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Untersagung privater Sportwetten unzulässig - Hessicher Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 9. Februar 2004, AZ.: 11 TG 3060/03 -

Autor

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Leitsätzliches

Im Lichte der Gambelli-Rechtsprechung des EuGH begegnet es erheblichen Bedenken, die Vermittlung einer durch einen ausländischen Wettanbieter veranstalteten Sportwette durch ein in Deutschland ansässiges Unternehmen auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 Satz1 und Abs. 5 SpW/LottoG (Hessen) bzw. 284 StGB zu untersagen. - vergleichen Sie zu diesem Thema auch unser Serie zum Glücksspiel im Internet, insbesbondere Teil 4 -

HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF

BESCHLUSS

Aktenzeichen: 11 TG 3060/03

Entscheidung vom 9. Februar 2004

(Vorinstanz VG Kassel 2 G 2399/03)

 

In dem Verwaltungsstreitverfahren

des ...

Antragstellers und Beschwerdeführers,

gegen

die Stadt Kassel,vertreten durch den Magistrat - Rechtsamt -‚...

Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,

wegen Ordnungsrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 11. Senat – durch ... am 9. Februar 2004 beschlossen:

 

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 24. Oktober 2003 (Az.: 2 G 2399/03) abgeändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 19. September 2003 wird hinsichtlich der Untersagung der Durchführung von Sportwetten in den Geschäftsräumen des Antragstellers in der ... Straße in ... wiederhergestellt, hinsichtlich der in der Verfügung enthaltenen Zwangsgeldandrohung angeordnet.

Die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfolgt unter der Auflage, dass der Antragsteller innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des vorliegenden Beschlusses bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Zulassung der Vermittlung von Sportwetten stellt, die von der Firma M. Online (I.O.M.) Isle of Man, veranstaltet werden.

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, über diesen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden und die Vermittlungstätigkeit des Antragstellers bis zur Entscheidung über den Antrag zu dulden.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für beide Rechtszüge auf je 5.500 € festgesetzt.

 

Gründe:

Die zulässige, insbesondere innerhalb der gesetzlichen Frist gemäß § 147 Abs. 1 VwGO eingelegte und unter Wahrung der Frist gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO begründete Beschwerde des Antragstellers gegen den erstinstanzlichen Beschluss vom 24. Oktober 2003 ist begründet und führt zur Abänderung der Entscheidung erster Instanz und nach Maßgabe der im Tenor der vorliegenden Entscheidung bezeichneten Auflagen zur Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruch des Antragstellers gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 19. September2003.

Auf der Basis des im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung vorliegenden Sach- und Streitstandes spricht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die angefochtene Verfügung vom 19. September 2003, mit der dem Antragsteller auf Dauer und mit sofortiger Wirkung die Durchführung der Veranstaltung von Sportwetten in seinen Geschäftsräumen in A-Stadt untersagt und mit der ihm für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von € 1.000,- angedroht wurde, im Verfahren zur Hauptsache keinen Bestand haben wird. Angesichts dieser voraussehbaren Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens ist den Interessen des Antragstellers an einer Vollzugsaussetzung der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Durchsetzung der ergangenen Untersagungsverfügung einzuräumen.

Die von der Antragsgegnerin mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. September 2003 ausgesprochene Untersagung der Veranstaltung von Sportwetten wird im Verfahren zur Hauptsache deshalb aufzuheben sein, weil die Regelung gemäß § 1 des Gesetzes über staatliche Sportwetten, Zahlenlotterien und Zusatzlotterie in Hessen vom 3. November 1998 (GVBI. 1 S. 406)- im Folgenden: Spw/LottoG -‚ auf die sich die Antragsgegnerin in ihrer Untersagungsverfügung gestützt hat, nach derzeitiger Erkenntnislage mit vorrangigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts unvereinbar ist. Wegen dieses Widerspruchs zu höherrangigen europarechtlichen Bestimmungen wird § 1 Spw/LottoG als Ermächtigungsgrundlage für die ergangene Untersagungsverfügung keine Anwendung finden können (zur Kompetenz der Fachgerichte, über die Gültigkeit von Rechtsnormen im Falle der Unvereinbarkeit mit vorrangigem Gemeinschaftsrecht inzident zu befinden: BVerfG, Beschluss vom 9. Juni 1971 -2 BvR 225/69-, BVerfGE 13, 145 [174, 175]). Eine sonstige Regelung, die die ergangene Untersagungsverfügung rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich. Damit entbehrt die Verfügung nach derzeitiger Sach- und Rechtslage einer tauglichen Rechtsgrundlage und ist folglich rechtswidrig. Die Vermittlung von Sportwetten unterfällt nämlich der grundrechtlich gewährleisteten Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und ist daher ohne zulässige gesetzliche Einschränkung erlaubt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 1994 - BVerwG 1 0 18.91 -‚ BVerwGE 96, 293 [296, 297]).

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Spw/LottoG ist das Land Hessen allein befugt, innerhalb seines Staatsgebietes Sportwetten, d.h. Wettbewerbe mit Voraussagen zum Ausgang sportlicher Ereignisse (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Spw/Lottoc), zu veranstalten. Nach § 1 Abs. 5 Spw/LottoG dürfen die vom Land Hessen veranstalteten Sportwetten und Lotterien nur in den von ihm zugelassenen Annahmestellen gewerbsmäßig vermittelt werden. Unter Geltung dieser Bestimmungen kann der Antragsteller die mit der Firma M.-Online (lOM), sIe of Man, als Wetthalterin vertraglich vereinbarte Vermittlung von Sportwetten nicht betreiben, denn die Vertragspartnerin des Antragstellers darf wegen der dem Land Hessen gesetzlich eingeräumten Monopolstellung für die Veranstaltung von Sportwetten in Hessen keine Verträge über Sportwetten mit Wettkunden abschließen. Folglich darf auch dem Antragsteller keine Genehmigung für die Vermittlung derartiger Verträge erteilt werden.

Diese der englischen Vertragspartnerin des Antragstellers in Hessen (mittelbar) auferlegte Beschränkung ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit stellt zunächst einen Eingriff in die dem ausländischen Unternehmen durch Art. 43 und 48 des EG- Vertrages gewährleistete Niederlassungsfreiheit dar. Der Europäische Gerichtshof (im Folgenden: EuGH) hat hierzu in seinem Urteil vom 6. November 2003 - 0 - 243/01 Gambelli> -‚ Randnummer 48, betreffend die Anwendung von Strafvorschriften des italienischen Rechts bezüglich der widerrechtlichen Ausübung von Spiel- oder Wetttätigkeiten festgestellt, dass Regelungen des nationalen Rechts, die die Möglichkeit für Kapitalgesellschaften, auf dem Markt eines anderen Mitgliedstaates eine Konzession zur Durchführung von Sportwetten zu erhalten, praktisch ausschließen, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit auch dann darstellen, wenn diese Beschränkung unterschiedslos allen Kapitalgesellschaften mit Sitz in dem betreffenden oder in einem anderen Mitgliedstaat auferlegt sind.

In dem gleichen Urteil (Randnummern 52ff.) geht der EuGH in Fortführung seiner früheren Rechtsprechung in den Urteilen vom 24. März 1994- C - 275/92 <Schindler>, vom 21. Oktober 1999- C - 67/98 canetti> -‚ GewArch 2000, 19ff., und vom 21. September 1999 - 0 - 124/97 <Läärä> -‚ DVBI. 2000, 111 ff., weiterhin von einem Eingriff in die einer ausländischen Gesellschaft nach Art. 49 und 55 in Verbindung mit Art. 48 des EG-Vertrages zukommende Dienstleistungsfreiheit durch das rechtliche Verbot der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten in einem Mitgliedstaat aus. Die Einfuhr von Werbematerial und Losen in einen Mitgliedstaat zu dem Zweck, die in diesem Staat wohnenden Personen an einer in einem anderen Mitgliedstaat veranstalteten Lotterie teilnehmen zu lassen, zähle - so der EuGH - zu den Dienstleistungen im Sinne von Art. 49 und 50 des EG-Vertrages. Entsprechend gehöre eine Tätigkeit, die darin bestehe, die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats an in einem anderen Mitgliedstaat veranstalteten Wetten teilnehmen zu lassen, auch dann zu den Dienstleistungen, wenn es bei den Wetten um in dem erstgenannten Mitgliedstaat veranstaltete Sportereignisse gehe. Art. 49 des EG-Vertrages sei weiterhin dahingehend auszulegen, dass er Dienstleistungen erfasse, die ein Leistungserbringer potenziellen Leistungsempfängern, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig seien, ohne Ortswechsel von dem Mitgliedstaat aus erbringe, in dem er selbst ansässig sei. Darüber hinaus umfasse der freie Dienstleistungsverkehr nicht nur die Freiheit des Leistungserbringers, Leistungsempfängern in einem anderen Mitgliedstaat Dienstleistungen anzubieten und zu erbringen, sondern auch die Freiheit, als Leistungsempfänger von einem Leistungserbringer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat angebotene Dienstleistungen zu empfangen oder in Anspruch zu nehmen, ohne durch Beschränkungen beeinträchtigt zu werden. Ein strafbewehrtes Verbot der Teilnahme an Wetten, die in anderen Mitgliedstaaten als dem organisiert werden, in dessen Gebiet der Wettende ansässig ist, stelle eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Das Gleiche gelte für das an Vermittler gerichtete ebenfalls strafbewehrte Verbot, die Erbringung von Wettdienstleistungen bei Sportereignissen, die von einem Leistungserbringer mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat organisiert werden, zu erleichtern.

Diese mit § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Spw/LottoG verbundenen Einschränkungen der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit der Vertragspartnerin des Antragstellers könnten nur auf Grund des Vorbehalts der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit in Art. 46 Abs. 1 des EG-Vertrages oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein (EuGH, Urteile vom 24. März  1994-0 - 275/92 <Schindler>, Randnummer 58; und vom 21. Oktober 1999- 0 - 67/98 <Zanetti>, Randnummer 31, GewArch 2000, 21).

Diese Voraussetzungen sind - soweit ersichtlich - nicht erfüllt.

Allerdings erkennt der EuGH grundsätzlich das Bedürfnis der Mitgliedsstaaten an, die Veranstaltung von Wetten und Glücksspielen aus Gründen des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen zu beschränken oder sogar zu verbieten, und mit Hilfe der durch Lotterien und Wetten eingenommenen Beträge im Allgemeininteresse liegende Vorhaben zu finanzieren. Zugleich hat er den staatlichen Stellen der Mitgliedsstaaten ein Ermessen zur Festlegung der Erfordernisse zugebilligt, die sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (vgl. Urteile vom 21. Oktober 1999-0 - 67/98-, Randnummer 13, und vom 6. November 2003 -0- 243/01 -‚ Randnummern 63 und 67). Insoweit fordert er jedoch, dass die Beschränkungen geeignet sein müssen, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen. Überdies müssen sie tatsächlich dem Ziel dienen, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern. Die Finanzierung sozialer Aktivitäten durch Einnahmen aus monopolisierten staatlichen Veranstaltungen oder mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten privaten Spielen darf nur eine erfreuliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik sein (vgl. Urteile vom 21. Oktober 1999- C - 67/98 -‚ Randnummer 36, und vom 6. November 2003 - C - 243/01 -‚ Randnummern 60, 62 und 67).

Nach dem für den Senat im vorliegenden Eilverfahren zu überblickenden Sachverhalt bestehen durchgreifende Zweifel daran, dass das dem Land für die Veranstaltung von Sportwetten gesetzlich eingeräumte Monopol und die hieraus folgende Begrenzung der Vermittlung der Sportwetten auf staatlich zugelassene Annahmestellen seiner eigentlichen Zielsetzung nach tatsächlich darauf ausgerichtet ist, mögliche Wettinteressenten vor finanzieller Ausnutzung durch die Veranstalterund wirtschaftlichen Gefahren durch übermäßige Teilnahme an Sportwetten zu bewahren, und die durch die Sportwetten erzielten Einnahmen folglich nur als erwünschte Nebenfolge der gesetzlichen Einschränkungen zu betrachten sind.

Bedenken an der Vereinbarkeit mit den erwähnten gemeinschaftsrechtlichen Regelungen rufen die Bestimmungen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Spw/LottoG zunächst in Bezug auf die Notwendigkeit eines staatlichen Monopols für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten zur Gewährleistung des erforderlichen Verbraucherschutzes hervor. Insoweit stellt sich die Frage, ob dem Schutzbedürfnis potentieller Teilnehmer an Sportwetten und dem öffentlichen Interesse an einer gemeinverträglichen Durchführung solcher Veranstaltungen nicht bereits durch einen an die Verpflichtung zur Gewinnausschüttung gekoppelten Genehmigungsvorbehalt für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten hinreichend entsprochen würde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG die Monopolstellung der staatlichen Lotteriegesellschaften unter strafbewehrter Fernhaltung privater Anbieter als zum Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter zwingend geboten betrachtet und damit die mit den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen einhergehenden Beschränkungen der Berufszulassung gebilligt (BVerwG, Urteil vom 23. August 1994- BVerwG 1 C 18.91 -‚ BVerwGE 96, 293 [299]). Ob diese Rechtsprechung den heutigen Verhältnissen noch angemessen ist (vgl. hierzu kritisch: Rausch, GewArch 2001, 102 [109, 1111];Janz, NJW 2003, 1694, 1698 ff.) bzw. ob sie im Licht der Entscheidungen des EuGH einer anderen Bewertung bedarf, braucht im vorliegenden Eilverfahren nicht näher erörtert zu werden.

Ein Verstoß von § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Spw/LottoG gegen Gemeinschaftsrecht liegt nämlich schon deshalb nahe, weil nach der von dem Antragsgegner nicht bestrittenen Behauptung des Antragstellers staatliche Lotteriegesellschaften im gesamten Bundesgebiet - und damit auch in Hessen - in Sportstätten und Medien eine breit angelegte Werbung zur Teilnahme an Oddset - Sportwetten (Sportwetten mit von Vornherein feststehenden Gewinnquoten) betreiben, um mit den Einnahmen kostenintensive öffentliche Vorhaben und Veranstaltungen, u.a. die Fußballweltmeisterschaft 2006, zu finanzieren oder zu unterstützen und Haushaltsdefizite auszugleichen.

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 6. November 2003 - C - 243/01 - mit Rücksicht auf die in Italien in vergleichbarem Umfang und zu vergleichbaren Zwecken stattfindende Werbung für staatliche Sportwetten eine Rechtfertigung für gesetzliche Restriktionen der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten durch Art. 46 Abs. 1 des EG-Vertrages oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses verneint. Hierzu wird in dem zitierten Urteil unter Randnummer 69 Folgendes ausgeführt:

 

“Soweit nun aber die Behörden eines Mitgliedstaats die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, können sich die Behörden dieses Staates nicht im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, auf die öffentliche Sozialordnung berufen, um Maßnahmen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zu rechtfertigen.“

Damit spricht schon aus den vorgenannten Gründen vieles dafür, dass die Monopolisierung der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten auf staatliche bzw. staatlich konzessionierte Betreiber § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Spw/LottoG eine unzulässige Einschränkung der einem ausländischen Wettanbieter durch Gemeinschaftsrecht eingeräumten Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit beinhaltet, mit der Folge, dass diese Regelungen zu Lasten des ausländischen Unternehmens nicht angewendet werden dürfen.

Ob in Hessen durch staatliche Lotteriegesellschaften für Oddset - Wetten oder andere Sportwetten tatsächlich Werbeaktionen durchgeführt oder veranlasst werden, die nach Art, Umfang und Zweckrichtung den durch den Antragsteller behaupteten Maßnahmen entsprechen, kann und braucht in dem auf eine summarische Prüfung angelegten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt zu werden. Diese Klärung hat ggf. im Verfahren zur Hauptsache zu erfolgen.

Auch die von der Antragsgegnerin in der Begründung der beanstandeten Untersagungsverfügung angeführte Strafbestimmung gemäß § 284 StGB scheidet - in Verbindung mit der polizeirechtlichen Generalklausel nach § 1 Abs. 1 HSOG -

derzeit als Rechtsgrundlage aus.

Ob die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten überhaupt den Tatbestand des Glücksspiels im Sinne der vorgenannten Regelung erfüllt, was der Antragsteller unter Bezug auf verschiedene Urteile erstinstanzlicher Strafgerichte bezweifelt, kann offen bleiben. Jedenfalls kann nach derzeitigem Sachstand § 284 StGB mit Blick auf die dargestellte Rechtsprechung des EuGH zu den vergleichbaren Strafbestimmungen des italienischen Rechts auf die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten in Deutschland nicht angewendet werden. Eine Strafverfolgung des hier ansässigen Vermittlers wäre aus den dargelegten Gründen mit einem unzulässigen Eingriff in die gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit des ausländischen Wettanbieters verbunden. Die Frage einer Verwirklichung des Straftatbestandes gemäß § 284 StGB wird sich erst dann stellen, wenn die Zulassung einer Veranstaltung von Sportwetten durch private Anbieter und die Vermittlung von derartigen Sportwetten im Einklang mit den dargestellten Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts geregelt wurde.

Da die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung wiederhergestellt wird, ist auch die in der Verfügung zugleich enthaltene Zwangsmittelandrohung außer Vollzug zu setzen.

Es ist sachgerecht, die Aussetzung der Vollziehung an die Auflage zu knüpfen, dass der Antragsteller bei der Antragsgegnerin kurzfristig die Zulassung der Vermittlung von Sportwetten auf Grund des Vertrages mit dem englischen Wettanbieter beantragt. Eine auch nur vorübergehende Zulassung oder Duldung der Vermittlertätigkeit des Antragstellers ohne Vorschaltung eines Konzessionierungsverfahrens verbietet sich ungeachtet der zur Zeit fehlenden gesetzlichen Grundlage für die Untersagung dieser Tätigkeit schon deshalb, weil der Antragsteller ohne sachliche Rechtfertigung besser gestellt würde als die Vermittler von staatlich veranstalteten Sportwetten, die nach § 1 Abs. 5 SpW/LottoG einer Zulassung bedürfen. Den Interessen des Antragstellers wird dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass er die Möglichkeit einer Zulassung unter den gleichen Voraussetzungen wie die Vermittler von staatlich veranstalteten Sportwetten erhält. Überdies gebieten die Belange der Allgemeinheit eine Überprüfung, ob sich aus den persönlichen Verhältnissen des Antragstellers oder aus der von ihm konkret ausgeübten Vermittlungstätigkeit besondere Umstände ergeben, die einer Zulassung dieser Tätigkeit entgegen stehen. Die Antragsgegnerin wird sich bei der Prüfung des Antrages in Ermangelung gesetzlicher Bestimmungen über die Zulassung der Vermittlung von Sportwetten privater Anbieter im Übrigen an den für die Zulassung der Vermittlung für staatliche Sportwetten nach § 1 Abs. 5 SpW/LottoG geltenden Voraussetzungen zu orientieren haben. Aus den oben dargelegten Gründen folgt, dass der Antrag nicht unter Hinweis auf das Veranstaltungsmonopol des Landes nach § 1 Abs. 1 SpW/LottoG abgelehnt werden darf.

Die Kostenentscheidung beruht aufs 154 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert ist unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertbemessung (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GKG) für beide Rechtszüge auf je 5.000€ festzusetzen. Der Ansatz des (um die Hälfte reduzierten) Auffangstreitwerts nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG ist im Hinblick auf die für den Antragsteller mit dem Rechtsstreit verbundenen wirtschaftlichen Interessen nicht ausreichend. Insoweit erscheint es angemessen, entsprechend dem im Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit für Gewerbeuntersagungen angesetzten Mindestbetrag von 20.000 DM (10.000€) für das Hauptsacheverfahren auszugehen. Dieser Betrag ist mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter des Eilverfahrens auf die Hälfte zu vermindern. Zusätzlich zu berücksichtigen ist angedrohte Zwangsgeld, dessen Gesamtbetrag für das vorliegende Eilverfahren wiederum zu halbieren ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

 

(Unterschriften)