Wettbewerbsverstoß wegen falscher Datenschutzangaben
Zum Urteil des OLG Hamburg vom 27. Juni 2013; Az.: 3 U 26/12
- von Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht -
- Peter Kaumanns, LL.M. -
Ende des letzten Monats entschied das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg einen interessanten Fall an der Grenze zwischen Wettbewerbsrecht, Datenschutzrecht sowie Heilmittelwerberecht. Dabei ging es um bestimmte Pflichtangaben im Zusammenhang mit Datenschutz. Das Gericht entschied nun, dass die Angabepflichten bei Internetauftritten auch als Wettbewerbsregeln abmahnbar sind.
Welche Folgen für Unternehmen entstehen können und was unter anderem zu beachten ist, stellen wir hier kurz dar.
Der Fall: Diabetes-Unternehmer streiten um Werbung
Vorausgegangen war dem Urteil der Streit um die Zulässigkeit von Werbung von Blutzuckermessgeräten. Diese hatte die Berufungsbeklagte unter anderem online durch einen Dienstleister angeboten. Dies geschah zusätzlich mit einer Aufforderung an Diabetiker, sich zu registrieren und ein bestimmtes Gerät zu erhalten, um es unter Alltagsbedingungen kennen zu lernen. Daneben versandte sie postalisch Mitteilungen an Diabetiker mit dem Banner "Gutschein im Wert von 100 €", in denen sie zu ebensolchen Bedingungen das Gerät anbot. Die Internetseite der Berufungsbeklagten enthielt jedoch weder ein Impressum noch die Informationen zur Erhebung und Verwendung der für die Registrierung der angesprochenen Kunden erforderlichen personenbezogenen Daten.
Die Berufungsklägerin mahnte darauf folgend das Konkurrenzunternehmen und ebenso den Dienstleister ab. Das Dienstleistungsunternehmen unterwarf sich sofort der strafberwten Unterlassungserklärung - das auftraggebende Unternehmen nicht.
Einstweilige Verfügung und Widerspruch - Gericht sieht unlautere Werbung
Die Berufungsklägerin beantragte daraufhin gegen das sich weigernde Unternehmen den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Hierbei vertrat sie, die kostenlose Zusendung des Gerätes sei ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen eine Marktverhaltensregel. Zudem werde die Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern unangemessen und unsachlich beeinflusst. Der Patient werde nämlich geködert, weil er einen erheblichen Reiz zum "Ausprobieren" gesetzt bekomme. Das Landgericht Hamburg erließ diese einstweilige Verfügung, wogegen die spätere Berufungsbeklagte Widerspruch erhob.
Diese wendete sich voll gegen die einstweilige Verfügung. Die Antragstellerin handele bereits rechtsmissbräuchlich, da sie bereits länger von dem beanstandeten Sachverhalt Kenntnis gehabt habe - nunmehr habe sie willkürlich den Fall in mehrere einzelne Abmahnvorgänge aufgespalten. Sie hätte also bereits von Beginn an sowohl gegen die spätere Berufungsbeklagte als auch gegen das beauftragte Unternehmen vorgehen müssen. Außerdem könne sie selbst nicht für den Dienstleister in Anspruch genommen werden, was das gericht schließlich anders sah. Auch werde nichts verschenkt.
Die Antragstellerin brachte hiergegen vor, in der angegriffenen Werbung werde keine relevante Gegenleistung angeboten - insbesondere nicht in Form der Fragebögen. Auch sei ihr Vorgehen nicht rechtsmissbräuchlich, da es sich nicht um einen einheitlichen Wettbewerbsverstoß gehandelt habe.
Urteil und Berufung - OLG Hamburg bestätigt Vorinstanz
Das Landgericht Hamburg entschied nun über den eingelegten Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung. Es bezog sich im Wesentlichen auf dieselben Argumente, mit denen es bereits die Verfügung erlassen hatte. Da diese bestätigende Entscheidung nun in Form eines Urteils erging, konnte der Unterlegene hiergegen in Berufung gehen - jedoch im Ergebnis ebenso erfolglos wie zuvor.
Eine rechtsmissbräuchliche Anspruchsverfolgung liege nicht vor. Dies könnte zwar infrage kommen, wenn jemand bewusst getrennte Verfahren anstrebt. In diesem Fall können nämlich auch die Kosten steigen. Im vorliegenden Fall jedoch sah auch das Oberlandesgericht zwei verschiedene Verstöße als gegeben, die auch getrennt verfolgt hätten werden können. Zum einen liege der streitgegenständliche Wettbewerbsverstoß vor, zum anderen gehe es auch um die Verwendung von kriminell erlangten Daten.
Ein weiterer Aspekt der Entscheidung ist ein Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz. Diesen nahm das Gericht an, weil wegen der umsonst angebotenen Probeüberlassung eine Zuwendung bzw. Werbegabe im Sinne des § 7 HWG vorliege. Der Fragebogen sei keine Bedingung für die Zusendung gewesen - deshalb könne er auch nicht als Gegenleistung angesehen werden. Für diesen Verstoß der beauftragten Werbefirma hafte die Berufungsbeklagte auch ohne weiteres. Auch für das fehlende Impressum muss sie danach gerade stehen.
Schließlich stand noch im Raum, wie die unterlassene Datenschutzerklärung zu behandeln sei. Der Nutzer muss nämlich nach § 13 Abs. TMG bereits zu Beginn des Nutzungsvorgangs umfangreich über das Schicksal seiner Daten informiert werden. Das Gericht nahm hierzu an, dass dieser Verstoß einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründet. Damit stellt es sich gegen die Argumentation des Kammergerichts Berlin, das hierzu anderer Auffassung ist. Es argumentiert damit, dass diese Norm auch die wettbewerbliche Entfaltung von Mitbewerbern schützen soll, indem gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Ebenso diene dies auch dem Schutz von Verbraucherinteressen.
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Das Urteil ist vor allem in zwei Aspekten interessant: Zum einen der Unterlassungsanspruch wegen des Verstoßes gegen das Heilmittelwerbegesetz; zum anderen der Verstoß gegen die Pflicht zur Datenschutzerklärung als Wettbewerbsverstoß.
Ersterer Punkt reiht sich in die typischen Fälle ein, in denen es um besondere Wirtschaftsbereiche geht, die spezifischen Marktverhaltensregeln unterworfen sind. Diese zu kennen und zu beachten ist eine wesentliche Pflicht von Unternehmern, die in einem bestimmten Umfeld tätig werden wollen oder bereits sind. Wir haben uns immer wieder mit derartigen Themen auseinander gesetzt - wie zuletzt mit der gerade neu in kraft gesetzten EU-Kosmetikverordnung. Ähnlich Probleme stellen sich für Kioskbetreiber, den Alkoholvertrieb und insbesondere gesundheitsbezogene Angaben in der Werbung.
Der andere und möglicherweise weitaus wichtigere Aspekt ist jedoch der Verstoß gegen die Datenschutzaufklärungspflicht. Hier hat das Gericht eine Marktverhaltensregel angenommen und damit die Unterwerfung unter das Wettbewerbsrecht bestätigt. Anders sieht dies das Kammergericht Berlin. Eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage erscheint durchaus naheliegend. Zu einem ähnlichen Thema, nämlich ob Regeln aus dem BDSG Marktverhaltensregeln sind, hatten wir auch bereits geschrieben.
In diesem Gebiet ist zur Zeit viel Bewegung in der Rechtssprechung und vieles ist noch immer ungeklärt. Gerade die Überschneidung zwischen Datenschutzrecht und Wettbewerbsrecht sowie die sich teilweise widersprechenden Aussagen verschiedener Gerichtsentscheidungen zeigen deutlich, wie viel Unsicherheit hier noch besteht. Im Zweifelsfall fährt jedes Unternehmen besser, wenn es sich vorschriftsmäßig an die Regeln hält und alle Daten korrekt angibt. Bei der Erstellung Ihres Internetauftritts helfen wir Ihnen gerne weiter. Gerne erläutern wir Ihnen dabei auch, welche Angaben Sie machen müssen und welche Regeln genau für Ihren Fall gelten.