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Holpriger Start für ein umstrittenes Gesetz – das Netzwerkdurchsetzungsgesetz sorgt für Wirbel

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Das NetzDG sorgt zum Start für ordentlich Wirbel

von Michael Terhaag, LL.M.
Fachanwalt für IT-Recht und gewerblichen Rechtsschutz

Mit dem Jahreswechsel gelten die strengen Regelungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG). Bereits im Oktober 2017 war das Gesetz in Kraft getreten – mit einer Übergangsphase für die betroffenen Unternehmen. Die ist nun seit dem 1. Januar 2018 vorbei. Und gleich zu Anfang sorgt das neue Gesetz für einige Aufregung. Es rief Kritiker und Befürworter gleichzeitig auf den Plan.

Als die AfD-Politikerin Beatrix von Storch einen widerwärtigen Kommentar bei Twitter veröffentlichte (weswegen nun aufgrund mehrerer Strafanzeigen auch gegen sie wegen Volksverhetzung ermittelt wird), wurde die Nachricht vom US-Unternehmen gelöscht und der Account für kurze Zeit gesperrt.

Von Storch störte sich wohl daran, dass die Kölner Polizei im Internet Hinweise zu Silvester unter anderem auf Arabisch veröffentlichte (- die Hinweise erschienen zudem noch auf Französisch, Englisch und Deutsch). Ob die Löschung ihres Tweets aufgrund des neuen NetzDG oder nach den allgemeinen Twitter-Richtlinien erfolgt ist, ist nicht bekannt.

Den Tweet der AfD-Politikerin nahm jedoch das Satiremagazin TITANIC zum Anlass, um in humoristischer Art weitere Meldungen „im Namen“ von Frau von Storch (Kürzel: bvs) mit bewusst gesetzten Rechtschreibfehlern zu verbreiten. So twitterten die Satiriker über den TITANIC-Account: „Weshalb verwendet eigentlich die deutsche Polizei arabische Zahlen? Ich wehl doch nicht 110, wen die Barbarenhorden mich vergewaltigen wollen! (bvs)"

Kurz nach Veröffentlichung wurde aber auch dieser Tweet der TITANIC gelöscht. Auch darauf reagierten die Satiriker mit einem weiteren Tweet a la von Storch: „Und schon ist es wieder pasiert. Auch bei TITANIC werde ich von Twittee zensiert!!!cc: @Alice_Weidel (bvs)“

Und genau dort setzt nun – zu Recht – die Kritik am NetzDG an. Denn Twitter, und womöglich bald auch andere soziale Netzwerke, werden im Zweifel Nachrichten eher löschen, um nicht Gefahr zu laufen, selbst haftbar gemacht zu werden. Denn das Gesetz sieht bei Zuwiderhandlungen immerhin astromische Geldbußen vor. Das führt jedoch dazu, dass auch - eigentlich von der Meinungs- und Kunstfreiheit (Art. 5 GG) geschützte - Veröffentlichungen entfernt werden. Für ein Satire-Format wie TITANIC ist dies unerträglich und für eine offene Gesellschaft ist es nicht hinnehmbar.

Das Magazin scheint nun immer wieder von zu schneller Löschung beeinträchtigt zu werden. Sucht man die Twitter-Seite von TITANIC auf, findet man an verschiedenen Stellen den folgenden Hinweis:

            

Auch andere Satiriker, Komiker und scharfe Kritiker im Netz könnte die Neuregelung bald treffen – und zu vielen weiteren unnötigen Löschungen führen.

Das Löschungsverfahren läuft dabei wie folgt ab: Ein Nutzer kann zum Beispiel einen Beitrag bei Twitter melden. Als Grund für die Entfernung kann er sich explizit auf das NetzDG stützen. Dann ist das Unternehmen am Zug: Es muss den Inhalt prüfen. Handelt es sich um einen offensichtlich strafbaren Inhalt, muss innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden. In schwierigeren Konstellation bleiben bis zu sieben Tage Zeit. Reagieren die Unternehmen nicht, drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro.

An sich ist dies also eine gute Idee, um Hass und Hetze aus dem Netz zu verbannen. Allerdings birgt das Gesetz auch viele Tücken, wie der Fall des TITANIC-Magazins zeigt. Denn im Zweifel werden die Internetkonzerne einfach eine Nachricht löschen – auf Kosten der Meinungsfreiheit. Auch verhindert das neue Gesetz nichts – Hass und Hetze wird es weiter geben, bis eine Nachricht gemeldet bzw. gelöscht ist vergeht oft viel Zeit. Zudem werden staatliche Aufgaben faktisch auf private Unternehmen übertragen – denn diese entscheiden nun, ob ein Inhalt strafbar ist oder nicht. Dies ist jedoch Aufgabe von Staatsanwaltschaft und Gerichten.

Viele namhafte Kritiker haben deshalb eine „Deklaration für die Meinungsfreiheit“ in Reaktion auf das NetzDG digital unterzeichnet. Dazu gehören Verbände, Professoren und Organisationen wie der Deutsche Journalisten Verband (DJV), der Deutsche Anwaltverein (DAV) sowie der Deutsche Kulturrat.

Es bleibt abzuwarten wie sich die Umsetzung des NetzDG entwickelt. Die Kritik daran ist jedenfalls nicht unberechtigt. Auch wenn die Löschung von volksverhetzenden und beleidigenden Inhalten dadurch womöglich erleichtert wird, stellt sich die Frage, ob man dies auf Kosten wesentlicher Grundwerte in Kauf nehmen möchte.

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