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Mit Kanonen auf Spatzen schießen oder den Rechtsstaat verteidigen?

Mit Kanonen auf Spatzen schießen... oder den Rechtsstaat verteidigen?

von Rechtsanwältin Ute Rossenhövel

Der Heise-Newsticker berichtet am 14. November 2002 von einer Durchsuchung einer Privatwohnung mit anschließender Beschlagnahme des dort aufgefundenen PC. Hintergrund sei ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, das aufgrund dieser Karikatur auf der Website des Wohnungsinhabers begann.

Die Karikatur des Künstlers Gerhard Seyfried setzt sich mit der Einbindung aktueller und historischer Gruppen und Staaten in ein internationales Geflecht von Beziehungen und verschiedensten Verschwörungstheorien auseinander. An einer Stelle ist in diese Karikatur auch das nationalsozialistische Kennzeichen eingebunden. Diese Verwendung könnte gegen § 86a STGB – Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen – verstoßen. Auch die künstlerische Auseinandersetzung mit den Personen und Organisationen stößt an rechtliche Grenzen. Beispielsweise dann, wenn die Verwendung eines Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation nicht notwendig ist, um die künstlerische Aussage deutlich zu machen. Auch eine Zeichnung oder Grafik von Personen als „Karikatur“ ist nur solange erlaubt, wie das Persönlichkeitsrecht der dargestellten Person nicht in unzulässiger Weise verletzt wird. Ob in diesem Einzelfall die Verwendung des Nazi-Kennzeichens erforderlich war, darüber lässt sich trefflich streiten.

Schon vor Jahren tauchte ein ähnliches Problem auf bei der Beschlagnahme von privaten oder geschäftlich genutzten Pc´s, auf denen strafrechtlich relevante pornografische Darstellungen gespeichert sein sollten. Da weder die Polizei noch etwa anwesende Staatsanwälte einen PC in der Wohnung des Beschuldigten prüfen kann oder wird, wird im Zweifel das „Material“ mitgenommen. Was aber tun, wenn die Staatsanwaltschaft nebst Polizei-Vollzugsbeamten vor der Tür steht und höflich mitteilt, der PC sei nun beschlagnahmt? Letztlich bleibt nichts anderes übrig, als den PC ziehen zu lassen und den Rechtsweg zu beschreiten. Allerdings sind die Fristen für die sofortige Beschwerde recht kurz. Innerhalb von zwei Wochen müsste der Antrag, die Unrechtmäßigkeit der Beschlagnahme festzustellen, bei Gericht eingehen.

Die Aktion der Staatsanwaltschaft erinnert an die Anordnungen der Bezirksregierung Düsseldorf. Der Regierungspräsident versucht derzeit, mit Sperrungsverfügungen gegenüber den Providern zu verhindern, dass bestimmte Websites mit nach deutschem Recht strafrechtlich relevantem Inhalt in Deutschland über diese Provider nicht mehr erreichbar sind. Die Sperrungsverfügungen des Regierungspräsidenten Büssow haben Anlass zu großem Protest gegeben, da von ihr nur nordrhein-westfälische Provider betroffen sein können. Die Provider fürchten eine Wettbewerbsverzerrung und weisen darauf hin, dass der technische Aufwand, bestimmte Inhalte für den Zugriff zu sperren, unverhältnismäßig hoch ist. Selbst wenn eine solche Sperre technisch möglich wäre, wäre sie doch in der Praxis sinnlos: die Praxis zeigt, dass besonders „interessante“ Inhalte schnell auf andere Websites kopiert oder unter weiteren Domains veröffentlicht werden. Vermutlich deshalb hat auch das Verwaltungsgericht (VG) Minden vor kurzem in einem Fall die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Sperrungsverfügung bis zur Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt.