Leitsätzliches
Das AG Bonn hat in einer umstrittenen Entscheidung festgestellt, dass nach langer Krankheit Urlaubsansprüche nicht automatisch 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres verfallen. Es fehle dafür an einer Rechtsgrundlage.
ARBEITSGERICHT BONN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 5 Ca 2499/11
Entscheidung vom 18.01.2012
In dem Rechtsstreit (...)
hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom (...) durch (...) für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.889,85 EUR (i.W. dreitausendachthundertneunundachtzig Euro, Cent wie nebenstehend) brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.11.2010 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Widerklage wird abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 70 Prozent und die Beklagte zu 30 Prozent.
5. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 22.470,77 € festgesetzt.
6. Eine gesonderte Zulassung der Berufung erfolgt nicht.
T a t b e s t a n d
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 20.08.1973 als Arbeiter beschäftigt. Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers betrug 38 Stunden und verteilte sich auf fünf Tage à 7,6 Stunden. Seine monatliche Bruttovergütung betrug zuletzt 2.672,44 €.
Im Jahr 2006 nahm der Kläger an 28 Tagen Urlaub in Anspruch und zwar vom 02.01. bis zum 03.02., am 10.02. und am 23. und 24.03.2006. Ausweislich der von der Beklagten erstellten Lohnbescheinigungen für die Monate Januar und März 2006 stand dem Kläger zum 01.01.2006 ein Resturlaubsanspruch für das Vorjahr von 31 Tagen, ein Urlaubsanspruch für 2006 von 30 Tagen sowie ein Sonderurlaubsanspruch für das Jahr 2006 von einem Tag, mithin ein Gesamtjahresurlaubsanspruch von 62 Tagen zu, was abzüglich der im Januar 2006 in Anspruch genommenen 18 Tage einen Anspruch von 44 Tagen ergibt. Von dieser Gesamtsumme brachte die Beklagte die weiteren elf im Jahr 2006 in Anspruch genommenen Urlaubstage zum Abzug.
Seit dem 22.05.2006 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt, was zwischen den Parteien weitgehend unstreitig ist, jedoch streitig ist im Hinblick auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Zeit danach.
Unter dem 19.11.2007 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Arbeitsbescheinigung gem. § 312 SGB III. Hierin gab sie unter anderem in dem Feld "Beschäftigungsverhältnis endet, Arbeitsverhältnis besteht fort: wenn ja, Grund:" an: "Aussteuerung Krankengeld". Ab dem 20.11.2007 bezog der Kläger, nach Aussteuerung durch die Krankenkasse, Arbeitslosengeld nach § 125 SGB III.
Mit Schreiben vom 29.03.2010, das der Beklagten am 31.03.2010 zuging, kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich.
Mit der Abrechnung 05/2010 rechnete die Beklagte Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.757,44 € ab und zahlte diese an den Kläger aus. Hinsichtlich etwaiger Urlaubsabgeltungsansprüche bezüglich der Jahre 2006 und 2007 beruft sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung.
Mit Bescheid des Amtes für soziale Angelegenheiten Koblenz vom 17.11.2010 wurde beim Kläger ab dem 26.07.2007 eine Schwerbehinderung festgestellt (zunächst mit einem GdB von 50, ab 01.01.2008 mit einem GdB von 60).
Mit Rentenbescheid vom 11.06.2010 wurde dem Kläger mit Rentenbeginn 01.02.2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit (längstens bis zur Erfüllung der rentenrechtlichen Voraussetzungen für die Regelaltersrente zum Ablauf des 31.07.2012) zuerkannt.
Mit seiner am 28.02.2011 vorab per Telefax eingegangenen Klage, die der Beklagten am 08.03.2011 zugestellt worden ist, begehrt der Kläger von der Beklagten – nach teilweiser Rücknahme und zwischenzeitlicher Erweiterung der Klage – nunmehr die Abgeltung von je 31 Urlaubstagen für die Jahre 2006 bis 2009, weiterer 15 Tage Zusatzurlaub für Schwerbehinderte für die Jahre 2008 bis 2010, zweier Tage Zusatzurlaub für Schwerbehinderte für 2007 sowie von 31 Urlaubstagen für das Jahr 2010.
Der Kläger ist der Ansicht, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe zum 31.10.2010 geendet; er habe Anspruch auf Urlaubsabgeltung für insgesamt 155 Urlaubstage für die Jahre 2006 bis 2010, für insgesamt 15 Tage Zusatzurlaub für die Jahre 2008 bis 2010 sowie für anteilige zwei Tage Zusatzurlaub für das Jahr 2007; bei der Berechnung der Urlaubsabgeltung sei ein Stundensatz von 17,19 € brutto bei 7,6 Stunden je abzugeltendem Urlaubstag zugrundezulegen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 18.713,33 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend beantragt sie,
den Kläger zu verurteilen, an sie, die Beklagte, 3.757,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.01.2012 zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, auf das Arbeitsverhältnis sei der Bundesmanteltarifvertrag der Süßwarenindustrie anzuwenden; daher seien etwaige Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers jedenfalls verfallen und habe das Arbeitsverhältnis mit dem 31.05.2010 geendet. Hierzu behauptet sie, sie sei Mitglied im Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e.V. und der Kläger sei Mitglied der Gewerkschaft NGG. Sie meint, für den Fall dass keine beiderseitige Tarifbindung vorliegen sollte, ergebe sich die Anwendbarkeit des Tarifvertrags daraus, dass sie, die Beklagte, ausnahmslos mit allen Mitarbeitern und auch mit dem Kläger ausdrücklich die Geltung dieses Tarifvertrags durch Bezugnahme auf den jeweils geltenden Bundesmanteltarifvertrag bei Eintritt in das Unternehmen vereinbart habe und im Übrigen stets alle Regelungen dieses Tarifvertrags auf alle Mitarbeiter zur Anwendung gebracht habe.
Sie meint ferner, da der Kläger keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung habe, sei die Zahlung in Höhe von 3.757,44 € unberechtigt geleistet worden und behauptet hierzu, die Zahlung sei in Unkenntnis der Rechtslage erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Klage hat in der Sache nur teilweise, nämlich in Höhe eines Betrags von 3.889,85 € brutto, Erfolg und ist im Übrigen unbegründet. Die zulässige Widerklage ist unbegründet.
A. I. 1. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.889,85 € brutto aus dem – zwischenzeitlich beendeten – Arbeitsverhältnis der Parteien i.V.m. § 7 Abs. 4 BUrlG.
Der Kläger kann von der Beklagten Abgeltung von je 31 Urlaubstagen für die Jahre 2006 und 2007, mithin von 62 Urlaubstagen, verlangen. Unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 20.11.2007 geruht hat, stand dem Kläger auch für das Jahr 2007 der volle Jahresurlaubsanspruch zu, da der Ruhenstatbestand – will man von einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses ausgehen – erst in der zweiten Jahreshälfte eingetreten ist (§ 5 Abs. 2 lit. c BUrlG e. contrario).
Dem Kläger steht ein jährlicher Urlaubsanspruch von 31 Arbeitstagen zu, die sich aus einem Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen und einem Sonderurlaub von einem Tag zusammensetzen. Die entsprechenden Angaben auf den Lohnabrechnungen hat die Beklagte nicht substantiiert bestritten.
Der Kläger hat weder im Jahr 2006 noch im Jahr 2007 Urlaub für das jeweilige Kalenderjahr in Anspruch genommen. Bei den von ihm in den Monaten Januar bis März 2006 in Anspruch genommenen Urlaubstagen hat es sich um gem. § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG in das Folgejahr übertragenen Urlaub für das Urlaubsjahr 2005 gehandelt. Dies hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 17.01.2012 nunmehr unstreitig gestellt.
a. Der Urlaubsanspruch des Klägers, der seit dem 22.05.2006 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war, ist nicht durch etwa gem. § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG erloschen. Denn diese Vorschrift ist in gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung so zu verstehen, dass gesetzliche Urlaubsabgeltungsansprüche nicht erlöschen, wenn Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deswegen arbeitsunfähig sind. Das entspricht Wortlaut, Systematik und Zweck der innerstaatlichen Regelungen, wenn die Ziele des Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88/EG und der regelmäßig anzunehmende Wille des nationalen Gesetzgebers zur ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien berücksichtigt werden (vgl. BAG v. 24.03.2009 – 9 AZR 983/07, juris, dort Rdnr. 59).
Entgegen der Auffassung der Beklagten verfallen Urlaubsansprüche auch nicht gleichsam automatisch nach Ablauf von 15 Monaten nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres. Hierfür fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Die Kammer hält sich insoweit nicht für befugt, ohne jede gesetzliche Grundlage von der Existenz eines starren fünfzehnmonatigen Übertragungszeitraums für Urlaubsansprüche im Fall langfristiger Erkrankungen auszugehen. Soweit der EuGH durch Urteil vom 22.11.2011 (C-214/10, juris, dort insbes. Rdnr. 44) entschieden hat, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie etwa Tarifverträgen nicht entgegensteht, die die Möglichkeit für einen während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränken, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt, ist dies für den vorliegenden Rechtsstreit nicht erheblich. Denn es fehlt im Streitfall gerade an einer auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Rechtsvorschrift oder Gepflogenheit, die eine solche Möglichkeit zur Einschränkung der Ansammlung von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub im Falle langfristiger Erkrankung vorsieht.
b. Auch darüber hinausgehender Urlaub verfällt wegen des grundsätzlichen Gleichlaufs von Mindest- und Mehrurlaub nicht, wenn nicht deutliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Arbeitsvertrags- oder Tarifparteien zwischen Mindest- und Mehrurlaubsansprüchen unterscheiden wollen (vgl. BAG v. 23.03.2010 – 9 AZR 128/09, juris, dort Rdnrn. 35 ff.).
Derartige Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass die Arbeitsvertragsparteien zwischen Mindest- und Mehrurlaubsansprüchen haben unterscheiden wollen, sind im Streitfall weder vorgetragen noch ersichtlich.
Auf die Frage, ob die Tarifvertragsparteien des Bundesmanteltarifvertrag der Süßwarenindustrie zwischen Mindest- und Mehrurlaubsansprüchen unterscheiden wollten, kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Denn dieser Tarifvertrag ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anzuwenden. Eine unmittelbare und zwingende Wirkung der Tarifnormen gem. § 4 Abs. 1 TVG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien scheitert an der fehlenden beiderseitigen Tarifgebundenheit i.S.d. § 3 Abs. 1 TVG. Der Kläger hat nämlich ausgeführt, ein Tatbestand für die Anwendbarkeit des Tarifvertrags sei nicht ersichtlich. Die Kammer versteht dies als ein Bestreiten seiner Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft NGG. Soweit die Beklagte Gegenteiliges behauptet, erfolgt ihr diesbezüglicher völlig pauschaler Vortrag ersichtlich "ins Blaue hinein" und stellt damit keinen dem Beweise zugänglichen konkreten Tatsachenvortrag dar. Überdies hat die Beklagte für ihr Vorbringen auch überhaupt keinen tauglichen Beweis angeboten. Soweit sie insoweit als Zeugen ihren Mitarbeiter N. benennt, ist nicht nachvollziehbar, was dieser konkret zur Frage der Gewerkschaftsmitgliedschaft des Klägers soll bekunden können.
Soweit die Beklagte behauptet, dass sie ausnahmslos mit allen Mitarbeitern und auch mit dem Kläger ausdrücklich die Geltung dieses Tarifvertrags durch Bezugnahme auf den jeweils geltenden Bundesmanteltarifvertrag bei Eintritt in das Unternehmen vereinbart habe und hierfür ebenfalls Beweis anbietet durch Zeugnis ihres Mitarbeiters N., liegt auch insoweit kein dem Beweise zugänglicher Tatsachenvortrag vor. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder der Gegenwart angehörenden Geschehnisse oder Zustände. Die pauschale Behauptung, mit allen Mitarbeitern und so auch mit dem Kläger bei Eintritt in das Unternehmen die Geltung eines bestimmten Tarifvertrags zu vereinbaren, genügt diesen Anforderungen nicht. Weder wird konkret dargelegt, wann genau (bei oder erst nach Abschluss des Arbeitsvertrags?) es im Streitfall zu dieser Vereinbarung gekommen sein soll, noch wer seitens der Beklagten die entsprechende Willenserklärung abgegeben haben soll. Strenggenommen handelt es sich bei der Bekundung der Beklagten, mit allen Mitarbeitern und so auch mit dem Kläger bei Eintritt in das Unternehmen die Geltung eines bestimmten Tarifvertrags zu vereinbaren, überhaupt nicht um eine Tatsachenbehauptung sondern um eine Rechtsansicht. Die zugrundeliegenden Tatsachen, aufgrund welcher Erklärungen die Beklagte meint, eine entsprechende Vereinbarung getroffen zu haben, benennt sie nicht.
Auch ist die Geltung des Tarifvertrags nicht durch betriebliche Übung oder durch schlüssiges Verhalten wirksam Bestandteil des Arbeitsverhältnisses der Parteien geworden. Allein durch die ständige Anwendung tariflicher Regelungen durch die Beklagte kann nicht auf die wirksame Einbeziehung des gesamten Tarifvertrags in das Arbeitsverhältnis der Parteien geschlossen werden. Der Annahme, durch schlüssiges Verhalten habe der Kläger der Anwendbarkeit des Tarifvertrags insgesamt zugestimmt, fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass dem Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt bewusst war oder auch nur hätte bewusst sein können oder gar müssen, dass er durch ein bestimmtes Verhalten, welches im vorliegenden Fall allein in der Entgegennahme tariflicher Leistungen liegen kann, auch nur den Eindruck erwecke, er stimme der Anwendung eines Tarifvertrags zu. Dies würde zumindest voraussetzen, dass dem Kläger bewusst war oder wenigstens hätte sein müssen, dass das Arbeitsverhältnis beidseits gemäß dem Tarifvertrag abgewickelt wurde. Anhaltspunkte hierfür sind nicht ersichtlich.
Gleiches gilt hinsichtlich der von der Beklagten angesprochenen betrieblichen Übung. Anhaltspunkte dafür, dass es eine betriebliche Übung des Inhalts gegeben hätte, dass alle tarifvertraglichen Regelungen, also insbesondere auch die tarifvertraglichen Verfallklauseln, in entsprechender Regelmäßigkeit einvernehmlich tatsächlich auf das Arbeitsverhältnis der Parteien angewendet wurden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die jährlichen Urlaubsansprüche des Klägers von 31 Arbeitstagen für die Jahre 2006 und 2007 sind demgemäß nicht durch Ablauf der jeweiligen Urlaubsjahre und der sich daran anschließenden Übertragungszeiträume verfallen.
c. Die Urlaubsansprüche des Klägers sind auch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist hat mangels Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs nicht mit dem Schluss des Urlaubsjahres 2006 zu laufen begonnen.
Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Sie beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Ein Anspruch ist nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, sobald er erstmals vom Gläubiger geltend gemacht und mit einer Klage durchgesetzt werden kann. Das setzt grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruches im Sinne von § 271 BGB voraus, da erst ab diesem Zeitpunkt vom Gläubiger mit Erfolg die Leistung gefordert werden und ggf. der Ablauf der Verjährungsfrist durch Klageerhebung gehemmt werden kann. Zwar entsteht der Urlaubsanspruch nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit des § 4 BUrlG mit Beginn eines jeden Urlaubsjahres in voller Höhe. Während der Arbeitsunfähigkeit kann jedoch der Arbeitnehmer die Erfüllung des Urlaubsanspruches nicht verlangen und der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch auch nicht tatsächlich gewähren. Das folgt unmittelbar aus § 9 BUrlG. Für die Dauer einer Erkrankung wird der Urlaubsanspruch mithin nicht fällig. Damit fehlt es an der regelmäßigen Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Auch Sinn und Zweck der dreijährigen gesetzlichen Verjährungsfrist, nach den Zeitabläufen der §§ 195 ff. BGB Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu schaffen sowie dem Bedürfnis des Schuldners Rechnung zu tragen, aus lang zurückliegendem Sachverhalt nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, gebieten keine andere Sichtweise. Allein aufgrund der Vorschrift in § 9 BUrlG weiß der Arbeitgeber, dass in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit der Urlaubsanspruch vom Arbeitnehmer nicht genommen werden kann und deshalb in unveränderter Höhe fortbesteht. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass der Arbeitnehmer den Lauf der Verjährungsfrist durch die Erhebung einer Feststellungsklage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen kann. Zwar hindert die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit nicht die Entstehung des Urlaubsanspruches. Das ändert aber nichts daran, dass in diesen Konstellationen die Fälligkeit des Urlaubsanspruches im Sinne von § 271 BGB gerade nicht gegeben ist, weil der Arbeitnehmer die Gewährung dieses Urlaubes nicht verlangen und der Arbeitgeber diesen nicht erfüllen kann. Die Fälligkeit im Sinne von § 271 BGB als Voraussetzung für den Beginn des Laufs der Verjährungsfristen nach §§ 195 ff. BGB ist in diesen Fällen nicht gegeben. Hinzu kommt, dass der wegen Krankheit nicht verfallene gesetzliche Urlaub gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG kraft Gesetzes zwingend auf das Folgejahr übertragen wird. Dieser übertragene Urlaub wird so Bestandteil des im nächsten Kalenderjahr neu entstehenden Urlaubsanspruches. Macht der Arbeitnehmer trotz Wiedergenesung diesen übertragenen Urlaubsanspruch dann nicht rechtzeitig geltend, verfällt er mit Ablauf des Urlaubsjahres. Kann der Urlaub aus gesundheitlichen Gründen wiederum nicht genommen werden, erfolgt kraft Gesetzes nach § 7 Abs. 3 BUrlG eine weitere Übertragung auf das nächste Kalenderjahr. Diese gesetzlich angeordnete Übertragung des Urlaubes und die damit einhergehende Perpetuierung stehen einer Verjährung des Urlaubsanspruches entgegen (vgl. LAG Niedersachsen v. 16.09.2011 – 6 Sa 348/11, juris, dort Rdnr. 24).
d. Die Urlaubsansprüche des Klägers aus den Jahren 2006 und 2007 sind auch nicht § 2 des Bundesmanteltarifvertrags für die Süßwarenindustrie verfallen, da dieser Tarifvertrag – wie bereits ausgeführt – auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anzuwenden ist.
e. Der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers für die Jahre 2006 und 2007 berechnet sich wie folgt: Monatliche Bruttovergütung (2.672,44 €) x 3 Monate : 13 Wochen : 5 Arbeitstage pro Woche x 62 abzugeltende Urlaubstage = 7.647,29 €. Abzüglich von der Beklagten bereits gezahlter Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.757,44 € verbleibt ein Anspruch des Klägers in Höhe von 3.889,85 €. Soweit der Kläger aufgrund eines anderen Berechnungsmodells von einem höheren Anspruch ausgeht, fehlt es für die Anwendung dieses Rechenmodells (und für die Annahme eines Stundenlohns von 17,19 € brutto) an einer Rechtsgrundlage, so dass die Klage insoweit (wegen des den Betrag von 3.889,85 € überschreitenden Betrags) abzuweisen war.
2. Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB. Einer Mahnung bedurfte es gem. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht, da die Zeit für die Leistung, hier die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Kündigungsfristen nach dem Kalender bestimmbar war. Dass der Kläger Verzugszinsen erst ab dem 01.11.2010 begehrt, ist insoweit unschädlich.
II. Weitergehende Urlaubsabgeltungsansprüche stehen dem Kläger gegen die Beklagte nicht zu.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abgeltung seines vollen oder anteiligen Jahresurlaubs für die Jahre 2008 bis 2010 aus dem Arbeitsvertrag der Parteien i.V.m. § 7 Abs. 4 BUrlG.
a. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat seit dem 20.11.2007 geruht. Mit der Erteilung der Arbeitsbescheinigung durch die Beklagte unter dem 19.11.2007 und der Vorlage dieser Bescheinigung durch den Kläger bei der Agentur für Arbeit und dem damit einhergehenden Bezug von Arbeitslosengeld durch den Kläger ab dem 20.11.2007 haben die Parteien konkludent das Ruhen des Arbeitsverhältnisses ab dem 19.11. oder 20.11.2007 vereinbart.
Zwar hat die Beklagte lediglich einen von der Bundesagentur für Arbeit vorformulierten Text, der in einer Vielzahl von Fällen Verwendung findet, ausgefüllt und unterzeichnet. Inhalt und Bedeutung der Erklärungen für das Arbeitsverhältnis der Parteien erschließen sich aber aus den näheren nur die Parteien berührenden nichttypischen Umständen, unter denen es hierzu gekommen ist (vgl. hierzu BAG v. 14.03.2006 – 9 AZR 312/05, juris, dort Rdnr. 26).
Bezieht ein Arbeitnehmer, wie der Kläger, bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit auf seinen Antrag hin nach Ablauf der Krankengeldzahlungen Arbeitslosengeld nach § 125 Abs. 1 SGB III, so ist zu vermuten, dass die Parteien zumindest stillschweigend das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart haben. Voraussetzung zum Bezug von Arbeitslosengeld nach § 125 SGB III ist, dass der Arbeitnehmer nicht in einem "Beschäftigungsverhältnis" steht, § 119 SGB III. Das setzt im rechtlich fortbestehenden Arbeitsverhältnis voraus, dass der Arbeitgeber auf seine Verfügungsgewalt über den Arbeitnehmer und dessen Arbeitskraft verzichtet – etwa nach einer unwirksamen Kündigung – oder der Arbeitnehmer die Verfügungsgewalt des Arbeitgebers über seine Arbeitskraft nicht mehr anerkennt (vgl. BAG v. 14.03.2006 – 9 AZR 312/05, juris, dort Rdnr. 27). Diese Rechtsfolgen wollten die Parteien herbeiführen.
Der Kläger hat mit der Beantragung des Arbeitslosengeldes und Vorlage der Arbeitsbescheinigung zu erkennen gegeben, dass er seine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, die Erbringung der Arbeitsleistung, wegen seiner krankheitsbedingten und nicht nur vorübergehenden Leistungsunfähigkeit zumindest vorläufig als beendet ansehe. Die Beklagte hat mit Erteilung der Arbeitsbescheinigung auf ihr Direktionsrecht und damit auf ihre Verfügungsmacht über die Arbeitsleistung des Klägers verzichtet. Dadurch wurde die Dienstleistungspflicht des Klägers und gleichzeitig die Vergütungspflicht der Beklagten suspendiert und das Arbeitsverhältnis zum Ruhen gebracht (vgl. hierzu BAG v. 14.03.2006 – 9 AZR 312/05, juris, dort Rdnr. 28).
Die Parteien haben auch das Ruhen des Arbeitsverhältnisses nicht wieder aufgehoben. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien durch die mit Rentenbescheid vom 11.06.2010 erfolgte Zuerkennung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit (längstens bis zur Erfüllung der rentenrechtlichen Voraussetzungen für die Regelaltersrente zum Ablauf des 31.07.2012) mit dem Rentenbeginn 01.02.2009 für den Kläger das ruhende Arbeitsverhältnis rückwirkend mit Wirkung zum 01.02.2009 wiederaufnehmen wollten, bestehen nicht. Eine Wiederaufnahme des ruhenden Arbeitsverhältnisses zum 11.06.2011 (bzw. zum Datum der Bekanntgabe des Rentenbescheids) kam nicht in Betracht, da dieses aufgrund der Eigenkündigung des Klägers vom 29.03.2010, der Beklagten am 31.03.2010 zugegangen, gem. § 622 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 30.04.2010 beendet worden war.
b. Während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses konnten Urlaubsansprüche des Klägers nicht entstehen. Ruht das Arbeitsverhältnis, entfallen die gegenseitigen Hauptleistungspflichten, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wird. Der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses bleibt dennoch unberührt (vgl. LAG Düsseldorf v. 01.10.2010 – 9 Sa 1541/09, juris, dort Rdnrn. 53 ff.).
Sinn und Zweck von Erholungsurlaub gebieten nicht die Entstehung von Urlaubsansprüchen im ruhenden Arbeitsverhältnis. Gemäß § 1 BUrlG handelt es sich um Erholungsurlaub. Eines konkreten Erholungsbedürfnisses bedarf es zwar nicht, vielmehr entsteht der Erholungsurlaub kraft Gesetzes zu Beginn des Urlaubsjahres. Es ist aber nur dann gerechtfertigt, dem Arbeitgeber die Verpflichtung zuzuweisen, Urlaub zu gewähren und Urlaubsentgelt zu zahlen, wenn vertraglich eine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besteht.
Des Weiteren spricht Art. 4 der IAO Nr. 132 gegen die Entstehung von Urlaubsansprüchen im ruhenden Arbeitsverhältnis: Demnach hat eine Person, deren Dienstzeit während eines bestimmten Jahres kürzer war, für dieses Jahr Anspruch auf bezahlten Urlaub im Verhältnis zur Dauer ihrer Dienstzeit während dieses Jahres.
Dementsprechend ist auch der Urlaubsanspruch für Teilzeitbeschäftigte, die nicht an allen Werktagen in der Woche arbeiten, verhältnismäßig umzurechnen, denn die Dauer des gesetzlichen Mindesturlaubs von 24 Werktagen bemisst sich nach der Verteilung der Arbeitszeit auf die Woche. Arbeitet der Arbeitnehmer an weniger als an 6 Tagen in der Woche, werden die im Gesetz genannten Werktage zu den vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitstagen rechnerisch zueinander in Beziehung gesetzt. Die Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Zahl der Arbeitstage ist zudem vom Gesetzgeber in § 125 Abs. 1 Hs. 2 SGB IX gesetzlich normiert worden. Da ein Arbeitnehmer in einem ruhenden Arbeitsverhältnis einem Teilzeitbeschäftigten mit null Arbeitstagen pro Woche gleich steht, beträgt der Urlaubsanspruch konsequent null Tage pro Woche.
Das Nichtentstehen von Urlaubsansprüchen in einem über das gesamte Urlaubsjahr hinweg ruhenden Arbeitsverhältnis verstößt nicht gegen Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG (vgl. dazu LAG Köln v. 29.04.2010 – 6 Sa 103/10, juris, dort Rdnrn. 20 f.).
Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie steht einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegen, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fortbestand, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Artikel 7 Abs. 2 der Richtlinie verbietet auch Rechtsvorschriften, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. In Anwendung dieser Grundsätze sind § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG richtlinienkonform so zu interpretieren, dass gesetzliche Urlaubsabgeltungsansprüche nicht erlöschen, wenn Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deswegen arbeitsunfähig sind.
Hier geht es jedoch nicht um das Erlöschen von Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsansprüchen im Fall längerfristiger Erkrankung, sondern um das Nichtentstehen von Urlaubsansprüchen im Fall des Ruhens eines Arbeitsverhältnisses. Zwischen beiden Fallgestaltungen besteht ein erheblicher Unterschied: Während die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis unberührt lässt und eine Leistungsstörung bewirkt, wird das Arbeitsverhältnis beim Ruhen inhaltlich umgestaltet und besteht nur mehr als Rahmen unter Suspendierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten fort. Es ist gerade der Zweck des umgestalteten Vertrages – bei der Erwerbsminderungsrente sogar auf Antrag des Arbeitnehmers –, dass keine Arbeit geleistet wird. Sind aber Arbeitsleistung und Vergütung von vorneherein ausgeschlossen, so fehlt es an einem Austauschverhältnis, aus dem Urlaubsansprüche erwachsen können. Ein ruhendes Arbeitsverhältnis generiert keinen Urlaub. Dieser Grundsatz hat auch in den spezialgesetzlichen Kürzungsregelungen des § 4 Abs. 1 ArbPlSchG und § 17 Abs. 1 BEEG seinen besonderen Ausdruck gefunden.
2. Wegen des Ruhens des Arbeitsverhältnisses in der Zeit vom 20.11.2007 bis zur Beendigung steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Abgeltung seines Zusatzurlaubs gem. § 125 Abs. 1 SGB IX für die Jahre 2008 bis 2010 zu.
3. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Abgeltung seines anteiligen Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen für das Jahr 2007 aus dem Arbeitsverhältnis der Parteien i.V.m. § 7 Abs. 4 BUrlG i.V.m. § 125 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX.
Denn gem. § 125 Abs. 3 SGB IX finden in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch rückwirkend anerkannt wird, auch für die Übertragbarkeit des Zusatzurlaubsanspruchs in das nächste Kalenderjahr die dem Beschäftigungsverhältnis zugrundeliegenden urlaubsrechtlichen Regelungen Anwendung.
Damit ist der Zusatzurlaub des Klägers für das Jahr 2007 spätestens mit Ablauf des 31.03.2008 gem. § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG verfallen. Dieses Verständnis des § 125 Abs. 3 SGB IX verstößt nicht gegen Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG. Denn die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ist für den Verfall der entsprechenden Urlaubsansprüche nicht ursächlich. Angesichts der erst im November 2010 erfolgten rückwirkenden Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch wären die Ansprüche des Klägers auf Gewährung des Zusatzurlaubs gem. § 125 Abs. 1 SGB IX für das Jahr 2007 auch dann gem. § 7 Abs. 3 BUrlG mit Ablauf des 31.03.2008 verfallen gewesen, wenn der Kläger nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen wäre. Auch insoweit geht es nicht um das Erlöschen von Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsansprüchen im Fall längerfristiger Erkrankung, sondern vielmehr um die Frage der Verteilung des Risikos der rückwirkenden Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Gesetzgeber hat dieses der Sphäre des Arbeitnehmers zugehörige Risiko dem Arbeitnehmer zugewiesen und durch die Regelung des § 125 Abs. 3 SGB IX klargestellt, dass die rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderung nicht zur Folge haben soll, dass dem Arbeitnehmer in größerem Umfang aufgestaute Urlaubsansprüche zufallen sollen. Dieser Gesichtspunkt ist deutlich von der Frage des Erlöschens von Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsansprüchen im Fall längerfristiger Erkrankung zu unterscheiden.
4. Mangels Zahlungsanspruchs entfällt auch der weitergehende Zinsanspruch.
B. Die Widerklage ist unbegründet.
Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Rückforderung geleisteter Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.757,44 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB. Denn die Beklagte hat die Zahlung nicht rechtsgrundlos gezahlt. Vielmehr war sie, wie unter A. I. 1. Ausgeführt, zur Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe eines den tatsächlich gezahlten Betrag von 3.757,44 € weit übersteigenden Betrags verpflichtet.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG und orientiert sich am Kostenstreitwert in Höhe von 27.060,20 €, der auch den zurückgenommenen Teil der Klageforderung umfasst. Die Streitwertfestsetzung im Urteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vorliegen.
RECHTSMITTELBELEHRUNG
Gegen dieses Urteil kann von jeder Partei Berufung eingelegt werden.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich bei dem
Landesarbeitsgericht Köln
Blumenthalstraße 33
50670 Köln
Fax: 0221-7740 356
eingegangen sein.
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
- Rechtsanwälte,
- Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
Unterschriften