BGH stärkt erneut die Rechte von Bewerteten
Negative Bewertungen im Internet sind häufig nicht nur ein Ärgernis für Unternehmer, sie können auch spürbar wirtschaftliche Folgen für die Betroffenen haben. Viele potenzielle Kunden vertrauen auf die online veröffentlichten Äußerungen. Nahezu alle Branchen sind von Bewertungen betroffen. Sehr häufig werden jedoch Hotels und Restaurants, Ärzte und Kliniken, Online-Shops und stationärer Einzelhandel, Bestatter, Handwerker sowie Dienstleister bewertet. Auch Arbeitgeber werden über bestimmte Portale öffentlich beurteilt.
Eine Bewertung in einem der vielen einschlägigen Portale kann nahezu jeder veröffentlichen – und das meist völlig anonym oder unter einem Pseudonym. Wer sich hinter der Bewertung verbirgt, bleibt den Betroffenen häufig verborgen. Das öffnet Tür und Tor für Missbrauch. Nicht selten werden Bewertungen von Personen abgegeben, welche die Leistungen des beurteilten Unternehmens gar nicht in Anspruch genommen haben. In manchen Fällen stecken auch unmittelbare Wettbewerber hinter den negativen Äußerungen. Die Verfasser verfolgen dann also meist andere Interessen als eine ernsthafte Beurteilung des unternehmerischen Angebots.
Kennt ein Unternehmen den Verfasser der Bewertung – wie so häufig – nicht, kann es sich nur an den Portalanbieter wenden und gegebenenfalls rechtliche Schritte einleiten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nunmehr erneut die Rechte von betroffenen Unternehmen gegen anonyme Bewertungen gestärkt und seine bisherigen Vorgaben noch einmal klargestellt (BGH, Urteil vom 9. August 2022, Az. VI ZR 1244/20).
Der Fall
Auf einem Online-Reiseportal, auf welchem neben der Reisebuchung auch Bewertung publiziert werden können, wurden durch diverse Nutzer mehrere, teils mit Fotos versehene, negative Beurteilungen eines Ferienparks veröffentlicht. Die Betreiberin des Ferienparks wandte sich an das Reiseportal und forderte zur Löschung dieser Bewertungen auf. Ihr Argument: die Verfasser seien keine Gäste der Freizeiteinrichtung gewesen. Deshalb sah sich die Betreiberin des Ferienparks in ihrem Unternehmerpersönlichkeitsrecht verletzt. Weil eine Löschung der Äußerungen verweigert wurde, machte die Betreiberin des Ferienparks Unterlassungsansprüche gerichtlich geltend.
In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen (LG Köln, Urteil vom 11. Dezember 2019, Az. 28 O 242/19). In zweiter Instanz wurde das Urteil teilweise aufgehoben, dem Unterlassungsanspruch der Ferienparkbetreiberin wurde sodann überwiegend stattgegeben (OLG Köln, Urteil vom 27. August 2020, Az. 15 U 309/19). Dagegen richtete sich die Revision des Online-Reiseportals, auf welchem die Bewertungen veröffentlicht wurden – jedoch ohne Erfolg. Der BGH nahm einen Unterlassungsanspruch an.
Die Begründung des BGH
Der BGH nahm eine Haftung des Portals an. Bei dem Betreiber eines Bewertungsportals handelt es sich um einen Hostprovider, also einem Anbieter von fremden Inhalten. Da es sich hierbei um die Darstellung von Dritten handelt, welche der Portalbetreiber nicht selbst verfasst hat, besteht eine Haftung des Hostproviders nicht als „Täter“ sondern als sogenannter mittelbarer Störer. Für Betreiber von Bewertungsportalen bedeutet dies: Sie müssen nicht selbstständig jeden Eintrag vor oder nach ihrer Veröffentlichung inhaltlich prüfen. Allerdings muss der Betreiber grundsätzlich dann tätig werden, sobald er von einer möglichen Rechtsverletzung in Kenntnis gesetzt wird. Die Beanstandung löst sodann Prüfpflichten des Portalanbieters aus. Dies ist einhellige Rechtsprechung des BGH und der Instanzgerichte.
Im Falle einer konkreten Beanstandung eines Betroffenen, ist das Portal zur Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts angehalten. Hierbei hat es grundsätzlich auch eine Stellungnahme des Verfassers sowie von diesem gegebenenfalls weitere Belege, z.B. für den Kundenkontakt, anzufordern. Bleibt eine Rückmeldung aus, ist von einer Berechtigung der Beanstandung auszugehen und die Bewertung ist zu löschen.
Zu diesem Tätigwerden gehört es auch, unter anderem zu prüfen, ob es sich bei dem Verfasser der angegriffenen Bewertung tatsächlich um einen Kunden, Patienten oder – in diesem Fall – Gast des bewerteten Unternehmens handelt, sofern dies vom betroffenen Unternehmen bezweifelt wird. Denn nur wer die Leistung des Unternehmens in Anspruch genommen hat, kann sich darüber auch eine Meinung bilden. Andernfalls fehlt ihm, so die Rechtsprechung, die zur Meinungsbildung erforderliche Tatsachengrundlage. Ein berechtigtes Interesse eines Nutzers, eine tatsächlich nicht stattgefundene Inanspruchnahme einer Leistung zu bewerten, besteht nachvollziehbarerweise nicht.
Unklar war bislang, wie konkret die Rüge des bewerteten Unternehmens hinsichtlich des fehlenden Kundenkontakts sein muss. Dies hat der BGH nunmehr klargestellt und deutlich gemacht, dass hieran keine hohen Anforderungen zu stellen sind:
„Entgegen der Ansicht der Revision reicht eine Rüge des Bewerteten, der Bewertung liege kein Gästekontakt zugrunde, grundsätzlich aus, um Prüfpflichten des Bewertungsportals auszulösen. Zu weiteren Darlegungen, insbesondere einer näheren Begründung seiner Behauptung des fehlenden Gästekontakts, ist er gegenüber dem Bewertungsportal grundsätzlich nicht verpflichtet.“
Dies gilt sogar dann, wenn Angaben vorliegen, welche für einen Gäste-, Patienten- oder Kundenkontakt sprechen (z.B. Fotos oder weiteren Ausführungen):
„Denn der Bewertete kann diese Angaben regelmäßig nicht überprüfen und damit den behaupteten Gästekontakt nicht sicher feststellen. Einer näheren Begründung der Behauptung des fehlenden Gästekontakts bedarf es nur, wenn sich die Identität des Bewertenden für den Bewerteten ohne Weiteres aus der Bewertung ergibt.“
Die Rüge des fehlenden Gäste-, Patienten- oder Kundenkontakts löst somit prinzipiell Prüfpflichten des Portalbetreibers aus. Kommt dieser der Beanstandung nicht nach, ist davon auszugehen, dass ein entsprechender Kontakt nicht vorliegt. In diesem Fall ist die Bewertung rechtswidrig und ein Unterlassungsanspruch ist anzunehmen. So sah es der BGH auch hier und gab der Klage statt.
Ausblick für die Praxis
Der BGH hat in seiner jüngsten Entscheidung die Prüfpflichten von Bewertungsportalen aus seiner früheren Rechtsprechung konkretisiert. Hat ein bewertetes Unternehmen Zweifel daran, dass es sich bei dem Verfasser tatsächlich um einen Kunden, einen Gast oder einen Patienten handelt, genügt die einfache Rüge um diesbezüglich Prüfpflichten des Portalbetreibers auszulösen. Und dies selbst dann, wenn es in den Bewertungen gewisse Anhaltspunkte für einen Kundenkontakt gibt (z.B. Fotos, Formulierungen). Denn auch dadurch lässt sich ein Kundenkontakt nicht sicher feststellen.
Der BGH hat folglich die Rechte von bewerteten Unternehmen noch einmal deutlich gestärkt. Es ist davon auszugehen, dass der Rechtsprechung nunmehr die Instanzgerichte folgen werden.
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