TV-Beitrag von Oliver Pocher verletzt doch das Persönlichkeitsrecht von Boris Becker
Eine Filmsequenz der von Oliver Pocher moderierten Fernsehsendung „Pocher – gefährlich ehrlich“ verletzt den ehemaligen Tennisspieler Boris Becker in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Das entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Urteil vom 28. November 2023 – 14 U 620/22). Die erste Instanz, das Landgericht Offenburg, hatte knapp ein Jahr zuvor die Veröffentlichung noch für rechtmäßig erachtet (LG Offenburg, Urteil vom 15.11.2022 – 2 O 20/21) – wir haben auch über diese Entscheidung berichtet.
In dem Fernsehbeitrag wird ein ausgedachter Modepreis einer ebenfalls frei erfundenen Zeitschrift – der „Fashion Brand Award“ – an Boris Becker verliehen, welcher eine eigene Modelinie herausgebracht hat. In der Preistrophäe sollte ein zuvor gesammeltes „Spendengeld“ in Höhe von 413,34 Euro versteckt werden, eine Anspielung auf ein gegen Becker seinerzeit laufendes Insolvenzverfahren. Weder vor und bei der Übergabe des Preises, welche für die TV-Sendung gefilmt wurde, wurde Becker darüber unterrichtet, dass es sich um einen Fake-Award handelt.
Nach der Ausstrahlung des Beitrags in der Sendung, machte Becker unter anderem Unterlassungs- und Löschungsansprüche gegen Oliver Pocher geltend. Er sah sich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, weil seine Einwilligung in die Filmaufnahmen durch Täuschung erlangt wurden. Vor dem Landgericht Offenburg konnte er mit seiner Argumentation nicht durchdringen. Das OLG Karlsruhe gab ihm jedoch nun Recht und hob die erstinstanzliche Entscheidung auf.
Dem Moderator Pocher ist es nun untersagt, die Bildsequenzen weiterhin zu verbreiten. Außerdem muss er diese löschen, soweit sie im Rahmen seiner eigenen Internetpräsenz veröffentlicht wurden.
OLG Karlsruhe: Einziger Zweck war, Boris Becker vorzuführen
Der Senat in Karlsruhe sah in der ausgestrahlten Filmsequenz eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des dreifachen Wimbledon-Siegers, woraus sich ein Unterlassungsanspruch ergebe (§§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 BGB iVm §§ 22, 23 KUG, Art. 2 Abs. 1, Art 1 Abs. 1 GG).
Hierbei nahm das Gericht eine Prüfung des sog. abgestuften Schutzkonzepts bei Bildnisveröffentlichungen vor. Hiernach sind Veröffentlichungen grundsätzlich nur mit Einwilligung der gezeigten Person erlaubt (§ 22 KUG). Jedoch kann eine solche entbehrlich sein, wenn eine gesetzliche Ausnahme – geregelt in § 23 Abs. 1 KUG – greift und diese wiederum nicht wegen eines berechtigen Interesses der betroffenen Person zurücktreten muss.
Wie auch schon das Landgericht Offenburg nahm auch das Oberlandesgericht an, dass vorliegend keine wirksame Einwilligung von Boris Becker zur Verbreitung der Filmaufnahmen bestand, weil diese mittels Täuschung zustande gekommen war:
„Dem Kläger war vor Erteilung seiner Einwilligung vorgetäuscht worden, dass die vereinbarten Aufnahmen dem Zweck dienten, die Verleihung eines ernst gemeinten, von einer Jury dem Modelabel des Klägers zuerkannten Preises zu dokumentieren. Der tatsächliche Zweck bestand darin, zu Unterhaltungszwecken vorzuführen, wie der Kläger durch das Vortäuschen dieses Hintergrunds zu der Annahme der heimlich mit der „Spendensumme“ versehenen Preistrophäe veranlasst wird. Es bedarf keiner näheren Begründung dafür, dass dieser Zweck nicht von der erteilten Einwilligung umfasst war und auch eine stillschweigende Einwilligung nicht in Betracht kommt.“
Keine Aufnahmen aus dem Bereich der Zeitgeschichte
Anders als das Landgericht Offenburg nahm der Senat jedoch nicht an, dass eine Ausnahme des § 23 Abs. 1 KUG vorliege. Für eine solche wäre eine Einwilligung nicht erforderlich gewesen. Bei den Aufnahmen handele es sich nicht um solche, welche in den Bereich der Zeitgeschichte fallen – also insbesondere um Geschehnisse des Zeitgeschehens, an welchen die Öffentlichkeit ein Informationsinteresse habe.
Zwar sei das Interesse der Öffentlichkeit an der persönlichen und wirtschaftlichen Situation von Boris Becker zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt als erheblich anzusehen gewesen.
„[G]erade eine problematische Entwicklung im Leben eines ursprünglich als besonders bewundernswert angesehenen Prominenten begründet regelmäßig einen großen Bedarf an Informationen, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Öffentlichkeit an der Situation mitfühlend Anteil nimmt oder sich das Interesse im Sinne einer Kontrastfunktion begründet. Im Oktober 2020 war das öffentliche Interesse an der Person des Klägers aufgrund des Insolvenzverfahrens und der Berichte über die strafrechtlichen Ermittlungen als hoch einzuschätzen; zudem suchte der Kläger anlässlich der Vorstellung seines Modelabels aktiv unter Ausnutzung seiner Bekanntheit das Licht der Öffentlichkeit.“
Dies führe jedoch nicht dazu, dass der Ex-Tennis-Star jede Form der Verwendung seines Abbilds, gleich auf welche Weise es gewonnen wurde, hinnehmen müsse.
Das Filmen und die Veröffentlichung des Einspielers sei nämlich in erster Linie durch die in den Vordergrund gestellte Täuschung Boris Beckers geprägt gewesen. Becker sei – „wie bei einer hartnäckigen Nachstellung“ – zu einem Objekt gemacht worden, welches nicht über die Art der Verwendung des eigenen Abbilds mitentscheiden kann. Hierdurch sei er zugleich dahingehend manipuliert worden, selbst aktiv daran mitzuwirken, seine eigene Person ins Lächerliche zu ziehen.
Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Oliver Pocher kann hiergegen jedoch die sog. Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH erheben.
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