Leitsätzliches
Störer einer Schutzrechtsverletzung ist in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB jeder, der ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Die Haftung des Störers setzt in dem Fall, dass die Rechtsverletzung nicht von ihm selbst begangen wird, die Verletzung von zumutbaren Prüfungspflichten voraus. Gegenüber minderjährigen Kindern besteht die Pflicht der Eltern, Maßnahmen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen über den Internetanschluss zu treffen. Die zumutbaren Möglichkeiten reichen dabei von der Einrichtung von gesicherten Nutzerkonten bis hin zur Installierung einer Firewall zur Verhinderung des Filesharing. Auch wenn die Eltern aufgrund fehlender Sachkunde zu derartigen Maßnahmen nicht selbst in der Lage sind, müssen sie sich dazu entgeltlicher fachkundiger Hilfe bedienen und dürfen den Kindern und Jugendlichen den Internetzugang nicht "ungeschützt" überlassen.
LANDGERICHT HAMBURGAktenzeichen: 308 O 139/06
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
Entscheidung vom 21. April 2006
In der Sache
...
- Antragstellerin -
gegen
...
- Antragsgegner -
beschließt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 8 ... durch ...:
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens nach einem Streitwert von € 6.000,00.
Gründe:
Nachdem die Parteien das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gemäß §91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten zu befinden, wobei die Entscheidung gemäß § 128 Abs. 4 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergeht. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstande ist es billig, dem Antragsgegner die Kosten aufzuerlegen. Denn er wäre danach in der Hauptsache die unterlegene Partei gewesen und Anlass, von der dafür vorgesehenen Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweichen, ergeben sich auch aus Billigkeitsgesichtspunkten nicht.
I. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung war zulässig, insbesondere war die von dem Antragsgegner in Abrede gestellte örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg gegeben. Gegenstand des Verfahrens ist ein widerrechtliches öffentliches Zugänglichmachen von urheberrechtlich geschützten Musikaufnahmen durch ein Filesharingsystem im Internet. Das ist eine unerlaubte Handlung, bei der neben dem allgemeinen Gerichtsstand auch der besondere Gerichtsstand gemäß § 32 ZPO eröffnet ist (Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, UrhG, 2.Auflage 2006, § 105 Rn. 8), wobei der Antragstellerin gemäß § 35 ZPO ein Wahlrecht zusteht. Nach § 32 ZPO ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die beanstandete Handlung begangen worden ist. Das ist jeder Ort, an dem auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale des Delikts verwirklicht worden ist, also nicht nur der Begehungsort, sondern auch der Erfolgsort (Kefferpütz a.a.O. Rn. 13, Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 25.Auflage 2005, § 32 Rn 16). Da die ins Internet gestellten Musikaufnahmen auch in Hamburg aufgerufen werden konnten und wurden, ist auch das Landgericht Hamburg örtlich zuständig (vgl.Kefferpütz a.a.O. Rn 15).
II. Die Antragstellerin hat die Voraussetzung eines aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG folgenden Unterlassungsanspruchs gegen den Antragsgegner dargelegt und glaubhaft gemacht.
1. Es ist durch eidesstattliche Versicherung des Justitiars der Antragstellerin vom 01.03.2006 glaubhaft gemacht worden, dass der Antragstellerin die ausschließlichen Nutzungsrechte des Tonträgerherstellers an der exemplarisch verfahrensgegenständlichen Musikaufnahme „Zeit für Optimisten“ der Künstlergruppe „S.“ gemäß § 85 UrhG zustehen.
2. Diese Aufnahme wurde – unstreitig – vom Internetanschluss des Antragsgegners neben weiteren 131 Musikaufnahmen über ein Filesharing- System der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und konnte so heruntergeladen und angehört werden. Da diese Nutzung gemäß § 19 a UrhG ohne das dazu erforderliche Einverständnis der Antragstellerin erfolgte, war sie widerrechtlich.
3. Der Antragsgegner hat für diese Rechtsverletzung einzustehen. Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass er selbst die Rechtsverletzung beging. Vielmehr dürfte es seine zur Tatzeit 15 Jahre alte Tochter gewesen sein, da er seinen Internetanschluss und einen Computer zur Verfügung gestellt hatte. Der Antragsteller haftet aber auch dafür nach den Grundsätzen der Störerhaftung.
a) Im Rahmen des Unterlassungsanspruchs haftet in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB jeder als Störer für eine Schutzrechtsverletzung, wer – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Um eine solche Haftung nicht über Gebühr auf Dritte zu erstrecken, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Derne Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH GRUR 2004, 860, 864 – Störerhaftung des Internetauktionshauses bei Fremdversteigerung – m.w.N.). Dabei wird die Störerhaftung Dritter durch Zumutbarkeitserwägungen eingegrenzt, wobei sich die Art und der Umfang der gebotenen Kontrollmaßnahmen nach Treu und Glauben bestimmen (von Wolff in Wandtke/Bullinger, a.a.O., § 97 Rn15). So hat sich auch die Verpflichtung, geeignete Vorkehrungen zu treffen, durch welche die Rechtsverletzung soweit wie möglich verhindert werden, im Rahmen des Zumutbaren und Erforderlichen zu halten (BGH, GRUR 1984, 54/55 – Kopierläden).
b) Unter Anwendung dieser Grundsätze haftet der Antragsgegner als Störer.
Wenn der Antragsgegner Dritten, auch und gerade minderjährigen Mitgliedern seines Haushalts wie der 15 Jahre alten Tochter den Internetzugang ermöglichte, dann war das adäquat kausal für die Schutzrechtrechtsverletzung. Adäquat ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonderen eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassen den Umständen geeignet ist, einen Erfolg der fraglichen Art herbeizuführen (BGH NJW 2005, 1420, 1421 m.w.N.). Davon ausgehend ist ein Adäquanz hier zu bejahen. Zunächst haben Rechtsverletzungen über das Internet allgemein zugenommen durch das Herunterladen und öffentliche Zugänglichmachung insbesondere urheberrechtlich, geschmacksmusterrechtlich und markenrechtlich geschützter Leistungen. Darunter fällt auch die Aneignung und das Bereitstellen von Musikaufnahmen im Internet über Peer-to– Peer- Dienste und mit Hilfe von Filesharing- Software, alles verharmlosend „Tauschbörsen“ genannt. Jedenfalls seit dem Auftreten der Filesharing- Software „Napster“ im Herbst 1999 ist derartiges auch nicht mehr ungewöhnlich, sondern wird gerade von Jugendlichen vielfältig in Anspruch genommen.
Das Überlassen eines Internetzuganges an eine Dritten birgt danach die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit, dass von dem Dritten solche Rechtsverletzungen begangen werden. Das löst Prüf- und gegebenenfalls Handlungspflichten aus, um der Möglichkeit solcher Rechtsverletzungen vorzubeugen. Das gilt im Zweifel bei einer Überlassung an jeden Dritten. Das gilt aber umso mehr, wenn die Überlassung an einen Jugendlichen oder ein Kind erfolgt, bei denen sich möglicherweise das Unrechtsbewusstsein für solche Verletzungen noch nicht in gebotenem Maße entwickelt hat.
Rechtlich und tatsächlich war der Antragsgegner in die Lage versetzt, wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der streitgegenständlichen Rechtsverletzung zu treffen. So hätte er verschiedene sog. Benutzerkonten, bei denen jeder Benutzer eine „Login“ – Kennung samt Passwort erhält, einrichten könne. Für die verschieden Nutzerkonten können die individuellen Nutzungsbefugnisse festgelegt und etwa ein Herunterladen der Filesharing- Software verhindert werden. Des Weiteren wäre auch die Einrichtung einer sog. „firewall“ möglich und zumutbar gewesen, durch die die Nutzung einer Filesharing- Software verhindert werden kann. Derartige ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen hat der Antragsgegner jedoch nicht ergriffen, sondern seiner Tochter den Internetzugang „ungeschützt“ zur Verfügung gestellt bzw. zumindest eine derartige Nutzung durch Dritte verhindert.
Die Durchführung der vorbeschriebenen Maßnahmen ist zumutbar. Das gilt auch für den Fall, dass der Antragsgegner selbst nicht in der Lage sein sollte, Benutzerkonten mit solchen Nutzungsbeschränkungen einzurichten und er sich dazu entgeltlich fachkundiger Hilfe bedienen müsste. Denn den dadurch bedingten Geldaufwand schätzt die Kammer als durchaus noch verhältnismäßig.
4. Die danach dem Antragsgegner zurechenbare widerrechtliche Nutzung begründete die Vermutung einer Wiederholungsgefahr. Diese wurde erst durch das erledigende Ereignis, die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 12.04.2006 ausgeräumt.
III. Es bestand auch ein Verfügungsgrund. Dieser folgt grundsätzlich bereits aus der Wiederholungsgefahr, zu deren Beseitigung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung der Antragsgegner sich zunächst nicht veranlasst sah. Im Übrigen hat die Antragstellerin die Sache selbst geboten zügig behandelt. Von dem Namen und der Anschrift des Antragsgegners erlangte sie erst am 20.01.2006 durch Einsichtnahme in die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte Kenntnis. Es folgten Abmahnung und Anschlusskorrespondenz.
Unterschriften