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Websitesperrung - Diskussion um Internet-Zensur in Deutschland

Sperrungsverfügungen - Diskussion um Internet-Zensur in Deutschland

Beitrag von Michael Terhaag, Fachanwalt für IT-Recht

„In China fällt ein Sack Reis um, doch keiner bekommt die News.“

So oder so ähnlich könnte es zumindest mittlerweile lauten. China ist bekannt für seine repressive Haltung gegenüber dem Internet. Zensur einzelner, gerade regimekritischer Websites ist dort leider Gang und Gäbe. Das Internet wird auf solche Inhalte durch eine eigens dafür eingerichtete Behörde durchsucht und die entsprechenden Websites für die Allgemeinheit geblockt. Selbst Google zieht hierbei angeblich mit.

Die Frage ist nun, ob bald schon eine Internetzensur auch in Deutschland praktiziert werden könnte. Zugegeben: der Vergleich mit China hinkt. Selbstverständlich steht die Meinungsfreiheit hierzulande glücklicherweise nicht zur Debatte. Wer in den letzten Wochen die Medienberichte verfolgt hat, wird aber mitbekommen haben, dass in Deutschland eine Diskussion losgetreten wurde, ob beispielsweise kinderpornographische oder rechtsradikale Inhalte vom Netz abgeklemmt werden sollen.

Alte Diskussion – neu entflammt!

Die Diskussion ist nicht mehr ganz neu, wurde aber in der jüngeren Vergangenheit neu aufgesetzt. Schon im Jahre 2002 hatte die Düsseldorfer Bezirksregierung eine sogenannte Sperrungsverfügung an einen Access-Provider ausgegeben, der zwei Websites mit rechtsradikalem Inhalt für die User sperren musste.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Entscheidung folgt) urteilte damals auf die Klage des Providers, dass diese Sperrungsverfügung auf Grundlage des damaligen Mediendienstestaatsvertrags rechtswirksam sei. Diese Entscheidung ist mit der heutigen Argumentation nicht mehr ganz einfach aufrecht zu erhalten.
Denn naturgemäß ist eine Sperrungsverfügung im Kontext des Internet nicht völlig problemlos zu betrachten. Schon alleine die Tatsache, dass ein Provider gezwungen wird, Websites zu sperren, während andere Provider weiterhin die Seiten durchleiten dürfen, bietet Konfliktpotential.

Aber auch die Stimmen der User wurden im Laufe der Diskussion lauter. Darf der Staat in die Meinungsfreiheit derart eingreifen, dass bestimmte Seiten einfach gesperrt werden?  Und wenn er das darf, bringt eine Sperrung überhaupt etwas? Der Chaos Computer Club hat da eine ganz eigene Antwort gefunden: Auch Websites mit Naziinhalt haben Inhalt. Und auch dieser – wenn auch unerwünschte Inhalt – unterfällt in den meisten Fällen der Meinungsfreiheit und damit dem kollektiven Kulturgut. Dieses Kulturgut muss als Diskussionsgrundlage der Allgemeinheit erhalten bleiben. Wenn wir also keine umstrittenen Websites mehr ansehen dürfen, so leide die gesamte Kulturgemeinschaft.

Zudem stellt sich in diesem Zusammenhang immer die Frage, wo der unerwünschte Inhalt anfängt bzw. die zulässige Meinungsbildung aufhört. Wir geben allerdings zu, dass sich diese Frage bei dem ebenfalls häufig diskutierten Fall der Kinderpornographie so nicht stellt. Wärend man bei politischen Inhalten aus unserer Sicht im Zweifel diese im Netz belassen können sollte, ist das bei diesem Fall selbstverständlich genau umgegekehrt.

Juristische Hürden

Aber auch in juristischer Hinsicht ist eine behördliche Sperrungsverfügung nicht unumstritten. Ein im Auftrag des Bundestages erstelltes Gutachten kommt nun zu dem Ergebnis, dass eine Sperrungsverfügung – wenn Sie überhaupt ein geeignetes Mittel zur Zweckerreichung: „Sauberhalten des Internet“ darstellt – nicht verhältnismäßig sein dürfte.

Jeder Eingriff des Staates muss an sich verhältnismäßig sein. Das bedeutet, dass er insbesondere erforderlich und angemessen ist. Diese beiden Punkte aber gerade sind bei Sperrungsanordnungen teilweise sehr fraglich.

Die Erforderlichkeit scheitert nämlich daran, dass es ein milderes Mittel zur Erreichung desselben Zweckes geben kann. Nach Ansicht der Gutachter könnte nämlich die Aufklärung der Öffentlichkeit in allen Medien ein ebenso gutes aber milderes Mittel als die Vollsperrung einzelner Seiten sein. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Sperrung eventuell nicht angemessen

Darüber hinaus bestehen Zweifel an der Angemessenheit der Sperrungsverfügung. Aufgrund der unüberschaubaren Vielzahl an rechtswidrigen Inhalten im Internet kann es ohnehin keine voll wirksame Sperre geben. Außerdem wäre eine Sperrung überhaupt nur mit großem Aufwand für die Provider machbar, weswegen es auch fraglich ist, ob ein solcher Aufwand den Providern überhaupt noch zumutbar ist. 

Ein ebenso wichtiges Argument ist, dass die Kommunikationsfreiheit aus Artikel 5 Grundgesetz unverhältnismäßig stark eingeschränkt würde. Denn der Provider würde im Angesicht einer drohenden Geldbuße eher zu engmaschigen Filtersystemen greifen, die eine viel zu weitgehende Zensur mit sich ziehen würden. Außerdem würde bei der Vielzahl der am Markt tätigen Provider eine effektive Kontrolle kaum machbar erscheinen, "ultra posse nemo obligatur" sagt der Jurist dazu.
Der Lateinlehrer hilft mit: "über das Können hinaus wird niemand verpflichtet" oder einfacher: "niemand kann zu etwas verpflichtet werden, was er tatsächlich nicht leisten kann".

Fazit: Weitersuchen!

Wägt man also die negativen Aspekte dieser Sperrungsanordnungen gegen die zugegebenermaßen geringen Chancen auf Effektivität gegeneinander ab, so käme auch der juristische Laie schnell zu dem Ergebnis, dass die in die Diskussion geworfenen Sperrungsanordnungen des Staates nicht als effektives Mittel zur Bekämpfung unerwünschter und illegaler Inhalte im Internet zu gebrauchen sind.

Es muss also weiter geforscht werden. Denn ein weiteres Gutachten des Bundesverbandes der Digitalen Wirtschaft (BVDW) kommt zu dem Ergebnis, dass die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze über die Host-Provider-Haftung nicht auf die Access-Provider anzuwenden sind. Wir verfolgen die Rechtslage weiterhin gespannt und bleiben für Sie auf dem Laufenden…

Wenn Sie Fragen zu diesem oder ähnlichen Themen haben, sprechen Sie uns einfach an. Gerne werden wir auch gutachterlich für Sie tätig oder stehen für Presseanfragen zur Verfügung.