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Zur Unwirksamkeit einer Widerrufsbelehrung ohne die Überschriften “Widerrufsbelehrung” und “Widerrufsrecht” - BGH, Urteil v. 1.12.2010, Az.: VIII ZR 82/10

Leitsätzliches

Eine Widerrufsbelehrung, die zwar größtenteils inhaltlich dem gesetzlichen Muster entspricht, jedoch die Überschrift “Widerrufsbelehrung” und die Zwischenüberschriften “Widerrufsrecht”, “Widerrufsfolgen” und ggf. “finanzierte Geschäfte” nicht enthält, ist unwirksam.
Wird für die Belehrung alleine die Überschrift “Widerrufsrecht” verwendet, wird der Verbraucher darüber in die Irre geführt, dass ihm nicht nur ein Recht gewährt werde, sondern auch Pflichten auferlegt werden.


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Entscheidungsdatum: 1.12.2010

Aktenzeichen: VIII ZR 82/10

 

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2010 durch den Vorsitzenden Richter …. und die Richter …., …., …. und …

für Recht erkannt:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Gie-ßen vom 24. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger bestellte am 26. Januar 2007 bei der Beklagten über deren Website einen Computer zum Gesamtpreis von 1.866,45 €. Nachdem der Kläger Vorkasse geleistet hatte, lieferte die Beklagte den Computer am 14. Februar 2007 an den Kläger aus. Die der Warensendung beigefügte Rechnung enthält unter der Überschrift "Widerrufsrecht" eine Widerrufsbelehrung, in der es unter anderem heißt:
"Verbraucher können ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung."

Nachdem der Kläger Mängelrügen erhoben und den Computer mehrmals an die Beklag-te zurückgesandt hatte, trat er am 18. Juli 2007 per E-Mail vom Vertrag zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 30. Juli 2007 erklärte er hilfsweise den Widerruf des Vertrages.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 1.866,45 € nebst Zinsen sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,55 €. Das Amtsgericht hat der Klage zunächst durch Versäumnisurteil stattge-geben. Auf den Einspruch der Beklagten hat das Amtsgericht das Versäumnisurteil auf-gehoben und die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und das Versäumnisurteil des Amtsge-richts in Höhe von 1.866,45 € nebst Zinsen aufrechterhalten. Mit ihrer vom Berufungs-gericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des die Klage vollständig abweisenden erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausge-führt:

Der Kläger habe Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 1.866,45 €, da er seine auf Abschluss des Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam wider-rufen habe. Ihm stehe diesbezüglich ein Widerrufsrecht gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB zu, weil es sich um einen Fernabsatzvertrag im Sinne dieser Vorschrift handele.

Der Widerruf sei nicht gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB verfristet. Zwar habe der Kläger den Vertrag nicht innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der Ware widerrufen. Dies sei jedoch unerheblich, da die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Belehrung der Beklagten nicht zu laufen begonnen habe. Die von der Beklagten verwendete Klausel enthalte keinen ausreichenden Hinweis auf den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist und trage damit nicht den gesetzlichen Anforderungen Rech-nung, die an eine Belehrung gestellt würden. Die Belehrung sei nicht unmissverständ-lich und auch nicht umfassend. Der Verbraucher könne der Klausel wegen des verwen-deten Worts "frühestens" zwar entnehmen, dass der Beginn des Fristlaufs noch von wei-teren Voraussetzungen abhänge, werde jedoch darüber im Unklaren gelassen, um wel-che Voraussetzungen es sich dabei handele.

Dass die Widerrufsbelehrung der Beklagten inhaltlich der damals geltenden, inzwischen mit Wirkung vom 1. April 2008 hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist geänderten Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV entspreche, führe zu keiner anderen Beurtei-lung. Denn die auf der Ermächtigung in Art. 245 EGBGB beruhende Verordnung alter Fassung halte sich nicht in den Grenzen der Verordnungsermächtigung und sei daher nichtig. Art. 245 EGBGB gestatte keine den Verbraucher benachteiligenden Abwei-chungen von den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die Verordnung müsse daher den Grundanforderungen des § 355 Abs. 2 BGB genügen. Sie entspreche aber nicht diesen gesetzlichen Anforderungen.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Die Beklagte ist gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1 Satz 1, § 357 Abs. 1 Satz 1, § 346 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Kläger den gezahlten Kauf-preis für den Computer zurückzuzahlen, weil der Kläger seine auf Abschluss des Fern-absatzvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat. Das Berufungsge-richt hat mit Recht angenommen, dass der Kläger den Widerruf rechtzeitig erklärt hat, weil die Widerrufsfrist von zwei Wochen mangels ordnungsgemäßer Belehrung des Klägers über deren Beginn noch nicht zu laufen begonnen hatte.

Im Revisionsverfahren ist nur noch im Streit, ob die dem Kläger mit der Rechnung er-teilte Belehrung über das Widerrufsrecht den Lauf der Frist in Gang gesetzt hat. Das ist nicht der Fall.

1.
Durch Art. 1 Nr. 7 - 13 des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vor-schriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2355; im Folgenden: VerbrKrRL-UG) sind die Bestimmungen der §§ 355 ff. BGB über das Widerrufs- und Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen geändert worden. Diese Ände-rungen sind am 11. Juni 2010   nach Erlass des Berufungsurteils   in Kraft getreten (Art. 11 Abs. 1 VerbrKrRL-UG). Darüber hinaus sind zu diesem Zeitpunkt § 14 BGB-InfoV und die in den Anlagen 2 und 3 zu § 14 BGB-InfoV geregelten Muster für die Beleh-rungen über das Widerrufs- und das Rückgaberecht aufgehoben worden (Art. 9 Nr. 4 VerbrKrRL-UG). Auf das vorliegende Vertragsverhältnis finden das Bürgerliche Ge-setzbuch und die BGB-Informationspflichten-Verordnung jedoch noch in der bis zum 11. Juni 2010 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB). Gemäß § 16 BGB-InfoV ist für die Beurteilung der von der Beklagten am 14. Februar 2007 erteilten Widerrufsbelehrung das bis zum 31. März 2008 geltende Muster für die Beleh-rung über das Widerrufsrecht maßgebend.

2.
Die Revision stellt nicht in Frage, dass diese Belehrung hinsichtlich des Beginns der Frist nach der Rechtsprechung des Senats unzureichend ist und deshalb den Lauf der Frist nicht gemäß § 355 Abs. 2 BGB in Gang setzen konnte. Der Senat hat bereits ent-schieden, dass die Formulierung  "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" den Verbrau-cher über den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist nicht richtig belehrt, weil sie nicht umfassend ist. Der Verbraucher kann der Verwendung des Wortes "frühestens" zwar entnehmen, dass der Beginn des Fristlaufs noch von weiteren Voraussetzungen abhängt, wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, um welche Vor-aussetzungen es sich dabei handelt (Senatsurteil vom 9. Dezember 2009   VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 Rn. 13, 15). Das gilt auch im vorliegenden Fall.

3.
Die Revision meint aber, dass die Widerrufsfrist gleichwohl zu laufen begonnen habe, weil die Belehrung dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung entsprochen habe und sich die Beklagte deshalb auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen könne. Das trifft nicht zu.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, dass das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbe-lehrung in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung vom 2. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3102) nichtig sei, weil die damalige Fassung der Musterbelehrung den Be-stimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht entsprochen habe. Eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung (BGBl I 2004 S. 3102) ist der Beklagten schon deshalb verwehrt, weil die Beklagte gegenüber dem Kläger für die Widerrufsbelehrung kein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung vollständig entspricht (vgl. Senats-urteil vom 9. Dezember 2009   VIII ZR 219/08, aaO Rn. 20, zur Belehrung über das Rückgaberecht; BGH, Urteil vom 12. April 2007   VII ZR 122/06, BGHZ 172, 58 Rn. 12).

a) Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV genügt die Belehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwandt wird. Dafür reicht es nicht aus, dass die von der Beklagten verwendete Beleh-rung, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist mit der entsprechenden Formulierung in der bis zum 31. März 2008 gel-tenden Fassung des Musters für die Widerrufsbelehrung in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV wörtlich übereinstimmt. Auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV könnte sich die Beklagte nur berufen, wenn sie ein Formular verwendet hätte, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 gel-tenden Fassung vollständig entsprochen hätte (vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 2009   VIII ZR 219/08, aaO; BGH, Urteil vom 12. April 2007   VII ZR 122/06, aaO). Das hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und ist auch nicht der Fall. Auch die Revision macht dies nicht geltend. Sie meint nur, dass die Widerrufsbelehrung der Beklagten inhaltlich dem Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der zum Zeit-punkt des Vertragsschlusses maßgeblichen Fassung entsprochen habe und die Abwei-chungen in der äußeren Gestaltung der Widerrufsbelehrung vom Muster unerheblich seien. Das trifft nicht zu. Die Widerrufsbelehrung der Beklagten entspricht, wie der Se-nat durch einen Vergleich selbst feststellen kann, weder inhaltlich noch insbesondere in ihrer äußeren Gestaltung dem Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung.

b) Die Widerrufsbelehrung der Beklagten stimmt schon inhaltlich nicht vollständig mit dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV überein. Es fehlen die im Muster vorgeschriebene Überschrift "Widerrufsbelehrung" und die die Belehrung gliedernden Zwischenüberschriften "Widerrufsrecht", "Widerrufsfolgen" und "finanzierte Geschäf-te". Stattdessen enthält die Widerrufsbelehrung der Beklagten nur die einzige Über-schrift "Widerrufsrecht". Durch diese Überschrift wird verschleiert, dass der Verbrau-cher nicht nur ein Widerrufsrecht hat, sondern auch erhebliche Pflichten im Falle der Ausübung dieses Rechts. Die Belehrung wendet sich auch nicht, wie es das Muster vor-sieht, konkret an den Adressaten der Belehrung ("Sie"), sondern ist abstrakt formuliert ("Verbraucher"), ohne den Rechtsbegriff "Verbraucher" zu erläutern. Schließlich fehlt in der Belehrung über das Widerrufsrecht für finanzierte Geschäfte der zweite Satz des Gestaltungshinweises 9 der Musterbelehrung.

Vor allem aber genügt die Widerrufsbelehrung der Beklagten in ihrer äußeren Gestal-tung weder den gesetzlichen Anforderungen noch der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der für den Vertragsschluss maßgeblichen Fassung. Zwar darf die vom Unter-nehmer verwendete Widerrufsbelehrung in Format und Schriftgröße von dem Muster abweichen (§ 14 Abs. 3 BGB-InfoV). Dies ändert aber nichts daran, dass die Wider-rufsbelehrung   auch bei Verwendung des Textes der Musterbelehrung   "deutlich ges-taltet" sein muss (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB). Diesem Deutlichkeitsgebot genügt die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung   anders als die Musterbelehrung   nicht an-nähernd.

Durch das Fehlen der in der Musterbelehrung vorgeschriebenen Überschrift "Wider-rufsbelehrung" wird für den Verbraucher schon nicht hinreichend deutlich, dass die kleingedruckten Ausführungen unter der Überschrift "Widerrufsrecht" eine für den Verbraucher wichtige Belehrung enthalten, und zwar nicht nur über sein Widerrufs-recht, sondern auch über die mit der Ausübung des Rechts verbundenen Pflichten.

Darüber hinaus ist die Widerrufsbelehrung der Beklagten für einen durchschnittlichen Verbraucher nur mit großer Mühe lesbar, weil die Schrift extrem klein ist und jegliche Untergliederung des Textes fehlt. Es fehlen nicht nur die in der Musterbelehrung vorge-schriebenen Zwischenüberschriften, sondern auch jegliche Absätze. So wird insbeson-dere nicht deutlich, dass sich unter der Überschrift "Widerrufsrecht" auch Ausführungen zu den Widerrufsfolgen und zu finanzierten Geschäften verbergen und an welcher Text-stelle die betreffenden Ausführungen beginnen und enden. Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass die Widerrufsbelehrung insgesamt in einer der Musterbelehrung ent-sprechenden Weise deutlich gestaltet wäre; diese gilt insbesondere im Hinblick auf die Informationen über die für den Verbraucher nachteiligen Widerrufsfolgen.

Damit weicht die Widerrufsbelehrung der Beklagten insbesondere in ihrer äußeren Ges-taltung so erheblich von den gesetzlichen Anforderungen und dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung ab, dass nicht festgestellt werden kann, die Beklagte hätte ein Formular verwendet, das die-sem Muster vollständig entspricht.

Unterschriften

Vorinstanzen:
AG Gießen, Entscheidung vom 28.04.2009 - 43 C 1798/07 -
LG Gießen, Entscheidung vom 24.02.2010 - 1 S 202/09 -