Politikerin Sawsan Chebli wehrt sich erfolgreich gegen Diffamierung bei Facebook
Es fing an mit einer öffentlichen Kritik an der Sendung des Kabarettisten Dieter Nuhr im November 2020: Die SPD-Politikerin Sawsan Chebli schrieb bei Facebook:
„Immer wieder Dieter #Nuhr: so ignorant, dumm und uninformiert. Er nur Witze auf Kosten von Minderheiten machen. Wie lange will @ARDde das mitmachen? Unabhängig davon: kauft das Buch von @alicehasters und bildet euch antirassistisch. Ich verschenke ein paar davon zu Weihnachten.“
Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Brandenburg verbreitete den Post und kommentierte diesen mit den Worten:
„Hat die politische Linke nun endlich einen Vorwand gefunden, einen der wenigen Kabarettisten, der nicht klar links der Mitte steht, vom Sender nehmen zu wollen? Dieter Nuhr hat einen Fehler gemacht, ok. Er ist dennoch ein meist kluger und oft lustiger Beitrag zur Vielfalt in der Medienlandschaft.“
Hierunter kommentierte ein anderer User:
"Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie S. C.. Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden Ihrer Familie begleichen."
Chebli sah in der Äußerung „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ eine Schmähkritik sowie in dem Satz, sie solle „die Sozialschulden Ihrer Familie begleichen“ eine unwahre Tatsachenbehauptung. Vor Gericht beantragte sie unter anderem die Unterlassung der – mittlerweile gelöschten – Äußerungen und Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 5.000 Euro. Das Landgericht Heilbronn hielt die Äußerungen in erster Instanz für zulässig und wies die Klage ab (LG Heilbronn, Urteil vom 22. März 2023 – 8 O 85/22). Hiergegen legte Chebli Berufung ein und bekam hinsichtlich der Unterlassungsansprüche Recht (OLG Stuttgart, Urteil vom 29. November 2023 – 4 U 58/23).
OLG Stuttgart: Äußerung „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ ist nicht hinnehmbar
Der Senat nahm – anders als das Landgericht Heilbronn – eine Schmähkritik an.
Eine solche liegt vor, wenn es dem Verfasser einer Äußerung nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache gehe, sondern allein die Diffamierung einer Person im Vordergrund stehe. Nach der ständigen Rechtsprechung ist zwar bei der Einordnung von Schmähkritik mit Blick auf die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) äußerste Zurückhaltung geboten – so kann auch eine harsche, überspitzte oder äußerst scharfe Kritik noch zulässig sein. Vorliegend nahm der Senat jedoch an, dass es dem Verfasser des Posts nur um eine grundlose Verächtlichmachung der Politikerin Chebli ging.
Denn durch die Verwendung der Begriffe „dämlich“ und „Hirn-Vakuum“ werde Chebli als dumme und hirnlose Politikerin charakterisiert, welche aus dem politischen Geschäft „abtauchen“ soll. Erschwerend hinzukomme, dass die Äußerung mit dem Begriff „Stück“ eine weitere abwertende Komponente enthalte. Die Bezeichnung eines Menschen als „Stück“ spreche ihm jede persönliche Würde ab. Zwar habe Chebli in Bezug auf den Kabarettisten Dieter Nuhr selbst persönlichkeitsrechtsverletzende Begriffe geäußert („ignorant, dumm und uninformiert“). Jedoch könne der Kommentar des beklagten Users nicht als adäquate Reaktion auf dieses Vorverhalten der SPD-Politikerin zu sehen sein.
Die weitere Äußerung („[…] soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen“) ordnete der Senat ebenfalls als unzulässige Meinungsäußerung ein, weil darin eine Herabsetzung von Immigranten zu sehen sei, welche ebenfalls in keinem Bezug zur Diskussion um das Verhalten von Dieter Nuhr stünden. Auch mit dieser Äußerung solle Chebli nur verächtlich gemacht werden.
Der beklagte User trug unter anderem zu seiner Verteidigung vor, dass er den Post nicht selbst verfasst habe. Vielmehr habe eine andere Person seinen Laptop verwendet und auf seinen Account zugegriffen. Dieses Argument ließ der Senat nicht durchgehen: Das Gericht ging – aufgrund von Äußerungen in der Berufungsverhandlung – davon aus, dass der Beklagte durchaus der Verfasser des Beitrags war. Davon abgesehen würde der Beklagte auch dann für die Äußerungen haften, wenn er seinen Computer und sein Facebook-Nutzerkonto nicht ausreichend vor Zugriffen Dritter geschützt habe.
Der User muss demnach die weitere Verbreitung der Äußerung unterlassen.
Geldentschädigungsanspruch von Sawsan Chebli besteht laut Gericht nicht
Nicht erfolgreich war hingegen die Berufung von Chebli hinsichtlich des Geldentschädigungsanspruchs in Höhe von 5.000 Euro. Ein solcher ist nach ständiger Rechtsprechung bei schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen möglich, wenn ein anderer Ausgleich nicht erfolgt ist.
Der Senat nahm zwar eine erhebliche Rechtsverletzung an, hielt jedoch den Unterlassungstitel für ausreichend. Hierbei sei nämlich zu berücksichtigen, dass Chebli selbst starke Worte benutze und den Diskurs damit erst veranlasst habe. Zudem sei der Beitrag durch den User zeitnah gelöscht worden.
Ausblick für die Praxis
Die Einordnung des Kommentars als unzulässige Schmähkritik erscheint vorliegend richtig. Natürlich ist bei der Subsumtion immer Zurückhaltung geboten, denn auch unsanfte Kritik muss möglich sein. Auch wird man Prominenten und Politikern, welche sich selbst kritisch in der Öffentlichkeit äußern, zumuten dürfen, auch mit bissigen Kommentaren umgehen zu können. Doch auch hier gibt es selbstverständlich Grenzen.
Insbesondere, das hatte auch das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf eine andere Politikerin festgehalten, müssen sich auch in der Öffentlichkeit stehende Personen gewiss nicht alle Äußerungen gefallen lassen (BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2021 – 1 BvR 1073/20 – „Renate Künast“). Ein Bezug zur Kritik von Chebli an der Sendung von Dieter Nuhr lässt sich in dem streitgegenständlichen Kommentar kaum entnehmen, eine Diffamierung der SPD-Politikerin liegt hier auf der Hand.
Zudem zeigt sich das OLG Stuttgart – wie ein Großteil der übrigen Rechtsprechung auch – zurückhaltend, was die Zusprechung von Geldentschädigungsansprüchen angeht. Dies begründet das Gericht vorliegend unter anderem damit, dass Chebli durch ihre eigenen starken Worte den Diskurs erst veranlasst habe. Dieses Argument kann jedoch wenig überzeugen, da der Senat für die Annahme einer Schmähkritik – richtigerweise – gerade davon ausging, dass vorliegend keine Auseinandersetzung in der Sache mehr vorliege. Mit anderen Worten: Der untersagte Facebook-Kommentar stand in keinem Zusammenhang mit Chebli’s Kritik an der Nuhr-Sendung.
Die Entscheidung des OLG Stuttgart macht erfreulicherweise auch deutlich, dass sich Verfasser von Äußerungen bei Social Media nicht mehr so ohne weiteres hinter dem „Ich war’s nicht“-Argument verstecken können, wenn andere Personen Zugriff auf ihren Account hatten. Diese Ansicht ist in der Rechtsprechung nicht neu, denn über die Haftung für einen ungesicherten Account hatten auch bereits andere Gerichte ähnlich entschieden (z.B. OLG Frankfurt, Urteil vom 21. Juli 2016 – 16 U 233/15). Sie ist aber dennoch begrüßenswert.
Die Entscheidung des OLG Stuttgart im Volltext lesen.
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