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Kein "April, April!" - Der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV)

Der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV)

Was bringen die neuen Regelungen

, insbesondere für die virtuelle Erotikbranche?

von Rechtsanwalt Michael Terhaag

 

 

Der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) trat am 1. April 2003 in Kraft. Hierdurch soll bundesländerübergreifend eine einheitliche Regelung wiederkehrender Sachverhalte rund um den Jugendschutz für alle elektronischen Online-Medien geschaffen werden.

Neben den insbesondere von der Erotikbranche heiß diskutierten Themen gibt es noch andere interessante Regelungen.
So werden zum Beispiel der Werbung und dem Teleshopping in § 6 JMStV hinsichtlich des Jugendschutzes ausdrückliche Grenzen aufgezeigt.
Darüber hinaus sollte vor dem Hintergrund der derzeitigen Berichterstattung über den Irak-Krieg § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 JMStV an Bedeutung gewinnen. Dieser verbietet menschenwürdeverletzende Sendungen, welche insbesondere dann vorliegen sollen, wenn sterbende oder leidende Menschen dargestellt werden, ohne dass hierfür ein berechtigtes Interesse vorliege. Zwar sind Nachrichtensendungen und Sendungen zum politischen Zeitgeschehen nach § 5 Abs. 6 JMStV privilegiert, aber reißerische Darstellungen, die über das Bedürfnis an Information hinausgehen, werden ausdrücklich verboten.
Die Bestimmungen sind insgesamt -wie so häufig bei gesetzgeberischen Neuentwicklungen- eher schwammig, sodass erst die Praxis und Rechtssprechung Klarheit schaffen kann.

Jugendschutzbeauftragte
Das Erfordernis eines so genannten Jugendschutzbeauftragten wird allgemein erweitert (z.B. auch für Suchmaschinenbetreiber), aber u.a. von Mitarbeiterzahl und Seitenzugriffen abhängig gemacht. Mit der Qualifikation eines solchen haben sich die Länder nicht besonders ausführlich befasst. Dieser muss „die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderliche Fachkunde besitzen“. Rechtsberatung ist hiermit nicht ausdrücklich erfasst, dürfte natürlich allerdings weiterhin nicht von jedermann erbracht werden können.

Pornographie und deren Zugänglichmachen
Angebote die Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbezogener Körperhaltung darstellten sind unzulässig, was eine durchaus erfreuliche Klarstellung darstellt. Die harte Pornographie i.S.d. § 184 Abs. 3 StGB (also solche mit Gewalttätigkeiten, dem Missbrauch von Kindern und Sodomie) ist in allen Online-Medien weiterhin ausdrücklich verboten. Die einfache Pornographie hingegen nur im Rundfunk. Dies bedeutet, dass erotische Inhalte und Pornographie im Internet grundsätzlich weiter erlaubt sind. Entscheidend ist nach wie vor dem 1. April 2003 wem und wie sie zugänglich gemacht wird.

Stichwort Alterskontrolle
Sinn und Zweck der allgemeinen Alterskontrolle ist für die Betreiber vordergründig, einer Strafbarkeit gemäß § 184 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches (StGB), der Verbreitung pornographischer Schriften, zu entgehen.
Nach der genannten Norm wird bestraft, wer Personen unter 18 Jahren pornographische Schriften zugänglich macht, wobei den Schriften Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen nach § 11 Abs. 3 StGB gleichstehen.
Unter Pornographie ist nach Auffassung der Rechtsprechung die grobe Darstellung des sexuellen in drastischer Direktheit zu verstehen; die in einer den Sexualtrieb anstachelnden Weise dem Menschen zum bloßen (auswechselbaren) Objekt geschlechtlicher Begierde oder Betätigung jedweder Art degradiert.

Probleme
Rechtliche Probleme in diesem Zusammenhang ergeben sich in erster Linie aus dem Tatbestandsmerkmal der Zugänglichmachung, die ja gerade für Minderjährige verhindert werden soll. Man spricht in diesem Zusammenhang von so genannten geschlossenen Benutzergruppen.

Dies bedeutet grundsätzlich, dass ein Anbieter tatsächliche und/oder rechtliche Hindernisse aufzubauen hat, um einerseits seinen Willen zur Abwehr von Minderjährigen zu dokumentieren und andererseits diese tatsächlich größtenteils von der Einsichtnahmemöglichkeit auszuschließen. Ein vollständiger Ausschluss war vom Anbieter auch vor dem Stichtag nicht zu verlangen, wobei dies sowohl für den nichtdigitalen Bereich, zum Beispiel am Kiosk oder in der Videothek, als auch für das Internet selbst gilt. Die Frage ist, bis wann sind Umgehungsmöglichkeiten dem Anbieter noch zuzurechnen.

Speziell für pornographische Dienste in digitalen Kommunikationsnetzen hatte der Gesetzgeber die Anforderung in § 3 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjSM) konkretisiert. Hiernach soll der Anbieter seinen Schutzpflichten gegenüber Minderjährigen nur dann nachgekommen sein, wenn er durch „technische Vorkehrungen“ dafür Sorge getragen hat, dass das Angebot auf volljährige Benutzer im Inland beschränkt werden kann.

Die neue Regelung
Hier trifft § 4 Abs. 2 Ziff 3 JMStV seit dem 1. April 2003 tatsächlich eine gänzlich andere Formulierung. Nach dieser Bestimmung sind in Telemedien solche Angebote "zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe)“. Eine 100%ige Sicherheit dürfte hier nicht erwartet werden, da es eine solche im Offlinebereich zum Beispiel am Kiosk auch nicht geben dürfte.
Zwar muss man davon ausgehen, dass die Bundesländer hierdurch die Anforderungen anheben wollten, da aber die alte Regelung schon keine wirkliche Rechtssicherheit bringen konnte, dürfte dies auch hier ohne gefestigte Rechtsprechung nicht gelingen. Solche dauert bekanntermaßen leider Jahre.

Bisherige Praxis
Vorkehrungen werden bislang von der Praxis, zum Beispiel dadurch geschaffen, dass durch eine sogenannte „Schlüssigkeitsprüfung“ einer auf dem Personalausweis angegebenen Nummer eine automatisierte Überprüfung des Alters stattfindet. Andere Anbieter lassen sich postalisch oder per Telefax eine Kopie des Personalausweises zusenden oder erfüllen die Überprüfung durch einen obligatorischen Zahlungseingang des Kontoinhaber und Nutzers und/oder kombinieren diese Verfahren. Schließlich gibt es noch einen Anbieter der nach einer so genannten „Face-to-face- Kontrolle“ in Erotikshops eine Zugangs-CD zur Verfügung stellt, mit der der Zugriff auf den Erwachsenenbereich gewährt wird.

(Aktuelle) Rechtsprechung
Als aktuelle Rechtssprechung ist sicher das jüngst gesprochene und umfassende Urteil des Langerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2003 zu nennen, welches bereits hinreichend durch den im Verfahren bevollmächtigten Verteidiger kommentiert wurde.

Neue Zuständigkeit
Zuständige Aufsichtsbehörden in Jugendschutzfragen sind grundsätzlich weiterhin die Landesmedienanstalten. Für länderübergreifenden Angebote, also jeden Internetdienst, wird eine Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) bestehend aus 12 Sachverständigen als funktional zuständiges Willensbildungsorgan gegründet werden.

Ausblick
So ist es weiterhin jedem Adult-Webmaster zunächst selbst überlassen, welches Risiko er bei der Zugänglichmachung seiner nicht jugendfreien Inhalte eingeht. Kennwörter oder Personalausweisnummerüberprüfungen, die überall im Netz zu finden sind, sollten nunmehr tatsächlich zu wenig sein. Absolut „sichergestellt“ ist eine geschlossene Benutzergruppe jedoch selbst dann nicht, wenn ein Benutzerpasswort erst nach einem aus dem Bankwesen bekannten Post-ID-Verfahren zugeteilt wurde. Denn auch solche Passwörter sind selbstverständlich nicht vor Weitergabe oder Diebstahl gefeit.

Da fragt man sich allerdings wirklich, ob hier das Schutzgut der nicht „sexuell desorientierten“ Jugend nicht wirklich bloßen zum Politikum gemacht wird. Aus Sicht des Autors sollte der durch spezielle Vorkehrungen manifestierte ernsthafte Wille des Anbieters, sein Angebot nur Erwachsenen zugänglich zu machen, ausreichen. Es würde so jeweils auf eine Einzelfallentscheidung herauslaufen, ob der Anbieter des jeweiligen Angebotes, seiner Verpflichtung zum Jugendschutz hinreichend Rechnung trägt. Die Haftung des Anbieters sollte jedenfalls dort aufhören, wo das kriminelle Handeln des Users durch Täuschungshandlungen anfängt.Diejenigen, die aus Profitgier oder Gleichgültigkeit die Zugangsanforderungen maßlos nach unten schrauben, sollen sich über Repressalien dann allerdings nicht beschweren.

Es bleibt zu hoffen, dass durch technischen Vorschritt, etwa durch eine Gesichtskontrolle via UTMS-Handy oder standardisiert eingebauter Webcam im Rechner, sich die Kontrollmöglichkeiten verbessern. 100%ig werden Kontrollmöglichkeiten aber (hoffentlich) niemals werden.

Fazit
So oder so: Klarheit schafft der Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (JMStV) hinsichtlich des  richtigen Kontrollsystems für Adultinhalte jedenfalls nicht.