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Das "Anti-Abmahngesetz" tritt in Kraft

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Das "Anti-Abmahngesetz" tritt in Kraft

von Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL.M.
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Fachanwalt für IT-Recht

Am 2. Dezember 2020 ist nun das sogenannte "Anti-Abmahngesetz", genauer gesagt das "Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs" im UWG in Kraft getreten. Abstimmung. Insbesondere missbräuchliche Massenabmahnungen sollen sich danach nicht mehr lohnen.

Nachdem das Gesetz am 10. September 2020 vom Bundestag verabschiedet wurde, passierte das Gesetz (<media 8611 _blank - "Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs">Drucksache 19/12084, letzte Fassung siehe hier</media>) am 9. Oktober 2020 den Bundesrat. Der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzesentwurf musste sich bereits im Vorfeld einige Kritik gefallen lassen. Eine in allen Punkten Klarheit schaffende Regelung sieht bestimmt anders aus. Letztendlich wird es vorbehaltlich einer Zustimmung durch den Bundesrat im Anschluss - wie bisher auch - Sache der Rechtsprechung sein, dem leidigen Thema des Abmahnmissbrauchs Einhalt zu bieten. Was überhaupt eine eine Abmahnung ist, lesen Sie bitte gern hier. Aber was regelt das neue Gesetz genau? Hier nur einige erste Anhaltspunkte:

I. Anspruchsberechtigung von Wettbewerbern und Wirtschaftsverbänden

a) Abmahnende Mitbewerber müssen künftig nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG (neu) tatsächlich geschäftlich tätig sein und in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich ähnliche Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen. Diese Regelung ist zu begrüßen, da aus Sicht des Verfassers hiermit tatsächlich den klassischen Ebay-Accounts die zufällig Kosmetika, Mundschutzmasken, Duftwässer, Lebensmittel, Bekleidung/Mode und was auch sonst noch immer vertreiben, nur um möglichst breit abmahnen zu können, die Klagebefugnis entzogen werden könnte.

b) Die Klagebefugnis von Wirtschaftsverbänden wird davon zukünftig abhängig gemacht, dass sich diese auf einer Liste der so genannten qualifizierten Wirtschaftsverbände haben aufnehmen lassen. Dies erfolgt auf Antrag des Verbands, wenn dieser 

1) mindestens 75 Unternehmer als Mitglieder hat,

2) er zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens einem Jahr seine satzungsmäßigen Aufgaben wahrnimmt

und

3) auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit sowie seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung gesichert erscheint, dass er zum einen seine satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen wird und zum anderen seine Ansprüche nicht vorwiegend geltend machen wird, um für sich Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen

sowie schließlich

4) seinen Mitgliedern keine Zuwendungen aus dem Verbandsvermögen gewährt werden und Personen, die für den Verband tätig sind, nicht durch unangemessen hohe Vergütungen oder andere Zuwendungen begünstigt werden.

Die Voraussetzungen der Eintragung und deren weitere Erfüllung werden vom Bundesamt für Justiz (BfJ) überprüft. Hier bleibt abzuwarten, wie sinnvoll diese Regelungen sind und ob eine hinreichende Überprüfung erfolgt.

II. Formale Anforderungen an von Abmahnungen

Wohl um das Massenabmahngeschäft einzudämmen, stellt das Gesetz nunmehr konkrete Anforderungen an den Inhalt von Abmahnungen. Nach 13 Abs. 2 UWG soll aus der Abmahnung ohne weiteres zu erkennen sein, welches ganz konkrete Verhalten dem Abgemahnten vorgeworfen wird und warum dieses zu einer Rechtsverletzung führe. Im Übrigen schreibt das Gesetz vor, dass u.a. folgendes in der Abmahnung klar und hinreichend verständlich angegeben werden muss:

Name oder Firma des Abmahnenden sowie, im Fall einer Vertretung, zusätzlich Name oder Firma des Vertreters,

die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG,

ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet,

die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände.

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber im Massengeschäft manchmal offenbar nicht so leicht. Sind diese Vorgaben nicht erfüllt, führt bereits dies dazu, dass ein Schadensersatzanspruch in Höhe zumeist der Anwaltskosten nicht entsteht. Die richtigen Serien- oder Massenabmahner werden diese Vorgaben allerdings kaum von ihrem Verhalten abhalten, da diese Vorgaben leicht, wenn auch manchmal mit ein wenig Mehraufwand zu erfüllen sein dürften.

III. Regelungen zu vermeintlichem Rechtsmissbrauch bei Abmahnungen

Das Gesetz zählt einige Beispiele missbräuchlicher Abmahnungen auf, wobei den genannten Beispielen lediglich eine Indizwirkung für einen Missbrauch zukommen und eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände erforderlich sein soll. Hiernach soll eine solche im Zweifel anzunehmen sein, wenn

  • die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen,

  • ein Mitbewerber eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend macht, wenn die Anzahl der geltend gemachten Verstöße außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit steht oder wenn anzunehmen ist, dass der Mitbewerber das wirtschaftliche Risiko seines außergerichtlichen oder gerichtlichen Vorgehens nicht selbst trägt,

  • ein Mitbewerber den Gegenstandswert für eine Abmahnung unangemessen hoch ansetzt,

  • offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen vereinbart oder gefordert werden,

  • eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht,

  • mehrere Zuwiderhandlungen, die zusammen hätten abgemahnt werden können, einzeln abgemahnt werden

    oder

  • wegen einer Zuwiderhandlung, für die mehrere Zuwiderhandelnde verantwortlich sind, die Ansprüche gegen die Zuwiderhandelnden ohne sachlichen Grund nicht zusammen geltend gemacht werden.

Wenn eine Abmahnung allerdings tatsächlich rechtsmissbräuchlich ist, steht dem Abgemahnten ein Gegenanspruch zu. Er kann nach dem neuen § 8 Abs. 3 UWG Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen. Insbesondere die Formulierung “eine missbräuchliche Geltendmachung ist im Zweifel anzunehmen, wenn” bedeutet aber, dass letztendlich es dem Abgemahnten vollständig aufgebürdet wird, die diesbezüglichen Umstände recherchieren und darlegen zu müssen.

IV. Gegenanspruch des Abgemahnten

Bei rechtsmissbräuchlichen, formell unzureichenden oder aus sonstigen Gründen unberechtigt Abmahnungen, steht dem Abgemahnten ein Gegenanspruch in Höhe der diesem entstandenen Kosten gegen den Abmahnenden zu, § 13 Abs. 5 UWG. So etwas wie Vorsatz des Abmahnenden ist hierfür nicht erforderlich oder nachzuweisen. Es reicht völlig, dass kein Rechtsverstoß vorliegt oder die Abmahnung nicht den formalen Anforderungen genügt. Interessanterweise ist dieser Anspruch allerdings in der Höhe auf den durch die Abmahner in der Abmahnung geltend gemachten Betrag beschränkt und sogar ganz ausgeschlossen, wenn die fehlende Berechtigung der Abmahnung für den Abmahner zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht zu erkennen war.

V. Keine Kostentragung bei bestimmten Verstößen

Bei Abmahnungen wegen Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien oder datenschutzrechtliche Verstöße gegen die DSGVO oder das BDSG, soll es keine Erstattung der Abmahnkosten für den Abmahner mehr geben. Letztgenannter Ausschluss gilt allerdings nur gegenüber Unternehmen und Vereinen, die in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen.

Zurecht wird darauf vielfach hingewiesen, dass das Gesetz an dieser Stelle doch etwas über das Ziel hinausschießt. Während sicher kleinere Hinweispflichten in einem Impressum oder ein fehlender Hinweis bezüglich aller Feinheiten des Widerrufsrechts tatsächlich erfreulicherweise von einer Kostentragungspflicht des Abgemahnten ausgenommen werden, wird die Tatsache das sämtliche Verstöße gegen Informationspflichten von Mitbewerbern nur noch auf eigene Kosten beseitigt werden können, dazu führen, dass diese an vielen Stellen nur noch unzulänglich erfüllt und eben gar nicht mehr abgemahnt werden.

VI. Vertragsstrafe

Grundsätzlich wird durch die Erstbegehung eines Verstoßes die sogenannte Wiederholungsgefahr begründet, die wiederum bislang lediglich durch ein strafbewehrtes Unterlassungsversprechen ausgeräumt werden konnte. Das bedeutete, dass der Abgemahnte für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Zusage, das Verhalten zukünftig zu unterlassen, die Zahlung einer ernstzunehmenden Vertragsstrafe untermauern musste.

Abmahnende Wettbewerber dürfen nunmehr eine solche Vertragsstrafe nicht mehr im Rahmen einer erstmaligen Unterlassungsverpflichtung fordern. Das ist ein Novum und gilt nur für den Fall, dass der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt.

Erfolgt die erstmalige Abmahnung des Verstoßes dagegen durch einen Wirtschaftsverband, eine qualifizierten Einrichtung, eine Industrie- und Handelskammer, eine Handwerkskammer oder Gewerkschaft, besteht auch weiterhin die Möglichkeit,zur Streitbeilegung unmittelbar die Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung zu verlangen, was naturgemäß zu einer Verlagerung auf diese führen dürfte.

In einfach gelagerten Fällen soll die Vertragsstrafe für Abgemahnte, die in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigen, bei Verstößen auf maximal 1.000 Euro begrenzt werden. Auch hier wird es durch die Gerichte umfangreich zu klären sein, was denn einfach gelagerter Fälle sind und was nicht.

VII. Der sogenannte fliegender Gerichtsstand

Unter dem fliegenden Gerichtsstand versteht man grundsätzlich die bisherige Rechtspraxis, dass ein Gerichtsstreit wegen einer verbotenen Handlung grundsätzlich nicht nur – wie immer am Sitze des Beklagten – anhängig gemacht werden kann, sondern auch dort wo die Handlung begangen wurde. Das ist seit jeher bei Internetsachverhalten grundsätzlich überall dort, wo der Verstoß abgerufen werden kann. Also grundsätzlich überall.

Das hatte zur Folge, dass sich in vielen Fällen der Angreifer das erkennende Gericht deutschlandweit aussuchen konnte.

Nach dem neuen § 14 Abs. 2 UWG wird der fliegende Gerichtsstand bei Verstößen eingeschränkt, die auf Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werde. Das bedeutet, dass dort dann wieder der allgemeine Gerichtsstand, also der Wohnort oder der Sitz des Beklagten, gilt. Der Verfasser glaubt, wie viele andere Kollegen, dass gerade diese Aufhebung keineswegs zur Eindämmung von Abmahnungen und Unterlassungsverfahren führen wird, weil sich - aus unserer Erfahrung heraus - die schwarzen Schafe, die sich auf solche Geschäftsmodelle spezialisiert haben, durch eine längere Anfahrt zum Gericht nicht von den Verfahren und schon gar nicht von den zuvor auszusprechenden Abmahnungen abhalten lassen werden.

Die Festlegung von Spezialzuständigkeiten von bestimmten Gerichten in den einzelnen Bundesländern wären wohl eine bessere Lösung gewesen.

VIII. Deckelung des Streitwerts

Sollte es zum gerichtlichen Verfahren nach einer Abmahnung kommen, wird der Streitwert verringert. Bei Zuwiderhandlungen, die angesichts ihrer Art, ihrer Schwere, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigen, gilt der Auffangwert von lediglich 1.000 Euro. 

 

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