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Fortsetzung: Betriebs-Geschäftsgeheimnisse - die neue EU-Richtlinie kommt. Anforderungen an einen wirksamen Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Fortsetzung: Betriebs-Geschäftsgeheimnisse - die neue EU-Richtlinie kommt. Anforderungen an einen wirksamen Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Teil 2: praktische Auswirkungen und Konsequenzen auf Unternehmensebene -  Verträge auf den Prüfstand

Von Dr. Volker Herrmann - Fachanwalt für gewerblichen Rechtschutz und Peter Kaumanns, LL.M. - Fachanwalt für IT-Recht

In der Fortsetzung von Teil 1 wird der Frage nachgegangen, inwieweit die Regelungen des Richtlinienentwurfs RL COM (2013) 813 final zum Thema „Schutz von Geschäftsgeheimnissen“  die tägliche unternehmerische Praxis tangieren. Den Schwerpunkt der Ausführungen bilden demzufolge die Lösungsstrategien zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen.

Denn gerade an die ergriffenen Geheimnisschutzvorkehrungen auf Unternehmensseite stellt der Richtlinienentwurf im Rahmen der Definition des „Geschäftsgeheimnisses“ ein erhöhtes Anforderungsprofil.

Zum besseren Verständnis ist es zunächst erforderlich, sich den Ansatzpunkt des Richtlinienentwurfs zu vergegenwärtigen. Der Richtlinienentwurf zielt in erster Linie nicht darauf ab, den Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen per se zu verhindern. Denn getreu dem Sprichwort „wo ein Wille, ist auch ein Weg“ ließe sich ein 100 prozentiges Schutzniveau von Geschäftsgeheimnissen auch in der Praxis durch den Unsicherheitsfaktor „Mensch“ nicht realisieren. Dies hat auch der europäische Gesetzgeber erkannt. Deshalb räumt der Richtlinienentwurf den Unternehmen einen zeitlich nachgelagerten Geheimnisschutz für den Fall des Bekanntwerdens eines Diebstahls von Geschäftsgeheimnissen ein. Dem vom „Datenklau“ betroffenen Unternehmen wird im Richtlinienentwurf ein ganzer Maßnahmenkatalog an effektiven Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung, um die Wahrung des Geschäftsgeheimnisses auch im Nachhinein sicherzustellen. 

Um jedoch in den Genuss dieser effektiven Verteidigungsmöglichkeiten zu kommen, ist es zunächst unbedingt erforderlich, nachweisbare Schutzmaßnahmen zur Sicherung von Geschäftsgeheimnissen auf Unternehmensebene zu treffen. Denn schon denklogisch stellt die gewissenhafte Vorsorge die bessere Art der Nachsorge dar und dies gleich auf zweierlei Weise: Zum einen wird gewährleistet, dass die betrieblichen Informationen ein rechtlich geschütztes Geschäftsgeheimnis im Sinne der Richtlinie darstellen und zum anderen wird in prozessualer Sicht sichergestellt, dass das Unternehmen als beweisbelastete Partei im Prozess den Nachweis über die zum Geheimnisschutz getroffenen Maßnahmen erbringen kann.

Aus diesem Grund werden im weiteren Verlauf effektive Lösungsstrategien für den Schutz von kritischem Know-how wie Rezepturen, Produktionsprozessen, Kundendaten, Businessplänen, Marketingideen auf Unternehmensseite dargestellt.

Effektive vertragliche Lösungsstrategien zum Know-how Schutz

Beim Schutz von betrieblichen Informationen gilt es zwischen Verträgen allgemeiner und besonderer Art, insbesondere mit arbeitsrechtlichem Schwerpunkt, zu unterscheiden.

1.      Vertragscompliance - Schutzmaßnahmen allgemeiner Art

Im Allgemeinen Vertragsrecht richten sich die Möglichkeiten der Schutzvorkehrungen nach dem jeweiligen Vertragstypus und der unternehmerischen sowie wirtschaftlichen Bedeutung für die Vertragsparteien. Beispielhaft werden im Folgenden einige vertragliche Schutzvorkehrungen vorgestellt. Bei einer Kooperationsvereinbarung zweier Unternehmen im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) ist eine gegenseitige Vertragsklausel zwischen den Beteiligten sinnvoll, die das von beiden Seiten eingebrachte Know-how hinreichend genau bestimmt und zugleich ausgewogen, insbesondere im Hinblick auf Zufallsergebnisse, schützt. In den Bereichen des vertraglichen Lizenzschutzrechts sind detaillierte vertragliche Schutzmaßnahmen zur Sublizenzierung, zur Lizenzweitergabe und zur Vereinbarung einer Nichtangriffsverpflichtung des Lizenzrechts, zu empfehlen.

2.      Schutz vor „Reverse-Engineering“

Besondere Neuerungen bringt die Richtlinie für die Gestaltung von „Reverse- Engineering“ Vereinbarungen im allgemeinen Vertragsrecht und im Arbeitnehmererfindungsrecht mit sich. Hierunter fallen des besseren Verständnisses wegen Verträge, in denen ein Hersteller als Geheimnisträger den Vertragspartnern und Wettbewerbern den Nachbau seines Produktes untersagt. Durch den Richtlinienentwurf kündigt sich in diesem Bereich ein Paradigmenwechsel an. Galt ursprünglich im deutschen Recht das Verbot des „Reverse-Engineering“, so ist dieses generelle Verbot zukünftig zum Schutz von Innovation und zur Förderung des Wettbewerbs aufzugeben. Dies wird zwangsläufig auch zur Aushöhlung des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes außerhalb der Immaterialgüterrechte führen.

Denn dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 des Richtlinienentwurfs ist eindeutig zu entnehmen, dass der Erwerb von Geschäftsgeheimnissen keine unlautere Verletzungshandlung darstellt, sofern die Geschäftsinformation durch „Reverse Engineering“ eines öffentlich verfügbaren oder sich im rechtmäßigen Besitz befindlichen Produktes gewonnen wurden. Insoweit erhält die in den USA seit jeher zulässige „Rückwärtsanalyse“ von auf dem Markt erhältlichen Produkten über den Richtlinienvorschlag Einzug ins deutsche Recht, es sei denn, das „Reverse- Engineering“ wird explizit vertraglich ausgeschlossen.

Folglich kann den Unternehmen an dieser Stelle nur dringendst geraten werden, eine solche Verbotsvereinbarung des „Reverse-Engineering“ gegenüber Vertragspartnern zum Schutz vom „Nachbau“ ihrer Produkte in ihr Vertragswerk aufzunehmen.

3.      Arbeitsvertraglicher Know-how-Schutz
a)      Geheimhaltungsvereinbarungen

Die größte Sicherheitslücke in der unternehmerischen Praxis stellt der „Mensch“ als innerbetrieblicher Unsicherheitsfaktor dar. Schätzungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz zufolge machen Innentäter 70 % der Fälle des Informationsdiebstahls aus. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass der arbeitsvertragliche Know-how Schutz aus Effektivitätsgründen eine Schlüsselstellung beim Schutz von Geschäftsgeheimnissen einnimmt. Es ist den Unternehmen bei der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses neben einem Hinweis auf die arbeitsvertragliche Treuepflicht zu empfehlen, eine arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsklausel in den Arbeitsvertragstext aufzunehmen. Darüber hinaus hat es sich in der Praxis zur Eindämmung der Offenbarung von betrieblichem Know-how bewährt, weitreichende, strafbewehrte „non-disclosure-Verpflichtungen“ gegenüber dem Arbeitnehmer bei Begründung des Arbeitsverhältnisses vertraglich zu vereinbaren. Dabei ist jedoch die gerichtsfeste Ausgestaltung der Klausel von entscheidender Bedeutung. Denn vom Umfang und der zeitlichen Dauer der Verschwiegenheitsvereinbarung hängt die Wirksamkeit der Klausel ab.

b)     Erweiterte Geheimhaltungsvereinbarungen

In diesem Zusammenhang dürfte für die Unternehmen die Erstreckung solcher Verschwiegenheitsvereinbarungen über das eigentliche Geschäftsgeheimnis hinaus sehr interessant sein. Im Rahmen solcher „erweiterter Geheimhaltungsverpflichtungen“ könnte der Geheimnis-Schutzbereich auf andere vertrauliche organisatorische und produktionstechnische Unternehmensfelder ausgedehnt werden. Bei der Ausgestaltung und Formulierung solcher Klauseln müssen jedoch in besonderem Maße die Interessen des Arbeitsnehmers, u. a. abgeleitet aus dem Recht der freien Meinungsäußerung, Art. 5 GG, in den einzelfallbezogenen Abwägungsprozess mit einbezogen werden. Standardisierte Verschwiegenheitsvereinbarungen haben sich dabei als nicht gerichtsfest herausgestellt. Insoweit ist in diesem Bereich eine individuelle Rechtsberatung geboten und zu empfehlen.

c)      Nachvertragliche Geheimhaltungsvereinbarungen

Wenig überraschend haben Unternehmen größtes Interesse an der Vereinbarung nachvertraglicher Verschwiegenheitsverpflichtungen. Denn nur auf diese Weise kann der Know-how Abfluss durch den ehemaligen Arbeitnehmer zum unmittelbaren Konkurrenten und Wettbewerber gezielt eingedämmt werden. Allerdings hat sich auch in diesem Bereich eine arbeitsrechtliche Rechtsprechungskasuistik herausgebildet, von deren umfassender Darstellung der Verfasser aufgrund der Schwerpunktsetzung des Aufsatzthemas Abstand nimmt. Nur so viel sei erwähnt: Zur Wirksamkeit der Klauseln müssen die Verschwiegenheitsvereinbarungen das konkrete Geschäftsgeheimnis hinreichend genau beschreiben.

Eine pauschalisierte Verschwiegenheitsverpflichtung ist auch in diesem Bereich generell unzulässig, da die Formulierung der Klausel unter Berücksichtigung des betrieblichen Vorkommens, Art. 12 I GG, auch die im Einzelfall vorkommende Nutzung redlich erlangten Erfahrungswissen – sei es im Wege späterer Selbstständigkeit oder als Arbeitnehmer eines Wettbewerbers-  regeln muss. Im Übrigen wäre der Übergang von einer nachvertraglichen Universalgeheimhaltungsklausel hin zum ausschließlich im Rahmen des §§ 74 ff. HGB zulässigen Wettbewerbsverbots fließend. 

Diese Rechtsprechungslinie hat in der Praxis dazu geführt, dass Unternehmen das Umwerben von Kunden durch ehemalige, ausgeschiedene Mitarbeiter nicht allein durch die Vereinbarung von Verschwiegenheitsklauseln verhindern konnten.

Ein wirksamer Schutz der Kundendaten vor Verwendung durch ausgeschiedene Mitarbeiter ist durch die Kombination von nachvertraglichen Geheimhaltungsvereinbarungen mit (nach-)vertraglichen Wettbewerbsverboten möglich. Bei der individuellen auf den Einzelfall bezugnehmenden Formulierung der Klauseln und der arbeitsvertraglichen Gestaltung unterstützen wir Sie sehr gerne.

Den ersten Teil unseres Beitrags können Sie an dieser Stelle noch einmal lesen.

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