Markenpiraten können aufatmen... Das AG Nürnberg weist den Weg
"Reedition" soll zulässige Bezeichnung für den Verkauf von Produktfälschunegn sein
von Rechtsanwalt Dr. Thomas Engels, LL.M. und (Update) von Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL.M.
Update:Die Entscheidung des AG Nürnberg wurde inzwischen aufgehoben. Der Rechtsstreit wurde vor dem Landgericht Nürnberg im Vergleichswege beigelegt. Lesen Sie hierzu unten mehr!
Das Amtsgericht Nürnberg hat in einer kürzlich ergangenen Entscheidung Markenpiraten und Produktfälschern einige wertvolle Hinweise gegeben, wie die heiße Ware bei eBay ohne größere Schwierigkeiten an den Mann gebracht werden kann. Auf die richtige Formulierung des Angebots kommt es an!
Was war passiert? Der Käufer hatte im Internetauktionshaus eBay einen Designerstuhl ersteigert, den „Ball Chair“ des finnischen Designers Eero Aarnio. Dieser Stuhl wird weltweit von einer einzigen Firma als lizenziertes Originalprodukt angeboten und kostet im Fachhandel 4.500 EUR. Die Auktion warb damit, dass der Stuhl hier zum einmaligen Startpreis von 1900 EUR zu haben sei. Bereits bei 1919,00 EUR blieb der Zähler dann auch stehen. Der Stuhl wurde geliefert, und da er einige Beschädigungen aufwies reklamiert und anstandslos ausgetauscht. Eine Restunsicherheit verblieb dennoch beim Käufer, der sich mit dem Inhaber der Markenrechte in Verbindung setzte. Dieser bestätigte ihm dann, dass es sich bei dem gelieferten Stuhl nicht etwa um das Designermöbelstück, sondern um ein billiges Imitat aus Asien handele.
Selbstverständlich wandte der Käufer sich sofort an seinen Vertragspartner und verlangte sein Geld zurück und darüber hinaus auch noch Schadensersatz. Der Verkäufer gab dann auch freimütig zu, dass es sich um eine Fälschung handele, wollte aber nur den Kaufpreis zurückerstatten. Der Käufer nahm daraufhin gerichtliche Hilfe in Anspruch.
Das AG Nürnberg erteilte seinem Ansinnen aber eine deutliche Absage. Beim genauen Hinsehen enthielt die Auktionsbeschreibung den Hinweis auf eine „Reedition“ des fraglichen Produkts. Diesen Hinweis verstand das Gericht so, dass es sich dabei nicht notwendigerweise um ein lizensiertes Produkt handeln muss, sondern auch genau so gut eine plumpe Fälschung verkauft werden kann. Vor diesem Hintergrund stellt sich dann natürlich die Frage, wieso der Uhrenhersteller Rolex einen derart großen Aufwand betreibt, um die Onlineauktionshäuser sauber von Fälschungen zu halten. Dank des Hinweises des AG Nürnberg ist das in Zukunft vielleicht alles hinfällig, da so ja auch ohne weiteres Imitate verkauft werden können.
Als weiteren Hinweis darauf, dass der Käufer hier ja überhaupt keine Originalware hätte erhalten können, betrachtet das Gericht den niedrigen Startpreis. Es ist für das Gericht offensichtlich, dass bei so einem Startgebot auch überhaupt keine Qualitätsware erwartet werden darf. Dies stellt natürlich das Geschäftsmodell von eBay, das von der Jagd nach Schnäppchen lebt, völlig auf den Kopf. Zudem hatte sich mit exakt dieser Frage auch der BGH bereits zu befassen. In einem Fall – in dem es zwar um Originalware ging – konnte sich der Verkäufer auch nicht darauf berufen, das er die Ware zu dem Preis gar nicht hätte hergeben wollen. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber dann auch, dass man in Onlineauktionshäusern auch bei niedrigen Preisen selbstverständlich mit Originalware rechnen darf.
Ob das Urteil daher in dieser Form Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Es ist aus unserer Sicht jedoch unverständlich, in welcher Weise das Gericht hier den Sachverhalt interpretiert hat. Insbesondere die Formulierung, der Käufer habe genau das bekommen, was er bestellt habe, lässt einige Fragen offen. Diese werden nunmehr in der Berufungsinstanz geklärt.
Update
Die Berufungsinstanz in diesem Verfahren wirft nunmehr ein etwas anderes, wesentlich positiveres Licht auf den Sachverhalt. Die Richter des LG Nürnberg ließen keinerlei Zweifel daran, dass in der Auktion ein echter, lizensierter Ball-Chair und kein billiges Plagiat der Kaufgegenstand war. Den Ausführungen des Amtsgerichts, dies hätte dem Kläger - aufgrund des niedrigen Startgebots und der Verkaufsquelle ebay - klar sein müssen verwarf das Gericht bereits im Ansatz. Unstreitig ist, dass es weltweit nur einen Hersteller gibt, der diese Stühle legal produzieren darf, und eben ein solcher sei Gegenstand der Auktion gewesen. Hieran könne auch die verklausulierte Formulierung Reedition nichts ändern. Einer der Richte sagte zum Begriff "Reedition", den hätte auch er "noch nie gehört" und damit auch "nichts anfangen können".
Auch der Einwand, es sei doch wegen der Tatsache, daß es sich um eine Fälschung handele, bereits kein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen, wurde vom Landgericht verworfen. Dies sei selbstverständlich nur der Fall, wenn beide Seiten hiervon wußten. Nur dann wäre der Kaufvertrag wegen Verstoßes gegen das Markengesetzes unwirksam. Wenn der Verstoß gegen das Markengesetz nur einer Partei anzulasten sei, ist der Vertrag trotzdem voll wirksam. Gegenstand sei dann nur nicht das Plagiat, sondern das Original.
Gegenstand des Verfahrens war nunmehr nur noch, wie hoch denn der Schadensersatzanspruch des Klägers ausfallen würde. Hier konnten die Parteien dann ein gegenseitiges Einvernehmen erzielen. Zur entgültigen und raschen Erledigung der Sache sah sich auch der Kläger bereit, ein gewisses Entgegenkommen zu signalisieren. Er willigte darin ein, daß Plagiat zu behalten - und ist sich darüber im Klaren, dass er es keinesfalls bei eBay weiterverkaufen kann ;) - und erhält zusätzlich 2.400 € Schadensersatz. Die Kosten des Verfahrens hat beinahe ausschließlich ebenfalls der (Plagiats-)Verkäufer zu tragen. Diese belaufen sich durch die zwei Instanzen trotz des vergleichsweise geringen Streitwerte auch immerhin auf weitere 2000 €.
Somit dürfte klar sein, daß ein böswilliger Verkäufer sich keinesfalls durch eine geschickte Formulierung aus der Affäre stehlen kann. Der Kauf bei eBay ist damit ein kleines Stück rechtssicherer geworden. Nach einer langen Reihe von Urteilen rund um das Internetauktionshaus ist zwar nach wie vor Vorsicht geboten, um nicht auf die Nase zu fallen. Dennoch kann der Käufer grundsätzlich auf das System eBay vertrauen...