)
(Unterschriften)