Leitsätzliches
Testet eine Drogeriemarktkette in eigens eingerichteten Filialen den Versandhandel mit Arzneimitteln, so handelt es sich nicht um selbstständige Filialen, sonder Verkaufsstellen. Es besteht für den Antragsteller einer einstweiligen Verfügung kein Anspruch, wenn das Gesundheitsamt gegen diese Art des Vertriebes vorgeht.
LANDGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 12 O 267/04
Entscheidung vom 1. September 2004
In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
...
hat die 12.Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf durch ...
auf die mündliche Verhandlung vom 18.08.2004
für R e c h t erkannt:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird als unzulässig zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahren.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Antragsteller ist die .... Ihm gehören sämtliche Industrie- und Handelskammern des Bundesgebietes an. Die Antragsgegnerin betreibt bundesweit Drogeriemarktfilialen. Sie kooperiert mit der Europa-Apotheek Venlo. Bei der Europa-Apotheek Venlo handelt es sich um eine Versandapotheke in den Niederlanden.
Die Antragsgegnerin eröffnete zunächst in acht Testfilialen in Düsseldorf, Krefeld, Mönchengladbach und Viersen ihren Kunden die Möglichkeit, nicht nur frei verkäufliche, sondern auch apothekenpflichtige Arzneimittel zu erwerben. Hierzu gaben die Kunden die Bestellung in einer Testfiliale ab; die Bestellung wurde sodann an die Europa-Apotheek Venlo weitergeleitet; innerhalb von 48 Stunden standen die bestellten Waren in der entsprechenden Filiale gegen Vorlage eines Abhol- und Personalausweises zur Abholung bereit. Hinsichtlich der genaueren Ausgestaltung des Verfahrens wird auf die Anlage Ast. 1 verwiesen.
Mit Schreiben vom 16.06.2004 mahnte der Antragsteller die Antragsgegnerin wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens diesbezüglich erfolglos ab. Das Gesundheitsamt Düsseldorf erließ am 11.08.2004 gegenüber der Antragsgegnerin eine Untersagungsverfügung u.a. mit folgendem Tenor:
Der Antragsgegnerin wird es untersagt,
„1. apothekenpflichtige Arzneimittel für den Endverbraucher entgegen § 43 Abs.1 Arzneimittelgesetz (AMG) in ihren Filialen in den Verkehr zu bringen,
2. sich in ihren Filialen durch Kooperation mit der Europa Apotheek Venlo an einem rechtswidrigen Verbringen Zulassungspflichtiger Arzneimittel entgegen § 73 Abs.1 Arzneimittelgesetz (AMG) in die Bundesrepublik Deutschland zu beteiligen,
3. am Verkehr mit apothekenpflichtigen Arzneimittel für den Endverbraucher teilzunehmen, indem sie in ihren Filialen berufs- und gewerbsmäßig Verschreibungen entgegen den Bestimmungen des Siebten Abschnitts des AMG sammelt, und
4. entgegen § 7 Abs.1 des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens mit Rabatten auf konkret benannte, apothekenpflichtige Arzneimittel zu werben. ...“
Gleichzeitig ordnete das Gesundheitsamt Düsseldorf die sofortige Vollziehung der Verfügung an und drohte Zwangsgelder für den Fall der Zuwiderhandlung an. Dieser Verwaltungsakt blieb bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung unangegriffen.
Der Antragsteller ist der Auffassung, das Verhalten der Antragsgegnerin verstoße gegen § 24 der Apothekenbetriebsordnung und somit gegen §§ 3, 4 Nr.11 DWG. Nach § 24 Apothekenbetriebsordnung sind Einrichtungen zum Sammeln von Verschreibungen nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde möglich. Durch das Anbringen der Vorrichtung zur Aufnahme ärztlicher Verschreibungen und schriftlicher Bestellungen von Patienten zwecks Weiterleitung an die Europa Apotheek Venlo erfülle die Antragsgegnerin den Tatbestand des § 24 Apothekenbetriebsordnung. Ferner liege ein Verstoß gegen § 43 AMG vor. Hiernach dürfen apothekenpflichtige Arzneimittel außer in Fällen des § 47 AMG berufs- und gewerbsmäßig für den Endverbraucher nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden. Der von der Antragsgegnerin angebotene Vertriebsweg laufe dem gesetzlich normierten Vertriebsweg zuwider.
Der erstmalige Antrag vom 28.06.2004 wurde mit Schriftsatz vom 16.08.2004 konkretisiert.
Nunmehr beantragt der Antragsteller,
der Antragsgegnerin zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Europa Apotheek Venlo zusammenzuarbeiten, wenn dies in der Form geschieht, dass die Filialen der Antragsgegnerin als Annahmestelle und/oder Ausgabestelle der Europa Apotheek Venlo fungieren, der Kunde also den in der Filiale ausliegenden Bestellschein ausfüllt, in eine Bestellbox werfen muss und die apothekenpflichtigen Arzneimittel spätestens 72 Stunden später gegen Vorlage seines Abholscheins und seines Personalausweises in der Drogerie abholen kann
und/oder
mit einer solchen Zusammenarbeit zu werben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat die Rüge der örtlichen Zuständigkeit erhoben und ist der Auffassung, auf § 21 ZPO könne sich der Antragsteller nicht berufen, da es sich bei den Filialen der Antragsgegnerin nicht um selbständige Niederlassungen handele. Zudem sei eine Wiederholungsgefahr zu verneinen, da bereits das Gesundheitsamt Düsseldorf das Vertriebsmodell untersagt habe und hierin eine verbindliche vollstreckbare Anordnung einer Behörde liege. In der Sache ist die Antragsgegnerin der Auffassung ein Verstoß gegen § 43 AMG und § 24 Apothekenbetriebsordnung liege nicht vor.
Zur Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf führt der Antragsteller aus, dass nach dem äußeren Erscheinungsbild die Filialen der Antragsgegnerin als Niederlassungen zu qualifizieren seien, da dort selbständig Rechtsgeschäfte abgeschlossen würden. Die Wiederholungsgefahr bzw. das Rechtsschutzbedürfnis bestehe weiterhin, da die Antragsgegnerin keine freiwillige Unterlassungserklärung abgegeben habe und die Zuständigkeit des Gesundheitsamtes Düsseldorf in diesem Fall nur das Gebiet der Bezirksregierung Düsseldorf erfasse. Auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen, da der Antrag unzulässig ist. Das Landgericht Düsseldorf ist örtlich unzuständig und zudem besteht für den Antrag kein Verfügungsgrund bzw. Sicherungsbedürfnis mehr.
I.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf ergibt sich nicht aus der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 14 Abs.1 UWG (§ 24 Abs.1 UWG a.F.). Die Filialen der Antragsgegnerin in Düsseldorf stellen keine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassungen der Antragsgegnerin dar.
Trotz eines veränderten Wortlauts ging der Gesetzgeber bei der Novellierung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb davon aus, dass eine inhaltliche Änderung zum § 24 UWG a.F. nicht erfolgen sollte (BT-Drucks. 15/1487 S.26). Inhaltlich stimmt der Begriff der gewerblichen Niederlassung mit dem Niederlassungsbegriff in § 21 ZPO überein (Wieczoreck/Schütze, ZPO, S.Aufl., Band l 1,§21 Rz.21).
Nach § 14 Abs.1 UWG, 21 ZPO ist eine Niederlassung jede von dem Inhaber an einem anderen Ort als dem seines Sitzes für eine gewisse Dauer eingerichtete, auf seinen Namen und für seine Rechnung betriebene und i. d. R. selbständig, d. h. aus eigener Entscheidung zum Geschäftsabschluss und Handeln berechtigte Geschäftsstelle, welche zumindest nach außen den Anschein einer selbständigen Niederlassung erweckt (vgl. BGH, NJW 1987, 3081, 3082; OLG Düsseldorf, Drpfleger 1997, 32; Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 21 Rz.6). Bei einer Zweigniederlassung liegt eine Selbständigkeit nur dann vor, wenn ihr ein Teil des Geschäftsbetriebes zur selbständigen Erledigung übertragen ist. Eine Selbständigkeit ist dann zu verneinen, wenn die Geschäftsstelle zwar Geschäfte abwickelt, die selbst den Gegenstand des Betriebes bilden, dies aber ohne jede Selbständigkeit der Entschließung, lediglich im Rahmen der von der Hauptstelle ausgehenden Geschäftsführung geschieht (Stein/Jonas-Roth, ZPO, 22.Aufl., § 21 Rz.15; Wieczoreck/Schütze, ZPO, S.Aufl., Band l 1, § 21 Rz.7).
Unter Anwendung dieser Grundsätze sind in den Geschäftsstellen der Antragsgegnerin in Düsseldorf keine selbständigen Niederlassungen zu sehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Geschäftsstellen der Antragsgegnerin für Dritte dem Erscheinungsbild nach Verkaufsstellen darstellen.
Das äußere Erscheinungsbild der Geschäftsstellen ist gleich gestaltet. Sowohl das Logo als auch die Farbgebung verstärken diesen Eindruck. Mithin erweckt es bei dem Betrachter den Eindruck, es handele sich um Geschäftslokale, die einheitlich, zentral ausgerichtet sind. Auch aus dem Produktangebot ergibt sich für den Käufer ein überwiegend einheitliches Warenangebot. Allein die Tatsache, dass in den Geschäftsstellen unmittelbar Verträge abgeschlossen werden, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Denn bei diesen Geschäftsabschlüssen handelt es sich zwar um Vertragsgeschäfte, diese werden aber lediglich im Rahmen der von der Hauptstelle ausgehenden Geschäftsführung und ohne jede Selbständigkeit der Entschließung abgeschlossen. Bei der Art des Geschäftsabschlusses handeln die Mitarbeiter der Geschäftsstelle nicht aufgrund einer zur selbständigen Erledigung übertragenen Kompetenz. Dass der Verkaufsstelle ein Teil des Geschäftsbetriebes zur selbständigen Erledigung übertragen worden ist, trägt der Antragsteller nicht vor. Dem Sachvortrag des Antragstellers ist auch nicht zu entnehmen, dass die Verkaufsstellen der Antragsgegnerin nach außen selbständig auftreten oder sich berühmen, eine Niederlassung der Antragsgegnerin zu sein.
II.
Der Antrag des Antragstellers ist auch deshalb unzulässig, weil das Gesundheitsamt Düsseldorf der Antragsgegnerin bereits im Umfang der beantragten Unterlassungsverfügung die beanstandeten Verkaufsmaßnahmen untersagt hat. Der Verfügungsgrund ist insoweit entfallen. Der Antragsteller ist hinreichend gesichert, so dass das Sicherungsbedürfnis als Form des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses nicht mehr vorliegt (vgl. Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 935 Rz.5). Der Antrag der Antragsteller zielt darauf ab, der Antragsgegnerin zu untersagen, mit der Europa Apotheek Venlo zusammenzuarbeiten, wenn dies in der Form geschieht, dass die Filialen der Antragsgegnerin als Annahme und/oder Ausgabestelle für die Europa Apotheek Venlo fungieren, der Kunde eine Bestellschein ausfüllt, in eine Bestellbox einwirft und spätestens 72 Stunden später gegen Vorlage eines Abholscheins und seines Personalausweises die bestellten Waren abholt. Das Gesundheitsamt hat in seiner Verfügung vom 11.08.2004, einschließlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung, der Antragsgegnerin u.a. untersagt, apothekenpflichtige Arzneimittel für den Endverbraucher entgegen § 43 AMG in ihren Filialen in den Verkehr zu bringen und am Verkehr mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln für den Endverbraucher teilzunehmen, indem sie in ihren Filialen Verschreibungen entgegen den Vorschriften des AMG sammelt. Auch ein diesbezügliches Werbeverbot wurde ausgesprochen.
Durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung besteht für den Antragsteller kein Bedürfnis mehr für seinen Unterlassungsantrag, da im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Erfolg, den der Antragsteller erstrebte, bereits eingetreten ist. Der Antragsteller ist durch die Untersagungsverfügung der Stadt Düsseldorf hinreichend gesichert und deshalb besteht auch kein Bedürfnis für eine einstweilige Regelung mehr.
Ein Eilbedürfnis besteht entgegen der Ansicht des Antragstellers auch deshalb nicht, weil das Gesundheitsamt Düsseldorf nur eine Ordnungsverfügung für einen räumlich eingeschränkten Bezirk erlassen habe. Das Gesundheitsamt Düsseldorf hat jedenfalls - unabhängig davon wie der Verwaltungsakt im Einzelnen auszulegen ist - den Betrieb der 8 Testfilialen verboten. Die Antragsgegnerin hat an Eides statt versichert, die Ordnungsverfügung zukünftig zu beachten. Anhaltspunkte dafür, dass sie trotz des Verbots durch das Gesundheitsamt Düsseldorf in anderen Bundesländern die Zusammenarbeit der Europa Apotheek Venlo fortsetzen will, bestehen nicht.
Im vorliegenden Verfahren bleibt die mögliche Einlegung von Rechtsbehelfen bzw. Rechtsmitteln gegen den Verwaltungsakt sowie deren Ausgang unberücksichtigt, da entscheidungserheblich der Sachstand bei Schluss der mündlichen Verhandlung ist.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1, 708 Nr.6, 711 S.1, 3 ZPO.
Der Streitwert wird wegen der - offensichtlichen - grundsätzlichen Bedeutung auf 50.000,- € festgesetzt; §§ 12 Abs.2, 20 Abs.1 GKG a.F., § 3 ZPO.
(Unterschrift)