Verwechslungsgefahr und Warenähnlichkeit – BGH fällt Grundsatzurteil
Pearl gegen Pure Pearl: Autos und Fahrräder können ähnlich und Marken für diese verwechslungsfähig sein!
- Kurzbeitrag von RA Michael Terhaag, LL.M. -
Das mit der Verwechslungsgefahr im Markenrecht ist immer so eine Sache. Im Grunde ist es ein einfaches Zusammenspiel von Marken- und Waren- und/oder Dienstleistungsähnlichkeit. Je weiter die in Frage stehen Kennzeichen entfernt sind, desto ‚unwichtiger‘ sind die Waren und Dienstleistungen die geschützt werden sollen, sind die Zeichen aber relativ ähnlich oder gar identisch, müssen die diese betreffenden Bereiche entsprechend weit entfernt sein um eine mögliche Verwechslungsgefahr auszuschließen. Anders ausgedrückt liegt eine Verwechslungsgefahr vor, wenn die Öffentlichkeit glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen.
Dabei ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt. Insbesondere bestimmt sich die Verwechslungsgefahr anhand einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung des BGH).
Sind Fahrräder und Autos ähnlich Waren?
Während die Vorinstanz des Hanseatischen OLG Hamburg dies noch kategorisch ausgeschlossen, hält der Bundesgerichtshof (BGH) dies nunmehr ausdrücklich ohne weiteres für möglich. Kraftfahrzeuge und Fahrräder könnten in oben beschriebenen markenrechtlichen Sinne nämlich sehr wohl ähnliche Waren sein. Ein Markenrechtsstreit rund um die Marke „PEARL“ gegen ein Peugeot-Tochterunternehmen muss damit neu entschieden werden.So wies die höchste Zivilinstanz in Karlsruhe in einem aktuellen Urteil einen Markenrechtsstreit rund um eine Fahrrad- und Automarke an die Hamburger Richter zurück. Das Urteil im Volltext können Sie hier bei uns nachlesen. Nicht nur das es sich erkennbar bei beidem um Transportmittel handelt, die je nach Entfernung durchaus in Konkurrent stehen können, zwischen Fahrrädern und Autos könne auch deshalb markenrechtliche Ähnlichkeit bestehen, wenn es zu einem Know-How-Transfer bei ihrer Herstellung komme. Im Übrigen sei die zunehmende Technisierung von Fahrrädern, insbesondere mit Elektro-Unterstützung und der Wandel der Mobilität zu berücksichtigen.
Geklagt hatte die Inhaberin der Marke „PEARL“ aus Südafrika. Sie verlangte von einer Tochterfirma des Autokonzerns Peugeot die Unterlassung der Bezeichnung „PURE PEARL“ für eines ihrer Autos. Durch die Bezeichnung „PURE PEARL“ sieht sie sich in ihren Markenrechten verletzt, die sie für „Pearl“ bereits einige Jahre vor dem Beklagten Autokonzern, nämlich seit 2003 in Deutschland und seit 2008 unionsweit, für sich markenrechtlich für Fahrräder schützen lassen.
2013 hatte die Beklagte dann Ihre Marke für Kraftfahrzeuge eingetragen und Ende November 2013 stellte die Inhaberin der älteren Marke fest, dass Peugeot im Namen des Mutterkonzerns die Marke „PURE PEARL“ angemeldet hatte und Autos der Marke Citroën mit dieser (Modell-)Bezeichnung vertrieb.
Das Landgericht (LG) Hamburg gab der Klage in erster Instanz statt. Gegen diese Entscheidung konnte sich der Autokonzern mittels eingelegter Berufung erfolgreich erwehren. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg nahm eine "absolute Warenunähnlichkeit" zwischen Automobilen und Fahrrädern an und lehnte deshalb folgerichtig eine mögliche Verwechslungsgefahr ab. Hiergegen ging wiederrum die südafrikanische Markeninhaberin in Revision zum BGH und war hier Ende 2020 erfolgreich.
BGH: Zurück auf Los! Liebes OLG bitte einmal Warenähnlichkeit klären
Der BGH entschied im Oktober 2020 die Sache nicht endgültig selbst, sondern verwies sie an das OLG zurück – es läge gerade keine „absolute Warenunähnlichkeit“ zwischen Fahrrädern und Kraftfahrzeugen vor. Hierbei bestünden zwischen Fahrrädern und Automobilien natürlich Unterschiede, da Kraftfahrzeuge anders als Fahrräder generell nicht maßgeblich durch Pedale, sondern durch einen Motor angetrieben werden und die rechtlichen und technischen Anforderungen an den Betrieb von Fahrrädern und Kraftfahrzeugen unterschiedlich seien – Stichwort Führerschein und sonstige Zulassungsvoraussetzungen, TÜV etc. Wie allerdings oben bereits angedeutet und sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH, im Rahmen der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr vorzunehmenden Prüfung, alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen diesen Waren kennzeichnen. Hierzu gehöre insbesondere auch die Art dieser Waren, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren. Außerdem sei in die Beurteilung der Ähnlichkeit einzubeziehen, ob die Waren und Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb und in der Entwicklung Berührungspunkte aufwiesen, weil sie in denselben Verkaufsstätten angeboten werden.
Im Übrigen sei, so der BGH, durch das OLG mit einzubeziehen, dass Peugeot selbst Fahrräder herstelle und andere Automobilfirmen für den Vertrieb ihrer Zweiräder aktiv Werbung mit ihrer Expertise im Kfz-Bereich machten. Damit ist noch nicht endgültig geklärt, wer am Ende die Nase vorne haben wird, die diesbezüglichen und auch durchaus nachvollziehbaren Erwägungen und entsprechende Feststellungen wird das Berufungsgericht gegebenenfalls nachzuholen haben.
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