Der Diebstahl virtueller Gegenstände - Über die wortwörtliche Geltung juristischer Fachbegriffe
Dass zum Beispiel der „Diebstahl“ geistigen Eigentums Konsequenzen hat, dürfte hinlänglich bekannt sein. Oft wird in vielen Rechtsbereichen von „Diebstahl“ gesprochen, jedoch ist der wortwörtliche „Diebstahl nach deutschem Recht im Strafgesetzbuch „zuhause“. Diebstahl ist im juristischen Sinne also nicht gleich Diebstahl.
Diebstahl virtueller Gegenstände
Eine interessante Frage hatte jetzt ein niederländisches Gericht zu entscheiden. Hier hatten zwei Jugendliche, die Teilnehmer an einem Online-Spiel waren, einen weiteren Teilnehmer dazu gezwungen, zwei virtuelle Gegenstände aus diesem Spiel auf sie bzw. ihre Spiel-Charaktere zu übertragen. Nach Berichten in der niederländischen Presse verurteilte das zuständige Gericht die beiden Täter wegen Diebstahls mit Gewalt. Die Verteidiger führten allerdings im Verfahren aus, dass derartige virtuelle Gegenstände im juristischen Sinne nicht existierten. Dies störte zumindest das niederländische Gericht nicht.
Wegnahme virtueller Gegenstände
Ein spannender Fall, der natürlich die Frage aufwirft, ob eine derartige Tat auch nach deutschem Recht zu ahnden ist. Das Delikt des Diebstahls (§ 242 Strafgesetzbuch) setzt wörtlich die „Wegnahme einer fremden beweglichen Sache“ voraus. Nun könnte sicherlich die Annahme auf der Hand liegen, das ein derartiger Fall, in dem virtuelle Gegenstände entzogen werden, mit welchem Mittel auch immer, eindeutig ein klassischer Diebstahl ist, schließlich ist hier auch jemandem faktisch etwas weggenommen worden. Dem macht das deutsche Recht allerdings einen Strich durch die Rechnung, denn der Straftatbestand des Diebstahls setzt voraus, dass die weggenommene Sache ein körperlicher Gegenstand ist. Virtuelle Gegenstände sind allerdings nicht „greifbar“, sodass hier ein Diebstahl nicht angenommen werden kann. Computergespeicherte Informationen können daher nach dem Wortlaut des Strafgesetzbuches nicht im juristischen Sinne „gestohlen“ werden. Selbstverständlich kann der „Diebstahl“ von geistigem Eigentum, welches beispielsweise lediglich virtuell existieren kann, geahndet werden.
Und auch das deutsche Strafrecht bietet anderweitige Ansatzpunkte, die nun im Folgenden einmal kurz näher beleuchtet werden sollen. Vielleicht kriegen wir die beiden ja noch.
Virtuelles Eigentum als Vermögen?
So gibt es noch den Straftatbestand der Erpressung bzw. der sog. räuberischen Erpressung. Hier wird - einfach gesagt - jemand gewaltsam dazu gezwungen, eine Handlung hinzunehmen oder etwas zu dulden, was seinem Vermögen einen unmittelbaren Nachteil zufügt. Man könnte also darüber nachdenken, den Fall, den die niederländischen Richter zu entscheiden hatten, auf diesem Wege zu ahnden. Doch stellt sich hier noch die spannende Frage, ob virtuelle Gegenstände überhaupt als Vermögen qualifiziert werden können.
Reale Übertragung virtueller Dinge
Grundsätzlich dürften virtuelle Gegenstände, die in dem jeweiligen Spiel lediglich dazu dienen, dem Spieler einen Vorteil zu verschaffen, nach deutschem Recht nicht zum Vermögen gehören. Allerdings ist es denkbar, solche Gegenstände als Vermögen anzusehen, die zwar nur virtuell existieren, jedoch ohne Probleme in der realen Welt zu Geld gemacht werden können. Man denke beispielsweise an die Internet-Plattform „Second Life“, wo das in dieser virtuellen Welt verdiente Geld nach den Spielregeln in echte US-Dollar umgetauscht werden können. Auch bei ebay wechseln Dinge oder Charaktere, die nur im Online-Bereich existieren, für reales Geld den virtuellen Besitzer. Insgesamt dürfte es jedoch eher schwer fallen, virtuelle Güter, die einem im Spiel einen Vorteil verschaffen und vielleicht letztlich auch einen geldwerten Vorteil bringen können, als Vermögen im juristischen Sinne anzusehen. Dies liegt daran, dass das deutsche Recht beispielsweise bloße Chancen auf einen Gewinn nicht als Vermögen ansieht. Dies mag aus der Sicht der Online-Spieler, die viel Zeit in derartige Spiele investieren und denen bei einem Sieg auch eine stattliche Prämie winkt, nicht nachvollziehbar sein.
Daher bleibt festzuhalten, dass sich unsere beiden „Protagonisten“ bisher nach unserem Rechtssystem nicht strafrechtlich belangt werden könnten, sofern der Verkauf von derartigen Gegenständen, beispielsweise bei ebay, nicht völlig üblich wäre. Denn dann könnte man hierüber ggf. einen realen Marktwert solcher Gegenstände ermitteln.
Gewaltsame Übertragung virtueller Gegenstände
Wir gehen jedoch zunächst zugunsten der Täter davon aus, dass sich ein solcher nicht ermitteln ließe. Immerhin bleibt noch ein „Notanker“ (fast im wahren Sinne des Wortes): Die Nötigung. Im vorliegenden Fall hatten unsere Hauptdarsteller ihr Opfer dazu gezwungen, sich in den eigenen Account einzuloggen und die Gegenstände zu übertragen. Dies ist nach deutschem Recht zweifelsfrei als Nötigung anzusehen, welche zwar ebenfalls voraussetzt, dass jemand zu etwas gezwungen wird, jedoch gibt es hier das Kriterium der Vermögensminderung des Opfers nicht. Und so hätten sich unsere beiden „Langfinger“ dann auch bei uns strafbar gemacht.
Festzuhalten bleibt in jedem Fall, dass der (wörtlich gemeinte) Diebstahl virtueller Gegenstände strafrechtlich nicht ohne weiteres zu fassen ist, da im Strafrecht stets strengen Anforderungen an die jeweiligen Straftatbestände und deren Voraussetzungen zu stellen sind. In jedem Fall lässt sich aber der Klau von Daten, Ideen etc. im Internet ahnden, und sei es auch nicht immer nach dem Strafgesetzbuch.
Sollten Sie hierzu Fragen oder Probleme haben, sprechen Sie uns gerne an.