Leitsätzliches
Zur Untersagung einer Ebay-Bewertung im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens bedarf es nach Auffassung des erkennenden Gerichts, einer Tatsachenbehauptungen, deren Unwahrheit offensichtlich sein muss. Das Erfordernis einer offensichtlichen Rechtsverletzung in Form einer unwahren Tatsachenbehauptung ergebe sich aus einer Interessen- und Güterabwägung der Parteien, insbesondere aus dem Umstand, dass bei dem lnternetauktionhauses eBay ein spezielles Bewertungsverfahren existiere. vgl. hierzu auch Stellungnahme in Ebay III - aktuelle Entwicklungen zum beliebten Onlineauktionshaus...LANDGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 12 0 6/04
Entscheidung vom 18. Februar 2004
In dem Verfahren
auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
...
Verfahrensbevollmächtigte: Withöft, Terhaag & Rossenhövel, Rechtsanwalt Michael Terhaag, Düsseldorf
gegen ...
hat die 12.Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf durch den Richter am Landgericht Dr. ..., den Richter ... und den Richter am Landgericht Dr. ... auf die mündliche Verhandlung vom O4.O2.2OO4
für R e c h t erkannt:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Antragstellerin vertreibt über das Internetauktionhaus eBay unter dem Pseudonym „xyz-de“ einen Onlineshop für Sporternährung und Fitnessprodukte.
Der Antragsgegner erwarb unter dem 2.12.2003 drei Packungen „T.“, eine Nahrungsmittelergänzung für Sportler. Bei „T.“ handelt es sich um einen pflanzlichen Wirkstoff, der u.a. die körperliche Ausdauer unterstützt und das Muskelwachstum fördert.
In der Produktbeschreibung hatte die Antragstellerin die Ware mit der Bezeichnung „T. - 100 Kapseln á 750 mg“ und darunter „Das höchst dosierte T. auf dem Markt“ beworben. Auf den Farbausdruck der eBay-Seite (B 1) nimmt die Kammer Bezug.
Jede der Kapseln hat ein Gewicht von 750 mg. Nachdem der Antragsgegner drei Packungen erhalten hafte, beschwerte er sich bei der Antragstellerin darüber, dass in der Kapsel von dem gewünschten Wirkstoff nur 400 mg enthalten seien. Unstreitig ist in einer Kapsel weniger als 750 mg des Wirkstoffes enthalten.
Im Rahmen des bei der lnternetplattform eBay üblichen Bewertungssystems, veröffentlichte eBay am 22.12.2003 aufgrund ihrer Statuten die Beschwerde des Antragsgegners auf dem Bewertungsprofil für den Verkäufer „xyz-de“ mit folgendem Wortlaut: „Beschwerde: statt der in der Werbung vorgegaukelten 750 mg T. nur 400 mg.“ Im unmittelbaren Zusammenhang, nämlich genau darunter positioniert, antwortete die Antragstellerin: „In der Auktion steht: 100 Kapseln ä 750 mg! Das gleiche steht auf Verpackung!“. Auf der Verpackung steht: „100 Kapseln á 750 mg“ (vgl. Anlage B 4).
Aus den Statuten von eBay ergibt sich, dass grundsätzlich von Seiten eBay nicht in das Bewertungssystem eingegriffen wird. Die abgegebenen Bewertungen werden durch eBay weder verändert noch entfernt. Die Bewertungen der Handelspartner sollen ein aussagekräftiges Bild von der Vertrauenswürdigkeit der Mitglieder wiedergeben. Unter anderem heißt es unter der Rubrik „Löschung von Bewertungen“:
„In das Bewertungssystem fließen sowohl die positiven als auch negativen Erfahrungen ein, die andere eBay-Mitglieder mit einem Handelspartner gemacht haben. Grundlage für die Entscheidung der Mitglieder, welche Bewertung sei für zutreffend und gerechtfertigt halten, bilden die allein den Handelspartnern zugänglichen Informationen über den Verlauf der Transaktionen nach Angebotsende.....
Der Informationsaustausch im Bewertungssystem und die Weitergabe von Erfahrungen mit Handelspartnern an die Gemeinschaft ist eine wesentliche Basis für das sichere und vertrauensvolle Handeln unter eBay. Nur ein unabhängiges, neutrales Bewertungssystem, das unverfälschte Bewertungsprofile abbildet, kann dies gewährleisten.“
Die Antragstellerin behauptet, die von ihr wiedergegebenen Angaben in der Werbeanzeige entsprächen der Produktbeschreibung des Herstellers und seien so auf dem Originaletikett wiedergeben.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, es liege ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor. Die Tatsachenbehauptung des Antragsgegners sei geeignet ihr Ansehen und ihre Kreditwürdigkeit erheblich herabzusetzen. Aufgrund der Eigenart des Bewertungssystems bei eBay sei mit einer solchen sachlich unrichtigen negativen Bewertung der Vertrieb des konkreten Produkts, aber auch der Weitervertrieb sehr erschwert. Die Äußerung sei als Schmähkritik untersagungsfähig. Ferner sei die Antragstellerin in ihrer persönlichen Ehre verletzt, da der Antragsgegner ihr Betrug vorwerfe.
Die Antragstellerin beantragt,
dem Antragsgegner aufzugeben, es unter Anordnung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen:
Im Internet im Bewertungsforum des Internetauktionshauses Ebay unter cgi2.ebay.de/awcgi/eBayISAPI.dll wörtlich oder sinngemäß zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, die Antragstellerin gaukele in ihrer Werbung etwas vor, insbesondere wie nachstehend wiedergegeben:
Der Antragsgegner beantragt,
wie geschehen zu erkennen.
Der Antragsgegner bestreitet, die Antragstellerin stehe in irgendeiner Weise mit der Firma „zyx“ im Zusammenhang. Er behauptet, eine Differenz des Inhaltsstoffes um etwa die Hälfte sei nicht normal und diese Differenz ergebe sich nicht unter anderem aus dem Gewicht der Kapsel selbst. Ferner habe er die Beschwerde nicht für Jedermann sichtbar im Internet veröffentlicht.
Er ist der Auffassung, ein Verfügungsanspruch liege nicht vor, da er auf Grund falscher Werbe- und Mengenangaben über die Menge des Wirkstoffes „T.“ in der Packung getäuscht worden sei.
Auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen, da der Antragstellerin ein Unterlassungsanspruch in der Sache unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegen den Antragsgegner zusteht.
I.
Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner ein Unterlassungsanspruch aus § 824 BGB nicht zu.
1.
Die Antragstellerin muss es im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens hinnehmen, dass Tatsachenbehauptungen, die nicht offensichtlich unwahr sind, bei dem vom dem Internetauktionhauses eBay vorgesehene Bewertungsverfahren veröffentlicht werden. Ein Fall einer offensichtlichen Rechtsverletzung liegt hier nicht vor.
Das Erfordernis einer offensichtlichen Rechtsverletzung in Form einer unwahren Tatsachenbehauptung ergibt sich aus einer Interessen- und Güterabwägung der Parteien, insbesondere aus dem Umstand, dass bei dem lnternetauktionhauses eBay ein spezielles Bewertungsverfahren existiert und es sich bei diesem System um ein Verkaufsforum handelt, welches Unternehmer zum Verkauf von Produkten an eine Vielzahl von Verbrauchern benutzen.
Bei dem Bewertungsverfahren handelt es sich um ein System, dass den Mitgliedern von eBay ermöglicht, Transaktionen zu bewerten, die sie über eBay abgeschlossen haben. Sinn und Zweck des Bewertungssystems ist es, an Hand von Bewertungen der Käufer ein aussagekräftiges Bild des Verkäufers der Öffentlichkeit zu präsentieren. Es soll als Grundlage für Kaufentscheidungen anderer Käufer dienen. „Hierfür ist es notwendig, dass sich die Handelspartner im Anschluss an die Transaktionen gegenseitig bewerten“, so die Statuten von eBay. Grundlage von Bewertungen bilden die allein den Handelspartnern zugänglichen Informationen über den Verlauf der Transaktion nach dem Angebotsende. Der Informationsaustausch im Bewertungssystem und die Weitergabe von Erfahrungen mit Handelspartnern an andere Interessenten bildet eine wesentliche Grundlage in einem zum Teil anonymisierten Handel bei eBay.
Dem Erfordernis einer offensichtlichen Rechtsverletzung steht auch nicht der Umstand entgegen, dass es ein Gewerbetreibender grundsätzlich nicht hinnehmen muss, dass er bei wirtschaftlich nicht sehr bedeuteten Verträgen in der Öffentlichkeit mit Äußerung jeder Art konfrontiert wird. Die Antragstellerin hat sich bewusst dem Handel in der Öffentlichkeit ausgesetzt, insbesondere einem Handel über die Internetplattform eBay. Handelt indes ein Unternehmen öffentlich, um eine größtmögliche Vielzahl von Kunden zu erreichen und akquirieren zu können, so rechtfertigt dies auch grundsätzlich eine Gegenäußerung der Vertragspartner in der Öffentlichkeit. Einüberwiegendes Schutzinteresse seitens des Verkäufers besteht nicht.
Indes ist die Besonderheit bei dem Bewertungssystem von eBay, dass der derjenige, der als Handelspartner mit einer Beschwerde in Form einer Äußerung konfrontiert wird, nicht schutzlos ist. Vielmehr eröffnet das Bewertungssystem von eBay dem Handelspartner die Möglichkeit, direkt und in einem unmittelbaren Zusammenhang eine Gegenäußerung vorzunehmen; somit werden schutzwürdige Belange des Handelspartners berücksichtigt. Mithin kann der Handelspartner auf die Bewertung sofort reagieren, um Driften eine eigene Bewertungsgrundlage von der Sachlage zu verschaffen. Damit wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich wie beider Antragstellerin um eine Firma handelt, die sich unter einem Pseudonym dem Markt präsentiert und Handel betreibt. In einem solchen Fall, in dem andere Bezeichnungen einer Firma in der Öffentlichkeit zum Zwecke des Handelstreibens vom eigentlichen Geschäftsherrn benutzt werden, ist das Erfordernis einer offensichtlichen Rechtsverletzung gerechtfertigt, da nur in diesem Falle die schutzwürdigen Interessen des eigentlichen Geschäftsherrn beeinträchtigt sind.
Dem Interesse des Gewerbetreibenden stehen nämlich die Interessen des Marktes an umfassenden Informationen gegenüber. Für einen Marktteilnehmer bietet das Bewertungsverfahren mit die einzige Informationsquelle über den Geschäftspartner und ist deshalb die Grundlage seiner Entscheidung zum Abschluss eines Vertrages.
3.
An einer offensichtlichen Rechtsverletzung fehlt es hier, da es sich nicht um eine unwahre Tatsachenbehauptung handelt.
Die Antragstellerin warb mit der Aussage „T... - 100 Kapseln ä 750 mg“. Dem entgegnete der Antragsgegner mit der Aussage, die Kapseln würden lediglich 400 mg dieses Wirkstoffs enthalten. Dem trifft die Antragstellerin nicht entgegen. Vielmehr trägt sie vor, dass es zu Differenzen bei den Kapseln komme und dies normal sei. Mithin greift sie die inhaltliche Aussage des Antragsgegners, dass nicht 750 mg des Wirkstoffes „T...“ in einer Kapsel enthalten sind, nicht an. Wie die Antragstellerin in ihrer Entgegnung nämlich Dritten mitteilte, liege das Gesamtgewicht der einzelnen Kapsel bei 750 mg. Diese Aussage hat der Antragsgegner nicht angegriffen, sondern hat vielmehr auf die Menge des Wirkstoffes in der Kapsel abgestellt, die entgegen der Werbeaussage nicht bei 750 mg lag.
Zwar mag die Herstellerangabe zutreffend sein - 100 Kapseln ä 750 mg - entscheidend ist, dass die Antragstellerin den unmittelbaren - blickfangmäßigen - Zusammenhang zwischen Wirkstoff und Gewicht von 750 mg hergestellt hat.
II.
Ebenfalls scheidet ein Anspruch aus § 823 Abs.1 BGB i.V.m. § 1004 Abs.1 BGB aus. Ein rechtswidriger Eingriff in das Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs liegt aus oben ausgeführten Gründen nicht vor. Die Antragstellerin begibt sich mit Produkten, die sie zum Verkauf anbietet, in die Öffentlichkeit. In diesem Fallmuss sie auch negative Kritik hinnehmen, zumal es an einer unwahren Tatsachenbehauptung fehlt.
Allein aus dem Umstand, dass der Antragsgegner sich dahingehend geäußert hat, die Antragstellerin „gaukle“ Dritten etwas vor, rechtfertigt einen Unterlassungsanspruch nicht. Diese wertende Äußerung basiert darauf, dass entgegen der Ankündigung der Antragstellerin - „T... - 100 Kapseln a 750 mg“ - diese gerade nicht den Wirkstoff „T...“ in der angekündigten Menge enthalten haben. Die in dem Wort „vorgaukeln“ enthaltene Wertung gründet sich mithin auf zutreffenden Tatsachen, die unter Berücksichtigung der oben aufgezeigten Gesamtumstände keinen Unterlassungsanspruch rechtfertigen, da auch kein Fall einer „Schmähkritik“ vorliegt. Außerhalb des Wettbewerbsrecht kommt ein Unterlassungsanspruch insbesondere aus §§ 823 Abs.1, 1004 BGB nur bei falschen Tatsachenbehauptungen - hier nicht der Fall - oder bei Werturteilen, die als sog. „Schmähkritik“ zu bezeichnen sind und ausschließlich dazu dienen, den Kritisierten zu diffamieren, in Betracht (OLG Köln, MD 2004, 84, 87 - Warning). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik eng definiert. Danach macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muß vielmehr, daß bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muß jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen (BVerfG, NJW 1995, 3303; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rz.91). Hier basiert die Äußerung des Antragsgegners darauf, dass die Antragstellerin blickfangmäßig mit die Aussage warb „T... - 100 Kapseln a 750 mg“. Weitere Informationen standen dem Antragsgegner nicht zu, so dass für ihn ein berechtigter Anlass bestand, der Äußerung der Antragstellerin entgegen zu treten. Eine bloße Diffamierung der Antragstellerin liegt nicht vor.
III.
Ein Anspruch aus § 823 Abs.1 i.V.m. § 1004 Abs.1 BGB scheidet ebenfalls hinsichtlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Firma Tradingmaster aus. Die Antragstellerin beruft sich zwar auf ihr eigenes allgemeines Persönlichkeitsrecht, aber ein Eingriff in dieses liegt erkennbar nicht vor, da die Antragstellerin nicht persönlich durch Äußerungen beeinträchtigt wurde. Vielmehr geht es um das Firmen Pseudonym „xyz-de, hinter dem die Firma Tradingmaster der Antragstellerin steht. Grundsätzlich könnte sich auch eine Firma auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen, wenn einem Unternehmen betrügerische Handlungen vorgeworfen werden (vgl. Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rz.139). Dies ist hier nicht der Fall, da das von der Antragstellerin behauptete strafrechtlich relevante Verhalten seitens des Antragsgegners nicht besteht. Unbestritten ‚enthält die einzelne Kapsel nur 400 mg von dem Wirkstoff „T...“.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs.1, 708 Nr.6, 711 S.1, 3 ZPO.
Streitwert: 10.000 €
(Unterschriften)