Neues Urteil zum virtuellen Hausrecht - Grenzen des Online-Kontrollrechts gegenüber Konkurrenten
von Rechtsanwalt Dr. Volker Herrmann
Das OLG Hamburg (Az.: 5 U 190/06) hatte sich am 18.04.2007 mit der interessanten Thematik des Hausverbots im Internet im zu befassen. Mit einer ähnlichen Problematik hatte sich vor einigen Jahren auch schon das LG Bonn auseinander gesetzt und in der seinerzeit ersten Entscheidung zu diesem Thema ein virtuelles Hausrecht in Chat-Rooms bestätigt.
Anders als im damaligen Fall standen vor dem OLG Hamburg diesmal wettbewerbsrechtliche Aspekte im Vordergrund. Worum ging es in dem Fall? Die streitenden Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Internethandels mit elektronischen Artikeln. Beide betreiben einen Online-Shop und sind gleichzeitig auch in der bekannten Preis-Suchmaschine "geizhals.de" gelistet. Schon seit längerem bestand zwischen den Streithähnen Uneinigkeit darüber, ob die in der Suchmaschine angegebenen Preise des jeweiligen Konkurrenten auch denen des Shops entsprechen.
Wohl um dies zu überprüfen griff eine der Parteien innerhalb kürzester Zeit sage und schreibe 71-mal auf den Internetshop ihres Konkurrenten zu. Da die Homepage aber üblicherweise vom selben Kunden täglich nicht öfter als fünf Mal besucht wird, registrierte die Sicherheitssoftware des Shopbetreibers die Zugriffe als Angriff auf die Homepage. Ein Systemtechniker, der im Anschluss an die Meldung mit der Problematik befasst wurde, sperrte daraufhin die IP-Nummern des Konkurrenten. Dieser konnte somit auf den Webshop nicht mehr zugreifen. Drei Tage später wurde die Sperre wieder aufgehoben.
Mit dieser Vorgehensweise zeigte der Konkurrent sich jedoch nicht einverstanden. Da er die Maßnahme für wettbewerbswidrig hielt, bemühte er die Gerichte um Klärung der Rechtsfragen.
Jedoch ohne Erfolg! Sowohl das LG als auch das OLG bewerteten die durchgeführte Sperrung der IP-Nummern als rechtmäßig. Die Gerichte führten zunächst aus, dass eine grundsätzliche Pflicht zur Duldung von Kontrollmaßnahmen durch Konkurrenten besteht. Ein Gewerbetreibender, der sich mit seinem Angebot an die Öffentlichkeit wendet, muss bestimmte Maßnahmen wie Testkäufe und Testbeobachtungen im Rahmen des Üblichen im Interesse der Allgemeinheit und der betroffenen Mitbewerber hinnehmen. Das bedeutet also, dass ein Wettbewerber den Zugriff eines Mitbewerbers nicht grundlos sperren darf.
Diese Duldungspflicht kennt jedoch auch Grenzen. Verhält sich der Kontrolleur nicht wie ein normaler Kunde, sind die Testmaßnahmen unzulässig. Dies gilt nach Ansicht der Hamburger Richter dann, wenn die Testmaßnahmen zu Störungen beim Betrieb der Website führen. Dann sind Gegenmaßnahmen – wie hier die Sperrung des vermeintlichen Angreifers – erlaubt. Als Betriebsstörung reicht es nach Auffassung der Richter bereits aus, dass durch die zahlreichen Zugriffe auf die Website die Sicherheitssoftware eine Alarmmeldung ausgibt und sich daraufhin ein Techniker dem Problem annehmen muss.
Fazit: Das virtuelle Hausrecht wurde einmal mehr gerichtlich bestätigt. Ein Testbesuch- oder kauf im Webshop des Konkurrenten ist erlaubt, aber bei massenhaften Zugriffen darf der Konkurrent gesperrt werden. Im Einzelfall ist aber darauf zu achten, dass die Sperrung nicht länger als notwendig aufrecht erhalten wird.
Aus unserer Sicht ein wegweisendes Urteil. In ähnlichen Fällen des missbräuchlichen Zugriffs, wenn also beispielsweise ein Konkurrent massenhaft Google-AdWords anklickt, um einem Wettbewerber Schaden zuzufügen, dürften diese Grundsätze ebenfalls anwendbar sein.
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