EU-Domains: Die zweite ADR-Phase läuft
Missbräuchliche und spekulative Registrierungsentscheidungen auf dem Prüfstand
von Rechtsanwalt Dr. Volker Herrmann
In der ersten Phase der ADR-Schiedsgerichtsverfahren stehen die zustimmenden oder ablehnenden Entscheidungen der EURid über einen Registrierungsantrag im Vordergrund. Wer mit einer ablehnenden Entscheidung über den eigenen Domain-Antrag nicht einverstanden ist oder die Zuweisung einer Domain an einen Dritten für rechtswidrig hält, hat die Möglichkeit, ein ADR-Verfahren gegen EURid anzustrengen und dadurch eine Überprüfung der Entscheidung der EURid durch ein unabhängiges Schiedsgericht herbeiführen. In diesem ADR-Verfahren richtet sich der Antrag stets gegen EURid selbst.
Nachdem nunmehr immer mehr Registrierungsentscheidungen gefallen und bereits viele Domains zugunsten der glücklichen neuen Inhaber aktiviert worden sind, rückt nunmehr eine zweite Phase der ADR-Verfahren in den Vordergrund. In dieser zweiten ADR-Phase besteht für alle, die über die Rechte an einem bestimmten Namen, der nunmehr von dritter Seite als Domain genutzt wird, verfügen, die Möglichkeit, sich gegen eine spekulative oder missbräuchliche Domainregistrierung seitens Dritter zur Wehr zu setzen. Diese Verfahren richten sich also nicht – wie in der ersten ADR-Phase – gegen EURid, sondern stets gegen den aktuellen Domaininhaber.
Zwar steht es demjenigen, dem seine Wunschdomain verwehrt geblieben ist, grundsätzlich frei, seine Rechte auch vor einem normalen Zivilgericht durchzusetzen. Allerdings sind bei den .eu-Domains die Domaininhaber sehr häufig im Ausland ansässig und damit juristisch nur schwer erreichbar. Hier bietet das ADR-Verfahren einen entscheidenden Vorteil: Das Schiedsverfahren kann auch gegen ausländische Domaininhaber durchgeführt werden. Zudem ist auch die tatsächliche Umsetzung einer Schiedsgerichtsentscheidung gewährleistet, sodass Domains auch tatsächlich auf den neuen Domaininhaber umgeschrieben werden, sobald das ADR-Verfahren erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
Wer ein ADR-Verfahren gegen einen Domaininhaber – beispielsweise einen Domain-Grabber -durchführen will, muss zunächst einmal über einen dem streitigen Domainnamen ähnlichen oder identischen Namen verfügen, welcher nach nationalem oder europäischem Recht geschützt ist. Hierzu zählt eine breite Palette an Prioritätsrechten und viele geprellte Domaininteressenten werden über ein solches Recht verfügen. Solche Rechte können sein:
- Markennamen (z.B. eingetragene deutsche Marken oder EU-Gemeinschaftsmarken)
- Unternehmensnamen
- Familiennamen
- Werktitel
- Handelsnamen
- sonstige Kennzeichenrechte
Wer über ein solches Recht verfügt, kann dann ein ADR-Verfahren anstrengen, wenn der begehrte Domainname von dritter Seite in „böser Absicht“ registriert oder benutzt wird oder der aktuelle Domaininhaber keinerlei Rechte oder berechtigte Interessen an dem Domainnamen geltend machen kann. Eine „böse Absicht“ liegt insbesondere dann vor, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der aktuelle Domaininhaber die Domain nur deshalb registriert hat, um diese an den tatsächlichen Inhaber der Rechte zu verkaufen oder zu vermieten. Auch die Absicht, einen Wettbewerber in seiner geschäftlichen Tätigkeit zu behindern, gehört zu den anerkannten Fällen der „bösen Absicht“.
Eine Bösgläubigkeit kann dem aktuellen Domaininhaber dann nachgewiesen werden, wenn er den Domainnamen nicht in einschlägiger Weise nutzt oder wenn eine Verwechslungsgefahr besteht.
Es sind auch bereits einige solcher ADR-Verfahren anhängig. So konnte sich beispielsweise im Verfahren „wuestenrot.eu“ die Wüstenrot Holding AG gegen die Gemeinde Wüstenrot durchsetzen. In diesem Verfahren ging das Schiedsgericht von einer bösgläubigen Registrierung durch die Gemeinde Wüstenrot aus. Diese etwas überraschende Entscheidung des Schiedsgerichts zeigt, dass das Schiedsgericht in den ADR-Verfahren offenbar die jeweils vorgetragenen Prioritätsrechte gegeneinander abwägen will. Die weitere Entwicklung der ADR-Schiedsgerichtsrechsprechung bleibt hierzu abzuwarten.
Aber auch dann, wenn dem aktuellen Domaininhabern keine „böse Absicht“ nachgewiesen werden kann, hat ein ADR-Verfahren Erfolgsaussichten, wenn der Domaininhaber selbst keinerlei Rechte oder berechtigte Interessen an dem Domainnamen geltend machen kann. Nach den Regelungen der Europäischen Union über die .eu-Domains liegt ein solches berechtigtes Interesse dann vor, wenn der Domaininhaber bereits vor einem ADR-Verfahren den Domainnamen im Zusammenhang mit dem Angebot von Waren und Dienstleistungen verwendet hat oder entsprechende Vorbereitungen hierzu getroffen hat. Der aktuelle Domaininhaber ist also nur dann geschützt, wenn er nachweisen kann, dass er tatsächlich die Domain benutzt hat, beispielsweise für das Angebot von solchen Waren, für die er einen entsprechenden Markenschutz erlangt hat. Fein raus ist der aktuelle Domaininhaber auch dann, wenn er die Domain in rechtmäßiger und nicht kommerzieller Weise benutzt und dabei Rechte Dritter nicht beeinträchtigt. Es ist davon auszugehen, dass das ADR-Schiedsgericht hier etwaige Prioritätsrechte des aktuellen Domaininhabers einer Prüfung unterziehen wird. Geschützt durch EU-Recht sind zudem Domaininhaber, die unter dem Domainnamen allgemein bekannt sind, was beispielsweise auf große und international bekannte Firmen und Institutionen zutreffen wird.
Die Möglichkeit eines ADR-Verfahrens gegen den aktuellen Domaininhaber ist im Gegensatz zu den ADR-Verfahren gegen EURid zeitlich nicht befristet. Angesichts der großen Nachfrage und des Ansturms auf die begehrten EU-Domains wurden bereits zahlreiche Verfahren gestartet und wir werden bei aufrecht.de regelmäßig über aktuelle Entwicklungen der ADR-Rechtsprechung, auch in den von uns betreuten Fällen, berichten.