Gefahr für die Affiliate-Programme? - Neue Urteile und Haftungsrisiken verunsichern die Branche
von Rechtsanwalt Dr. Volker Herrmann
Die Affiliate-Programme –auch Partnerprogramme genannt – haben sich in den letzten Jahren zu einem erfolgreichen Werbe- und Geschäftsmodell im Internet entwickelt. Diese zukunftsweisende Branche ist zuletzt in das Kreuzfeuer verschiedener Gerichtsurteile geraten. Dabei haben sich die Gerichte sowohl in grundsätzlicher Weise zu Affiliate-Programmen geäußert, aber auch zu der wichtigen Frage, wer für die im Internet platzierte Werbung die Haftung übernimmt.
Was war geschehen? Am Anfang stand die Erkenntnis vieler Unternehmen, dass es zwar viel Geld kostet, eine umfangreiche Website zu betreiben, dies aber noch lange nicht ausreicht, um die erwarteten Kundenströme anzusprechen und zu gewinnen. Viele Firmen mussten erkennen, dass sich potentielle Kunden nicht durch eine solche zentrale Plattform anlocken ließen und die üblichen Werbemittel versagten.
In diese Werbelücke stoßen die Affiliate-Programme. Dabei platzieren die Affiliates auf verschiedensten der jeweiligen Zielgruppe nach orientierten Websites Werbung für das jeweilige Unternehmen (den Merchant), wodurch eine viel größere Anzahl potentieller Kunden erreicht wird, als durch klassische Werbemethoden im Internet.
Durch die Affiliate-Programme, die von nahezu allen großen deutschen Unternehmen, die im Internet aktiv sind, benutzt werden, ist eine besonders wichtige und wirtschaftlich exponierte Branche entstanden. Die Merchants profitieren durch gesteigerten Traffic und die Affiliates erhalten je nach Ausgestaltung des Partnerprogramms eine Art Provision für die geschaltete Werbung. Dabei sind verschiedene Provisionsvarianten möglich, beispielsweise eine Provisionszahlung für jeden einzelnen Klick (Pay-per-Click), für jedes erfolgreiche Download oder die Gewinnung eines neuen Abonnenten (Pay-per-Lead) oder für tatsächlich getätigte Käufe durch den Kunden (Pay-per-Sale).
Die Unruhe in der Affiliate-Branche wurde durch mehrere Urteile der Landgerichte Köln, Berlin und Hamburg ausgelöst. In diesen Fällen hatte der Affiliate Werbung geschaltet, die rechtlich kritisch war, so handelte es sich teilweise um wettbewerbswidrige Werbeaussagen bzw. um markenrechtliche Verletzungen. Daraufhin erhielten die Betreiber der Partnerprogramme jeweils kostenpflichtige Abmahnungen. Diese waren dabei verständlicherweise sehr überrascht, da sie weder von den Werbeinhalten der Affiliates wussten, noch die jeweils verwendeten Werbemittel genehmigt hatten.
Wer haftet für derartige Rechtsverletzungen? Die Gerichte kommen hier zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen und wir gehen davon aus, dass sämtliche Entscheidungen noch in den weiteren Instanzen überprüft werden müssen.
Zunächst hatte das Landgericht Hamburg (Urteil vom 3. August 2005, Az.: 315 O 396/05) eine deutliche Position eingenommen.
Die Richter bezweifelten schon, dass der Merchant überhaupt einen rechtlich angreifbaren Beitrag zu der Handlung des Affiliates geleistet hatte. Im dort entschiedenen Fall hatte der Affiliate Werbemittel eigenmächtig und ohne Rücksprache mit dem Merchant eingesetzt. Die Richter lehnten eine Haftung des Merchants ab, da der Betreiber natürlich nicht für eigenmächtiges Handeln des Affiliates zur Verantwortung gezogen werden kann.
Die Hamburger Richter stellten zudem fest, dass zumutbare Kontrollmöglichkeiten für den Merchant nicht bestehen. Der Merchant hatte ca. 15.000 Werbepartner und das Gericht ließ keinen Zweifel daran, dass die Einrichtung einer wirksamen Kontrolle bei einer solch großen Anzahl von Werbepartnern wirtschaftlich unzumutbar ist.
Einen völlig gegenteiligen Standpunkt nahm sodann nur etwa zwei Wochen später das Landgericht Berlin (Urteil vom 16. August 2005, Az.: 15 O 321/05) ein. Die Berliner Richter waren der Ansicht, dass sich der Anbieter eines Partnerprogramms das Verhalten der Affiliates zurechnen lassen muss. Dabei gingen die Richter sogar so weit, dass die Bindung zwischen einem Webmaster und seinen Affiliates so eng sei, dass die Affiliates zum „betrieblichen Organismus“ des Merchant dazugehören sollen. Im dort entschiedenen Fall handelte es sich um ein Partnerprogramm, bei dem die Affiliates ausschließlich vorgegebene Werbemittel verwenden durften. Der Affiliate hatte sich jedoch an diese Vorgaben nicht gehalten und trotz eines gegenteiligen Verbots eine wettbewerbswidrige Werbung geschaltet. Die Berliner Richter waren jedoch der Ansicht, dass der Merchant auch für Werbemittel mit haften soll, die er zuvor ausdrücklich verboten hatte.
Auch das Landgericht Köln (Urteil vom 6. Oktober 2005, Az.: 31 O 8/05) sieht den Merchant in der Pflicht und ist der Ansicht, dass der Programmbetreiber für Verletzungshandlungen der Affiliates haftet. Eine nachvollziehbare Begründung für diese pauschale Haftung ist dem Urteil allerdings nicht zu entnehmen. Immerhin hat das Kölner Gericht eine Hintertür offen gelassen. Im dortigen Fall hatte der Affiliate den Markennamen eines Konkurrenten in den verwendeten Meta-Tags verwendet. Nach Ansicht der Kölner Richter ist der Merchant in einem solchen Fall verpflichtet, vorbeugend eine Liste an seine Affiliate-Partner zu übersenden, die alle gängigen Markennamen der Konkurrenz enthält und den Hinweis, dass diese Bezeichnungen nicht benutzt werden dürfen. Nach Ansicht der Kölner Richter soll dann die Haftung des Merchant entfallen.
Die höchst unterschiedlichen Urteile haben verständlicherweise für erhebliche Turbulenzen gesorgt. Die Ausweitung der Haftungsrisiken auf die Betreiber von Partnerprogrammen selbst für Werbemittel, die gar nicht zugelassen waren, erscheint sowohl als wirtschaftliche Bedrohung der Affiliate-Branche, als auch rechtlich kritisch. Die in einem der genannten Urteile angenommene pauschale Haftung der Merchants erscheint besonders bedenklich, da für die Merchants weder die technische Möglichkeit zu einer umfassenden Kontrolle der Affiliates besteht, noch wirtschaftlich zumutbare Kontrollmaßnahmen existent sind.
Für die Programmbetreiber dürfte es zudem kaum verständlich sein, dass diese selbst für solche Werbemittel haften sollen, deren Benutzung sie den Affiliates ausdrücklich verboten hatten. Insgesamt bietet sich daher reichlich Zündstoff und nach unserer Kenntnis ist bislang keines der Affiliate-Urteile rechtskräftig geworden.
Auf das Ergebnis der nächsten Instanz darf man gespannt sein. Wir werden an dieser Stelle selbstverständlich weiter berichten. Bis zu einer endgültigen Entscheidung sollten die Betreiber von Affiliate-Programmen ihre Teilnahmebedingungen den neuen Haftungsrisiken anpassen. Den Merchants wird bei der völlig ungeklärten Rechtslage so einiges abverlangt: sie müssen schlauer sein als die Richter in Köln, Hamburg und Berlin, die aber selbst ganz unterschiedlicher Meinung sind...