"Metall auf Metall" - Bundesverfassungsgericht stärkt die Sample-Freiheit
Von Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL.M.
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Das Bundesverfassungsgericht hat im Fall "Metall auf Metall" für eine Überraschung gesorgt. Es musste über zwei Sekunden Musik entscheiden. In dem Fall ging es um eine Sequenz aus dem Stück „Metall auf Metall“ der Düsseldorfer Kultband Kraftwerk aus dem Jahr 1977. Die Rhythmussequenz wurde wohl von Musikproduzent Moses Pelham entnommen und als Loop, also unter ständiger Wiederholung, für den Titel „Nur mir“ von Sabrina Setlur (1997) verwendet.
Nun räumte das Bundesverfassungsgericht den Vorrang ein (Urteil vom 31. Mai 2016, Az. 1 BvR 1585/13). Die angegriffenen Entscheidungen des BGH verletzen drei der insgesamt zwölf Beschwerdeführer in ihrer Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG).
Kunstfreiheit geht vor Recht der Tonträger
Steht der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) ein Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht gegenüber, der die Verwertungsmöglichkeiten nur geringfügig beschränkt, kann die Kunstfreiheit überwiegen. Die Annahme des Bundesgerichtshofs, die Übernahme selbst kleinster Tonsequenzen stelle einen unzulässigen Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger dar, soweit der übernommene Ausschnitt gleichwertig nachspielbar sei, trage der Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung.
Wenn der Musikschaffende, der unter Einsatz von Samples ein neues Werk schaffen will, nicht völlig auf die Einbeziehung des Sample in das neue Musikstück verzichten will, stellt ihn die enge Auslegung der freien Benutzung durch den Bundesgerichtshof vor die Alternative, sich entweder um eine Samplelizenzierung durch den Tonträgerhersteller zu bemühen oder das Sample selbst nachzuspielen. In beiden Fällen würden jedoch die künstlerische Betätigungsfreiheit und damit auch die kulturelle Fortentwicklung eingeschränkt.
Das einfache Neutvertonen der Klänge, so wie es der BGH angenommen hat, stelle keinen gleichwertigen Ersatz dar. Der Einsatz von Samples sei eines der stilprägenden Elemente des Hip-Hop. Die erforderliche kunstspezifische Betrachtung verlange, diese genrespezifischen Aspekte nicht unberücksichtigt zu lassen. Hinzu komme, dass sich das eigene Nachspielen eines Sample als sehr aufwendig gestalten könne und die Beurteilung der gleichwertigen Nachspielbarkeit für die Kunstschaffenden zu erheblicher Unsicherheit führe.
Lizenzierung schränkt Künstler ein
Der Verweis auf die Lizenzierungsmöglichkeit bietet keinen gleichwertigen Schutz der künstlerischen Betätigungsfreiheit: Denn auf die Einräumung einer Lizenz zur Übernahme und Verwendung des Sample gibt es keinen Anspruch. Die Erlaubnis kann also ohne Angabe von Gründen verweigert oder durch eine hohe Lizenzforderung unwirtschaftlich werden. Besonders schwierig gestalte sich der Prozess der Rechteeinräumung bei Werken, die viele verschiedene Samples benutzen und diese in Form einer Collage zusammenstellen.
Eingriff in Tonträgerrechte nur gering
Bei der Abwägung beider Rechtspositionen hat das Bundesverfassungsgericht nur einen geringfügigen Eingriff in die Rechte der Tonträgerhersteller gesehen. Erhebliche wirtschaftliche Nachteile seien nicht zu befürchten. Eine solche Gefahr könne dann entstehen, wenn das neu geschaffene Werk eine so große Nähe zu dem Tonträger mit der Originalsequenz aufwiese, dass realistischerweise davon auszugehen wäre, dass das neue Werk mit dem ursprünglichen Tonträger in Konkurrenz treten werde. Eine Gefahr von Absatzrückgängen für Kraftwerk durch die Übernahme der Sequenz in die beiden streitgegenständlichen Versionen des Titels „Nur mir“ ist nicht ersichtlich.
Der Streit läuft schon seit vielen Jahren
Den Musikern von Kraftwerk gefiel das gar nicht – sie zogen vor Gericht. Der Streit ging durch sämtliche Instanzen, beschäftigte den Bundesgerichtshof zwei Mal (Urteil vom 20. November 2008, Az. I ZR 112/06,Metall auf Metall I sowie Urteil vom 13. Dezember 2012, Az. I ZR 182/11, Metall auf Metall II). Der BGH gab Kraftwerk Recht. Auch die Entnahme kleinster Ausschnitte aus einer fremden Tonspur stelle einen Eingriff in das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers dar und bedürfe grundsätzlich dessen Zustimmung.
Anders könne dies nur gesehen werden, wenn es sich um eine freie Benutzung im Sinne des Urhebergesetzes handele. Voraussetzung sei aber, dass die Sequenz nicht in gleichwertiger Art und Weise einfach nachgespielt und neu aufgenommen werden könne. Das sei im Fall von Kraftwerk jedoch möglich gewesen – deshalb könne sich Moses Pelham nicht auf das Recht der freien Benutzung berufen.
Nun wird der Bundesgerichtshof neu entscheiden - im Fall "Metall auf Metall III".
(Mit Material der Pressemitteilung des BVerfG v. 31.05.2016)
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