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Erneut heißt es für Böhmermann: Satire darf nicht alles

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Erneut heißt es für Böhmermann: Satire darf nicht alles

Das Landgericht Hamburg hat eine einstweilige Verfügung erlassen, in welcher dem Fernsehsender ZDF untersagt wird, unter anderem zu behaupten, es handele sich bei einem Foto auf einem an die bekannten RAF-Fahndungsplakate angelehnten Fahndungsplakat um den Journalisten Stefan Aust (LG Hamburg, Beschluss vom 3. Januar 2023, Az. 324 O 513/22 – hier ist die Entscheidung im Volltext zu lesen).

Was war passiert?

In der Sendung „ZDF Magazin Royale“, moderiert von Jan Böhmermann, wurde im November 2022 satirisch dargestellt, wie Verschwörungstheorien entstehen und von deren Anhängern begründet werden können. Aufhänger waren die Aktionen der Umweltaktivisten der „Letzten Generation“, welche unter anderem von Politikern (z.B. Alexander Dobrindt, CSU) für ihre Handlungen als „Klima-RAF“ bezeichnet wurden.

In einer satirischen Darbietung kommt Böhmermann in Form von mehreren Einspielern zu dem Schluss, dass es sich bei der Partei FDP um eine Art neue RAF handeln würde. Untermalt wird dies dadurch, dass im weiteren Verlauf der Sendung verschiedene Video-Einspieler und ein Fahndungsplakat eingeblendet wird, welches die „Lindner/Lehfeldt-Bande“ zeigt – also unter anderem die Eheleute Franca Lehfeldt (Journalistin) und Christian Lindner (Bundesfinanzminister, FDP). Das gezeigte Plakat erinnert in seiner Gestaltung an einen bekannten RAF-Fahndungsaufruf, mit welchem in den frühen 70er Jahren die Baader/Meinhof-Bande mit 19 mutmaßlichen Mitgliedern unter anderem wegen der Beteiligung an Morden, Sprengstoffverbrechen, Banküberfällen und anderen Straftaten gesucht worden war.

Auf dem nunmehr in der Satire-Sendung von Böhmermann gezeigten Plakat zu sehen sind – neben Lehfeldt und Lindner - zudem unter anderem auch Comedian Dieter Nuhr, die FDP-Politiker Wolfgang Kubicki und Alexander Graf Lambsdorff, „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt, „WamS“-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld, Verleger Mathias Döpfner und ein Pferd namens „Tosca“.

Ebenso abgebildet wurde – vermeintlich – der Herausgeber der „Welt“ und ehemalige SPIEGEL-Chefredakteur Stefan Aust. Das Foto zeigte jedoch nicht Stefan Aust selbst, sondern den Schauspieler Volker Bruch in seiner Rolle als Stefan Aust im Film „Der Baader Meinhof Komplex“ (2008).

Der Journalist Aust sah in der Darstellung sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt, weil das Publikum glauben könnte, bei dem gezeigten Foto sei er abgebildet. Vor dem Landgericht Hamburg bekam er mit seiner Ansicht in einem Eilverfahren Recht. Das Gericht erließ die von ihm begehrte einstweilige Verfügung gegen das ZDF.

Wie entschied das Landgericht Hamburg?

Das Landgericht Hamburg sah das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Stefan Aust rechtswidrig verletzt. Das in der Fernsehsendung gezeigte Foto zeige unstreitig nicht den Journalisten selbst, sondern den Schauspieler Volker Bruch.

Zwar handele es sich bei dem Fernsehbeitrag um eine Satire, die eine Überspitzung darstelle. Jedoch würde das Publikum der Sendung „ZDF Magazin Royale“ glauben, bei dem gezeigten Foto handele es sich tatsächlich um Stefan Aust und nicht um einen Schauspieler. Für die Zuschauer sei also nicht erkennbar gewesen, dass es sich bei dem gezeigten Foto um Satire handele.

Enthalte nämlich ein satirischer Beitrag eine unrichtige Tatsachenbehauptung (hier: falsches Foto), so ist für die rechtliche Würdigung entscheidend, ob dies für das Publikum erkennbar ist. Die Zuschauer müssen also erkennen können, dass es sich hierbei um eine satiretypische Verfremdung oder Übertreibung handele:

„Einer Satire sind die Stilmittel der Übertreibung, Verzerrung und Verfremdung wesenseigen. Voraussetzung dafür, dass eine Äußerung unter dem Gesichtspunkt der Satirefreiheit einen besonderen Schutz genießt, ist aber, dass der Rezipient die satirische Überzeichnung erkennt, so dass er die Veränderung als Teil der für satirische Darstellungen typischen Verfremdungen und Verzerrungen deuten und damit für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann.“

Das Publikum würde zwar erkennen, dass das „Lindner/Lehfeldt-Bande“-Fahndungsplakat an sich eine satirische Darstellung sei. Dies führe jedoch nicht dazu, dass die Zuschauer auch annehmen würden, dass es sich bei den auf dem Plakat gezeigten Personen nicht um die abgebildeten Personen handele. Denn die satirische Übertreibung liege gerade darin, dass dort authentische Bilder gezeigt werden:

„Diese satirische Übertreibung würde in den Augen der Rezipienten ihre Schärfe gerade verlieren, wenn auf dem Fahndungsplakat nicht der „echte“ C. L. [Christian Lindner] und kein wahres Bildnis des Antragstellers [Stefan Aust] abgebildet wären.“

Aus diesem Grund, so das Gericht, war die weitere Ausstrahlung des Fotos – auch in der Mediathek – zu untersagen. Ob das ZDF die Entscheidung akzeptiert, bleibt abzuwarten.

Hamburger Gerichte hatten auch das „Schmähgedicht“ teilweise untersagt

Es ist nicht die erste Kontroverse von Jan Böhmermann, die zu einer juristischen Auseinandersetzung geführt hat. Das sogenannte „Schmähgedicht“ über den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, vorgetragen in seiner „Neo Magazin Royale“-Sendung im Jahr 2016 (ZDFneo), sorgte für ordentlich Wirbel und wurde durch die Hamburger Gerichte und – im Ergebnis – auch durch den BGH teilweise untersagt. Das Bundesverfassungsgericht nahm eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil diese keine Erfolgsaussichten habe (BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 2022, Az. 1 BvE 2026/19).

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