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Urheberrecht: Der Software-Besichtigungsanspruch

Der Software-Besichtigungsanspruch - Ein effektives Instrument zur Durchsetzung von Schutzrechten

von Rechtsanwalt Dr. Volker Herrmann

Bekanntlich gilt im deutschen Recht der eherne Grundsatz, dass in einem Rechtsstreit der jeweilige Kläger die ihm günstigen Tatsachen auch beweisen muss. Für den gewerblichen Rechtsschutz gilt im Grundsatz natürlich nichts anderes. Das bedeutet zum Beispiel, dass der Inhaber eines Urheberrechts vor Gericht darlegen und beweisen muss, dass der Beklagte dieses Recht auch tatsächlich verletzt hat. Geht es dabei etwa um die schlichte Kopie von Fotografien oder sonstigen Gegenständen,  so stellen sich hier regelmäßig keine großen Beweisprobleme.

Quellcode vergleichen durch Besichtigungsanspruch

Ganz anders sieht dies aber sehr häufig im Bereich des IT-Rechts aus. Kopiert jemand ein Computerprogramm eines Urhebers, so reicht allein die ähnliche äußere Gestaltung oder eine identische Eingabemaske zur Beweisführung vor Gericht manchmal nicht aus. Erforderlich ist hier vielmehr, dass der Quellcode der Programme verglichen und auf Übereinstimmungen hin geprüft wird. Genau hier liegt das praktische Problem: Dem Urheber steht der Quellcode des Konkurrenzprogramms naturgemäß nicht zur Verfügung. Es liegt auf der Hand, dass Urheber hier nicht schutzlos gestellt werden dürfen. Aus diesem Grunde wird auf diese Fälle der im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelte Besichtigungsanspruch angewandt.

Besichtigungsanspruch durch Anwalt einklagbar

Dass der bürgerlich-rechtliche Besichtigungsanspruch auch auf den Quellcode einer Computersoftware anzuwenden ist, wurde vom Bundesgerichtshof in einer insofern richtungweisenden Entscheidung bereits im Jahre 2002 festgestellt (Az.: I ZR 45/01). Dabei stellten die Richter auch gleich die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs klar. Sinn und Zweck des Anspruchs ist, dem Rechteinhaber zu ermöglichen, sich Gewissheit über eine mögliche Rechtsverletzung zu verschaffen. Aus dem vorbereitenden Charakter der Maßnahme folgt also denklogisch, dass an die Voraussetzungen des Anspruchs keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Er besteht demnach auch dann, wenn noch ungewiss ist, ob überhaupt eine Rechtsverletzung stattgefunden hat.

Andererseits muss aber natürlich gerade bei nur vermuteten Rechtsverletzungen auch das schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse des Gegenübers Berücksichtigung finden. Keinesfalls darf der Besichtigungsanspruch daher dazu missbraucht werden, sensible Daten der Konkurrenz auszuspähen. Aus diesem Grunde ist in diesen Fällen auch immer eine umfassende Interessenabwägung zwischen den widerstreitenden Positionen durchzuführen. Hier ist neben dem Grad der Wahrscheinlichkeit der Rechtsverletzung zum Beispiel auch zu prüfen, ob für den Gläubiger noch andere zumutbare Möglichkeiten bestehen, diese zu beweisen.

Urheberrecht: Besonderheiten im einstweiligen Rechtsschutz

Der Besichtigungsanspruch ist gerade auch im gerichtlichen Eilverfahren von hoher Bedeutung. Allerdings sind hier einige Besonderheiten zu beachten. Grundsätzlich dürfen im einstweiligen Rechtsschutz nämlich nur vorläufige Maßnahmen getroffen werden. Würde man den potentiellen Rechtsverletzer aber nun verpflichten, die Software an den Rechteinhaber zur Prüfung zu übergeben, so wäre darin bereits eine endgültige und nicht mehr rückgängig zu machende Maßnahme zu sehen sein.

Aus diesem Grunde ist inzwischen allgemein anerkannt, dass in diesen Fällen die Übergabe nicht an den Rechteinhaber selbst, sondern an einen vom Gericht bestimmten unabhängigen, zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachkundigen zu erfolgen hat – so etwa das OLG Frankfurt/Main (Beschluss vom 17.01.2006, Az.:11 W 21 / 05). Dieser hat sodann einen Bericht zu fertigen und entsprechend bei Gericht zu hinterlegen.

Sachverständiger sieht Quellcode ein

Nachdem der Sachverständige die Software und den Quellcode eingesehen und Bericht erstattet hat, ist das Ergebnis meistens klar: die Rechtsverletzung kann bewiesen werden oder die Anhaltspunkte hierfür reichen nicht aus. Sodann liegt der weitere Weg der Sache auf der Hand: ist die Rechtsverletzung nachgewiesen, kann der Software-Dieb auf Unterlassung und Schadensersatz verklagt werden.