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Unzulässiges Cold Calling im Stromsektor, LG Heidelberg, Az: 12 0 54/16 KfH, Urt. v. 22.3.2017

Leitsätzliches

Unzulässiges Cold Calling im Stromsektor. Irreführende Angaben von Vertriebsmitarbeitern am Telefon.

Im Namen des Volkes

Urteil

 

vom 22. März 2017

In dem Rechtsstreit

Stadtwerke Heidelberg Energie GmbH, […]

 - Antragstellerin -

Prozessbevollmächtigte: Terhaag & Partner Rechtsanwälte,Graf-Adolf-Str. 70, 40210 Düsseldorf,

gegen

[…]

- Antragsgegnerin -

Prozessbevollmächtigte:  […]

wegen einstweiliger Verfügung

 

hat das Landgericht Heidelberg - 12. Kammer für Handelssachen - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht […] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2017 für Recht erkannt:

1. Die einstweilige Verfügung des Gerichts vom 27.12.2016 wird mit folgender Maßgabe bestätigt:

Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerin, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung verboten, geschäftlich handelnd

a.     gegenüber Kunden der Stadtwerke Heidelberg ausdrücklich oder sinngemäß zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, für die Stadtwerke anzurufen;

b.    gegenüber Kunden der Stadtwerke Heidelberg ausdrücklich oder sinngemäß zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, ein Tochterunternehmen der Stadtwerke zu sein;

2. Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin verlangt von der Verfügungsbeklagten Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens.

Die Parteien sind Energieversorger, die Verfügungsklägerin mit Sitz in Heidelberg, die Verfügungsbeklagte mit Sitz in Neu-Isenburg und versorgen Kunden im hiesigen Landgerichtsbezirk. Die Verfügungsbeklagte arbeitet im Vertriebsbereich mit selbständig tätigen Vertriebspartnern zusammen, vorliegend der Streitverkündeten […]

Am 30.11.2016 rief Frau […], die in ihrer eidesstattlichen Versicherung eine unvollständige Adresse im Kosovo angibt, bei dem Kunden der Verfügungsklägerin […] in Eppelheim an und sprach mit dessen Ehefrau. Die näheren Umstände dieses Telefonats sind zwischen den Parteien streitig. Der Kunde erhielt am selben Tag eine SMS auf seine Mobilfunknummer, in der er die namentlich genannte Verfügungsbeklagte mit einem geantworteten „Ja" bevollmächtigen sollte, seinen Stromvertrag mit der Verfügungsklägerin zu kündigen. Auf die SMS antwortete die Kundschaft nicht mehr. Die Kundschaft der Klägerin hatte sich nicht mit der telefonischen Kontaktaufnahme einverstanden erklärt.

Die Verfügungsklägerin behauptet,

die Anruferin habe bereits am 29.11.2016 einmal angerufen. Da habe es aber nicht gepasst. Am Folgetag habe sie erneut angerufen und behauptet, sie rufe von den Stadtwerken an und habe um die Angabe von Kundendaten gebeten. Frau […] habe die Daten durchgegeben im Glauben mit einer Mitarbeiterin der Verfügungsklägerin zu sprechen. Im Verlaufe des Gesprächs sei sie misstrauisch geworden und habe nachgefragt und zur Antwort erhalten, dass für eine Tochterfirma der Verfügungsklägerin angerufen werde.

Das Gericht hat antragsgemäß am 27.12.2016 folgende einstweilige Verfügung erlassen:

1. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an den gesetzlichen Vertretern der Antragsgegnerin, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung verboten, geschäftlich handelnd

a) gegenüber Dritten ausdrücklich oder sinngemäß zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, für die Stadtwerke anzurufen

b) gegenüber Dritten ausdrücklich oder sinngemäß zu behaupten und /oder behaupten zu lassen, ein Tochterunternehmen der Stadtwerke zu sein.

Die Verfügungsbeklagte hat mit SS vom 25.01.2017 eingegangen am 30.01.2017 Widerspruch eingelegt (AS 65).

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Heidelberg, 12 0 54/16 KfH, vom 27.12.2016 zu bestätigen und den Widerspruch zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass es statt „gegenüber Dritten" „gegenüber den Kunden der Stadtwerke Heidelberg" heißen möge.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 27.12.2016 aufzuheben und die hierauf gerichteten Anträge aus der Antragsschrift vom 23.12.2016 auch in der zuletzt gestellten Form zurückzuweisen.

Sie behauptet,

die Anruferin habe sich entsprechend dem Gesprächsleitfaden der Verfügungsbeklagten (VB 2) für Anrufe gemeldet, der vorsieht, dass die Anrufer ihren Namen mit dem Zusatz „von der […] im Auftrag von […]" sagen. Auf Nachfrage erläutere sie für gewöhnlich, dass die Verfügungsbeklagte eine Tochter der […] sei.

Für das weitere Parteivorbringen wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet.

Der für einen Verfügungsanspruch erforderliche Wettbewerbsverstoß der Verfügungsbeklagten in Form der Irreführung §§ 3, 5 Ab. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG und der gezielten Behinderung von Mitbewerbern §§ 3, 4 Nr. 4 UWG ist hinreichend glaubhaft gemacht (§ 294 UWG). Er ist zwischen den Parteien auch nicht in rechtlicher Hinsicht, sondern nur in Bezug auf den zugrunde zu legenden Inhalt der Telefonate streitig.

Das Gericht hält es nach Würdigung aller Umstände für überwiegend wahrscheinlich, dass Frau […] angab, für die Stadtwerke anzurufen, und im Verlauf des Gesprächs weiter behauptete, ein Tochterunternehmen der Stadtwerke zu sein, um bei Frau […] den Eindruck hervorzurufen, sie spreche mit ihrem bisherigen Stromanbieter, nämlich der Verfügungsklägerin. Für den Hergang des Gespräches am 30.11.2016 haben die Parteien jeweils eidesstattliche Versicherungen von Frau […] und Frau […] vorgelegt. Aus diesen geht der jeweilige Klagvortrag hervor.

Das Vorbringen der Verfügungsbeklagten kann zwar nicht deswegen als unglaubhaft eingestuft werden, weil die eidesstattliche Versicherung von Frau […] nicht im Original, sondern nur in einer über den Anwalt der Verfügungsbeklagten eingereichten Fotokopie vorliegt. Eidesstattliche Versicherungen sind nicht formbedürftig. Sie können etwa auch per Telefax gegenüber dem Ge­richt und dem Anwalt mit der Bestimmung, sie bei Gericht zu verwenden, abgegeben werden (BGH, Urteil vom 16. April 2002 — KZR 5/01 —, GRUR 2002, 915). Außer einer eidesstattliche Versicherung kommt auch eine schriftliche Erklärung einer Zeugin (§ 377 Abs. 3 ZPO) als Mittel der Glaubhaftmachung in Betracht. Für den Beweiswert der Einlassung im Zivilverfahren ist dabei nicht von maßgeblicher Bedeutung, nach welcher Bestimmung sich Frau […] im Falle einer unrichtigen Erklärung strafbar gemacht hätte, insbesondere weil sie aufgrund des ausführlichen Hinweises auf §§ 156, 161 StGB auf ihrer Erklärung von einer Strafbarkeit nach § 156 StGB aus­gehen musste.

Das Gericht sieht den klägerischen Vortrag dennoch als hinreichend glaubhaft gemacht und wahrscheinlich an. Gegen die Richtigkeit der eidesstattlichen Vernehmung der Anruferin bestehen nämlich Bedenken. Zum einen ist in ihr, zudem außerhalb der eigentlichen Versicherung, nur von einem Anruf die Rede, der am 30.11.2016 stattgefunden haben soll, während Frau […] von 2 Anrufen an aufeinander folgenden Tagen berichtet. Zudem soll der Anruf nach der Erklärung von Beklagtenseite um 13.22 Uhr stattgefunden haben, wobei die Uhrzeit des Anrufs am 30.11.2016 in der SMS mit 12.18 Uhr festgehalten ist. Zwischen dem Kosovo und Deutschland besteht aber keine Zeitverschiebung. Das Gericht hat keinen Anlass an den Angaben von Frau […], es habe zwei Anrufe gegeben, zu zweifeln. Laut der eidesstattlichen Versicherung von Frau […] hat sie hingegen die Uhrzeit einer Maschinenaufzeichnung entnommen und so offensichtlich keine eige­ne Erinnerung mehr an den konkreten Anruf. Auch wenn konkrete Erinnerungen aufgrund der Vielzahl von Anrufen, die Frau […] (möglicherweise) tätigt, nicht erwartet werden könnten und daher auch die Schilderung ihres üblichen Vorgehens nicht ohne Bedeutung wäre, gibt ihre Schil­derung zu Zweifeln Anlass. Die Anruferin will sich nämlich wie im Gesprächsleitfaden gemeldet haben, allerdings behauptete sie, sich als „Energieservice der […]" vorgestellt zu haben und klar gemacht zu haben, dass sie im Auftrag der Verfügungsbeklagten anrufe. Von einem „Ener­gieservice" ist im Gesprächsleitfaden nicht die Rede. Auch nach der Einlassung der Verfügungs­beklagten wurde der Gesprächsleitfaden demnach nicht wörtlich umgesetzt, sondern um An­schauliches und Einprägsames ergänzt. Ob Frau […] überhaupt der Gesprächsleitfaden der Verfügungsbeklagten vorlag, was die Verfügungsklägerin bestreitet und aus der eidesstattlichen Versicherung nicht eindeutig hervorgeht, kann daher dahinstehen. Zudem ist auch der Ge­sprächsleitfaden der Verfügungsbeklagten (VB 2) erkennbar unvollständig. So steht dort: (Kunde sollte möglichst die Vertragsdaten oder die Verbrauchsabrechnung zur Hand nehmen). Wie der Kunde dazu veranlasst wurde, diese Unterlagen zu holen, war demnach dem einzelnen Anrufer und Gesprächsverlauf vorbehalten. Frau […] gab an, sie sei misstrauisch geworden, als sie ge­merkt habe, dass sie etwas kündigen sollte. Da habe sie gefragt, ob die Anruferin ihre Daten nicht habe. Daraufhin habe die Anruferin gesagt, sie seien ein Tochterunternehmen der Stadtwerke. Die Angabe, ein Tochterunternehmen zu sein, diente nach den Angaben von Frau […] somit der Erklärung, warum die Kundendaten bei der Anruferin nur unvollständig vorlagen. Dies passt dazu, dass auch nach dem Gesprächsleitfaden der Verfügungsbeklagten die Kundennummer und die Zählerkennung erfragt werden mussten, sich also einem Gesprächspartner, der davon ausging, mit seinem Stromanbieter zu sprechen, Zweifel kommen konnten, warum der eigene Vertrags­partner diese Daten nicht hatte. Die Erklärung, man sei (eben nur) ein Tochterunternehmen, ergibt einen plausiblen Gesprächsablauf. Überhaupt hatte Frau […] keinen Anlass, einen Vorfall, wie den von ihr geschilderten, zu erfinden, während die Mitarbeiterin der Verfügungsbeklagten ein hohes Interesse daran hat, ein Vorgehen entgegen dem Gesprächsleitfaden der Verfügungsbe­klagten abzustreiten. Auch wenn diese Interessenlage für sich genommen noch nicht genügt, um von der Richtigkeit des klägerischen Vorbringens auszugehen, liegen hier jedoch weitere Anzei­chen für seine Richtigkeit vor. Während Frau […] eine schlüssige und plausible Darstellung des konkreten Geschehens mit Einzelheiten liefert, bleibt Frau […] Darlegung ohnehin nur eines üblichen Vorgehens substanzarm und hinsichtlich der Befolgung des Gesprächsleitfadens der Verfügungsbeklagten widersprüchlich. Das Gericht hält es deshalb für überwiegend wahrscheinlich (§ 294 ZPO), dass sich die Telefonate, wie von der Verfügungsklägerin dargestellt, abspielten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Änderung des Wortlauts des Antrags ist eine Konkretisierung, die kein Teilunterliegen darstellt. Selbst wenn man hiervon ausginge, fände § 92 Abs. 2 Nr. 1 iVm § 269 ZPO Anwendung. Das Urteil ist wie die einstweilige Verfügung ohne be­sonderen Ausspruch vollstreckbar.

[Unterschrift]