Haftung für fremde Webinhalte (aktuelle Entwicklungen zu deutschen Onlineauktionshäusern) - Teil IV: Rolex gegen Markenpiraterie in Online-Auktionshäusern
von Rechtsanwalt Michael Terhaag
vergleichen Sie zu diesem Thema auch Teil 1, Teil 2 und Teil 3 -
ROLEX gegen Ebay
Neues aus den deutschen Gerichtssälen zum Thema Online-Auktionen kommt zum Beispiel erneut aus der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf.
In der Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 26. Februar 2004, Aktenzeichen: I-20 U 204/02, ging es um einen Rechtsstreit des Unternehmens Rolex gegen das wohlbekannte Auktionshaus ebay. In den beiden bisherigen Instanzen konnte Rolex mit seinem Ansinnen gegen ebay nicht durchdringen.
Gestritten wird um Plagiate von den hochwertigen Markenprodukten, die in dem Auktionshaus angeboten wurden. Die Klägerin versuchte, das Auktionshaus dazu zu bringen, entsprechende Angebote aus ihrem Bestand herauszunehmen. Der Antrag richtete sich jedoch nicht gegen bestimmte Angebote, denn die anstößigen Auktionen wurden von ebay umgehend entfernt. Den Antrag der Klägerin hat das Gericht dahingehend verstanden, dass eine vorbeugende Unterlassung gewünscht war, also nicht lediglich ein konkreter Verstoß beseitigt werden sollte.
Diesem Begehren hat das Gericht jedoch eine klare Absage erteilt. Zunächst hat es im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH festgestellt, dass die Tätigkeit von ebay grundsätzlich den Regelungen des Teledienstegesetz (TDG) unterfällt.
Einem Klagebegehren auf vorbeugende Unterlassung – das bedeutet im Klartext eine Filterung der Angebote im Vorfeld - stehe jedoch von vornherein § 8 Abs. 2 Satz 1 TDG entgegen, wonach Dienstanbieter im Sinne der §§ 9 - 11 TDG nicht verpflichtet sind, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. § 8 Abs. 2 Satz 2 TDG, wonach Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen unberührt bleiben, besagt nicht das Gegenteil. Entsprechend dem bisherigen Rechtszustand gelte dies nämlich nur, wenn der Dienstanbieter von solchen Informationen Kenntnis erlangt.
Eine wie vom Kläger verlangte vorbeugende Unterlassung führe jedoch automatisch zu einer proaktiven Kontrolle der Inhalte, die jedoch nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TDG ausgeschlossen ist.
Hierbei stellt das Oberlandesgericht ausdrücklich klar, dass es sich bei den landläufig als Auktionen bezeichneten Angeboten bei ebay eben nicht um Auktionen im rechtlichen Sinn handele. Die Klägerin hatte versucht darauf abzustellen, dass sich aus diesem Gesichtspunkt eine Verantwortlichkeit von ebay für die Auktionsinhalte ergebe, weil es sich danach nicht um fremde Inhalte handeln solle.
Dem ist das Gericht jedoch nicht gefolgt. Bereits aus der Gestaltung des Internetauftrittes von ebay ergebe sich für jeden Besucher, dass nicht ebay selbst, sondern Privatpersonen dort ihre Waren anbieten. Ebay stelle lediglich die Plattform zum Handel bereit, an den einzelnen Verträgen sei das Auktionshaus jedoch nicht beteiligt.
Dementsprechend lehnte das Oberlandesgericht das Begehren der Klägerin ab und gab ihr gewissermaßen noch einen guten Rat mit auf den Weg. Dem Gericht sei bekannt, dass viele Hersteller und Vertreiber von Luxusartikeln genauestens darüber wachen, ob jemand Markenrechtsverletzungen durch Plagiate begehe. Wenn die Klägerin diesen Weg einschlage, könne sie ebay auf die jeweilige Auktion hinweisen und nur so die Löschung erreichen.
Damit steht diese zeitlich früher ergangene Entscheidung gewissermaßen eindeutig in einem gewissen Widerspruch zu einem ganz aktuellen und nachfolgend besprochenen Urteil des Bundesgerichtshofs. Dieser schließt nämlich die Verpflichtung zur Kontrolle keineswegs vollständig aus.
ROLEX gegen ricardo
Denn durch ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. März 2004, AktZ: I ZR 304/01, wurde jüngst höchstrichterlich in einem ähnlich gelagerten Sachverhalt zu der Frage der Verantwortlichkeit von Internet-Auktionshäusern Stellung genommen. Die hierzu veröffentlichte Pressemitteilung aus Karlsruhe titelt reißerisch „Internet-Auktionshaus haftet auch bei Fremdversteigerungen für Markenverletzung“.
Grundlage der Entscheidung ist eine der hinlänglich bekannten Auseinandersetzungen der Firma Rolex gegen das heutzutage beinahe etwas in Vergessenheit geratene Internetauktionshaus ricardo.de. Auch auf der Website dieser Beklagten wurden von Dritten Auktionen eingestellt, in denen Plagiate von Rolex-Uhren angeboten wurden. Unstreitig stellen derartige Plagiate eine Markenrechtsverletzung dar, die sowohl Ansprüche auf Unterlassung, als auch auf Schadensersatz begründen.
Verständlicherweise wollte der Kläger aber auch hier nicht nur gegen den Versteigerer, sondern auch gegen das Auktionshaus selbst vorgehen. Das Landgericht Köln hatte der Klage erstinstanzlich noch im Wesentlichen stattgegeben. Die Aktionäre gingen hiergegen aber erfolgreich in Berufung, so dass der Herstellerin der Luxusuhren nur die Möglichkeit blieb, die Sache vor den Bundesgerichtshof zu bringen. Die hohen Richter hoben das Urteil des Oberlandesgerichts Köln auf und verwiesen den Rechtsstreit zur Entscheidung an einen anderen Senat zurück.
Das höchste deutsche Zivilgericht nutzte die Gelegenheit, um einige wichtige Punkte der Haftung bereits aus seiner Sicht zu klären. Ein wesentlicher Grundpfeiler des Urteils ist die Feststellung, dass ein Internetauktionshaus Dritten die Speicherung fremder Inhalte erlaubt und somit grundsätzlich dem Haftungsprivileg des § 11 TDG unterfällt.
Der Bundesgerichtshof stellt jedoch klar, dass dieses Haftungsprivileg zwar für den Schadensersatzanspruch, nicht aber für den Unterlassungsanspruch gelte. Dies stützt das Gericht anscheinend auf § 8 Abs.2 S.2 TDG, „Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 9 bis 11 unberührt.“.
Daher komme das Auktionshaus jedenfalls für den Unterlassungsanspruch als Mitstörerin für die Markenverletzung in Betracht, wenn es zum einen im geschäftlichen Verkehr gehandelt habe und zum anderen eine zumutbare Kontrollmöglichkeit bestanden hat, derartige Markenverletzungen auch in Zukunft zu unterbinden.
Mangels entsprechender Feststellungen sah sich der BGH offenbar zunächst gezwungen, ein Handeln im geschäftlichen Verkehr zu verneinen und den Rechtsstreit wie dargestellt, zurückzuverweisen. Sobald die Entscheidungsgründe veröffentlicht sind, werden wir bei aufrecht.de natürlich darauf zurückkommen...
Das letzte Wort
In Sachen Verantwortlichkeit von Auktionshäusern scheint daher das letzte Wort jedenfalls noch nicht gesprochen. Allgemeine Haftungsfragen wie die des § 11 TDG scheinen geklärt – ab Kenntnis ist eine Haftung in jedem Falle zu bejahen. Spannend bleibt die damit neu aufgeworfene Frage, wie sich die Verpflichtung zur Unterbindung der Verstöße für die Zukunft zum ausdrücklichen Wortlaut des § 8 Abs.2 S.1 TDG verhalten soll, der ja den Dienstanbieter gerade von einer aktiven Kontrollpflicht befreit.
Aus unserer Sicht sind diese Aspekte im Übrigen auf beinahe jegliche Sammlungen fremder Daten, wie zum Beispiel Gästebücher und Diskussionsforen, unmittelbar übertragbar.
Die mit Sicherheit zu erwartende weitere Rechtsprechung wird hoffentlich etwas mehr Licht in die Sache bringen.