Leitsätzliches
Durch seine Äußerung „hoffe das alle verbrennen“ im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Presseveröffentlichung zum Brand in einem Asylbewerberheim, bei dem ein Mensch ums Leben gekommen ist, hat der Kläger die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen, dass er Teile der Bevölkerung, nämlich Asylbewerber, böswillig verächtlich gemacht und zum Hass gegen diese aufgestachelt hat. Dies berechtigte den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB.
ARBEITSGERICHT HERNE
Im Namen des Volkes
Urteil
Entscheidung vom 22. März 2015
Az.: 5 Ca 2806/15
In dem Rechtsstreit
...
für Recht anerkannt:
Volksverhetzende Äußerungen im Internet – außerordentliche Kündigung
Normen: § 626 BGB
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird auf 15.400,00 € festgesetzt.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses sowie um Zahlungsansprüche aus diesem.
Der 48-jährige ledige Kläger ist seit dem 01. September 1983 für die Beklagte zuletzt als Bergmechaniker unter Tage zu einem Bruttomonatsentgelt von 3.850,00 € tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge des Rheinisch - Westfälischen Steinkohlebergbaus Anwendung. Anfang Oktober 2015 – der genaue Zeitpunkt ist zwischen den Parteien streitig – erbrachte der Kläger zuletzt Arbeitsleistung für die Beklagte. Seither befindet sich der Kläger in Kurzarbeit.
Der Kläger unterhält privat unter seinem Namen einen Facebook – Acount. In seinem freizugänglichen Facebookprofil hat er als Arbeitgeber „Bergwerke Q I bei S AG“ angegeben. Bei Aufruf des Profils erscheinen die Angaben zum Arbeitgeber an oberster Stelle. Auf seiner Facebookseite teilte der Kläger eine Vielzahl von Beiträgen, welche sich mit dem Thema Asyl- und Einwanderungspolitik befasst haben (Blatt 82 ff der Akte). Darüber hinaus kommentierte der Kläger auf anderen Seiten Beiträge anderer Nutzer. Am 05. Oktober 2015 kommentierte der Kläger auf der Facebookseite des Fernsehsenders nt-v einen Beitrag über einen Brand in einer Thüringer Asylunterkunft in der Nacht vom 04. Oktober 2015 mit der Überschrift „Drama in Thüringen: Leiche nach Brand in Asylunterkunft gefunden“ mit folgenden Worten:
„hoffe das alle verbrennen,,, die nicht gemeldet sind.“
Auf der Facebookseite des Fernsehsenders erschien neben dem Kommentar ein Profilbild sowie der Profilname des Klägers. Sobald Besucher der Webseite, die ihrerseits bei Facebook angemeldet waren, mit der Maus über den Namen oder das Bild fuhren, öffnete sich in einem sogenannten „PopUp-Fenster“ die Profilseite des Klägers, an dessen oberster Stelle der Arbeitgeber benannt wurde (Blatt 108 der Akte). Auf den Kommentar des Klägers reagierten andere Besucher der Webseite, so schrieb unter anderem ein Besucher wörtlich:
„E U, du bist ja mal der Oberknaller. Scheint so als wenn du mit „brauner“ Kohle zu tun hadt. Sceenshots sind doch was feines.“
Im weiteren Verlauf der Kommentierung äußerte der Kläger noch:
„wenn mir einer sagt ich bin Nazi …falsch …Herr nazi“
„alle raus und geht es gut.“
Am 06. Oktober 2015 erhielt die S AG Konzernrevision GmbH von einem externen Dritten einen telefonischen Hinweis auf die Kommentierungen des Klägers auf der Facebookseite des Fernsehsenders nt-v. Die Konzernrevision ging dem Hinweis nach und informierte am 19. Oktober 2015 den Personaldirektor des Bergwergs Q I über das Ergebnis der Ermittlungen. Am 21. Oktober 2015 wurde der Kläger auf dem Bergwerk Q I von Vertreter der Beklagten und des Betriebsrats zu dem Vorfall angehört. Im Rahmen des Gespräches räumte der Kläger die Urheberschaft der Kommentare ein. Weitere Einzelheiten des Gespräches sind zwischen den Parteien streitig.
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2015 (Blatt 120 ff der Akte) wurde der Betriebsrat des Bergwerks Q I zu einer beabsichtigen außerordentlichen Kündigung, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers angehört. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2015 (Blatt 9 der Akte), welches dem Kläger noch am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos, hilfsweise zum 30. Juni 2016.
Mit seiner am 10. November 2015 bei Gericht eingegangen und später erweiterten Klage wendet sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses und macht Entgeltansprüche für die Monate November und Dezember 2015 geltend.
Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses sei unwirksam. Die außerordentliche Kündigung sei unwirksam, weil die Kündigungserklärungsfrist § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden sei. Hierzu behauptet er, am 05. Oktober 2015 die Kommentare auf der Facebookseite des Fernsehsendes veröffentlicht zu haben. Am selben Abend bzw. am anderen Morgen, mithin spätestens am 06. Oktober 2015 sei der Beitrag bereits wieder gelöscht worden. Die Beklagte sei spätestens am 06. Oktober 2015 durch einen anonymen Datenübermittler über den Vorgang in Kenntnis gesetzt worden. Darüber hinaus sei die Kündigung unwirksam, weil der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht angehört worden sei. Ferner sei die Kündigung nicht gerechtfertigt. Hierzu behauptet er, den Kommentaren vorausgegangen sei am 05. Oktober 2015 seine letzte 8-Stunden-Schicht bei der Beklagten. Dieses sei der Grund gewesen, dass er an diesem Abend mit mehreren Bekannten und Freunden zusammengekommen sei. Er habe dabei reichlich Alkohol zu sich genommen. Zudem habe er zum damaligen Zeitpunkt erhebliche Probleme im Privatbereich aufgewiesen. Er sei kein „Nazi“ und habe auch in keiner Weise Aktivitäten dieser Sendung unterstützt. Die Kommentierung auf der Internetseite sei ohne jeglichen Zusammenhang mit seinem Arbeitgeber erfolgt. Nur wenige Leser des Kommentares konnten bei weiteren Recherchen durch einen Link auf seine Facebookseite gelangen.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung vom 26. Oktober 2015 noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2015 beendet wird;
2. die Beklagter zu verurteilen, ihm im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Bergmechaniker Untertage weiter zu beschäftigen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat November 2015 3.850,00 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Dezember 2015;
4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Dezember 2015 3.580,00 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Januar 2016.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Kündigung sei durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt. Durch seine Äußerung auf der Facebookseite des Nachrichtensender nt-v habe der Kläger ihren Ruf beschädigt und dadurch in grober Weise gegen seine Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen. Zwar handele es sich bei den Äußerungen des Klägers zunächst um private Äußerungen. Durch das freizugängliche Facebookprofil des Klägers, auf dem sie als Arbeitgeberin benannt wurde, sei sie jedoch selbst mit den Äußerungen des Klägers in Verbindung gebracht worden. Die Reaktion anderer Nutzer der Seite hätten gezeigt, dass dieser Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und ihr auch hergestellt worden sei. Neben der Rufschädigung sei auch eine nachhaltige Störung des Betriebsfriedens für den Fall der Weiterbeschäftigung des Klägers zu befürchten. Der Kläger konnte auch nicht damit rechnen, dass sie die volksverhetzenden Äußerungen dulden würde. Ferner behauptet die Beklagte, der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden. Mit seiner Unterschrift auf dem Anhörungsbogen (Blatt 120 der Akte) habe der Betriebsrat unter dem 26. Oktober 2015 dokumentiert, dass er keine Einwände gegen die Kündigung erheben werde.
Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf die wechselseitigen schriftsätzlichen Ausführungen der Parteien einschließlich der Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist unbegründet.
I. Die zulässige und rechtzeitig erhobene Kündigungsschutzklage ist unbegründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2015 mit deren Zugang beim Kläger am selben Tag beendet worden. Die Kündigung ist durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist gewahrt. Der Betriebsrat ist vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden.
1. Die außerordentliche Kündigung ist durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt.
a) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ab der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, das heißt typischer Weise als wichtiger Grund geeignet ist. Als dann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (z.B. BAG, Urteil vom 26. März 2015 – 2 AzR 517/14 – EZA § 626 BGB 2002 Nr. 49; Urteil vom 20. November 2014 – 2 AzR 651/13 – EZA 626 BGB 2002 Nr. 47).
Als wichtiger Grund ist neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet (BAG, Urteil vom 26. März 2015 – 2 AzR 517/14 – a.a.O.; Urteil vom 08. Mai 2014 – 2 AzR 449/13 – EZA § 626 BGB 2002 Nr. 45; Urteil vom 27. Januar 2011 – 2 AzR 825/09 – EZA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbare Handlungen Nr. 10). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrages zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszweckes. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehende Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer im Betrieb nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 2 AzR 293/09 – EZA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78). Er ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (BAG, Urteil vom 10. September 2009 – 2 AzR 257/08 – EZA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; Urteil vom 23. Oktober 2008 – 2 AzR 483/07 – Juris). Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zu dienstlichen Tätigkeit hat, wenn etwa der Arbeitnehmer die Straftat unter Nutzung von Betriebsmitteln oder betrieblichen Einrichtungen begeht (BAG, Urteil vom 10. September 2009 – 2 AzR 257/08 – a.a.O.). Ein solcher Bezug kann auch dadurch entstehen, dass der Arbeitgeber oder andere Arbeitnehmer in der Öffentlichkeit mit der Straftat in Verbindung gebracht werden (BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 2 AzR 293/09 – a.a.O., Urteil vom 27. November 2008 – 2 AzR 98/07 – EZA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 4). Fehlt hingegen ein solcher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, scheidet eine Verletzung der vertraglichen Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers regelmäßig aus (BAG, a.a.O.).
b) Der Kläger hat seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten verletzt in dem er unter Verwendung eines öffentlich zugänglichen Facebook-Profils, in dem die Beklagte in identifizierbarer Weise als Arbeitgeber benannt wurde, einen volksverhetzenden Kommentar auf der Facebookseite des Fernsehseders nt-v veröffentlicht hat.
Durch seine Äußerung „hoffe das alle verbrennen“ im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Presseveröffentlichung zum Brand in einem Asylbewerberheim, bei dem ein Mensch ums Leben gekommen ist, hat der Kläger die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen, dass er Teile der Bevölkerung, nämlich Asylbewerber, böswillig verächtlich gemacht und zum Hass gegen diese aufgestachelt hat. Unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung seiner Äußerung ist diese geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, in dem sie für einen Teil der Bevölkerung das unveräußerliche Recht auf Unversehrtheit des Lebens in Abrede stellt. Das Verhalten des Klägers ist nicht vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung (Artikel 5 GG) gedeckt. Das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit findet seine Grenzen in den allgemeinen Gesetzen (Artikel 5 Abs. 2 GG, vergl. BAG, Urteil vom 14. Februar 1996 – 2 AzR 274/95 – EZA § 626 BGB neue Fassung Nr. 160).
Die volksverhetzenden Äußerungen des Klägers hatten auch einen Bezug zum Arbeitsverhältnis zur Beklagten. In seinem öffentlich zugänglichen Facebook-Profil hat der Kläger die Beklagte in identifizierbarer Weise als Arbeitgeber benannt. Aufgrund der Programmierung der Webseiten auf Facebook konnten somit die bei Facebook registrierten Besucher der Seite das Profil des Klägers durch einfache Mausbewegungen aufrufen und somit die Beklagte als Arbeitgeber identifizieren. Damit stellt der Kläger selbst einen Zusammenhang zwischen der Beklagten und seiner volksverhetzenden Äußerung her. Dass diese Verbindung bei den Besuchern der Seite auch tatsächlich hergestellt wurde, zeigt der Kommentar eines Nutzers, der eine Anspielung auf braune Kohle machte.
c) Der Beklagten war die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30. Juni 2016 unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar war.
aa) Bei der Prüfung ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalles unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG, Urteil vom 08. Mai 2014 – 2 AZR 429/13 – EZA § 626 BGB 2002 Nr. 45; Urteil vom 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – EZA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5). Dabei lassen sich die Umstände, an Hand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkung der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG, Urteil vom 08. Mai 2014 – 2 AzR 249/13 – a.a.O., Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AzR 541/09 – EZA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzten, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG, Urteil vom 16. Dezember 2010 – 2 AzR 485/08 – EZA § 626 BGB 2002 Nr. 33). Eine gegenüber der fristlosen Kündigung in diesem Sinne milderes Mittel sind unter anderem die ordentliche Kündigung oder der Ausspruch einer Abmahnung (BAG, Urteil vom 08. Mai 2014 – 2 AzR 249/13 – a.a.O.; Urteil vom 21. November 2013 – 2 AzR 797/11 a.a.O.).
Beruht die Pflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein künftiges Verhalten durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des in § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass bereits deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AzR 651/13 – EZA § 626 BGB 2002 Nr. 47, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 AzR 495/11 – EZA § 626 BGB 2002 Nr. 41).
bb) Gemessen an diesen Grundsätzen bedurfte es keiner vorherigen Abmahnung des Klägers. Es war auch für den Kläger ohne weiteres erkennbar, dass die Beklagte es auch nicht einmalig hinnehmen würde, mit volksverhetzenden Äußerungen, die strafrechtliche Relevanz haben könnten, in Verbindung gebracht zu werden. So stellt auch der Kläger nicht in Abrede, dass ihm das soziale Engagement der Beklagten für Flüchtlinge bekannt war. Unter Zugrundelegung objektiver Maßstäbe konnte deshalb auch der Kläger nicht ernsthaft annehmen, die Beklagte werde die Aufstachelung von Hass gegen Flüchtlinge auch nur einmalig hinnehmen.
cc) Unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalles ist die außerordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses angemessen. Zwar war insoweit zu Gunsten des Klägers dessen über 32-jährige beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Ebenfalls ging die Kammer mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon aus, dass der Kläger bei Abfassung der streitgegenständlichen Kommentare sich der Benennung der Beklagten in seinem Facebook-Profil nicht bewusst war. Zu Gunsten des Klägers war schließlich auch zu berücksichtigen, dass er zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht mehr aktiv von der Beklagten beschäftigt wurde und bei einem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch nicht mehr in ein aktives Beschäftigungsverhältnis zurückgekehrt wäre. Unstreitig befand sich der Kläger bereits am 05. Oktober 2015 in struktureller Kurzarbeit und wäre – nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge – anschließend in die so genannte Anpassung gegangen.
Dem gegenüber war jedoch die besondere Schwere der Pflichtverletzung des Klägers zu dessen Lasten zu berücksichtigen. Ferner war zu berücksichtigen, dass sich die Pflichtverletzung des Klägers nicht unmittelbar auf die betrieblichen Abläufe bei der Beklagten auswirkte, sondern außerbetrieblich zu einer Beeinträchtigung des Ansehens der Beklagten geführt hat. Deshalb kommt es im Rahmen der Interessenabwägung weniger darauf an, wie sich die Reaktion der Beklagten innerbetrieblich auswirkt, sondern darauf, wie die Beklagte auch nach außen hin angemessen auf das Fehlerverhalten des Klägers reagieren kann. Zur Minimierung des nach außen hin eingetretenen Imageschadens der Beklagten erscheint es deshalb unter Abwägung der widerstreitenden Interessen beider Vertragsteile im vorliegenden Fall angemessen das Arbeitsverhältnis des Klägers mit sofortiger Wirkung zu lösen.
2. Die außerordentliche Kündigung ist innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt worden.
a) Die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt nach Satz 2 der Vorschrift mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von dem für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichende vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang (BAG, Urteil vom 16. Juli 2005 – 2 AzR 85/15 – Juris; Urteil vom 12. Februar 2005 – 6 AzR 815/13 EZA § 22 Berufsbildungsgesetz 2005 Nr. 1; Urteil vom 22. November 2012 – 2 AzR 732/11 – EZA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2). Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der gewisse Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßen Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und dazu auch den Betroffenen anhören, ohne das die Frist des 626 Abs. 2 BGB zu Laufen begänne. Dies gilt allerdings nur so lange, wie er aus verständigen Gründen und mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhaltes verschaffen soll. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände werden (BAG, Urteil vom 16. Juli 2005 – 2 AzR 85/15 – a.a.O. Urteil vom 20. März 2014 – 2 AzR 1037/12 – EZA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6). Für die übrigen Ermittlungen gibt es keine Regelfrist. Bei ihnen ist Fall bezogen zu beurteilen, ob sie hinreichend zügig betrieben wurden (BAG, Urteil vom 31. März 1993 – 2 AzR 492/92 – EZA § 626 BGB Ausschlussfristen Nr. 5).
b) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass am 06. Oktober 2015 die S AG Konzernrevision GmbH von den Veröffentlichungen des Klägers Kenntnis erlangt hat. Die S AG Konzernrevision GmbH ist nicht Arbeitgeber des Klägers. Dass die S AG Konzernrevision GmbH zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers berechtigt gewesen wäre, wird auch vom Kläger nicht behauptet.
Nach dem letztlich unbestrittenen Vortrag der Beklagten wurde der Personaldirektor des Bergwerks Q I, der zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers berechtigt war, erst am 19. Oktober 2015 über die Kündigungssachverhalt informiert. Unabhängig von den weiteren Ermittlungen der Beklagten begann der Lauf der Kündigungserklärungsfrist mithin frühestens am 19. Oktober 2015. Die außerordentliche Kündigung ist dem Kläger mithin noch innerhalb der Zweiwochenfrist am 26. Oktober 2015 zugegangen.
3. Der Betriebsrat ist vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden.
a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung anzuhören. Der Arbeitgeber hat ihn gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Will der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken erheben, muss dies gemäß § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG dem Arbeitgeber spätestens innerhalb von drei Tagen schriftlich mitteilen. Eine vor Fristablauf ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, es sei denn, es liegt bereits eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vor (BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 2 AzR 736/13 – EZA § 102 BetrVG 2001 Nr. 31; Urteil vom 13. November 1975 – 2 AzR 610/74 – EZA § 102 BetrVG 1972 Nr. 20).
Eine Verletzung von § 102 Abs. 1 BetrVG mit der Folge der Unwirksamkeit der Kündigung liegt nur vor, wenn dem Arbeitgeber bei dem ihm obliegenden Einleitung des Beteiligungsverfahrens ein Fehler unterläuft. Mängel, die im Verantwortungsbereich des Betriebsrats entstehen, führen grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen fehlende Anhörung, dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt weiss, oder erkennen kann, dass der Betriebsrat die Angelegenheit nicht fehlerfrei behandelt hat (BAG, Urteil vom 24. Juni 2004 – 2 AzR 461/03 – EZA § 102 BetrVG 2001 Nr. 9; Urteil vom 15. November 1995 – 2 AzR 974/94 – EZA § 102 BetrVG 1972 Nr. 89).
Hat der Arbeitnehmer vorgetragen, es bestehe ein Betriebsrat, weswegen vor Ausspruch einer Kündigung dessen Anhörung nach 102 Abs. 1 BetrVG erforderlich sei, so obliegt es dem Arbeitgeber darzulegen, dass die Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß erfolgt ist. Da es sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung handelt, trifft den Arbeitgeber insoweit Darlegungs- und Beweislast. Auf einen entsprechenden Prozessvortrag des Arbeitgebers darf sich der Arbeitnehmer nicht darauf beschränken, die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung weiter pauschal mit Nichtwissen zu bestreiten, vielmehr hat er nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig und in einzelnen darzulegen, ob der Betriebsrat entgegen der Behauptungen des Arbeitgebers überhaupt nicht angehört worden sei oder in welchem Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers über die Betriebsratsanhörung für falsch oder für unvollständig hält (BAG, Urteil vom 24. April 2008 – 8 AzR 268/07 – EZA § 613a BGB 2002 Nr. 92; Urteil vom 18. Mai 2006 – 2 AzR 245/05 – EZA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen wurde der Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt.
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2015 ist der auf dem Bergwerk Q I gewählte Betriebsrat über die beabsichtige Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers unter Darlegung der aus Sicht der Beklagten maßgeblichen Kündigungsgründe informiert worden. Diesem Vortrag der Beklagten ist der Kläger nicht konkret entgegengetreten. Nach dem Vortrag der Beklagten hat der Betriebsrat zudem unter dem 26. Oktober 2015 durch Unterschrift auf dem Anhörungsbogen eine abschließende Stellungnahme zur Kündigung abgegeben. Soweit der Kläger pauschal bestreitet, dass die entsprechende Unterschrift durch einen Vertreter des Betriebsrats abgegeben worden ist, ist dieses pauschale Beschreiben nach den oben dargelegten Grundsätzen unbeachtlich. Auch auf konkrete Nachfrage des Gerichtes konnte der Kläger keinerlei Umstände vortragen, die darauf hindeuten, die Erklärung wäre nicht vom Betriebsrat abgegeben worden. Dass die Unterschrift von Vertretern der Beklagten gefälscht worden ist, wird auch vom Kläger nicht behauptet.
Keiner Aufklärung bedarf hier die Frage, ob der Betriebsrat die Anhörung zur Kündigung ordnungsgemäß bearbeitet hat. Wie oben dargelegt, werden etwaige Fehler des Betriebsrats bei der Bearbeitung der Anhörung nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG führen.
II. Steht mithin fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2015 mit dessen Zugang beim Kläger noch am selben Tag beendet worden ist, so hat der Kläger gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung aus § 611 BGB, der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage.
III. Mangels über den 26. Oktober 2015 hinaus fortbestehenden Arbeitsverhältnis der Parteien hat der Kläger gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die Monate November und Dezember 2015 aus § 611, 615 BGB, der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 42 Abs. 3 GKG, 3 ff ZPO.