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Bundesgerichtshof sorgt für Durchblick: Werbung mit einer kostenlosen Zweitbrille kann unzulässig sein

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Dr. Volker Herrmann

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Bundesgerichtshof sorgt für Durchblick: Werbung mit einer kostenlosen Zweitbrille kann unzulässig sein

Von Dr. Volker Herrmann
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Ein Optiker aus Süddeutschland mit rund 50 Filialen warb in einem Flyer dafür, dass seine Kunden beim Kauf einer neuen Brille mit sogenannten „Premiumgläsern“ eine kostenlose Zweitbrille im Wert von 89 Euro erhielten.

Dagegen klagte die „Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs“. Sie hielt die Werbung mit der kostenlosen Zweitbrille für eine unzulässige Täuschung. Denn: Die Erstbrille bilde mit der Zweitbrille ein Warenpaket, in dessen Preis die Kosten für beide Brillen einkalkuliert seien. Zumindest aber stelle die kostenlose Zweitbrille eine Zuwendung dar und verstoße somit gegen das heilmittelrechtliche Verbot von Werbegaben, so der Verband. Schließlich musste der Bundesgerichtshof entscheiden (Urteil vom 6. November 2014, Az. I ZR 26/13).

Der Bundesgerichtshof gab dem klagenden Verband weitestgehend Recht. Die Werbung des Optikers verstoße gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Bei der kostenlosen Zweitbrille handele sich um eine unzulässige Werbegabe.

Die entsprechende Regelung des § 7 Abs. 1 HWG soll

„durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr begegnen, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden“.

Der Begriff der Werbegabe sei weit auszulegen. Sie setze jedoch voraus, dass die Zuwendung aus Sicht des Empfängers unentgeltlich gewährt wird – er muss sie also als Geschenk ansehen.

„Werden dem Werbeadressaten mehrere Waren als ein einheitliches, mit einem Gesamtpreis zu entgeltendes Angebot präsentiert, so liegt keine unentgeltliche Vergünstigung und damit keine Werbegabe vor.“

Vorliegend stelle sich die Werbung für den Verbraucher jedoch nicht als Angebot eines aus zwei Brillen bestehenden Komplettpakets dar, sondern als Angebot einer Brille nebst einer zu verschenkenden Zweitbrille.

„Der durchschnittlich informierte, verständige und aufmerksame Durchschnittsverbraucher geht erfahrungsgemäß davon aus, dass ein Kaufmann Waren von nicht unerheblichem Wert nicht ohne weiteres verschenkt. Er nimmt häufig an, dass die Kosten für eine als gratis beworbene Ware in den Preis des sonstigen Angebots mit eingerechnet sind.“

Er sehe eine als „gratis“ beworbene Zusatzleistung deshalb nicht immer als ein Geschenk an.

Allerdings hebe im vorliegenden Fall die Werbung des Optikers den Geschenkcharakter der zweiten Brille durch besondere Gestaltungselemente deutlich hervor. Die „blickfangmäßige und bildliche Hervorhebung“ des Gratis-Angebots vermittele dem Verbraucher den Eindruck, dass er beim Kauf einer Brille eben eine weitere als Geschenk dazu bekomme. Zwischen den beiden Angeboten bestehe auch keine notwendige Einheit, sie werden unabhängig voneinander genutzt. Die Gratisbrille sei als Blickfang präsentiert worden, insbesondere durch die Abbildung einer roten Schleife erinnere die Werbung sehr an ein Geschenk.

In der Zweitbrille könne auch kein zulässiger, sogenannter Naturalrabatt gesehen werden. Ein solcher könne jedoch nur angenommen werden, wenn es sich um dieselbe Ware in identischer Qualität handeln würde. Das sei bei der kostenlosen Brille nicht anzunehmen, da zwischen den beiden Produkten qualitative Unterschiede bestünden.

Fazit

Das Urteil macht deutlich, dass es einer gründlichen Betrachtung im Einzelfall bedarf, ob es sich bei einem „Geschenk“ um eine kostenlose Zusatzleistung handelt oder ob der Kunde davon ausgehen muss, ein „Gesamtpaket“ zu erwerben.

Allein der Begriff „kostenlos“ kann dafür scheinbar nicht genügen – es kommt auf eine Gesamtbetrachtung an. Dies gibt Werbern und Unternehmen sicherlich einigen Freiraum bei der Gestaltung ihrer Anzeigen. Auf der anderen Seite müssen sie aufpassen, nicht doch über das Ziel hinauszuschießen. Insbesondere bei der Anwendbarkeit des Heilmittelwerbegesetzes ist von strengeren Maßstäben auszugehen.

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