Leitsätzliches
Das "Abgreifen" des analogen Signals einer kopiergeschützten digitalen Musikdatei verletzt nicht den Kopierschutz und stellt somit keine unzulässige Umgehung nach § 95b Abs.3 UrhG dar.Es ist hingegen wettbewerbswidrig, wenn durch den Vertrieb der Software Kunden zum Vertragsbruch verleitet werden, die heruntergeladene Musik auch nach Vertragsbeendigung noch zu nutzen.
LANDGERICHT FRANKFURT AM MAIN
IM NAMEN DES VOLKES
TEILANERKENNTNIS- UND SCHLUSSURTEIL
Aktenzeichen: 2-06 O 288/06
Entscheidung vom 31. Mai 2006
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
...
hat das Landgericht Frankfurt am Main - 6. Zivilkammer – durch …
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31.05.2006 für Recht erkannt:
Die Antragsgegner werden im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt,
1. es bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000,00 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für die Antragsgegnerin zu 1.) zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs eine Software zur Herstellung von Vervielfältigungen beim N. Musikdienst der Antragstellerin zu 1.) abgerufener Musikdateien, die mit dem Digital Rights Management System von Microsoft Version 9 und/oder Version 10 (Janus) verschlüsselt sind, zu verbreiten und/oder zu bewerben, letzteres insbesondere mit den folgenden Werbeaussagen:
a) N. - die neue Musik-Flatrate - Für knapp 15 Euro so viel Musik hören und downloaden, bis der Arzt kommt. Doch das geht nur so lange, wie man auch tatsächlich die Flaterate abonniert hat. Sobald man kein zahlendes Mitglied mehr ist, sind die ganzen schönen Musik-Downloads unbrauchbar. Dank DRM (Digital Rights Management) lassen sich die teuer bezahlten Musik-Files nicht mehr abspielen und verschwenden nur noch Platz auf Ihrer Festplatte“;
und/oder
b) „Hier kommt N. mit N. schneiden Sie auf technisch legale Weise Ihre Musik über die Soundkarte ganz einfach mit und schon können Sie Ihre Privatkopie hören, so oft und wo immer Sie wollen“;
und/oder
c) „clever: -Flatrate-Beschränkung einfach umgehen- schnell: ohne Umwege zu eigenen Songs - legal: analog aufnehmen und für die Ewigkeit sichern“;
und/oder
d) „clever. schnell. legal. Damit der Flatrate-Schuß nicht nach hinten losgeht!“;
und/oder
e) N.-Songs aufnehmen (mp3 und OGG) und für die Ewigkeit sichern - Musik ab sofort unbegrenzt hören - Einzelne Songs oder ganze Ordner aufzeichnen und sichern“;
und/oder
f) „Da freut sich Ihr mp3-Player - natürlich können Sie Ihre analog aufgezeichneten Musikstücke ab sofort auch auf Ihrem mp3-Player kopieren und damit anhören“;
und/oder
g) „Tipp - Schließen Sie das kostenlose 7-Tage-Abo der N.-Flatrate ab und probieren Sie aus, was geht“;
wie insbesondere im Internet und auf der Produktverpackung geschehen,
2. der Antragstellerin zu 2.) unverzüglich Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der Datenträger und Verpackungsmaterialien, insbesondere wie vorstehend unter Ziffer 1) wiedergegeben, nebst Einlegern zu erteilen, die mit dem Kennzeichen „N.“ versehenen sind, und dabei insbesondere Namen und Anschrift des Herstellers und der Lieferanten sowie der gewerblichen Abnehmer und Auftraggeber sowie die Menge der erhaltenen, hergestellten, bestellten und, auch direkt an Endkunden, ausgelieferten Stücke mitzuteilen;
3. sämtliche in den Geschäfts- und Lagerräumen der Antragsgegnerin zu 1.) und des Antragsgegners zu 2.), darunter auch die von der Antragsgegnerin zu 1.) bei der P. Verlagsauslieferungs GmbH, unterhaltene Lagerräume, vorhandenen Datenträger und Verpackungsmaterialien, insbesondere wie vorstehend unter Ziffer 1) wiedergegeben, nebst Einlegern, die mit dem Kennzeichen „N.“ versehenen sind, an einen von der Antragstellerin zu 2.) zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben.
4. Im übrigen werden die Verfügungsanträge zurückgewiesen.
5. Die Antragsgegner haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über eine Umgehungssoftware für einen gebührenpflichtigen Online-Musikdienst.
Die Antragstellerinnen gehören zur N.-Gruppe, die einen internationalen Online-Music-Service betreibt. Die Antragstellerin zu 1 betreibt den Dienst in Deutschland. Die Antragstellerin zu 2 ist Inhaberin der nationalen Marke „N.“. Mit dem Online-Music-Service wird Kunden unter anderem eine „Music-Flatrate“ angeboten, bei der es sich um eine Art Abonnement handelt. Gegen Zahlung einer monatlichen Gebühr von EUR 9,95 ist es den Nutzern erlaubt, Musikdateien aus dem Gesamtrepertoire der Antragstellerinnen herunter zu laden. Die Kunden müssen vorher ihr Einverständnis mit den Geschäftsbedingungen der Antragstellerin zu 1 erklären. Nach den Geschäftsbedingungen dürfen die herunter geladenen Dateien nicht mehr zur Musikwiedergabe genutzt werden, wenn das Flatrate-Abonnement beendet ist. Nach Ende des Flatrate-Abonnements ist das Abspielen grundsätzlich auch nicht mehr möglich. Denn die Dateien sind durch ein Digital Rights Management System (DRM) geschützt. Das DRM-System führt dazu, dass die Dateien nur mit einem Lizenzschlüssel abgespielt oder vervielfältigt werden können.
Nach Ablauf des Abonnements erlischt die Zugangsmöglichkeit.
Die Antragsgegnerin zu 1 ist ein Fachverlag für Bücher und Software in den Bereichen Elektronik und Computer. Sie vertreibt ihre Produkte sowohl an Endkunden als auch an Wiederverkäufer. Unter anderem vertrieb die Antragsgegnerin zu 1 das Softwareprodukt „N. DirectCut“. Der Antragsgegner zu 2 ist ein Abnehmer des Produkts, das er an Endabnehmer weiter verkaufte. Das Softwareprodukt „N. DirectCut“ ermöglicht es, bei der Antragstellerin abgerufene Musikdateien trotz des DRM-Schutzes zu vervielfältigen und dauerhaft zu speichern. Am Ende des Vervielfältigungsvorgangs steht dem Nutzer eine digitale, nicht kodierte Musikdatei zur Verfügung.
Die Antragsgegner haben mit Schreiben vom 11.04.20006 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hinsichtlich der Verbreitung des Produkts mit der Bezeichnung „N. DirectCut“ abgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlagen AS 4, AS 5 und AS 7 Bezug genommen.
Die Antragstellerinnen behaupten, bei der Software „N. DirectCut“ handele es sich um eine Umgehungsvorrichtung im Sinne des § 95a UrhG. Nicht erst das beim Abspielen entstehende analoge Signal, sondern die digitale Musikdatei der Antragstellerin zu 1 sei Quelle der Vervielfältigung.
Die Antragstellerinnen beantragen,
die Antragsgegner zu verurteilen,
1. es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs eine Software zur Herstellung von Vervielfältigungen beim Musikdienst der Antragstellerin zu 1) abgerufener Musikdateien, die mit dem Digital Rights Management System von Microsoft Version 9 und/oder Version 10 (Janus) verschlüsselt sind, zu besitzen, zu verbreiten sowie zu bewerben, letzteres insbesondere mit den folgenden Werbeaussagen:
a) „N. - die neue Musik-Flatrate - Für knapp 15 Euro so viel Musik hören und downloaden, bis der Arzt kommt. Doch das geht nur so lange, wie man auch tatsächlich die Flaterate abonniert hat. Sobald man kein zahlendes Mitglied mehr ist, sind die ganzen schönen Musik-Downloads unbrauchbar. Dank DRM (Digital Rights Management) lassen sich die teuer bezahlten Musik-Files nicht mehr abspielen und verschwenden nur noch Platz auf Ihrer Festplatte";
b) „Hier kommt N. - mit N. schneiden Sie auf technisch legale Weise Ihre Musik über die Soundkarte ganz einfach mit und schon können Sie Ihre Privatkopie hören, so oft und wo immer Sie wollen”;
c) „clever: N. /Flatrate-Beschränkung einfach umgehen- schnell: ohne Umwege zu eigenen Songs - legal: analog aufnehmen und für die Ewigkeit sichern”;
d) „clever. schnell. legal. Damit der Flatrate-Schuß nicht nach hinten losgeht!”;
e) N. Songs aufnehmen (mp3 und OGG) und für die Ewigkeit sichern - Musik ab sofort unbegrenzt hören - Einzelne Songs oder ganze Ordner aufzeichnen und sichern` ;
f) „Da freut sich Ihr mp3-Player - natürlich können Sie Ihre analog aufgezeichneten Musikstücke ab sofort auch auf Ihrem mp3-Player kopieren und damit anhören”;
g) „Tipp Schließen sie das kostenlose 7-Tage-Abo der Napster-Flatrate ab und probieren Sie aus, was geht“
wie insbesondere im Internet und auf den im Tenor wiedergegebenen Werbeaussagen und Produktverpackungen geschehen
2. Der Antragsgegnerin zu 1) und dem Antragsgegner zu 2) jeweils aufzugeben, den Antragstellerinnen zu 1) und zu 2) unverzüglich Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der vorstehend unter Ziffer 1. beschriebenen Software-Anwendung zu erteilen und dabei insbesondere Namen und Anschrift des Herstellers und der Lieferanten sowie der gewerblichen Abnehmer und Auftraggeber sowie die Menge der erhaltenen, hergestellten, bestellten und, auch direkt an Endkunden, ausgelieferten Stücke mitzuteilen.
3. Sämtliche in den Geschäfts- und Lagerräumen der Antragsgegnerin zu 1) und des Antragsgegners zu 2), darunter auch die von der Antragsgegnerin zu 1) bei der Prolit Verlagsauslieferungs GmbH, unterhaltenen Lagerräume, vorhandenen Datenträger, welche die vorstehend unter Ziffer 1. beschriebenen Software-Anwendung enthalten nebst Verpackung, die jener unter Ziffer 1. wiedergegebenen Verpackung entsprechen, und Einlegern durch von den Antragstellerinnen zu 1) und 2) zu beauftragende Gerichtsvollzieher in Verwahrung nehmen zu lassen. Den Gerichtsvollzieher anzuweisen,
die vorstehend bezeichneten Datenträger und Verpackungen in Verwahrung zu nehmen und zum Zwecke des Auffindens dieser Waren diese Geschäfts- und Lagerräume der Antragsgegnerin zu 1) und des Antragsgegners zu 2), einschließlich jene bei der der Prolit Verlagsauslieferungs GmbH – auch gegen Widerstand – zu durchsuchen und dabei verschlossene Türen und Behältnisse zu öffnen oder öffnen zu lassen.
hilfsweise:
- wie erkannt. –
Im Übrigen haben die Antragstellerinnen die Verfügungsanträge zurückgenommen.
Die Antragsgegner haben den Hilfsantrag zu 2. und 3. (Schriftsatz vom 11.05.2006) anerkannt.
Die Antragsgegner beantragen im Übrigen,
die Eilanträge zurückzuweisen.
Die Antragsgegner behaupten, die Software „N. DirectCut“ führe lediglich eine analoge Aufnahme am WaveOut-Ausgang der Soundkarte durch. Eine Decodierung der DRM-geschützten Dateien erfolge nicht.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zur Akte gelangten Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Hauptantrag zu 1. (Schriftsatz vom 10.05.06) ist unbegründet.
Es fehlt an einem Verfügungsanspruch. Die Antragstellerin zu 1 hat gegen die Antragsgegner keinen Anspruch auf Unterlassung des Besitzens einer Software zur Herstellung von Vervielfältigungen beim Musikdienst der Antragstellerin zu 1, die mit dem DRM-System verschlüsselt sind. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 97 I, 95a III UrhG. Nach § 95a I UrhG dürfen wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach diesem Gesetz geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht umgangen werden. Nach § 95a III UrhG ist unter anderem der Besitz entsprechender Vorrichtungen zu gewerblichen Zwecken verboten.
Eine technische Maßnahme ist gemäß § 95 II S. 2 UrhG wirksam, soweit durch sie die Nutzung eines geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes von dem Rechtsinhaber unter Kontrolle gehalten wird. Das bedeutet, dass die Schutzvorrichtung nicht so leicht ausschaltbar sein darf, dass sie nicht als wirkliches technisches Hindernis angesehen werden kann (vgl. Wandtke/Bullinger/Ohst, 2. Aufl., § 95a, Rn. 50). Es ist auf die Situation des durchschnittlichen Benutzers abzustellen, der durch die technischen Schutzmechanismen von Verletzungen des Urheberrechts abgehalten werden kann (Stickelbrock, GRUR 2004, 736, 738).
Vorliegend ist zwischen den Parteien streitig, ob die angegriffene Software die digitale Musikdatei direkt kopiert, oder zunächst das analoge Signal beim Abspielvorgang auffängt und die so gewonnenen analogen Daten später redigitalisiert. Die Antragstellerinnen konnten nicht nachweisen, dass die Software der Antragsgegner bereits die digitale Musikdatei der Antragstellerin zu 1 als direkte Quelle zur Vervielfältigung nutzt. Aus der Antragsschrift wie auch aus den Folgeschriftsätzen geht hervor, dass die Antragstellerinnen die genaue Wirkungsweise der Software der Antragsgegner nicht entschlüsseln konnten. In der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen S. vom 07.05.2006 heißt es, man habe nicht feststellen können, ob das Programm wirklich ein analoges Signal von der Soundkarte zum Kopieren nutzt. Die Klanganalysen des Tontechnikers S. sind kein geeignetes Beweismittel. Der Zeuge S. hat herausgefunden, dass die Qualität der Kopien „nur unwesentlich“ vom Original abweicht. Dieser Umstand reicht nicht aus, um vernünftige Zweifel an einer unmittelbaren Kopie der digitalen Datei auszuschließen. Es ist daher zugunsten der Antragsgegner zu unterstellen, dass die Software nicht die digitalisierte Datei, sondern das analoge Signal kopiert.
Wenn der Nutzer bei bestehendem digitalen Kopierschutz eine analoge Kopie zieht, liegt jedoch keine Umgehung einer wirksamen technischen Maßnahme vor. Der technische Kopierschutz ist insoweit nicht wirksam. Das DRM-System der Antragstellerinnen zielt nicht darauf ab, analoge Kopien der Dateien zu verhindern. Dies wäre letztlich auch nicht realisierbar, weil das analoge Signal immer zumindest durch externe Geräte aufgefangen werden kann. Die Wirksamkeit hinsichtlich analoger Kopien ist deshalb nicht gegeben (Wandtke/Bullinger/Ohst, 2. Aufl., § 95a, Rn. 51). Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen macht es keinen Unterschied, ob das analoge Signal innerhalb des PC oder durch externe Geräte abgegriffen wird. Die digitale Schutzvorrichtung ist in beiden Fällen nicht wirksam. Die Kammer folgt auch nicht der Auffassung, wonach § 95a UrhG dann eingreifen soll, wenn die analoge Kopie nur ein Zwischenschritt zur Herstellung einer digitalen Kopie ist (vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel-Dreyer, § 95a, Rn. 24). Denn der digitale Kopierschutz wirkt gerade nicht gegen die Redigitalisierung einer analogen Kopie.
Die Hauptanträge zu 2. und zu 3. (Schriftsatz vom 10.05.06) sind unbegründet. Die Antragstellerin kann ihre Ansprüche auf Drittauskunft und Vernichtung der Verletzerstücke im Eilverfahren nicht geltend machen. Die Anträge sind auf den Antrag zu 1. rückbezogen und erfassen damit die vermeintlichen urheberrechtlichen Verletzungshandlungen.
Sie sind nicht auf die Verletzung der Marke „N.“ zugeschnitten.
Eine Urheberrechtsverletzung liegt jedoch nicht vor. Die Ansprüche auf Drittauskunft und Vernichtung der Verletzerstücke können auch nicht auf eine Wettbewerbsverletzung gestützt werden. Einen Anspruch auf Vernichtung sieht das UWG nicht vor. Ein Anspruch auf Drittauskunft kann, da die entsprechenden Vorschriften der Sonderschutzrechte nicht analogiefähig sind, nur im Klagewege geltend gemacht werden (OLG Frankfurt, NJOZ 2002, 1113).
Der Hilfsantrag zu 1. (Schriftsatz vom 11.05.06) ist zulässig und begründet.
Es besteht ein Verfügungsgrund. Die Dringlichkeit wird gemäß § 12 II UWG vermutet.
Es besteht ein Verfügungsanspruch. Die Antragstellerin zu 1 hat gegen die Antragsgegner einen Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung und Bewerbung einer Software zur Herstellung von Vervielfältigungen beim Musikdienst der Antragstellerin zu 1, die mit dem DRM-System verschlüsselt sind aus §§ 3, 4 Nr. 10, 8 UWG.
Die Antragsgegner sind als Mitbewerber passiv legitimiert. Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Zwar bieten die Parteien keine direkt substituierbaren Leistungen an. Im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes sind an das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses jedoch keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere wird keine Branchengleichheit vorausgesetzt. Jedenfalls bei behindernden Wettbewerbshandlungen genügt es, dass die Parteien durch eine Handlung miteinander in Wettbewerb getreten sind, auch wenn ihre Unternehmen im Übrigen unterschiedlichen Branchen angehören (BGH GRUR 2004, 877, 879 – Werbeblocker; vgl. auch BGH GRUR 1990, 375, 376 – Steuersparmodell). Es kommt deshalb nur darauf an, dass sich die Parteien mit ihren Produkten an den gleichen Kundenkreis wenden (vgl. BGH GRUR 2004, 877, 879 – Werbeblocker; OLG Frankfurt, NJW 1996, 264). Die Antragsgegner wenden sich mit ihrer Software an Kunden der Antragstellerin zu 1, die zumindest über ein Probe-Abo verfügen, um Musiktitel herunterladen zu können.
Der Vertrieb und die Bewerbung der Software „N. DirectCut“ stellt einen Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG dar. Nach dieser Vorschrift handelt wettbewerbswidrig, wer Mitbewerber gezielt behindert. Unter einer wettbewerbswidrigen Behinderung ist eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten des Mitbewerbers zu verstehen (vgl. BGH GRUR 2001, 1061 - Mitwohnzentrale.de). Da grundsätzlich jeder Wettbewerb die Mitbewerber beeinträchtigen kann, müssen weitere Umstände hinzutreten, damit von einer unzulässigen individuellen Behinderung gesprochen werden kann. Die Behinderung muss „gezielt“ sein. Dies bedeutet, dass bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls die Maßnahme in erster Linie nicht auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung, sondern auf die Störung der fremden wettbewerblichen Entfaltung gerichtet ist (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 24. Aufl., § 4 Rn. 10.7)
Eine Behinderung kann auch in einer mittelbaren Einwirkung auf die Ware oder Dienstleistung des Mitbewerbers liegen. So verhält es sich bei dem Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen, die geeignet sind, Dritten einen unberechtigten kostenlosen Zugang zu einer entgeltlich angebotenen Leistung zu verschaffen (vgl. BGH GRUR 2004, 877, 879 – Werbeblocker; OLG Frankfurt, NJW 1996, 264). So liegt der Fall hier. Die von den Antragsgegnern vertriebene Software hindert die Antragstellerin daran, ihre Flatrate-Leistungen auf dem Markt in angemessener Weise zur Geltung zu bringen. Denn wer die Möglichkeit hat, Dateien bei nur einmaliger Bezahlung oder im Rahmen eines kostenlosen Probeabonnements dauerhaft abspielen zu können, wird kein längerfristiges Abonnement in Anspruch nehmen. Die Software zielt darauf ab, den entgeltlichen Dienst der Antragstellerin kostenlos zu umgehen. Sie ist damit auf Störung der wettbewerblichen Entfaltung der Antragstellerin gerichtet.
Außerdem stellen der Vertrieb der Software und die entsprechende Bewerbung eine Verleitung der Kunden der Antragstellerin zum Vertragsbruch dar. Die Verleitung von Kunden des Mitbewerbers zum Vertragsbruch ist im Regelfall ohne weiteres unlauter (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 24. Aufl., § 4 Rn. 10.36). Die Antragsgegner wenden sich mit ihrer Software an Kunden der Antragstellerin zu 1, die zumindest über ein Probe-Abo verfügen, um Musiktitel herunterladen zu können. Die Antragstellerinnen haben unwidersprochen vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass Kunden vor der Nutzung des Musikdienstes ihr Einverständnis mit den Geschäftsbedingungen der Antragstellerin zu 1 erklären müssen und dass nach den Geschäftsbedingungen die herunter geladenen Dateien nicht mehr zur Musikwiedergabe genutzt werden dürfen, wenn das Flatrate-Abonnement beendet ist. Diese Vertragsbestimmung wird von Kunden gebrochen, die mittels der Software „N. DirectCut“ Musikdateien für den dauerhaften Gebrauch kopieren.
Die Antragsgegner können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, ein urheberrechtlich zulässiges Verhalten dürfe nicht über den Umweg des Wettbewerbsrechts untersagt werden. Die Antragstellerin zu 1 hat ihre Kunden vertraglich verpflichtet, die zur Verfügung gestellten Dateien nur während des Abonnements zu benutzen. Diese Vertragsbestimmung ist urheberrechtlich nicht zu beanstanden. Sie verstößt insbesondere nicht gegen das Recht zur Privatkopie gemäß § 53 I UrhG. Nach § 95b UrhG darf das Recht zur Privatkopie teilweise nicht durch technische Schutzmaßnahmen umgangen werden. Ein Anwendungsfall aus dem Katalog des § 95b I UrhG ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Ohnehin gilt die Beschränkung gemäß § 95b III UrhG nicht, wenn Werke aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung in einer Weise öffentlich zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind. Davon ist unter anderem die Privatkopie im Wege des Downloading erfasst (Dreier/Schulze-Dreier, 2. Aufl., § 95b, Rn. 17).
Dies bedeutet im Ergebnis, dass Nutzer von online angebotenen Musikdateien keinen Anspruch gegenüber dem Online-Musikdienst auf das Fertigen von Privatkopien haben. Die Nutzung von Vervielfältigungen darf deshalb vertraglich beschränkt werden.
Die Wiederholungsgefahr ist nicht durch die mit Schreiben vom 11.04.20006 abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung entfallen. Die Unterlassungserklärung ist nicht eindeutig. Der Wortlaut „das Produkt „napster DirectCut““ zu verbreiten bzw. ihr Produkt „mit der Bezeichnung „N. DirectCut““ weiter zu verbreiten, lässt eine Auslegung zu, wonach sich die Antragsgegner nur hinsichtlich der markenverletzenden Bezeichnung, nicht jedoch hinsichtlich der Software selbst verpflichten wollen. Für diese Auslegung spricht das Schreiben vom 13.04.2006, in dem die Antragsgegner ausdrücklich darauf hinweisen, dass sie den Vertrieb der Software urheberrechtlich für zulässig halten. In der mündlichen Verhandlung hat der Programmleiter der Antragsgegner auch ausdrücklich eingeräumt, dass man sich vorbehalten wolle, evt. später den Vertrieb einer entsprechenden Software unter einer anderen Bezeichnung wieder aufzunehmen.
Hinsichtlich der Hilfsanträge zu 2. und zu 3. (Schriftsatz vom 11.05.06) waren die Antragsgegner entsprechend ihrem Anerkenntnis zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II ZPO.
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