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Die Mutter aller Rechtstreitigkeiten - mitwohnzentrale.de, Anmerkung

Die Mutter aller Rechtsstreitigkeiten - Anmerkung zu mitwohnzentrale.de

Rechtsanwalt Michael Terhaag (Januar 2002) 

Bei dieser bereits seit 1996 anhängigen Auseinandersetzung handelt es sich tatsächlich wohl um das Flaggschiff aller jüngeren Domainstreitigkeiten. Dies gilt jedenfalls für alle so genannten generischen Internetadressen. Das sind so genannte glatt beschreibende Begriffe, d. h. allgemeine Worte des normalen Sprachgebrauches, wie zum Beispiel "hund.de", "katze.de" oder "maus.de".

Diese – auch als Gattungsdomains bezeichneten – Internetadressen sind, wie wohl mittlerweile allgemein bekannt sein dürfte, deshalb so begehrt, da potentielle Kunden diese Begriffe einfach als Adresse in ihren Browser eingeben und so nicht über Suchmaschinen zu den gewünschten Informationen kommen können. Hierdurch erhält der Inhaber einer solchen Domain nicht nur regen Zuspruch der gemeinen Internetanwender, sondern unstreitig auch einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil. Fraglich war "lediglich", ob dieser Vorteil unlauter ist.

Im konkreten Fall streiten sich ein Verband von vierzig deutschen Mitwohnzentralen mit der Konkurrenz eines anderen Zusammenschlusses von fünfundzwanzig Mitgliedern und dessen Vorsitzenden, die bei der Registrierung der streitbefangenen Domain "mitwohnzentrale.de" schneller waren. Sowohl erst- als auch zweitinstanzlich bekam der Kläger Recht, wodurch zum einen die Beklagte die Domain hätte abgeben müssen und zum anderen durchaus eine gewisse Abmahn- und Prozesswelle bezüglich solcher generischer Domains über Deutschland schwappte.

Hierzu sprach der Bundesgerichtshof im Mai diesen Jahres ein Machtwort, hob das bisherige Urteil auf und veröffentlichte nunmehr die Gründe seiner im Ergebnis erfreulichen Entscheidung.

1.

Der Interessent der bei "mitwohnzetrale.de" fündig geworden sei, sehe im Regelfall keine Veranlassung hiernach noch eine Suchmaschine zu bemühen.

Eine unsachliche Beeinflussung des Internetanwenders sieht der BGH dahingegen grundsätzlich nicht. Der Internetnutzer bedürfte, abgesehen von der Gefahr einer Irreführung, nicht des Schutzes gegen die Verwendung beschreibender Begriffe. Hierbei geht der Senat glücklicherweise mit der jüngeren Rechtssprechung einher und von dem Leitbild eines durchschnittlich informierten und unverständigen Verbrauchers aus. Dieser sei sich bei der direkten Eingabe eines Gattungsbegriffes als Internetadresse über die Nachteile dieser Suchmethode durchaus im Klaren. Er sei sich bewusst, dass es auf Zufälle ankommen kann (zum Beispiel die Schreibweise mit oder ohne Bindestrich), ob er auf diese Weise ein gewünschtes Angebot findet. Lädt der konkrete Gattungsbegriff nicht zur Annahme eines ausschließlichen Anbieters ein, erkenne dieser durchschnittliche und verständige Internetanwender auch, dass er durch seine Suchmethode kein vollständiges Bild erhält. Verzichtet er daraufhin auf eine weitere Suche, liegt richtigerweise darin keine unsachliche Beeinflussung. Es handelt sich vielmehr um eine freie Willensentscheidung des Anwenders. Ein erster Schritt zum mündigen Internetbürger!

2.

Die Vergabe von Internetadressen unterliegt dem strengen Gerechtigkeitsprinzip der Priorität ("wer zuerst kommt, mahlt zuerst"). Eine frühzeitige Registrierung einer solchen Bezeichnung soll grundsätzlich nicht unlauter, d. h. unzulässig sein. Hier sei noch einmal das Beispiel des besonders günstig gelegenen Geschäftslokals erwähnt, bei dem der zu spät kommende Konkurrent auch nicht den Auszug des schnelleren Mitbewerbers aus den Geschäfträumen fordern kann.

3.

Mit seiner Entscheidung stellt der BGH fest, dass die Verwendung generischer Domains grundsätzlich nicht unzulässig ist. Hierbei bedürfe es allerdings regelmäßig einer Prüfung der Irreführungsgefahr und des ganz konkreten Einzelfalls. So wird es auf den konkreten Begriff, aber auch dem speziellen Internetauftritt ankommen dürfen, ob in dem prüfenden Spezialfall die Verwendung generischer Domains dennoch unzulässig ist. Dies solle zum Beispiel in dem Fall möglich sein, in dem der betreffende Inhaber so frech war, sich gleich mehrere der First-Level-Domains (wie etwa .de, .net, .org und auch .com) eines bestimmten Gattungsbegriffes zu sichern. Eine solche Prüfung des konkreten Einzelfalls hatte das OLG Hamburg seinerzeit unterlassen und wird diese nun nachholen müssen. Der Senat hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies es zur erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung der getroffenen Erwägungen an dieses zurück.

Insgesamt war dies sicherlich eine äußerst erfreuliche Entscheidung, wobei die erhoffte endgültige Klarstellung für alle generischen Domains ausblieb. Dennoch ist festzuhalten, dass einem grundsätzlich keiner mehr so einfach "einen Strick daraus drehen" kann, wenn man frühzeitig eine der begehrten Gattungsdomains registriert hatte und diese nun für sein gewerbliches Angebot nutzt. Das Positivste an der Entscheidung dürfte allerdings sein, dass der häufigen Bevormundung des allgemeinen Internetanwenders ein höchstrichterlicher Riegel vorgeschoben wurde. Dieser Internetanwender ist sicherlich – auch im Durchschnitt – deutlich besser informiert und als mündiger zu betrachten, als dies in der Vergangenheit oft dargestellt wurde.

BGH, Urteil vom 17. Mai 2001, I ZR 216/99