Wenn der Staatswanwalt zweimal klingelt - Droht 45.000 Internetnutzern eine Anklage?
Update Oktober 2005: Zahlreiche Ermittlungsverfahren und Vorladungen eingeleitet
von Rechtsanwalt Dr. Volker Herrmann
Zum zweiten Mal in diesem Jahr macht ein spektakuläres Ermittlungsverfahren in Sachen Internetkriminalität große Schlagzeilen. Diesmal kündigt die Staatsanwaltschaft dabei an, auch den „kleinen“ Nutzer strafrechtlich verfolgen zu wollen. Über die Domain ftpwelt.com sollen die Seitenbetreiber Spielfilme, Musik und Computerspiele sowie Software interessierten Nutzer zum kostenpflichtigen Download angeboten haben.
Die Seite war jedoch nicht dem Warez-Underground zuzuordnen, sondern gab sich einen durchaus seriösen Anstrich. So prangte auf der Seite ein an die Stiftung Warentest angelehntes Logo der „Stiftung Downloadtest“. Ein vielschichtiges Tarifmodell von einem Drei-Filme-Paket bis hin zur unbegrenzten Download-Flatrate ließ auch nicht direkt auf ein illegales Angebot schließen. Abgerechnet wurde das ganze entweder per Überweisung, Kreditkarte oder 0190-Rufnummer.
Dieses Geschäftsmodell war jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Ein Hacker ermöglichte es der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), wertvolles Beweismaterial an die Staatsanwaltschaft zu liefern. Er nutzte laut Medienberichten dabei eine Schwachstelle im Webserver von ftpwelt.com, die ihm über ein PHP-Skript Zugriff auf den gesamten Server ermöglichte. So konnte er auf dem Server abgelegte Kundendaten, aber auch Informationen über die Betreiber herausfinden.
Oberstaatsanwalt Hans-Joachim Petri hat nach Presseberichten bereits angekündigt, auch gegen die Kunden von ftpwelt.com vorgehen zu wollen. Es soll sich dabei um insgesamt über 45.000 Personen handeln.
Haben diese nun saftige Strafen zu befürchten?
Das Herunterladen von urheberrechtlich geschütztem Material auch von einer Seite wie ftpwelt.com stellt eine Vervielfältigung im Sinne des Urhebergesetzes dar. Dieses Recht steht grundsätzlich nur dem Berechtigten, also dem Rechteinhaber zu.
Berechtigter in diesem Sinne war jedoch nach Presseberichten wohl nicht der Betreiber von ftpwelt.com – hierzu wären Lizenzvereinbarungen mit den jeweiligen Rechteinhabern erforderlich gewesen. Diese gab es wohl nicht, denn die GVU hat hier im Auftrag ihrer Mitglieder, hauptsächlich den Kino-Branchenriesen der Filmbranche, ermittelt. Die Kunden von ftpwelt.com konnten daher auch mit dem Kauf der Downloadtickets keine Rechte erwerben.
Eine unerlaubte Vervielfältigung stellt gemäß § 106 UrhG eine Straftat dar, die mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht ist. In zivilrechtlicher Hinsicht haben die Rechteinhaber nach den §§ 97, 98 UrhG einen Anspruch auf Unterlassung, Schadensersatz und Vernichtung der Vervielfältigungsstücke, den sie auch neben einem etwaigen Strafverfahren geltend machen können.
Es stellt sich für die Nutzer jedoch die Frage, ob sie sich nicht auf das rettende Privileg der Privatkopie des § 53 UrhG berufen können. Danach wären Vervielfältigungen zulässig, die nur dem privaten Gebrauch dienen. Davon kann bei den meisten ftpwelt-Downloads ausgegangen werden. Nach der Novellierung des UrhG im Jahre 2003 sind von der Privatkopie Vervielfältigungen jedoch nicht mehr umfasst, wenn zur Herstellung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird. Ob das Herunterladen von der Schranke der Privatkopie gedeckt war, wird daher auch auf den Zeitpunkt des Herunterladens ankommen.
Daneben wird es entscheidend sein, ob die Rechtswidrigkeit des ftpwelt.com Angebots offensichtlich war. Angesichts der Tatsache, dass dort Spielfilme als erkennbar mit einem Camcorder abgefilmte Version, sog. Screener, bereits Wochen vor dem offiziellen Kinostart verfügbar waren, wird dies Beurteilung der Offensichtlichkeit sicher nicht zu Gunsten der Nutzer beeinflussen.
Der Ausgang der Ermittlungsverfahren ist dabei völlig offen. Von der Verfahrenseinstellung bis hin zur Anklage ist alles denkbar. Es wird daher auf den Einzelfall ankommen, und maßgeblich davon abhängen, welchen Schuldvorwurf man den Nutzern machen kann – hierbei zählen sicherlich auch Faktoren wie Art und Ausmaß der Downloads.
In jedem Fall wird die Staatsanwaltschaft den Nutzern zu Gute halten müssen, dass die Seite an sich als seriöses Portal aufgemacht war, und so von außen daher nicht erkennbar war, um welche Art von Angebot es sich handelte. Auch dass die Nutzer in dem Glauben gelassen wurden, mit Kauf der Downloadtickets alle Verpflichtungen gegenüber den Rechteinhabern erfüllt zu haben, dürfte in jedem Falle strafmildernd zu berücksichtigen sein. In jedem Falle hilft hier aber nur eine anwaltliche Beratung, spätestens dann, wenn auf einmal ein Schreiben der Ermittlungsbehörden ins Haus flattert oder die Polizei den Rechner samt Zubehör zuhause beschlagnahmt hat.
Update Oktober 2005: Es zwar schon einige Zeit her, dass das ftpwelt.com-Verfahren die Schlagzeilen beherrschte und es war zwischenzeitlich recht still um das Verfahren geworden. Die Ankündigung der Staatsanwaltschaft, auch gegen die 45.000 User vorzugehen, scheint aber jetzt Gewissheit zu werden.
Zahlreiche Betroffene haben sich bereits gemeldet, die von einem Ermittlungsverfahren überrascht worden sind. Nach unserer Kenntnis verschicken die Ermittlungsbehörden derzeit Vorladungen und es wird gegen ehemalige ftpwelt.com-Kunden ermittelt. Betroffene sollten hierzu anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen.