Das Stoffmuster und der Schuh - kurioses Urteil aus Frankfurt im Mode- und Designrecht
Von Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL.M.
Experte für Mode- und Wettbewerbsrecht
Eine interessante und in vielen Punkten durchaus sehr kuriose Entscheidung verkündete kürzlich das Oberlandesgericht Frankfurt (Urteil vom 12. Mai 2015, Az. 11 U 104/14).
Geklagt hatte ein Unternehmen, das Stoffmuster wie nachstehend herstellt.
Zudem hatte es noch ein eingetragenes Geschmacksmuster, welches in dunklerenn Farben gehalten war und grüne, blaue und braune Töne aufwies.
Beklagt wurde der Hersteller eines Damenschuhs, der folgendes Modell auf den Markt brachte:
(Fotos: Urteil des OLG Frankfurt, 12.05.2015, Az. 11 U 104/14)
Die Klägerin sah im Verkauf dieses Schuhs seine Rechte verletzt und machte unter anderem Unterlassungsansprüche geltend. Das Landgericht Frankfurt (Urteil vom 7. August 2014, Az. 2-3 O 479/13) wies die Klage ab, die darauf folgende Berufung des Stoffmusterherstellers wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen. Der Senat sah keine Rechtsverletzung.
Wettbewerbsrecht
a) Konkretes Wettbewerbsverhältnis
Das Gericht zweifelte schon daran, dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis wäre also etwa dann zu bejahen, so die Richter, wenn die Klägerin ihrerseits Schuhe herstellen würde und die Beklagte nachgeahmte Schuhe vertreiben würde. In diesem Fall würde einem durch den Vertrieb gerade dieser Schuhe erzielten Wettbewerbsvorteil der Beklagten ein Wettbewerbsnachteil der Klägerin korrespondieren:
„Vorliegend ist die Klägerin jedoch bereits auf einer deutlich früheren (Teil-)Produktionsstufe tätig. Es erscheint nicht ohne weiteres naheliegend, dass der Vertrieb von Schuhen mit dem Stoffmuster der Klägerin einen (negativen) Einfluss auf die Absatzmöglichkeit der Klägerin für dieses Stoffmuster haben könnte.“
Allein diese Einschätzung des Oberlandesgerichts ist durchaus überraschend. Sowohl der Hersteller der Stoffmuster als auch der Produzent der Schuhe bieten Waren auf dem Segment der Mode an. Letztlich mag es richtig sein, dass ein Stoffproduzent auf einer „Teilproduktionsstufe“ tätig ist. Jedoch stellt er regelmäßig den Teil eines Produkts her, der dem Endprodukt schließlich das entscheidende Gepräge gibt – nämlich das Muster. Auch er konkurriert damit entscheidend mit anderen Modeherstellern. Somit dürfte vorliegend sehr wohl von einem Wettbewerbsverhältnis auszugehen sein.
b) Nachahmungsschutz
Aus Sicht des Senats lag vorliegend schon keine unlautere Verletzungshandlung vor. Wie auch die Vorinstanz, verneinten die Richter insbesondere eine sogenannte „Herkunftstäuschung“ nach § 4 Nr. 9a UWG:
„Die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft eines nachgeahmten Erzeugnisses setzt, sofern nicht Original und Nachahmung nebeneinander vertrieben werden und der Verkehr damit beide unmittelbar miteinander vergleichen kann, voraus, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine gewisse Bekanntheit erlangt hat.“
Eine solche ausreichende Bekanntheit des Stoffmusters könne man hier jedoch nicht annehmen, so der Senat in seiner Entscheidung. Aus diesem Grund scheide auch eine „unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung“ nach § 4 Nr. 9b UWG aus:
„Eine Ausnutzung der Wertschätzung liegt dann vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise den guten Ruf des Originalprodukts auf die Nachahmung übertragen. Die vom Originalprodukt übertragenen positiven Assoziationen müssen dem nachgeahmten Produkt aus Abnehmersicht zusätzliche Attraktivität verleihen.“
Dass mit dem bestimmte positive Assoziationen verbunden würde, wie dies beispielsweise denkbar wäre, wenn es von einem bekannten Künstler stammen oder von einem solchen getragen würde, oder mit einer berühmten Marke in Verbindung gebracht würde, sei nicht ersichtlich, so der Senat.
Geschmacksmuster- und Designrecht
Auch eine Verletzung aus Gesichtspunkten des Geschmacksmuster- und Designrechts hat das Oberlandesgericht nicht angenommen. Die Klägerin hatte ein europäisches Geschmacksmuster eingetragen.
Dazu stellte der Senat fest, dass davon auszugehen sei, dass das Schuhmodell das (Form)-Design der Klägerin unverändert übernommen habe. Das Verletzungsmuster weiche lediglich insoweit vom Muster der Klägerin ab, als zum einen andere Farben verwendet wurden und zum anderen durch die konkrete Verarbeitung (Zuschnitt, Vernähungen) in einer Fläche immer nur kleinere Ausschnitte des Musters erkennbar seien.
Trotz dieser Feststellung sah das Oberlandesgericht keine Geschmacksmuster-Verletzung:
„Diese Abweichungen führen jedoch dazu, dass das Verletzungsmuster beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck erweckt als das eingetragene Geschmacksmuster und somit dessen Schutzumfang nach Art. 10 GVV nicht tangiert.“
Die Schuhe hätten zwar die Formen, also das Grunddesign des Geschmacksmusters übernommen, jedoch nicht die Farben. Das eingetragene Muster war in dunklen Farben gehalten, wies grüne, blaue und braune Töne auf. Der Hintergrund war schwarz gestaltet. Die Schuhe hingegen seien in hellen, bunten Farben auf den Markt gebracht worden. Es dominierten verschiedene leuchtende Rottöne, mit einigen gelben, blauen und grünen Elementen. Genau das sei entscheidend, fanden die Frankfurter Richter:
„Das Geschmacksmuster ist vorliegend gerade nicht in verallgemeinernder schwarz/weißer Form eingetragen worden (vgl. BGH GRUR 2011, 1112 Rdnr. 52 - Schreibgeräte), sondern in einer konkreten Farbgestaltung. Die Form kann daher nicht ohne weiteres von der Farbe abstrahiert werden.“
Die Übernahme der Form würde erst bei genauem Hinsehen erkennbar und führe auch dann nicht dazu, dass ein auch nur ähnlicher Gesamteindruck entstehe.
Urheberrecht
Letztlich hat das Oberlandesgericht Frankfurt auch eine Verletzung des Urheberrechts der Stoffmusterherstellerin verneint. Die Klägerin hatte dazu nicht ausreichend vorgetragen. Die Richter machten jedoch auch deutlich, dass sie ohnehin Zweifel an einem Urheberrechtsschutz des Musters hätten – und verwiesen auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 143/12 – Geburtstagszug).
Fazit
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist in einigen Punkten überraschend. Merkwürdig ist schon, inwiefern der Senat im vorliegenden Fall ein Wettbewerbsverhältnis bei zwei im selben Sektor tätigten Unternehmen in Zweifel ziehen kann.
Auch ist durchaus nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum die Frankfurter Richter eine Verletzung des Geschmacksmusters der Klägerin verneinen. Das Gericht stellt deutlich heraus, dass der Schuhhersteller das Grunddesign übernommen. Die Formen sind identisch. Da jedoch eine andere Farbgestaltung gewählt wurde, könne man nicht von einer Verletzung ausgehen. Die Klägerin habe sich nämlich ein Farbmuster schützen lassen, deshalb käme es auf die Farbtöne besonders an. Im Umkehrschluss bedeutet es jedoch: Hätte sich die Klägerin dasselbe Muster in Schwarz/Weiß als Geschmacksmuster schützen lassen, so hätte das Gericht wohl einen Verstoß angenommen.
Sicherlich handelt es sich vorliegend, wie so oft, um eine Einzelfallentscheidung. Möglicherweise muss sich demnächst der Bundesgerichtshof mit dieser Thematik genauer befassen, um eine Richtschnur vorgeben zu können.
Das Urteil können Sie an dieser Stelle vollständig lesen.
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