Teil II: Rechtsschutz gegen Filme möglich?
von Rechtsanwalt Dr. Volker Herrmann
Teil I des Beitrags finden Sie hier
Wann greift das Persönlichkeitsrecht gegen Filme?
Die maßgeblichen Kriterien für diese Prüfung ergeben sich aus der berühmten „Mephisto“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 30, 173 ff.) und der „Esra“-Entscheidung des BGH (BGH NJW 2005, S. 2844 ff.). Zuerst kommt es darauf an, ob der Verletzte konkret durch den Zuschauer identifiziert werden kann, ob also die Rolle im Film Ähnlichkeit zur realen Person aufweist. Je intimer die dargestellten Persönlichkeitsdetails sind, desto weniger müssen sich Rolle und reale Person ähneln um eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu bewirken.
Andersherum: je prominenter die Person im realen Leben ist, desto eher muss sie sich eine Reproduktion ihrer selbst im Film gefallen lassen. Historische oder zeitgeschichtliche Personen, die der Öffentlichkeit schon vorher einen Einblick in ihr Privatleben gestattet haben, müssen sich ebenso eine künstlerische Auseinandersetzung über sich gefallen lassen. In jedem Fall ist aber die Grenze der Schmähung zu beachten, die fast immer unzulässig ist. Außerdem müssen die Gefährten oder Gefährtinnen einer berühmten Persönlichkeit es nicht dulden, dass über ihre intimen und privaten Geheimnisse in Filmen berichtet wurden, nur weil sie sich mit ihnen eingelassen haben. Sie selbst sind nämlich in den meisten Fällen nur „Musen“ oder eben selbst keine Personen der Zeitgeschichte, sodass die Grundsätze nicht auf sie anzuwenden sind.
Handelt es sich bei dem Film, wie etwa beim Film über den Contergan-Skandal um keine Umformung der Realität, sondern um eine „Spielfilm-Doku“, kommt es für eine Rechtsverletzung darauf an, ob der Betroffene oder sein Leben diskriminierend oder diskreditierend verfälscht worden ist und in welchem Maß das passiert ist. Im Contergan-Film wurde zum Beispiel angegriffen, dass der Rechtsanwalt des Pharmaunternehmens im Film so dargestellt wird, als ob er den Gegenanwalt mit Billigung der angeklagten Unternehmensbosse ins „gesellschaftliche Aus“ zu verfrachten versucht und das dazu geeignet ist, den Ruf des Unternehmens Grünenthal auch heute noch zu beeinträchtigen. Eine Rechtsverletzung verneinte das Gericht, weil ausweislich der damaligen Ermittlungsunterlagen tatsächlich solche Bemühungen unternommen worden waren.
In dem weiteren Verfahren zum Contergan-Film vor dem OLG Hamburg (OLG Hamburg , 7 U 142/06) wurde der Film durch das zuständige OLG Hamburg gar als Kunstwerk eingestuft und die Abwägung anhand der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG vorgenommen. Inhaltlich hat das zwar nur geringe Auswirkungen gegenüber einer Abwägung auf Grundlage des Art. 5 Abs. 1 GG. Das Gericht hatte zwar angenommen, dass die Filmfigur des Anwaltes auf den realen Anwalt schließen lässt und eine Erkennbarkeit gegeben war, es hat aber der Filmfigur eine „künstlerische Eigenständigkeit“ zugesprochen, sodass geringe Abweichungen vom realen Leben auch in den Spielfilm-Dokus zulässig sei.
Ein anderes Beispiel ist die einstweilige Verfügung der Ex-RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt. Diese ist laut Presseberichten vor dem LG Hamburg (Az.: 324 O 252/07) nicht damit gehört worden, dass eine Sexszene aus dem Film genommen werden soll. Die Produktionsgesellschaft hatte sich wohl zurecht auf die Kunstfreiheit berufen und angemerkt, dass der Film nicht in jedem Detail der historischen Wahrheit entsprechen müsse. Hier ist abzuwarten, ob Frau Mohnhaupt noch das Hauptsacheverfahren anstreben wird.
Keine allgemeine Tendenz erkennbar
Die Gerichtsentscheidungen zeigen, dass sich eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte immer am Einzelfall orientieren muss. Letztlich ist die angegriffene Szene oder Rolle genau zu betrachten. Abweichungen vom tatsächlichen Geschehen sind natürlich möglich, Verfälschungen hingegen häufig unzulässig. Allgemeingültige Aussagen darüber, wann durch einen Film das Persönlichkeitsrecht derart verletzt wird, dass die ebenfalls grundrechtlich verankerte Kunstfreiheit oder Filmfreiheit dahinter zurückstehen muss, sind aber nicht möglich Es wird daher auch in Zukunft die Gerichte immer wieder beschäftigen, wann die Grenze erreicht wurde und wann nicht. Besonders schwierig sind dabei die Fälle, bei denen es verschiedene Versionen der Geschehnisse gibt und sich jede Partei auf eine andere Sichtweise der Ereignisse beruft.
Prozessuale Besonderheiten
Es lassen sich allerdings noch einige prozessuale Besonderheiten bei diesen Fällen ausmachen. Für den Verletzten ist es wichtig, dass er, sobald er Kenntnis von einer Verfilmung über sein Leben oder Teile davon erlangt, rasch zum Anwalt seiner Wahl und dann baldmöglichst vor Gericht geht. Hier ergibt sich die Möglichkeit des vorläufigen Rechtsschutzes, die immer dann in Erwägung zu ziehen ist, wenn unmittelbar Rechtsverletzungen bevorstehen und ein „normales“ Gerichtsverfahren alleine wegen der Dauer keinen gerichtlichen Schutz bieten kann.
Im Fall „Mord in der Karibik“ hat das Gericht einen Anspruch der Verletzten verneint, weil diese sich erst zwei Jahre nach der Erstausstrahlung Films gemeldet hatte und nun die Zweitausstrahlung angreifen wollte. Sie hatte behauptet, dass sie nicht erwartet hatte, dass der Film ein zweites Mal gesendet wird und hatte sich deshalb nicht zur Wehr gesetzt. Das Gericht sah aber, dass die Dringlichkeit, die ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes rechtfertigt, in diesem Fall nicht mehr vorgelegen habe. Dadurch, dass sie sich erst jetzt melde, habe sie gezeigt, dass es ihr offensichtlich mit einem Verbot des Film nicht mehr allzu dringend sein kann. Nach einigen Wochen nach Kenntniserlangung über die Ausstrahlung eines Films oder sogar schon vor der Ausstrahlung muss der Verletzte also seine Rechte gerichtlich geltend machen.
Außerdem können Einblendungen im Film eine Rechtsverletzung ausscheiden lassen. So hatte das OLG Hamburg in seinem Urteil festgestellt, dass die Besonderheit im Contergan-Film darin gelegen hatte, dass er nicht ausnahmslos eine Dokumentation darstellt, sondern teilweise auf reiner Fiktion basiert. Je mehr in einem Film der Anspruch an Realitätstreue gestellt wird, desto schutzwürdiger ist das Interesse der realen Person, dass diese Darstellung nicht im Gegensatz zur Wirklichkeit steht. Da in diesem Film aber Geschehnisse gezeigt würden, die über 40 Jahre zurückliegen, wird der Zuschauer nicht erwarten, dass jedes Detail des Films der historischen Wahrheit entspricht. Außerdem, und das ist interessant, vermitteln Einblendungen zu Beginn und am Ende des Films, dass es sich bei dem Film um reine Fiktion handelt. Diese Einblendungen für sich genommen räumen den Realitätsanspruch des Films deutlich aus. Daher sah das Gericht in den Abweichungen von der Realität keinen Vorrang der Interessen der dargestellten Personen.
Zu beachten ist auch noch, dass Szenen im Drehbuch, dass naturgemäß nicht für die Veröffentlichung gedacht ist, zumeist das Persönlichkeitsrecht nicht verletzen. Der Grund: das Drehbuch an sich, das noch geändert werden kann und noch nicht verfilmt wurde, greift noch nicht in die Rechte des Betroffenen ein.
Fazit - das Ende der Doku-Filme?
Häufig wird in den Medien nach solchen Gerichtsentscheidungen berichtet, damit sei nun das Ende der Doku-Filme erreicht. Dies ist aber mehr als übertrieben. Die Gerichte lassen der Freiheit der Produzenten und Regisseure häufig den Vortritt oder schlagen kleinere Änderungen bzw. erläuternde Einblendungen vor. In schwerwiegenden Fällen allerdings geben die Gerichte zumeist den Betroffenen Recht. Der einen historischen Stoff erzählende Film ist daher gegenüber einer rein fiktionalen Stoffverfilmung immer an ein Mindestmaß historischer Wahrheit gebunden.